Prinz Max von Baden, 1923 + 1929

HA VI. Nachl. Becker. Rep.92 B. Nr.6188

318. C.H.B. an Prinz Max von Baden, Salem (Baden). Berlin, 16.11.1923

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Hochzuverehrender Prinz.

Euer Hoheit telegrafische Anfrage über Oberschulrat Michaelis habe ich sofort in empfehlenden Sinne beantwortet. Wenn ich mir eine briefliche Begründung vorbehielt, so geschah es in der Absicht, Euer Hoheit über die Stellung von Michaelis im Berliner Schulleben kurz zu informieren.

Michaelis ist unzweifelhaft ein tüchtiger Schulmann und guter klassischer Philologe und dienstlich besonders mit Prüfungsvorschriften und Examensanforderungen vertraut. Wenn auch der alten Schule angehörig, hat er doch Verständnis für moderne Experimente bewiesen, wovon ich mich persönlich bei einem gemeinsamen Besuche der städtischen Versuchsanstalt auf der Insel Scherfenstein im Tegeler See überzeugen konnte. Natürlich ist er nicht die bezwingende und führende Persönlichkeit, die Reinhardt war, und ich würde es nicht als im Interesse der Schloßschule liegend erachten, wenn er als dauernder Leiter in Frage kommen sollte. Dafür ist er doch zu altmodisch und dem neuen Stande der Dinge zu fern stehend. Politisch ist er wohl ziemlich ahnungslos, wirkt deshalb aber wie alle sogenannten Unpolitischen im Sinne der Rechten. Jedenfalls sind manche seiner Maßnahmen und Handlungen so gedeutet worden, und es hat sich ein wahres Kesseltreiben der Linken gegen ihn entwickelt, wodurch er zu einer gewissen Belastung für die Regierung wurde. Irgendetwas disziplinär zu Ahndendes ist ihm nicht vorzuwerfen gewesen. Aber seine Unfähigkeit, sich der neuen Zeit anzupassen, hat uns doch veranlaßt, ihm einen freiwilligen Rücktritt vor dem Erreichen der Altersgrenze zu erleichtern.

Ich wollte das ganz offen sagen, um Euer Hoheit vollkommen ins Bild zu setzen, kann aber nur wiederholen, daß er, losgelöst von der Berliner Atmosphäre und herausgenommen aus der ständigen Verärgerung durch Zeitungsangriffe, bei seinem unbedingten pädagogischen Geschicke und seiner hervorragenden klassisch-philologischen Bildung als vorübergehender Leiter der Schloßschule nur wärmstens empfohlen werden kann.

Darf ich diesen Anlaß benutzen, Euer Hoheit noch einmal Dank zu sagen für die liebenswürdige Aufnahme, die ich in Schloß Salem gefunden habe. Euer Hoheit wissen, welch warmes Interesse ich der Salemer Schule entgegenbringe, und ich kann nur wiederholen, das alles, was ich gesehen und gehört habe, mich in der Überzeugung bestärkt hat, daß unter Euer Hoheit Patronat ein sehr ernster und bedeutungsvoller Versuch unternommen wird, dem ich volles Gelingen wünsche.

Mit der Bitte, der Frau Prinzessin meine ehrerbietigste Empfehlung übermitteln zu wollen, habe ich die Ehre, Euer Hoheit mit besonderer Verehrung zu begrüßen

Als Euer Hoheit ergebenster (C.H.B.)

 

319. C.H.B. an Berthold Prinz von Baden, Salem. Berlin, 6.11.1929

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Telegramm (?)

Zum Heimgang Ihres Herrn Vaters1 spreche ich Ihnen und Ihrer hochverehrten Frau Mutter meine und meiner Frau innigste Teilnahme aus. In stolzer Freude werden Sie immer Ihres Vaters gedenken können, der in schwerer Zeit sich rückhaltslos dem Vaterlande zur Verfügung gestellt hat und dessen edle Menschlichkeit allen unvergeßbar sein wird, die das Glück seiner persönlichen Bekanntschaft genießen durften.

Kultusminister Becker


1 Prinz Max von Baden *1867 +1929 wurde im Oktober 1918 Reichskanzler

Gertrud Bäumer, 1929-33

HA VI Rep.92 Becker B.Nr. 6273

315. MdR Gertrud Bäumer1 an C.H.B., Kultusminister. Berlin 28.8.1929

(Maschinenmanuskript)

Verehrter Herr Minister!

Wenn ich Ihnen das beiliegende Manuskript übersende, so geschieht in der Annahme, daß es Sie interessieren wird, das von Ihnen geprägte Wort vom dritten Humanismus schon in der internationalen Diskussion zu finden. Bei dem Internationalen Kongreß für Pädagogik in Genf Ende Juli hat Albert Thomas, der Direktor des Internationalen Arbeitsamtes, einen der Hauptvorträge über das Bildungsproblem des Arbeiters gehalten und in diesem Vortrag das Stichwort vom „neuen Humanismus“ programmatisch gebraucht. Ich habe in meinem Vortrag über die Verbindung von beruflicher und allgemeiner Bildung dieses Stichwort von Thomas aufgenommen, und darum dachte ich, daß das Manuskript Sie interessieren würde. Es ist in englischer Sprache, weil nur von der englischen Übersetzung, die ich selbst angesichts des zu 47 % angelsächsischen Publikums gegeben habe, mir eine Nachschrift zur Verfügung stand.

Es war sehr interessant, wie auch in verschiedenen Ansprachen das gleiche Problem aus dem pädagogischen und schulorganisatorischen Entwicklungsstand der verschiedensten Länder, – auch des Ostens – auftauchte.

Ich brauche das Manuskript nicht zurück.

Mit verbindlicher Empfehlung (gez.) Gertrud Bäumer

 

316. C.H.B. an MR’ Dr. Bäumer, MdR. Berlin, 12.9.1929

(Maschinenkopie)

Sehr verehrte gnädige Frau!

Von einer Auslandsreise nach Berlin zurückgekehrt, fand ich hier Ihre freundlichen Zeilen vom 28. August d. Js. vor, für die ich Ihnen verbindlich danke. Das ihnen beigefügte Manuskript habe ich mit lebhaftem Interesse gelesen.

Natürlich bin ich mit der Tendenz sehr einverstanden, namentlich auch mit der Schlußforderung der einheitlichen Leitung der Allgemein- und Berufs-Schulausbildung. Leider sind wir in Preußen davon noch weit entfernt. Ich wäre aber für jede Hilfe in dieser Richtung außerordentlich dankbar.

Mit verbindlichen Empfehlungen

Ihr sehr ergebener (C.H.B.

Anlage

Vortrag von Gertud Bäumer auf dem Pädagogik-Kongreß in Genf 1929

Mr. Albert Thomas at the end of his very impressive speech on Saturday has put the question, if in fact vocational toil for the great mass of the population engaged in industrial work can be the whole meaning of their life – if educators as well as social reformers have not to face a higher aim; man as he is in himself, in his own rights, his own pride an dignity, “the form complete” –as Walt Whitman says. And he spoke of a new educational ideal rising with the emancipation and social development of the working classes, which has already been given the name of the “new humanism”.

I want to stick to this word. For it is just the formula for the solution of the educational problem of which I have to speak: the problem how to combine the proper equipment of the young people for the battle of life with that deeper an more general culture of their personality, which from a higher, not purely utilitarian, point of view, for the sake of the dignity of human life has to be indispensable and everlasting key-aim of education. And we have to face this task not only as a question of the preservation of “humanities” in the schemes of higher or university education, but also – and chiefly – as the quite new and modern question, how to give this culture to the masses together with that just as indispensable vocational training in the work they are likely to follow.

In all countries, whose economic and social life has been shaped by technical development, we note an ever-growing tension between the rising exigencies of vocational life on education and the worker’s performances and the ideals of broadness and totality of human and personal culture. The question, how to adapt the educational system to these economic necessities and at the same time preserve space for the human culture of body and soul and for the training of the spiritual and moral forces needed by the community just as badly as practical faculties – this has put himself as the very central problem of the construction as well as of programs and methods of the educational system. Discussion in all countries is full of these problems – in the newspapers as well as in the deliberations of educational circles and administrations.

  • On the one side the complaints of the so called practical people, that schools in devoting too much of their time to “useless” subjects, do not properly equip their scholars for life,
  • on the other side the struggle of the teachers to persuade the public of the worth of culture for its own sake, –

  • on the one side the obstinacy of old tradition against the necessities of a fundamentally changed world,

  • on the other a rather flat and short-sighted under-appreciation of everything that is not “useful” in a very primitive and superficial sense of the word.

It is one of the fatal effects of this cruel commercial rivalry and this passionate and frenzies struggle between Nations that everywhere man is sacrified to business and industry. Production can’t – even if it would like to – escape the incessant urge of competition to raise its efficiency by rationalising, even if this efficiency can only be attained at the price of degrading man – as Mr. Thomas has pointed out – into an annex of the machine. Certainly – the psycho-technical science – beginning with its American pioneers – has begun to realise that the working man is not simply a mechanical force, but a living being with a soul, but investigations into the nature of this living instrument of production only goes as far as its use as working force is concerned, and the statements on the motives and moves of this production instrument end with the last stage of the assembly line. The psycho-technical science is indifferent towards the workers as fathers and mothers, sons or daughters, neighbours or citizens. It is not interested in their taste and thirst for the treasures of culture, or in the deeper questionnings on life stirring within them, or the great thoughts of eternity coming to them.

Everywhere we see two stages in the development of education. In the historical beginnings of the public school-systems – be their roots founded in a want of religious or of civic education – they certainly aimed at a general human education, be it ever so simple and primitive, and did not take the child merely as a future worker. The ascent of education from the elementary school to College and University meant an increasing and deepened cultivation of what the Romans called “humanitas” – an educational ideal and a name that have been preserved in the European educational systems.

This development is interrupted and even broken off by the irresistible claims of the new professional life. The professional system under the influence of applied science has become at the same time immensely specialised, subdued to a whirl of incessant changes and, being splintered up in endless purely mechanic occupations, yet as a whole intellectualised.

The educational systems adjusted themselves, at first hesitatingly, then rather rapidly, to these new circumstances. Today we see an immense increase of professional and technical training in all countries, together with the organisation of vocational guidance and new and modern regulations of all sorts of apprenticeship. The expanding of the modern system of equipment for industrial life is on the point of overgrowing the traditional school system and yet is still far from its final standard.

This remarkable progress of vocational training in the last decades presents two aspects. On the one side it is part of an armament in the feverish economic competition of the nations; on the other side is a very valuable educational movement to meet new wants for skilled work in the best way and to give the young people in a rational and systematic form what otherwise they had to pick up by chance.

But while we are all still trying to meet the incessant demand for all kinds and types of vocational training, the question of the fate and everlasting right of the “humanitas” ideal is advancing upon us, strengthened by a new and very strong political reason: the progress of democracy and the political responsibility of all citizens for all the big questions of national life. The working man, who in his team work on the assembly line has to accomplish the same operation scores of thousands of times, as a citizen bears equal responsibility with the University man, and in many countries – for instance my own – represents the strongest political power. On his vote depend not only the questions of peace and war, of economic and social politics, but also the questions of education and culture. This means that his training cannot be confined to his outfit for work. He too has a right and a claim to this idea of “humanitas”, taken in the new and modern sense Mr. Thomas had in his mind, when he spoke of the humanism needed. With the traditional cultivation of “humanitas” at school there is connected the character of exclusiveness, the concentration of culture on a small class of people, leaving the thirst of improvement and knowledge of the multitude to that bit of elementary teaching given in the primary schools and to pure vocational drill. What we need is an education in “humanitas” that means raising the level of feeling and thought of the masses in a form adapted to their needs and to the necessities for their life, giving them, as Mr. Gilbert Murray said, higher wishes and surer beliefs.

In saying this I realise, that there is a great difference in the social conditions of Europe and the New World. In a country with so many unexploited possibilities and resources of the United States, with such confidence in still growing property you can encourage the largest numbers of students to work their way through college, and the main question seems to be to give everybody a chance to get on. I take from a little book of John Bunn the figure of students enrolled in Colleges and Universities of the U(nites) St(ates) is 500 000 on a population of 119 millions. Germany with a population of about half as many millions has only an enrolment of 112 000 in her Universities, which yet give rise to very serious anxiety, because it is undoubtedly much too large for the limited openings in higher professions. Therefore we have to try to confine the ascent to university to the very fittest – taking them of course from all classes of the people. And as far as I see the same rather tragic situation prevails in other European countries: that they have an expanding competition of highly trained intelligence and too little professional space for them.

But even if the percentage of candidates for higher professions could be raised much higher than it can be with the limited opportunities of Europe – the big mass still remains in the middle and lower sphere of professional life. And the great problem for all the countries is, how to raise the cultural level of these masses, without neglecting the urgent training for skilled work.

Now there are two ways possible to accomplish this.

  • The one is the prolongation of general and fundamental education before vocational training or professional work is beginning. I do believe that we must come to an obligatory school attence of nine years –combined with what Mr. Thomas asked for: a prohibition of child labour up to the fifteenth year.
  • But on the other hand I do not believe in the usefulness of encouraging or even compelling masses of practically gifted children to go through secondary schools, before they are admitted to certain professions or institutes for professional training. There seems to be after the war in European countries an overflowing of secondary schools by children, who are not of the intellectual type with which secondary educations as preparation for University must reckon and who are thrown out of their proper way, without being capable to perform really valuable work on their new lines. By these types the sharp division between the cultured and the uncultured classes will not be abolished, but embittered by disappointment and failure.

  • Therefore we must try an other way and that is to penetrate vocational training with sufficient elements of general culture, to “humanise” it – if I may take up once more the formula of the “new humanism”, that is to say to widen and to deepen it – in preserving its strictly professional character. Boys or girls have to be impressed throughout their professional training by the greater sphere of responsibility spreading all around their professional activities, being closely and by many organic relations connected with it, and demanding not only efficiency in work but a standard and an individual power of mental refinement, character and human and social value. I believe that the words of Walt Whitmann to a pupil still apply to the situation of labour in modern society: “Is reform needed? Is it through you? The greater the reform is needed the greater the Personality you need to accomplish it.”

This programme demands in some sense a new idea of culture. The academic man of Europe brought up on the venerable classical ideas of a spiritual culture based on philosophy and historical knowledge and thought, has some difficulties in catching up with another possibility: the educational ideal of a man who just like the artisan of the Middle ages is in every sense up to the demands of his circle of life:

 

  • as a worker,
  • as a citizen,
  • as a member of his church,

and impresses us with the simple harmony and the round efficiency of his life, without having gone all this long way through thoughts and arts and performances of all ages and Nations in order to be cultivated. We can’t under so changed and so much more complicated circumstances revive that man in his sane and simple totality – but we may create a modern type of him, and whoever on politics or other spheres of social life has come in touch with the representatives of labour of today, must know this modern type.

We must loosen this sharp division of one group of schools giving what we call “general education” and excluding strictly any professional aspect, even the general training of manual qualities – and another group giving nothing but vocational training without any broader background. We must realise, that human education of those masses of our young people who go to work from the primary school or after a very short vocational training cannot be achie-ved in that space of time that it demands a very systematic care of the age of manhood or womanhood.

Let me point out the chief items of what is necessary:

  1. a vocational guidance for the young people leaving the obligatory school, that is not only aimed at to finding them a job, but – in cooperation with the school – looks after their human qualities and bears in mind that the profession has to serve not only a means of their earning living but as the happy or unhappy sphere of all their active forces.

  2. An educational spirit in shops and factories and all places where young people are employed, whether they go through regular apprenticeship or whether they are and remain unskilled. We have before our legislation in Germany just now a new law, that does not only regulate apprenticeship after modern principles but charges the employer with a responsibility for the general bodily and mental welfare of all the young people, in their employ, apprenticed or not, beyond the mere questions of labour protection.

For a young boy or girl entering working life at fourteen or fifteen the question of further human development is a question of spare time. Children imprisoned in an eight hours work day without holydays besides Sundays cannot, with very few exceptions, be expected to have energies left for self-improvement and any concentrated work of self education. It is the tension between the perhaps often unconscious longing for it and the hard and tiring pressure of work that leads very often to the crisis of this age. That there really exists a very strong longing, a very strong feeling of a claim that youth has to all-sided human development, is shown by our youth-movement, that can be defined as a reaction of youth itself against the human shortcomings in the conditions of modern life. As to the labour-conditions their demand is that young people under eighteen should have paid holidays, and a great exhibition of all our youth-organisations last year has shown, that they are able to make use of these holidays in a way that all educators can only heartily endorse.

  1. The continuation-school, that has to be obligatory up to the eightieth year. There has been much discussion, whether the continuations-school had to be a prolongation of primary schools or part of a vocational education. The decision in Germany, though both forms are existing side by side, has, I may say, been given in the latter sense and the continuation-school is now called “Berufsschule”. But that does not mean that it is nothing but a complementary vocational training for the prentices and young workers. Its ideal is very clearly – and is ever more clearly worked out – to widen the aspect of the professional work which remains the centre of the continuation-school, by physical training, personal culture, civil education and a deeper understanding of the national roots of their existence.
  2. The programmes and methods of vocational schools, technical schools, schools of commerce a.s.o.. In these programmes and methods the tendency to develop a new type of “humanism” out of the very centre of practical efficiency has its broadest field of action. I do believe that for my country as well as for other European countries the most important and promising educational work is to be found here, in the raising of level of all these institutes not be merely multiplying and specialising the subjects, but by preparing a higher and broader conception of them.

  3. This can only be done by the qualification of the teachers. We train the teachers for our professional schools in vocational teachers-training-colleges (berufspädagogische Institute). To enter these institutes they must have the maturity for the University and at least two years of professional work or a training in a vocational school. The studies in the VTTrC take two years and we mean to extend them further to three years. The idea is, that these teachers have to combine the aspects of higher education with a perfect experience in the practical work, which their scholars want to learn. So, being at home in both spheres of education, they are enabled to educate the new type we want: a youth with a solid practical training, with all necessary qualities for nature of their education protected against the danger of being swallowed up by commercialism.
  4. One last item: in the question of administration. In my opinion, the merging of the two great aims of an educational system: practical efficiency and human culture can only be fully guarantied, if the administration of the vocational and the general branches of education at the centre is not separated. A vocational training system under the auspi-ces of industrial or commercial boards is always in danger of sacrifying the education-al to the purely utilitarian tendences. I would like to mention the brilliant speech with which Mr. Herriot in France defended the reform by which he put the vocational school system under the Ministry of Education.

Perhaps many of you think that there is too much idealism in the conception of this new humanism rising out the whirl and haste of industrial life, out of factories and shops and all the places of economic struggle. But as educators we have to look at the possibility with an eye of faith. For it is the only way, to revive the ideals which have once formed European culture, under circumstances, that must otherwise without doubt ultimately defeat them.

317. Gertrud Bäumer an C.H.B. Berlin, Charlottenburg, Fürstenplatz 1, 13.1.1933

Verehrter Herr Minister!

Ich danke Ihnen sehr für die Übersendung Ihres Aufsatzes, den ich in der Vossischen Zeitung schon gelesen hatte, und auch dafür, daß Sie mein Buch in Ihre Charakteristik einbezogen haben. Inder Beurteilung allerdings des Buches von Helbing stimme ich nicht ganz mit Ihnen überein.- Aber das ist zu weitschichtig für briefliche Darlegung.Vielleicht findet sich einmal eine Gelegenheit, darüber zu sprechen.

Mit verbindlicher Empfehlung (gez.) Dr. G. Bäumer


1 Gertrud Bäumer *1873 Bethel + 1954, führend in der deutschen Frauenbewegung, gab mit Helene Lange die Zeitschrift „Die Frau“ heraus (1931-44), MdR

Auswärtiges Amt, 1922-33

 

VI HA Nl Becker. Nr. 80

304. Auswärtiges Amt an C.H.B., Staatssekretär. Berlin, 31.5.1922

Hier: Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht, Potsdamer Str. 120

J.Nr.IX. B. 11511. Auf die Eingabe vom 15. November (1921)

(Maschinenmanuskript)

Das Auswärtige Amt ist davon überzeugt, daß die Auslandsabteilung des Zentralinstituts für Erziehung und Unterricht für das Deutschtum im Auslande von großer Bedeutung sein kann, und es ist daher zur Förderung der Arbeit dieser Abteilung bereit, nach Maßgabe der verfügbaren Mittel dem Zentralinstitut zunächst eine einmalige Beihilfe von 40 000 Mark zu gewähren. Die Legationskasse ist angewiesen, diesen Betrag dem Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht auf Anfordern auszuzahlen. Insoweit dem Auswärtigen Amte in Zukunft die erforderlichen Mittel zur Verfügung stehen, wird es auch im nächsten Jahre auf einen alsdann dortseits erneut zu stellenden Antrag gern einen weiteren Zuschuß in Aussicht nehmen.

Das Auswärtige Amt darf bei diesem Anlaß die Erwartung aussprechen, daß ihm im Vor-stande der Jubiläumsstiftung Sitz und Stimme eingeräumt wird, um so mit der Arbeit der Auslandsabteilung in engere Fühlung kommen zu können.

Im Auftrage gez. Soehring.

 

305. Maltzhan, Auswärtiges Amt, an C.H.B. Berlin, 25.6.1923

Attaché-Ausbildung in Berlin

(Becker wird der Themenkreis

Der Kreis der orientalischen Frage (Vorderasien, der Islam und die Politik der Großmächte angeboten. Vgl. auch DHfP)

Generalprogramm

1. Geschichte

I.

  1. Geschichte des europäischen Staatensystems und der großen Politik. (…)
  2. Hauptlinien und Grundtendenzen der deutschen Geschichte mit besonderer B Berücksichtigung des 19. Jahrhunderts (…)

II.

  1. Staatenkunde, Einleitung und Gesamtübersicht vom geopolitischen Standpunkte.
  2. Die angelsächsische Welt

a) England und seine Kolonien
b) Nordamerika

  1. Die romanische Welt
    1. Frankreich
    2. Italien
    3. Spanien
    4. Südamerika
  2. Die slawische Welt, Ost- und Südosteuropa
  3. Der Kreis der orientalischen Frage
    1. Islam und europäische Großmächte
    2. Persien, Türkei, Nordafrika
  4. Der Ferne Osten
    1. China
    2. Japan

III.

  1. Demokratie, Arbeiterbewegung, Sozialismus (…). Parteibildung und Parteiprogramme, vor allem in Deutschland mit vergleichendem Ausblick nach England und Frankreich.
  2. Internationale Mächte und Bewegungen (kirchlicher, rechtlicher und sozialer Art) und ihre Organe in ihrem Verhältnis zum Staatensystem und ihre Wirkung auf dieses.
  3. Meister der Politik in der neueren Zeit ( Richelieu, Friedrich d.Gr., Katharina II, Napoleon I., Hardenberg, Cavour, Disraeli, Bismarck)

IV.

  1. Geschichte, System und Technik des diplomatischen Dienstes.
  2. Übungen an Hand von Akten des Auswärtigen Amtes.
  3. Geschichte, System und Technik des Nachrichtendienstes

B. Volkswirtschaft und praktisches Wirtschaftsleben

  1. Der Aufbau der Weltwirtschaft und die Stellung der deutschen Volkswirtschaft in ihr
  2. Geld- und Kreditwesen.
  3. Die Handelspolitik der wichtigsten Staaten
  4. Handel und Verkehr.
  5. Kapitalistische und sozialistische Wirtschaftsordnung
  6. Finanzsystem der Großmächte.
  7. Technik des Welthandels.
  8. Innenorganisation der Unternehmungen einschl. Buchhaltung und Finanzwesen.
  9. Ein oder zwei Studienreisen jedes Jahr sowie kleinere Besichtigungen landwirtschaftlicher, gewerblicher u.a. Betriebe in Berlin und näherer Umgebung.

C. Recht

  1. Grundfragen des deutschen Staatsrechts unter besonderer Berücksichtigung der für den auswärtigen Dienst wichtigen Kapitel.
  2. Vergleichendes Verfassungsrecht (Haupttypen der Staatsverfassungen)
  3. Hauptfragen des Völkerrechts.
  4. Völkerrechtliche Übungen.
  5. Der Vertrag von Versailles und die durch ihn geschaffenen Rechtsverhältnisse

Vorlesungen und Übungen

 

306. C.H.B. an AA Berlin, 2.7.1923

(Zustimmung Beckers.)

Wenn ich die Formulierung richtig verstehe, so wird von mir keine Vorlesung oder Übung über die Vorderasienpolitik der Mächte im allgemeinen erwartet, sondern eine spezielle Beschränkung auf den Islam als Problem der inneren und äußeren Politik für orientalische wie europäische Staaten.

 

307. AA (Herr Freytag) an C.H.B, Preußischer Kultusminister. Berlin, 3.3.1928

(Maschinenmanuskript)

Sehr verehrter Herr Staatsminister!

Erlauben Sie mir im Anschluß an unser Gespräch von Mittwoch Abend, Ihnen, nachdem ich mich noch genauer informiert habe, Folgendes mitzuteilen:

Die vollzogene Ernennung von Herrn Professor Herzfeld zum wissenschaftlichen Sachver-ständigen der Gesandtschaft in Teheran hoffe ich, Ihnen in kurzer Zeit mitteilen zu können. Da diese Bestellung in einem gewissen Zusammenhang mit der Frage von sogenannten Kulturattachés steht, bestanden zunächst gewisse Bedenken, die aber jetzt behoben sind.

Wie ich Ihnen schon mündlich auseinandersetzen durfte, ist die Einrichtung des Archäologischen Instituts in Konstantinopel lediglich um ein Jahr aufgeschoben. Ich habe mit dem Botschafter Nadolny vereinbart, daß die Verankerung des Instituts im Etat des Jahres 1929 erfolgen wird. Herr Nadolny glaubt, daß bis dahin eine Einigung mit den Türken in dieser Frage erzielt werden kann. Herr Professor Schede hat jedoch bereits jetzt volle praktische Arbeitsmöglichkeit, da ich ihm aus dem Fonds meiner Abteilung in diesem und im kommenden Rechnungsjahr einen Zuschuß von je 35 000 Mark zur Verfügung stelle.

(gekürzt)

 

308. C.H.B. an MinDir, de Haas, AA. Berlin, 14.7.1930

(Maschinenkopie) Nr. III A 2451

Hochverehrter Herr Ministerialdirektor,

Anbei überreiche ich den mir freundlichst übersandten Ministerialpaß mit ausgefüllter Unterschrift und unter Beifügung der gewünschten Paß-Photographien. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie sich der Sache so freundlich annehmen. Mit meinem preußischen Ministerialpaß habe ich bisher nie Schwierigkeiten gehabt und ich weiß nicht, ob die preußischen Bestimmungen in diesen Punkten wirklich so streng sind wie die des Reiches. Aber mir ist es unter allen Umständen lieber, im Auslande auf einen Reichspaß als auf einem Länderpaß zu reisen, da ich zu den Leuten gehöre, die der Meinung sind, daß nach außen nur das Reich als solches auftreten sollte. Wenn für den Sichtvermerk meines Sohnes1 noch irgendwelche Unterlagen notwendig sind, so darf ich vielleicht darauf hinweisen, daß er mich erstens als Sekretär begleitet und zweitens die Gelegenheit benutzen möchte, seine im vorigen Jahre in den Vereinigten Staaten angefertigte Dissertation über amerikanisches Budget-Recht noch einmal an Ort und Stelle zu überprüfen.

Mit verbindlicher Empfehlung und aufrichtigem Dank Ihr ergebenster (C.H.B.)

 

309. AA an C.H.B. Berlin, 30.7.1931

(Maschinenmanuskript)

Sehr verehrter Herr Professor!

In Vertretung von Herrn Geheimrat Terdenge, der sich zur Zeit in Urlaub befindet, beehre ich mich Ihnen auf Ihre liebenswürdigen Zeilen vom 26.Juli 1931 mitzuteilen, daß eine Befreiung von der Ausreisegebühr für die Teilnehmer an internationalen wissenschaftlichen Kongressen leider nicht möglich ist. Dem Auswärtigen Amt, das in der Angelegenheit nicht federführend ist, steht irgendwelche Einwirkung auf die Gestaltung der Ausführungsbestimmungen nicht zu. Auch für den Kauf von Devisen können leider keine besonderen Vergünstigungen vom AA vermittelt werden. Das Amt muß es unter den gegebenen Verhältnissen den zu den Kongressen entsandten Vertretern ebenso wie seinen eigenen Beamten überlassen, ihre Reisen nach den allgemein geltenden Bestimmungen einzurichten.

Mit dem Ausdruck vorzüglichster Hochachtung Ihr sehr ergebener gez. (Riehl)

 

310. C.H.B. an das AA. Berlin, 5.8.1931

(Maschinenkopie)

Nachdem der Völkerbund mich mit einer Mission nach China betreut hat, über die dem Auswärtige Amt das Nähere bekannt ist, bitte ich mir zum Zwecke dieser Reise einen Ministerialpaß ausstellen zu wollen und mir zugleich die nötigen diplomatischen Visen zu beschaffen. Da die Ausreise über Amerika und die Rückreise über Vorderasien geht, werde ich folgende Visa brauchen:

  • Vereinigte Staaten von Amerika
  • Canada
  • Japan
  • China
  • Niederländisch-Indien
  • Britisch-Indien
  • Irak
  • Persien
  • Syrien
  • Egypten.

Voraussichtlich werde ich nicht alle Visa brauchen; aber die genaue Route für meine Rückreise steht noch nicht fest, und so ist es wohl richtiger, diese Rückreisevisa sich zu verschaf-fen. Ebenso bitte ich vorsehen zu wollen, daß ich auch im Notfall mit der Sibirischen Eisenbahn zurückfahren kann (russisches Visum).

Um in Bezug auf mein Reisegepäck keine Schwierigkeiten zu haben, wäre ich dankbar, wenn mir eine Grenzempfehlung für die Vereinigten Staaten, Canada und Japan verschafft werden kann. (…)

Die Personalien nach meinen bisherigen Pässen sind folgende:

  • D. Dr. Carl Heinrich Becker
  • Staatsangehörigkeit: Preußen
  • Geburtsort: Amsterdam
  • Geburtsdatum: 12. April 1876
  • Wohnort: Berlin-Steglitz, Schillerstr.2
  • Gestalt: Mittel, schlank
  • Gesicht: oval
  • Augen: blau
  • Haar: dunkelblond
  • Besondere Kennzeichen: keine.

In ausgezeichneter Hochachtung Ihr sehr ergebener (C.H.B.)

 

311. AA, Freudenberg an C.H.B. Berlin, 26.4.1932

VI W 3655/32

Hochverehrter Herr Minister!

Wie ich Ihnen heute früh in Aussicht stellte, erlaube ich mir, Ihnen hiermit Durchdruck eines Berichts des Generalkonsulats Shanghai mit einer Serie von Bildern über die Zerstörungen der Tun-Chi-Hochschule zu übersenden.

Mit angelegentlichen Empfehlungen bin ich gez. Ihr aufrichtig ergebener Freudenberg

Anlage des Deutschen Generalkonsulats Shanghai vom 31.3.1932

Inhalt: Auswirkungen des japanisch-chinesischen Konflikts auf die Tun Chi Universität

Anbei beehre ich mich einen Satz von dreizehn Lichtaufnahmen in je vierfacher Ausfertigung von den Universitätsgebäuden und den Dozentenhäusern der Tun Chi Universität mit dem Anheimstellen geeignet erscheinender Verwendung vorzulegen.

  • Bild 1 zeigt das Hauptlehrgebäude der Universität, dessen Dach und Vorderfront einige Volltreffer erhalten hat.
  • Bild 2 zeigt die Lehrstätten, das Maschinenhaus und Elektrolaboratorium. Das Dach des Maschinenhauses (Mitte des Bildes) ist erheblich beschädigt, das Elektrolaboratorium (rechte Seite des Bildes) durch eine Fliegerbombe fast vollständig zerstört.
  • Bild 3 zeigt das Innere des durch die Fliegerbombe zum Einsturz gebrachten Elektrotechnischen Instituts.
  • Bild 4 zeigt den noch nicht ganz vollendeten Neubau des mit deutschem Gelde im vorigen Jahre gebauten Lehrgebäudes für die Mittelschule, das verhältnismäßig geringfügige Beschädigungen am Dache erlitten hat.
  • Bild 5 zeigt das Alumnat und alte Lehrgebäude, das ebenfalls Beschädigungen am Dach und der Vorderfront erhalten hat.
  • Bild 6 zeigt im Hintergrund das gleiche Gebäude wie Bild 5, im Vordergrund die Schmalseite des im Sommer vorigen Jahres fertiggestellten Physiologischen Instituts, das besonders schwer mitgenommen ist.
  • Bild 7 zeigt die Woosung-Rehde zugewandte Rückfront des Physiologischen Institut,.
  • Bild 8 eine Innenaufnahme des gleichen Instituts.
  • Bild 9 zeigt die erste der in zwei Blocks von je vier Häusern gebauten Dozenten-wohnungen, die von dem chinesischen Generalsekretär der Universität bewohnt wurde. (…)
  • Bild 10 zeigt das außerhalb des eigentlichen Universitätsgeländes gelegene Dozentendoppelhaus, das von den Professoren Stumpf und Requard und den Mittelschullehrern Rehbein und Schade bewohnt wurde.
  • (…)
  • Die Bilder 11 bis 13 zeigen das Innere des oberen Stockwerks der Wohnung des Dekans der technischen Fakultät, Professor Slotnarin. Die Inneneinrichtung der anderen Dozentenhäuser ist teils weniger, teils aber noch erheblich stärker zerstört oder beschädigt (Auf der Rückseite der Fotos ist vermerkt Zerstörung durch Granaten!)

Die Gesandtschaft in Peping und die Botschaft in Tokyo erhalten Abschrift dieses Berichts unter Beifügung je zweier Ausfertigungen des Satzes der Lichtaufnahmen.

Der Verband für den Fernen Osten erhält einen Satz der Aufnahmen durch den Dekan der technischen Fakultät direkt. Gez. Frh. v. Rüdt

 

312. C.H.B. an AA, Kulturabteilung, Gesandter Freitag. Berlin, 4.6.1932

(Maschinenkopie)

Unter Bezugnahme auf meinen mündlichen Vortrag bei dem Herrn Gesandten Freitag und nach persönlicher Rücksprache mit mehreren Herren der Abteilung beehre ich mich als Vizepräsident des internationalen Pädagogen-Kongresses in Nizza (Weltbund für Erneuerung der Erziehung) eine Unterstützung des Kongresses im Interesse einer würdigen Vertretung des Deutschtums bei dieser internationalen Aussprache zu beantragen. Indem ich einen deutschen Prospekt und ein für den internen Gebrauch gedrucktes vorläufiges Programm beifüge, möchte ich hervorheben, daß ich mich zur Übernahme des Vizepräsidiums nur entschlossen habe, nachdem die bisher von einer bestimmten Richtung getragene deutsche Sektion des Weltbundes für Erneuerung der Erziehung sich mit anderen pädagogischen Richtungen unter meinem Vorsitz zu einer Beratung zusammengefunden hatte, in der für eine paritätische Vertretung aller modernen Richtungen in der deutschen Pädagogik Sorge getragen war.2
Ich halte eine Vertretung Deutschlands bei diesem Kongreß deshalb für notwendig, weil er bei den anderen großen Nationen stets ein erhebliches Echo gefunden und sich zum größten internationalen pädagogischen Kongreß entwickelt hat. Da auf solchen Kongressen nicht ver-hindert werden kann, daß weniger geeignete Elemente mangels einer offiziellen Vertretung das Deutschtum und die deutsche Politik kompromittieren, scheint es mir dringend nötig, wenigstens für diejenigen Gebiete, an denen wir ein politisches Interesse haben, ruhige und sachverständige Beauftragte zu Worte kommen zu lassen.

(Im folgenden bittet Becker um Reisestipendien für 12 Pädagogen wegen der allgemeinen Schwierigkeit der privaten Finanzen. Insgesamt fordert er 3000 RM.)

In ausgezeichneter Hochachtung Ihr sehr ergebener (C.H.B.)

 

313. AA, Gesandter Freitag an C.H.B. Berlin, 12.6.1932

VI S 3036 (Maschinenmanuskript)

Für eine deutsche Beteiligung an dem diesjährigen Internationalen Pädagogen-Kongreß in Nizza habe ich Ihrer Anregung entsprechend aus Mitteln des Auswärtigen Amts 3000 RM (Dreitausend RM) bereitgestellt.

Die Legationskasse des Auswärtigen Amts hat einstweilen Anweisung erhalten hiervon 1000 RM … zu überweisen.3 Den Restbetrag von 2000 RM bitte ich ergebenst entweder unmittelbar oder durch die Deutsche Pädagogische Auslandsstelle zum Zeitpunkt des tatsächlichen Bedarfs, gegebenenfalls in Raten vom Auswärtigen Amt anfordern zu wollen.

Ich wäre dankbar, wenn aus dieser Reichsbeihilfe nicht mehr als 10 deutsche Vertreter mit Reisezuschüssen versehen würden, da eine zehnköpfige Vertretung Deutschlands auf dem Kongreß hier angesichts der gespannten Finanzlage des Reichs für ausreichend erachtet wird.

Die Deutsche Pädagogische Auslandsstelle, Berlin, hat Kenntnis von diesem Schriftwechsel erhalten, mit der Bitte, zu gegebener Zeit für die Beibringung von Verwendungsnachweisen über die Beihilfe Sorge zu tragen. Im Auftrag Freytag

 

314. Deutsche Botschaft Rom via AA an C.H.B. Rom, 25.1.1933

(Maschinenkopie)

Chinesische Kommission zum Studium des Unterrichtswesens in Italien.

Dieser Tage ist eine sechsköpfige chinesische Kommission, die sich zwei Wochen in Italien zum Studium des Unterrichtswesens aufgehalten hat, wieder abgereist, um die Studienreise in Österreich und Rußland fortzusetzen. Die Kommission hat sich in Mailand, Genua, Rom und Neapel aufgehalten. Ihre Reise in Italien war durch die italienische Kommission für geistige Zusammenarbeit im Einvernehmen mit den zuständigen Ministerien vorbereitet worden. Nach den in der Presse erschienenen Berichten über die Reise ist von der Kommission ein sehr umfangreiches Programm durchgeführt worden.

Auffallend ist die große Aufmachung, mit der die chinesischen Gäste hier, offenbar aus politischen Gründen, empfangen wurden.

2 Presseberichte, (liegen nicht bei).

(Gez.) Hassell.


1 Es handelt sich um Walter Becker, meinen Patenonkel, der leider Anfang des Zweiten Weltkrieges fiel.

2 Hervorhebung vom Herausgeber

3 Das sind bereits verauslagte Kosten bei der Vorbereitung des Kongresses in Deutschland.

C. van Arendonk, 1913

HA VI Rep.92 Becker A. Nr. 64

302. C. van Arendonk, Leiden/Holland. An C.H.B. in Hamburg. Leiden,19.2.1913

Sehr geehrter Herr Professor,

Auf Ersuchen von Herrn Professor Houtsma beehre ich Ihnen mitzuteilen, daß der einge-sandte Teil Ihres Artikels Egypten ungefähr 13 Spalten einnehmen wird.

Es freut mich hiermit Gelegenheit zu haben, die während des September-Kongresses gemachte Bekanntschaft brieflich wieder anzuknüpfen; wäre nur nicht die indirekte Anleitung die Überanstrengung des Herrn Dr. Hartmann, dessen Stelle ich während seiner Erholung vertrete.

Bald hoffe ich Ihnen die Proben senden zu können.

Nach freundlichem Gruße, auch von meinem Contubernale Herrn Schricker

ergebenst C. van Arendonk

 

303. C.H.B. an C. van Arendonk, Leiden. Hamburg, 3.6.1913

(Maschinenkopie)

Sehr geehrter Herr,

In Beantwortung Ihrer Mahnkarte vom 29. Mai teile ich Ihnen ergebenst mit, daß ich bei Abschluß des Artikels Ägypten an Herrn Prof. Houtsma geschrieben habe, daß ich im laufenden Jahre keine Zeile mehr für die Enzyklopädie zu schreiben im Stande wäre.

Ich habe noch gesundheitlich unter den Folgen dieser Arbeit zu leiden, und muß nun erst einige andere Pflichten erfüllen. Um Ihnen aber zu helfen, habe ich den Artikel Gharbíye an Dr.Graefe, den Artikel Giryeh an Herrn Ritter übertragen. Der Artikel Gizeh braucht nicht geschrieben zu werden, es genügt ein Verweis auf Cairo, wo ich alles wesentliche über Gizeh gesagt habe.

Ich benutze die Gelegenheit darauf hinzuweisen, daß in den Separatabzügen meines Artikels „Ägypten“ allerlei ärgerliche Druckfehler passiert sind. So ist auf S.5. links unten die letzte Zeile in die rechte Columne gerutscht. Ferner ist auf S.21 rechte Spalte noch nachträglich das richtige Akmar-Moschee meines Manuskriptes von der Redaktion in das falsche Ahmar-Moschee verschlimmbessert worden.

Mit verbindlichen Grüßen Ihr Ihnen sehr ergebener (C.H.B.)

Dr. Asmis, 1920-29

HA VI. Rep.92 Becker A. Nr.71

296. Reichsministerium des Innern (III), Dr. Asmis an C.H.B. Berlin, 18.9.1920

(Maschinenmanuskript)

Hochverehrter Herr Staatssekretär!

Ich möchte nicht verfehlen, Ihnen auszusprechen mit welcher Genugtuung und Freude ich aus den Tageszeitungen Ihre Ausführungen zu dem Thema Bildungsaufgaben im neuen Deutschland anläßlich der Kieler Herbstwoche für Kunst und Wissenschaft gelesen habe. Ich wäre Ihnen außerordentlich dankbar, wenn Sie mir, falls der Vortrag im Druck erscheinen sollte, ein Exemplar der Veröffentlichung zugehen lassen würden. Aus Äußerungen des Herrn Staatssekretärs Schulz am heutigen Vormittage entnehme ich, daß Ihre Darlegungen zur Flaggenfrage ihn mindestens in dieser Beziehung nachdenklich gestimmt hatten.

In aufrichtiger Verehrung Ihr sehr ergebener gez. Dr. Asmis.

 

297. Dr. Asmis an Minister C.H.B. Berlin, 26.11.1921

(Maschinenmanuskript)

Hochverehrter Herr Minister!

In der Annahme, daß die Vorgänge in Afrika auch heute noch für Sie Interesse habe, erlaube ich mir in der Anlage einen Sonderabdruck meines soeben in den Preußischen Jahrbüchern erschienen Aufsatzes Afrikanische Weltprobleme zu übersenden. Es würde zweifellos interessant und wertvoll sein, wenn einmal von berufener Seite auch die Frage untersucht würde, wie sich der Islam zu den jetzt in Afrika sich ankündigenden Umwälzungen stellt.

Mit der Versicherung meiner ausgezeichnetsten Hochachtung Ihr aufrichtig ergebener gez. (Geheimrat)1 Dr. Asmis

PS. Anmerkung Beckers: Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft, Anlage absenden: Becker, Der Islam im Rahmen einer allgemeinen Kulturgeschichte .(1920?)

 

298. Dr. Asmis an C.H.B. z.Z. Taschkent, 12.4.1923

Sehr geehrter Herr Staatssekretär,

mein Aufenthalt in Taschkent hat mich mit Ihrem Spezialkollegen, der früher in Petersburg, jetzt an der hiesigen Universität wirkenden Professor Schmidt zusammengeführt, der z.Z. Rektor des hiesigen orientalischen Instituts ist. Ich habe in Herrn Schmidt einen sehr geschei-ten, liebenswürdigen Herrn kennen gelernt, der den dringenden Wunsch hat, wieder mit der ausländischen, insbesondere der deutschen Gelehrsamkeit und innerhalb dieser mit Ihnen in wissenschaftlichen Konnex zu kommen. Sind doch die sämtlichen Professoren hier von der wissenschaftlichen Außenwelt nahezu völlig abgeschlossen. Herr Schmidt hat nur für Sie und für die Bibliotheken Berlin und Leipzig je ein Exemplar seiner letzten erst während des Krieges herausgekommenen Veröffentlichung, für die er auch deutsche Handschriften benutzt hat, übergeben. Ich lasse Sie Ihnen anliegend zugehen und wäre Ihnen dankbar, wenn Sie die für die Bibliotheken bestimmten Werke an diese weiterleiten würden.

Herr Schmidt würde sich, glaube ich, sehr freuen, wenn Sie ihm Ihrerseits Ihre letzten Veröffentlichungen über die Beziehungen von Islam und Christentum zukommen lassen würden. Sind Sie dazu bereit, so stelle ich Ihnen anheim, das Buch über die Kurierstelle unseres Auswärtigen Amtes, Wilhelmstraße 76 zusenden zu lassen. Ich werde es dem Herrn Schmidt aushändigen. Mich würde es ebenfalls freuen, wenn Sie sich hierzu entschließen würden, da ich die Herstellung von Beziehungen zwischen der deutschen und der russischen Gelehrsamkeit für eine wesentliche Unterstützung bei der Herstellung allgemeiner guter deutsch-russischer Beziehungen halte. Ich lebe hier jetzt in der „Welt des Islam“. Das Ferghanatal, Buchara, Samarkand, Chiwa, Hierer (?unleserliche Bleistift-Handschrift), Aschchabad sind u.a. auch meine Reiseziele. Kann ich an einem der Orte für Ihre Arbeiten irgend welche (….) Beschaffungen vornehmen, so bin ich dazu gern bereit. Auch zur Aufnahme von Photographien.2 Nur bitte ich Sie mir das möglichst umgehend mitzuteilen, da ich einige der Orte wohl schon in nächster Zeit aufsuchen werde. Es ist auch nicht ausgeschlossen, daß ich in die chinesischen Grenzgebiete, die ja auch ganz überwiegend mohammedanisch sind, komme.

Mit bester Empfehlung Ihr Ihnen aufrichtig ergebener gez. Dr. Asmis

Adresse: Auswärtiges Amt, Berlin, Wilhelmstraße 76, Kurierstelle, Nachsenden

 

299. C.H.B. an Dr. Asmis, Taschkent. Berlin, 17.5.1923

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Sehr geehrter Herr Asmis!

Ich danke Ihnen vielmals für die Vermittlung der „Schmidt’schen“ Bücher und für Ihr freundlichen Zeilen aus der Welt des Islams. Von Herrn Krüß habe ich gelegentlich schon von Ihrer hochinteressanten und Sie gewiß sehr befriedigenden Reise erfahren. Spezielle Wünsche habe ich leider nicht, da ich ja vom heiligen Bürokratius aufgefressen bin. Nur nebenher lese ich noch Kolleg. Zurzeit halte ich historische Übungen über das Leben Mohammeds vor 12 Mohammedanern und 4 Christen; eine nicht uninteressante Aufgabe.

Wir leben hier in einer schweren Zeit, und ich sehe mit Sorge der Zukunft entgegen.

Mit verbindlichsten Grüßen und besten Wünschen Ihr ergebenster (C.H.B.)

Herrn Geheimrat Dr. Asmis, Auswärtiges Amt, Kurierstelle, Berlin, abgesandt 24.5.

 

300. Dr. Asmis an C.H.B. Eldena in Pommern, 23.6.19239

Sehr verehrter Herr Minister,

ich komme am 26.und 27. des Monats nach Berlin und werde im Hôtel Habsburger Hof am Anhalter Bahnhof wohnen. Sie würden mich zu besonderem Dank verpflichten, wenn Sie mich am 26. vormittags oder zu beliebiger Stunde am 27. empfangen könnten. Ich möchte, anknüpfend an unsere letzte Unterhaltung auf dem Abendessen der D.A.J.4 Ende April des Jahres, gern einige Fragen dienstlicher und persönlicher Art mit Ihnen besprechen. Vielleicht haben Sie die Liebenswürdigkeit, mir telefonisch oder schriftlich in den Habsburger Hof Nachricht zu schicken zu lassen, ob Sie meinen Wunsch erfüllen können.

In alter Verehrung Ihr aufrichtig ergebener gez. Dr. Asmis

Anmerkung Beckers: Für Marienbad zurücklegen. 8.7.

 

301. C.H.B. an Dr. Asmis. Marienbad, 23.7.1929

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Asmis!

Herzlichen Dank für Ihren freundlichen Brief aus Pommern, den ich erst in der Stille meines Marienbader Kuraufenthaltes beantworten kann. Es tut mir aufrichtig leid, Sie am 26. und 27. nicht empfangen zu können, da ich erst am 10. August nach Berlin zurückkehre. Ich würde mich riesig gerne wieder einmal ausführlich mit Ihnen unterhalten haben und gebe die Hoffnung nicht auf, daß das doch noch zwischen meiner Rückkehr und Ihrer Ausreise möglich sein wird. Ich bitte Sie dann möglichst bald nach dem Verfassungstage im Ministerium unter Privatsekretariat anzurufen, um einen Termin zu verabreden.

Mit verbindlichen Grüßen in bekannter herzlicher Verehrung Ihr ergebenster (C.H.B.)


1 Zusatz des Empfängers

2 Unterstreichungen von Becker.

3 Muß wohl 23. Juli heißen!

4 Deutsche Auswärtige Gesellschaft?

Raymund Aron, 1932

HA VI. Rep.92 A. Nr.69

293. Raymund Aron an C.H.B. Berlin-Wilmersdorf, Landhausstr.14 (o.D.)

A mesure qu’on a plus d’esprit, on trouve qu’il y a plus d’hommes originaux. Les gens du commun ne trouvent pas de différence entre les hommes.

294. C.H.B. an Raymund Aron. Berlin, 19.11.1932

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Aron!

Ich danke Ihnen freundlich für das Zitat. Es ist allerdings so pointiert, daß ich es leider nicht zitieren kann, ohne die Amerikaner zu beleidigen, und liegt mir fern.

Ich denke gern an unsere Unterhaltung zurück und sende Ihnen anbei zwei Aufsätze, von denen Sie den italienischen behalten wollen, während ich Sie leider bitten muß, mir den deutschen zurück zu schicken, da es mein letztes Exemplar ist. Ich glaube aber, daß es eine schöne Basis für eine Diskussion zwischen uns werden wird.

Mit verbindlichen Grüßen Ihr sehr ergebener (C.H.B.)

 

295. Raymund Aron an C.H.B. Berlin, den 12.12 1932

Sehr geehrter Herr Minister!

Ich schicke Ihnen Ihren Aufsatz zurück und bitte um Entschuldigung für die

Verspätung.

Natürlich bin ich im großen und ganzen mit Ihrem neuen historischen Bewußtsein einverstanden. Und ich würde gern Ihre These als Anfangspunkt für eine Diskussion hinnehmen. Wenn man die Laizität des Positivismus überwunden hat, bleibt noch eine schwierige Aufgabe zu erfüllen: eine neue Methode, die neue Philosophie der Geschichte aufzubauen. Die Verhältnisse unserer Geschichte und dem Geschehen sind ja lange nicht so einfach, wie der frohe Positivismus sich vorgestellt hat. Aber desto notwendiger wird die Reflexion, die uns die Grenzen und den Wert der historischen Kenntnisse klar macht. Ohne diese positive Lösung des Problems bleibt die Überwindung des Positivismus ein Ende des Skeptizismus und nicht ein Fortschritt des philosophischen Bewußtsein.

Die heutige Krisis ist nicht nur die Befreiung von einer toten Materialsammlung und des unmöglichen Wie einer Abbildung der Realität, sondern auch die Unfähigkeit an ihren alten Glauben zu verzichten, weil man keinen anderen hat und weil das Absterben der Götter langsam vor sich geht.

Dazu kommt, daß wir selbst zu viel Geschichte erlebt haben, um nicht auf einer Seite das Bedürfnis zu empfinden, auf die Vergangenheit zurückzugreifen und wir nicht auf der anderen Seite die Problematik der geschichtlichen Rekonstruktion wir am Leibe gespürt zu haben – und diese Rekonstruktion brauchen wir doch! Weil wir mitten in der tragischen Wirklichkeit stehen, wo alles wieder in Frage gestellt wird, verlangen wir nach einer Wieder-eroberung der Vergangenheit um zur Zukunft vorwärts zu gehen und die Kontinuität wieder-herzustellen. Wir wollen, daß die Historie der Gegenwart dient und doch kann die Wissen-schaft dem Leben wirklich helfen, wenn sie wahr ist. Doch diese Spannung zwischen dem Lebensbedürfnis und dem Wahrheitsideal, zwischen dem geschichtlichen Erleben und dem Vertrauen ist die Historie.

Aber diese Spannung ist nun die Gegebenheit. Es ist Pflicht und Ziel, in der Tat und der Philosophie den Gegensatz auf einer höheren Stufe des Denkens und der Lebenseinstellung aufzuheben

Entschuldigen Sie diese vagen und kurzen Bemerkungen, die Ihnen zeigen werden, mit welchem Interesse ich Ihren Aufsatz gelesen habe, und wie gern ich mit Ihnen über diesen Fragenkomplex diskutieren würde.

Mit dem Ausdruck aufrichtiger Sympathie und vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich

Raymund Aron

van Aubel, 1920

A VI Rep.92 Becker A. Nr.74

291. C.H.Becker an van Aubel1, Vorsitzender der deutschen Studentenschaft. Berlin, 24.8.1920

Der Staatssekretär (Maschinenkopie)

Sehr geehrter Herr van Aubel.

Sie bitten mich um Auskunft darüber, woher das Gerücht über den Abbau der Universitäten entstanden ist. Ich will Ihnen das gern vertraulich mitteilen. Dabei glaube ich kaum, eine Indiskretion zu begehen, nachdem an verschiedenen Stellen bereits die Veranlassung bekannt geworden ist. Die Debatte über einen Abbau der Universitäten setzte ein, als Frankfurt genötigt war, um staatliche Hilfe zu bitten. Im Finanzministerium glaubte man schon unter Südekum, die nötigen Summen nicht aufbringen zu können, ja, man liebäugelte mit dem Gedanken, an den Universitäten zu sparen. Dabei ging man von dem richtigen Gedanken aus, daß Deutschland z.Zt. zu viel Akademiker erzeugt, und daß eine weitsichtige Finanzpolitik eine Überflutung mit Beamtenanwärtern hintanhalten muß. Damals suchte ich in einem Privatbrief, den Minister Südekum davon abzubringen, Frankfurt eingehen zu lassen und brauchte dabei die unvorsichtige Wendung, daß ich wohl bereit sei, mit mir reden zu lassen, wenn die absolute finanzielle Notlage uns dazu zwänge, eine oder die andere Universität zu reduzieren, daß aber die Universität Frankfurt als kultureller Vorposten gegen Frankreich eine nationale Notwendigkeit sei, und daß es eine politische Dummheit ersten Ranges sei, gerade Frankfurt eingehen zu lassen2. Dieser Privatbrief ist dann irgend einem geschäftigen Referenten in die Hand gefallen, und der hat darauf sofort in einem amtlichen Schreiben zu äußern gewagt, daß das Kultusministerium den Abbau von Universitäten auch für nötig hielte. Bei der Aussprache im Staatsministerium anläßlich der Subvention für Frankfurt habe ich ausdrücklich erklärt, daß nur ein völliger Zusammenbruch unserer Finanzen eine solche Maßnahme rechtfertige, und daß selbst dann eine Zusammenlegung nur auf Grund der Verabredung zwischen verschiedenen Ländern erfolgen könne. All das waren für mich aber nur taktische Äußerungen, da ich wußte, daß eine solche Vereinbarung nie zu erzielen sein wird, und ich hoffte, durch ein solches Vorgehen den sehr gefährdeten Bestand Frankfurts zu retten. Letzteres ist ja nun auch tatsächlich gelungen, und damit wäre die Sache erledigt gewesen, wenn nicht durch den inzwischen ins Amt getretenen neuen Finanzminister Lüdemann das Abbauproblem ein vollkommen neues Gesicht erhalten hätte.

Lüdemann ist Techniker, hat wohl auch einmal auf der Technischen Hochschule studiert, schwört aber auf die sogenannte mittlere technische Erziehung3. Auf der gleichen Linie liegen seine Pläne über volkswirtschaftliche Mittelschulen. Nun muß man wissen, daß weite kreise der Sozialdemokratie mit großem Mißtrauen gegen das reaktionäre Beamtentum erfüllt sind. Man lehnt die Akademikerwelt als fortschrittsfeindlich überhaupt ab und sucht, im angeblichen Interesse des neuen Staates die Reservoire zu unterbinden, aus denen sich die Akademikerwelt rekrutiert: Universitäten und höhere Schulen. Nach den schlechten Erfahrungen, die man mit manchen neuen Männern in amtlichen Stellen gemacht hat, sieht man ein, daß man die Arbeitersekretäre vor ihrer Verwendung auf wichtigen Posten akademisch bilden muß. Auch erfordert die tägliche Mitarbeit der Arbeiterschaft an allen möglichen Stellen akademische Funktionäre. Daher der Gedanke, der, wenn er richtig ausgeführt wird, auch meiner Überzeugung nach zweifellos zum Nutzen des Vaterlandes dienen wird. Von seinen Urhebern wird er allerdings manchmal mißverstanden. Jedenfalls entspringt er bei vielen von diesen einem Gefühl des Mißtrauens und der Feindschaft gegenüber der alten Akademikerwelt. Diese Arbeiterakademien kosten natürlich Geld. Dieses Geld möchte man bei den Universitäten durch einen bisher sehr unklar vorgestellten Abbau ersparen. Damit hofft man zugleich die Zahl der Studierenden herabzusetzen, was natürlich völlig falsch ist. Dabei fordert man auf der anderen Seite die Zulassung der Volksschullehrer zu den Universitäten. Sie sehen also schon daraus, wie wenig durchgedacht der ganze Plan ist. Trotzdem hat Herr Lüdemann es für richtig gehalten, gleich nach seinem Amtsantritt ein großes Rundschreiben nicht nur an sämtliche preußische, sondern auch an die Reichsressorts gehen zu lassen, in dem er den Abbaugedanken im Zusammenhang mit der Begründung von Arbeiterakademien einer grundsätzlichen Aussprache zu unterziehen empfiehlt. Gegen alle bisherige Übung ging dieses Schreiben ohne vorherige Fühlungnahme mit dem Kultusministerium heraus, und dieses Schreiben ist es, daß die große Beunruhigung hervorrief, da es ganz naturgemäß nicht geheim bleiben konnte. Wir waren darin ersucht, kommissarische Besprechungen einzuleiten.

Wir haben daraufhin erklärt, daß die Fürsorge für die Universitäten Sache der Länder und nicht des Reiches sei, und haben in Aussicht genommen, auf der bevorstehenden Hochschul-konferenz der Länder in Bad Elster die Möglichkeit einer Rationalisierung des Betriebes zur Debatte zu stellen. Die kommissarischen Besprechungen haben wir abgelehnt. Es ist übrigens sehr interessant gewesen zu beobachten, daß sich Herr Lüdemann auf der ganzen Linie eine Abfuhr holte. Manche Ressorts haben sogar sehr deutlich geantwortet4. Ich beabsichtige nun, zum kommenden Etat eine kleine Denkschrift dem Landtage vorzulegen, in der diese Frage erörtert werden soll. Wir müssen natürlich mit Rücksicht auf die Finanzziele eine behutsame Universitätspolitik treiben und können nicht mehr so aus dem Vollen wirtschaften wie vor dem Kriege. Aber von Schließung einzelner Universitäten darf m.E. überhaupt keine Rede sein. Ich denke mir Einsparmöglichkeiten nach der Richtung, daß wir z.B. nicht mehr an jeder Universität 3 Professuren für klassische Philologie haben, daß man aber beim Freiwerden einer dieser Stellen den Posten nicht streicht, dafür aber ihn durch einen Nationalökonomen oder den Vertreter einer neu aufkommenden Disziplin besetzt. Weiter sollen bestimmte Universitäten besondere Aufgaben bekommen, wie Göttingen Mathematik und Physik. An diesen Orten sollten dann mehrere Professoren des betroffenen Faches nebeneinander wirken, während an anderen Universitäten nur ein Normalbetrieb aufrecht erhalten bleiben soll. Wer sich auf einem Gebiet wirklich wissenschaftlich spezialisieren will, muß dann die Universität aufsuchen, an der gerade sein Fach eine besondere wissenschaftliche Vertiefung und einen reichen Ausbau erfährt. Es werden ja dann doch immer noch zwei Hauptstätten für jedes Fach in Preußen bleiben, da die Sonderstellung Berlins5 unter allen Umständen gehalten werden soll. Als meine Hauptaufgabe für die nächsten Monate betrachte ich es, der Öffentlichkeit klar zu machen, daß die Ausgaben für die Universitäten geradezu eine Lappalie darstellen in un-serem Gesamthaushalt, wenn man bedenkt, daß sie doch die letzten geistigen Produktionsstätten und Kraftquellen darstellen.6

Das wäre leicht, wenn nicht die unverantwortliche Verhetzung von rechts und links den Riß zwischen der Arbeiterwelt und der Akademikerschaft noch immer vergrößerte. Ich habe in diesen Tagen einen Aufsatz über die Unterrichtspolitik der französischen Revolutionszeit7 gelesen, und da war es mir dann doch sehr amüsant zu sehen, daß damals auch die Universität Paris die Führerin der Reaktion gewesen ist. Sie mußte schließlich sogar geschlossen werden und wurde erst unter Napoleon wieder eröffnet. Hoffentlich kommt es bei uns nicht so weit. Dabei habe ich die feste Überzeugung, daß die Universitäten gar nicht so reaktionär sind, wie sie meist gemacht werden. Leider werden nur die Entgleisungen einzelner Professoren und Studenten und die Torheiten einzelner Korporationen oder Verbände verallgemeinert. Von dem Bewußtsein der vaterländischen Verantwortlichkeit ihres politischen Auftretens sind die meisten Deutschen doch leider noch sehr weit entfernt. In dieser Hinsicht erhoffe ich mir eine große Erziehungsarbeit von der deutschen Studentenschaft. Wenn sie nur die Professoren gleich mitziehen könnte!

Damit hoffe ich, Ihren Wunsch erfüllt zu haben, und wiederhole die Bitte, diesen Brief im Wesentlichen zur persönlichen Information für Sie und Herrn Benecke, den ich freundlich grüßen lasse, zu benutzen.

In aufrichtiger Hochachtung Ihr ergebenster gez. Becker.

 

292. C.H.B. an van Aubel, Göttingen. Berlin, 20.6.1920

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Sehr verehrter Herr van Aubel!

Durch ein Versehen im Geschäftsgang ist das Protokoll der Hanstein-Tagung erst nach Eintreffen Ihres Telegramms wieder in meine Hände gelangt, und ich habe erst gestern Abend Gelegenheit gehabt, mich genauer über den Inhalt zu informieren. Ich kann Ihnen nur sagen, daß mich die Lektüre ganz ungemein befriedigt hat. Die Hanstein-Tragung hat offenbar auf einer erstaunlichen geistigen Höhe gestanden. Ich freue mich sehr, daß dies Protokoll gedruckt wird, und wünsche den Gedanken allen Erfolg. Ich trage aber doch Bedenken, meinerseits ein Vorwort dazu zu schreiben. Bei der Umstrittenheit des Problems müßte dieses Geleitwort außerordentlich vorsichtig abgefaßt sein und könnte sich nur in allgemeinen Gedanken bewegen. Es würde dann voraussichtlich überall citiert und eine Festlegung des Ministeriums daraus gefolgert werden, während ich es im Interesse der Sache liegend erachte, wenn das Ministerium in keiner Weise mit dem Gedanken einer humanistischen Fakultät verknüpft wir. Die Idee ist nun einmal aus der Studentenschaft heraus geboren, und die Idee wird sich in ihrem berechtigten Kern umso leichter durchsetzen, je weniger es danach aussieht, als ob das Ministerium die Sache unter seine Fittiche nähme.

Persönlich glaube ich, daß die Verwirklichung des Gedankens der Arbeitsgemeinschaften – eine in sich geschlossene Fakultät kommt ja wohl nicht in Frage – ausschließlich von den zur Verfügung stehenden Persönlichkeiten abhängen wird. Hoffentlich glücken die praktischen Versuche in Göttingen, wo der Boden ja besonders geeignet ist. Ich werde es mir angelegen sein lassen, den Gedanken auch sonst zu fördern, wo die persönlichen Bedingungen gegeben sind. Ich darf Sie wohl bitten, diesen Brief als Privatbrief zu betrachten.

Mit verbindlichen Grüßen Ihr Ihnen aufrichtig ergebener (C.H.B.)


1 Herr cand.jur. van Aubel war Student in Göttingen und lebte Jüdenstr.21

2 Hervorhebung vom Herausgeber

3 Hervorhebung vom Herausgeber

4 Hervorhebung vom Herausgeber.

5 Hervorhebung vom Herausgeber.

6 Hervorhebung vom Herausgeber.

7 Hervorhebung vom Herausgeber.

Dr. Andreesen, 1920-23

HA VI Rep.92. Becker A Nr.51

Korrespondenz mit Dr. Andreesen, Leiter der Deutschen Landerziehungsheime 1920-23

286. Dr. Andreesen an C.H.B., Unterstaatssekretär. Schloß Bieberstein bei Fulda, 8.6.1920

Sehr geehrter Herr Unterstaatssekretär!

Die Reichsschulkonferenz wird mich in dieser Woche nach Berlin führen. Es wäre mir außerordentlich erwünscht, wenn Sie mir gelegentlich meiner Anwesenheit in Berlin eine kurze Unterredung gewähren könnten. Herr Oberregierungsrat Kumerow, der zur Zeit gerade hier in Bieberstein zu Gast ist, empfahl mir mich an Sie zu wenden.

Es liegt mir sehr am Herzen, mit ihnen Rücksprache darüber zu nehmen, in welcher Weise Erfahrungen der D(eutschen) Landerziehungsheime für das größere öffentliche Schulleben nutzbar gemacht werden könnten, und in wieweit der Staat an einer weiteren Entwicklung der Heime interessiert wäre. Darf ich Sie bitten, mir gütigst eine kurze Mitteilung zukommen zu lassen, wann und wo Ihnen mein Besuch genehm sein wird. Ihre Nachricht wird mich am besten unter der Anschrift: Reichs-Schulkonferenz erreichen.

Ich weiß wohl, daß Sie gerade in diesen Tagen sehr stark in Anspruch genommen sein werden und bedauere außerordentlich, daß ich Sie mit dieser Bitte belästigen muß. Doch wäre es mir im Interesse der Sache von großem Wert, wenn Sie mir diese persönliche Unterredung einräumen könnten.

Indem ich Ihnen für Ihre Mühe im Voraus meinen besten Dank ausspreche, bleibe ich in vorzüglicher Hochachtung Ihr ganz ergebener gez. Dr. Andreesen

Leiter der Deutschen Land-Erziehungsheime

 

287. Dr. Andreesen an Minister C.H.B. o.O., 1.5.1923

(Maschinenkopie)

An den Herrn Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung in Preußen, Berlin.

Durch das Provinzial-Schulkollegium in Cassel ist uns die Entscheidung des Herrn Ministers über unsere Eingabe betr. Freiere Gestaltung der Reifeprüfung am D(eutschen) Landerzieh-ungsheim Schloß Bieberstein mitgeteilt worden. Wir entnehmen daraus mit Befriedigung, daß der Herr Minister grundsätzlich nicht abgeneigt ist, den Deutschen Landerziehungsheimen eine Reifeprüfung in der gewünschten Art zu genehmigen. Der Aufforderung liegt in der Anlage bei eine Zusammenstellung der Lehrziele für die drei Gruppen A-C, die von der Ib1 an gebildet und in der Reifeprüfung als solche berücksichtigt werden sollen

Zu den Bemerkungen des Herrn Ministers ist noch folgendes zu sagen: Wir stimmen vollkommen damit überein, daß zu den Kernfächern, entsprechend Ziffer I der Richtlinien vom 24.1.1922 die Fächer Englisch, Mathematik und Naturwissenschaften hinzukommen. Wir bitten jedoch, unter Naturwissenschaften hierfür Physik zu verstehen. Die Grundlage der Chemie ist in der IIa2 gelegt worden, der weitere Ausbau der Chemie würde der naturwissenschaftlichen Gruppe überwiesen werden; der Kernunterricht in den Naturwissenschaften stellt Physik in den Mittelpunkt und behandelt chemische Probleme nur im Anschluß und in Verbindung mit dem Physikunterricht.

Es wird ferner vermerkt, daß das Zeichnen übersehen worden sei und hinzutreten müsse. Wir bitten das Zeichnen in der Prima zu den fakultativen Fächern stellen zu dürfen. Der Zeichen-und Kunstunterricht erfährt in den Heimen eine besondere Pflege. Nach den sehr bemerkenswerten Ergebnissen der Versuche des Herrn Heckmann in Ilsenburg ist besonders das Alter der Unter- und Mittelstufe befähigt für zeichnerische, malerische und plastische Gestaltung. Es überwiegen hier die beobachtenden und intuitiven Fähigkeiten; auf der Oberstufe stellt sich ein stark in Erscheinung tretendes Überwiegen des logischen Denkens ein und verdrängt vielfach die ursprünglich künstlerischen Begabungen. Um den Zeichenunterricht fruchtbar zu machen, ist es daher ratsam, ihn auf der Unterstufe zu konzentrieren und die wichtigsten Fähigkeiten: perspektivisches Zeichnen, Formen-, Farb- und Raumsinn bis zum Abschluß der IIb3 zu entwickeln. Von diesem Gesichtpunkt ausgehend haben wir in den Heimen in den Klassen VI, V und IV4 einen sehr breiten Raum gewährt, teilweise 3-6 Stunden. Die Ergeb-nisse des Zeichen- und Kunstunterrichts in den Heimen sind in ganz Deutschland und sogar im Ausland als besonders bemerkenswert anerkannt worden. Wir bitten, uns die Möglichkeit zu gewähren, dem Zeichenunterricht auch fernerhin in diesen erprobten Bahnen weiter zu pfle-gen und für die Landerziehungsheime das Zeichnen von der IIa als wahlfreies Fach zu gestat-ten, wie es ja auch in den Gymnasien und Realgymnasien der öffentlichen Schulen schon von IIb an der Fall ist.

Daneben wird ein Reißbrettzeichnen im Anschluß an die darstellende Geometrie verbindlich betrieben für die Schüler der mathematisch-naturwissenschaftlichen Gruppe.

Als Lehrziele in den allgemein verbindlichen Fächern (Kernfächern) werden für die Reifeprüfung durchaus die Lehrziele angenommen, welche in den Lehrplänen der öffentlichen Oberrealschulen festgelegt sind. Wir glauben, daß wir in Deutsch, Geschichte und Physik in den Kernfächern sogar darüber hinaus gehen können. In Mathematik ist im Kernunterricht auf die Behandlung der kubischen Gleichungen und die darstellende Geometrie verzichtet, dafür aber die Differentialrechnung mit ihren Anwendungen eingehender behandelt.

Für die einzelnen Gruppen besteht die Minderleistung nicht in einer Herabsetzung der Lehrziele in einzelnen Fächern, sondern darin, daß für jede Gruppe 1-2 Fächer ausfallen und durch andere ersetzt werden.

Für Gruppe

A) Kulturgeschichtliche Gruppe: Ausfall: Französisch, Chemie, dafür Mehrleistungen in Deutsch, Geschichte und als neue Fächer Philosophie und Staatskunde.

B) Sprachliche Gruppe: Ausfall: Chemie, dafür Mehrleistungen in Englisch gegenüber den Zielen der Oberrealschule und in Philosophie, in Französisch die Leistungen der Oberrealschule.

C) Naturwissenschaftliche Gruppe: Ausfall: Französisch, dafür Mehrleistungen in Chemie, Mathematik, Biologie, Physik gegenüber dem Lehrplan der Oberrealschule. Diese Gruppe wird besonders zu selbständigem experimentellen Arbeiten angeleitet werden.

Es werden ferner Zweifel geäußert, ob wir in Französisch entsprechende Mehrleistungen aufbringen könnten. Hierzu ist zu sagen, daß allerdings nach dem Kriege die Leistungen in den Sprachen bei der ersten Reifeprüfung nicht erfreulich waren, bei guten Leistungen in Deutsch, Geschichte, Mathematik und Naturwissenschaften; daß aber diese Mängel bei den letzten Prüfungen ständig geschwunden sind, so daß die Leistungen in Englisch bei der letzten Prüfung schon im Durchschnitt über genügend standen, in Französisch in der Mehrzahl auf genügend. Bei der für die Neuordnung vorgesehenen Stundenzahl wird Englisch in der sprachlichen Gruppe weit stärker getrieben werden, so daß hier die Leistungen unbedingt erheblich gesteigert werden können. In Französisch wird mit einer kleinen Gruppe interessierter Schüler und größerer Stundenzahl als bisher gearbeitet werden, so daß anzunehmen ist, daß auch hier die Leistungen sich noch verbessern lassen und mit dieser Gruppe mindestens die Leistungen der Oberrealschule zu erreichen sind. Die sprachliche Gruppe hätte dementsprechend für den Ausfall in Chemie aufzuweisen ein Mehr in Englisch und Philosophie bei gleichen Leistungen in den übrigen Fächern und wahrscheinlich Mehrleistungen in den deutsch-geschichtlichen Fächern.

Wir hoffen, daß nach diesen Darlegungen der Herr Minister sich entschließen wird, der vorgeschlagenen Neuordnung unter Verpflichtung auf die beigelegten Lehrziele seine Genehmigung zu erteilen.

Anlagen (fehlen)

D(eutsches Land-Erziehungsheim Ilsenburg (Harz)5

 

288. Dr. Andreesen an Staatssekretär C.H.B. Schloß Ettersburg, 5.5.1923

(Maschinenmanuskript)

Hochverehrter Herr Staatssekretär!

In der Anlage erlaube ich mir, den Durchschlag einer Eingabe unmittelbar zu übersenden, in Beantwortung des Schreibens des Provinzial-Schulkollegiums Cassel vom 30.3. d.J. (S.1971), in dem uns die Stellungnahme des Herrn Ministers mitgeteilt wurde; die Eingabe selbst wurde auf dem Dienstwege über das Provinzial-Schulkollegium Cassel eingereicht. Der Unterzeich-nete bittet, am Freitag, den 11.5. in Berlin vorsprechen zu dürfen, um Ew. Hochwohlgeboren persönlich nähere Auskunft noch dazu zu geben und zugleich Bericht zu erstatten über die Neugründungen der Heime, die in den letzten Wochen verlegt worden sind: Schloß Ettersburg bei Weimar und Schloß Gebesee bei Erfurt an Stelle des aufgelösten Heimes Ilsenburg. Eine Mitteilung, wo an diesem Tage und zu welcher Stunde eine mündliche Besprechung genehm wäre, erbittet der Unterzeichnete nach Schloß Ettersburg bei Weimar. Ich habe Herrn Staats-minister Boelitz und Herrn Ministerialdirektor Jahnke ebenfalls um eine Unterredung an diesem Tage gebeten.

In vorzüglicher Hochachtung ganz ergebenst gez. Dr. Andreesen.

Handschriftliche Anmerkung Beckers: Herrn RR Drews, bitte den Herrn an die gewünschte Adresse mitzuteilen daß ich bereit bin, ihn am Freitag zu empfangen, daß ich aber die Stunde noch nicht absehen kann und zu erfragen bitte (wegen der Verhandlungen des Landtages) evtl. im Ministerium oder im Landtag. CB 5/3

Preußisches Kultusministerium

 

289. Regierungsrat Drews an Dr. Andreesen, Schloß Ettersburg. Berlin, 8.5.1923

Sehr geehrter Herr Direktor!

Im Auftrage des Herrn Staatssekretärs Professor Dr. Becker teile ich auf das an ihn gerichtete gefällige Schreiben vom 5. d. Mts ergebenst mit, daß der Herr Staatssekretär gern bereit ist, Sie am Freitag, den 11. d.Mts. zu empfangen. Da gegenwärtig aber der Etat unseres Ministe-riums im Landtage zur Verhandlung steht, kann weder Ort noch Stunde des Empfangs ange-geben werden. Vielmehr läßt der Herr Staatssekretär Sie bitten, nach Ihrer Ankunft in Berlin dieserhalb gefälligst im Ministerium anzufragen und, falls der Herr Staatssekretär dann im Landtage weilen sollte, ihn freundlichst dort aufzusuchen.

Mit vorzüglicher Hochachtung gez.Drews (?), Regierungsrat

PS. Gemäß Anordnung des Herrn Staatssekretärs Herrn MinDirektor Dr. Jahnke zur gefälligen Kenntnisnahme vorgelegt. Gez. Drews 8/5. J 9/5.

Deutsches Landerziehungsheim Haubinda bei Hildburghausen (Thüringen)

 

290. Dr. Andreesen an C.H.B. Haubinda, 18.5.1923

Sehr verehrter Herr Staatssekretär!

Entsprechend den Anregungen, die ich im Ministerium erhielt, habe ich beiliegende Eingabe dem Herrn Minister übersandt. Ich erlaube mir, Ihnen einen Durchschlag der Eingabe direkt zuzusenden und bitte Sie, die dort gestellten Anträge zu befürworten.

Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst gez, Dr. Dreesen

Anmerkung eines Sachbearbeiters: Auskunft von Herrn Landé: Die Eingabe ist im Ref.U II. Durch Staatsbeihilfen für private Knabenschulen kann nicht geholfen werden. Reichszuschuß für begabte Schüler beantragen, kann dorthin gegeben werden (…unleserlich)

Anlage vom 18.5.1923 zu dem obigen Brief

Bitte um staatliche Beihilfe für die Heimerziehung

Der Unterzeichnete bittet, der Stiftung „Deutsche Landerziehungsheime“ aus den Mitteln des preußischen Staates eine Beihilfe zuteil werden zu lassen, damit die Stiftung ihre Auf-gaben in diesen Zeiten weiterhin erfüllen kann. Es erübrigt sich, über die Bedeutung der Deutschen Landerziehungsheime für das heutige Schul- und Erziehungswesen sich auszu-lassen. Sie stellen wohl den z.Zt. größtangelegten Versuch dar, neue Wege für das Erzie-hungswesen zu suchen. Diese Versuche sind seit nunmehr 25 Jahren mit dem dazu notwendigen Ernst und auch nicht ohne Erfolg durchgeführt worden. In dieser Würdigung stimmt die wissenschaftliche Pädagogik mit dem Urteil der Eltern und Fachleuten aller politischen Richtungen überein.

Die Landerziehungsheime haben diese pädagogische Sendung bisher ganz aus eigenen Kräften erfüllt und sind auch weiterhin wohl imstande, sich aus eigenen Kräften zu halten. Wenn trotzdem die Hilfe des Staates angerufen wird, so geschieht es, weil gerade in den jetzigen Zeiten die Durchführung der gesteckten Ziele im Sinne des Stifters, Dr. Lietz6 auf besonders große Schwierigkeiten stößt und andererseits die Lösung der gestellten Aufgaben heute wichtiger denn je ist. Folgende Gründe sollten den Staat veranlassen, diesem Unter-nehmen seine Unterstützung zuteil werden zu lassen.

  • 1. Der Staat hat selbst das größte Interesse an derartigen pädagogischen Versuchen. Auch das öffentliche Schulwesen folgt dem Gesetz der Entwicklung. Es kann jedoch neue Bahnen erst beschreiten, nachdem sie nach allen Seiten erprobt sind. Es gibt wenig Schulen in Deutschland, die ein so geeignetes und breites Feld für pädagogische Versuche im weitesten Sinne gewähren. Es wird insbesondere darauf hingewiesen auf die Bedeutung des handwerklichen Unterrichts, der in den Heimen eine besondere Rolle spielt. Wir haben in diesem Jahr zum ersten Mal den Versuch gemacht, einzelne Schüler so weit auszubilden, daß sie mit der Reifeprüfung zugleich ihre Gesellenprüfung im Tischlerhandwerk ablegen können.

Derartige Versuche, das Handwerk als Bildungsmittel dem Lehrgang einer höheren Schule einzufügen sind, selbst wenn sie nicht vom Staate übernommen werden, in ihren Ergebnissen für die Öffentlichkeit von Bedeutung, besonders in Hinblick auf das brennende Problem der Trennung und Entfremdung von Geistes- und Handarbeit.

Ich weise ferner darauf hin, wie hier zum ersten Mal der Versuch gemacht ist, den jungen Menschen nicht allein durch den Unterricht zu erziehen, sondern durch die Gesamtheit des Lebens, insbesondere durch seine Eingliederung in ein Gemeinschaftsleben und seine Beteiligung an allen wirtschaftlichen und praktischen Aufgaben, die das Leben in einer abgeschlossenen ländlichen Wirtschaft dem Einzelnen stellt. Nicht von außen auferlegte Zwecke, sondern die Eigengesetze der Erziehungsaufgabe sollen die Schulform bestimmen7.

  • 2. Die Heime haben ferner seit langem einer großen Anzahl von jungen Lehrern eine Fülle von Anregungen gegeben, mit denen sie nach kürzerem oder längerem Aufenthalt in den Heimen in den staatlichen Dienst zurückkehrten und so das Unterrichts-wesen des Staates mit den bei uns gewonnenen Erfahrungen befruchteten. Die öffentliche Schule vermag niemals den jungen Lehramtskandidaten eine solche Ausbildung geben. Die öffentliche Schule kann ihnen eine hervorragende methodische Ausbildung geben; daß Heimleben, welches zu den engstem Zusammenleben der Jugend zwingt, vermag Verständnis für die Jugend und pädagogischen Takt zu entwickeln, welches die Grundlagen des Unterrichts und der Erziehung sind. Daneben haben seit langen Jahren zahlreiche Schulmänner des öffentlichen Schuldienstes die Heime zum Zwecke des Studiums besucht und gewiß mancherlei Anregungen mit fortgetragen.
  • 3. Der Staat hat auch in ganz anderer Richtung ein unmittelbares Interesse an den Heimen und eine Verpflichtung ihnen gegenüber. Es werden schon jetzt in den Heimen fast 400 Schüler und Schülerinnen erzogen, die sonst der öffentlichen Schule zur Last fielen. Wir nehmen dem Staate eine große Aufgabe, schon im Rahmen der bisherigen Schule ab, deren Lasten er sonst selbst tragen müßte. Über den bloßen Unterricht8 hinaus widmen sich die Heime insbesondere der erzieherischen Aufgabe der Schule, die der Staat bisher nur zum geringen Teil in Angriff nehmen konnte; diese Lücke in unserem Bildungswesen wird von weiten Kreisen immer stärker empfunden. Die großstädtischen Verhältnisse haben sich so entwickelt, daß sie die Erziehung der Kinder vom 10. Lebensjahre an durchweg nur ungünstig beeinflussen können.9 Der wirtschaftliche Kampf, das Berufsleben und die vielfach unglücklichen Familienverhältnisse machen es mehr und mehr unmöglich, daß die Eltern selbst die Aufgabe der Erziehung übernehmen, ganz abgesehen davon, daß aus ländlichen Kreisen viele Eltern die Erziehung ihrer Kinder anderen anvertrauen müssen, weil in der Nähe ihres Wohnsitzes eine öffentliche höhere Schule sich nicht befindet. Der Staat hat bisher diese erzieherische Aufgabe nicht oder nur in seltenen Fällen in Angriff genommen. Die Nachfrage nach guten Erziehungsschulen ist in den letzten Jahren so ungeheuerlich gestiegen, daß auch die bestehenden Landerziehungsheime und ähnliche Schulen sie bei weitem nicht mehr befriedigen können, ein Beweis, daß hier ein Aufgabenkreis vorliegt, für den noch durch keine öffentliche Einrichtung gesorgt ist. Wenn in den vier Jahren nach dem Kriege die Schülerzahl der Heime sich nahezu verdoppelte, so zeigt das, daß ein dringendes öffentliches Bedürfnis vorliegt. Die Reichsschulkonferenz hat anerkannt, daß die Unterstützungspflicht des Staates gegeben ist, wenn ein öffentliches Bedürfnis vorliegt. Der Staat hat auf dem Gebiete des weiblichen Unterrichts diesen Grundsatz bereits befolgt. Das erzieherische Bedürfnis verlangt ebenso dringend ein Eingreifen der Staatshilfe.
  • 4. Der Staat bedürfte ferner das größte Interesse daran haben, daß die Heime ihre besondere soziale Aufgabe weiter, bzw. noch besser erfüllen können, die bisher wohl noch von keiner anderen Schule in dem Maße angepackt worden ist. Die Heime arbeiten seit ihrem Bestehen an der Überbrückung der sozialen Gegensätze unseres Volkskörpers, einmal durch die Ausbildung eines Gemeinschaftslebens, welches Geistes- und Handarbeiter umfaßt und in der Schule die handwerkliche Tätigkeit ebenso hoch bewertet wie die geistige. Wir haben ferner stets, neben Kindern aus begüterten Kreisen Kinder aus den arbeitenden Schichten unseres Volkes mit erzogen. 1914 gründete Dr. Lietz ein Waisenheim, welches im besonderen diese soziale Aufgabe erfüllen sollte. Die Durchführung in diesem Sinne ist durch die Entwicklung der letzten Jahre sehr gefährdet. Es besteht die große Gefahr, daß der Schülerkreis der Heime sich mehr und mehr auf eine Schicht reicher Eltern beschränkt, ganz im Gegensatz zu den Absichten des Gründers. Diese Entwicklung könnte nur durch Hilfe des Staates vermieden werden.-

Ganz im Sinne des Gründers haben wir im letzten Jahr in Haubinda unseren Aufgabenkreis dadurch erweitert, daß wir junge Arbeiter als „Werkschüler“ in unsere Schulgemeinschaft aufnahmen, die an unserm ganzen geistigen Leben Anteil haben, nach einem ausgewählten Plan an dem Unterricht der Schüler teilnehmen, daneben in Arbeitsgemeinschaften besonders weitergebildet werden, zugleich aber handwerklich, besonders in den Schülerwerkstätten, als Lehrer sich betätigen können und so mit ihrem Handwerk in Verbindung bleiben. Die nicht unbeträchtlichen Mittel für die Durchführung dieser Aufgabe wurden aus eigenen Kräften aufgebracht. Wir sehen hierin einen beachtenswerten Versuch, dem Volkshochschulgedanken in eigener Weise zu verwirklichen mit dem Ziel einer Vertiefung des Handwerks und ohne die sonst leicht eintretende Entfremdung.

  1. Die Heime dürften in besonderer Weise dafür geeignet sein, die schon in der Verfassung festgelegte Forderung des Aufstieges begabter Menschen aus unbemittelten Kreisen durchzuführen. Sie können den Kindern aus den unteren Ständen eine höhere Bildung vermitteln und zwar nicht nur intellektuelles Wissen sondern auch die für sie viel wichtigere Erziehung in einer Umgebung, die ihnen eine Heimat werden kann und ihnen die gleich oder günstigere Bedingungen gibt, wie sie die Kinder der bemittelten Stände in der Stadt zu haben pflegen. Die Organisation der Heime dürfte auch am ehesten dazu geeignet sein, junge Arbeiter, die erst nach Verlassen der Volksschule als für eine höhere Bildung befähigt erkannt werden, in abgekürztem Lehrgang noch bis zur Reifeprüfung zu bringen.

An der Lösung dieser Aufgaben hat der Staat gewiß ein dringendes Interesse. Die Heime haben zwar ihren Aufgabenkreis trotz der wirtschaftliche Schwierigkeiten10 ständig weiter ausgedehnt, haben alles getan, um eine Verengung ihres Schülerkreises auf eine bloße Oberschicht zu vermeiden. Die Mitarbeiter, die sich durchweg aus Idealismus gerade diese ihre Arbeit gewählt haben, haben noch stets auf die dringendste Sicherung ihrer Existenz freiwillig verzichtet, wenn sie dadurch die Arbeit in den Heimen wertvoller gestalten konnten. In dem ständigen Konflikt zwischen ideellen Forderungen ihrer Arbeit und ihrem persönlichen Bedürfnis haben sie in einem Maße auf letztere verzichtet, das in keinem Verhältnis zu der von ihnen geleisteten Arbeit steht. So scheint eine Unterstützung des Staates aus verschiedenen Gründen gerechtfertigt. Es werden folgende Wege vorgeschlagen:

1. Der Staat stellt der Stiftung eine einmalige oder, wenn möglich, jährliche Beihilfe zum Ausbau der Heime zur Verfügung.

2. Er errichtet eine Anzahl von Freistellen, für die der Erziehungskostensatz wie für die übrigen Schüler gezahlt wird, z. Zt. Unter Berücksichtigung der Steigerung der letzten Wochen M(ark) 500 000 vierteljährlich11. Die Besetzung dieser Freistellen bleibt den Behörden überlassen.

3. Er stellt den Heimen Lehrmittel zur Verfügung bzw. Mittel, solche anzuschaffen, besonders Landkarten, Bücher für die Schüler- und Lehrerbibliotheken. Es wäre vielleicht möglich, Überweisungen von Büchern, die an öffentlichen Schulen geschehen, auch in gleicher Weise den Heimen zukommen zu lassen.

4. Er besoldet die Studien-Assessoren, die an den Heimen tätig, aber aus dem Staatsdienst nur beurlaubt sind.

5. Er stellt Mittel zur Verfügung zum Ausbau der Heime, Anschaffung von Betten usw. um das dringende öffentliche Bedürfnis nach Erziehungsschulen in höherem Maße zu befriedigen. Neben öffentlichen Mitteln kämen vielleicht auch Einkünfte aus sonstigen Stiftungen in Frage, die unter staatlicher Aufsicht stehen und ihren Stiftungszweck z.Zt. nicht erfüllen können. Eine Zusammenfassung der Kräfte einzelner Stiftungen auf die oben angegebenen Ziele dürfte wertvoller sein als eine Zersplitterung.

Der Unterzeichnete ist gern bereit, nähere Unterlagen beizubringen oder mündlich im einzelnen Auskunft zu erteilen.

Gez. Dr. Andreesen

Oberleiter der Deutschen Landerziehungsheime

Schloß Bieberstein in der Rhön


1 Unterprima

2 Obersekunda

3 Untersekunda

4 Sexta, Quinta und Quarta

5 Aus dem Briefkopf des Deutschen Landerziehungsheimes Ilsenburg geht hervor, daß sich dort die Klassen VI-IIIb befinden, in Haubinda (Thüringen) die Klassen IV-IIb, in Bieberstein die Klassen IIb-I

6 Hermann Lietz, Dr. phil., Pädagoge, *1868 +1919. Gründete 1898 nach englischem Vorbild in Ilsenburg/Harz das erste Landerziehungsheim, dem 1901 Haubinda, 1904 Bieberstein, 1914 Landwaisenhaus Veckenstedt (Wernigerode) folgten. Bei kulturkritischer Grundeinstellung betonte Lietz ländliche Lage, hygienisch-asketische Lebensweise, körperliche Betätigung und patriarchalisch-musisch bestimmtes Gemeinschaftsleben. Werke: Emlohstobba (1897), Die deutsche Nationalschule (1911), Lebenserinnerungen (hg. 1920). Brockhaus 1996

7 Hervorhebung vom Herausgeber.

8 Ich zitiere einmal als Beispiel aus den beigefügten Lehrzielen für Deutsch: Die Entwicklung der deutschen Literatur ist dabei bis zur Gegenwart durch Proben einzelner Schriftwerke zu vervollständigen. ..; für Geschichte: Es ist dabei Wert zu legen auf diejenigen Gebiete, die für das Verständnis der Kultur und des Staatslebens der Gegenwart besonders wichtig sind; für Englisch: Durch die Lektüre soll Verständnis für die Erscheinungen des englisch-amerikanischen Kulturlebens geweckt werden, die für Deutschland besonders wichtig geworden sind und die zu weltpolitischem Denken erziehen können. Bei der Auswahl der Stoffe in der Oberstufe sind zu berücksichtigen: 1. die englische Literatur durch die Lesung moderner Prosaschriftsteller und geeigneter Dichtwerke, besonders Shakespeare, Byron, Carlyle, Emerson, Ruskin 2. der englische Parlamen-tarismus, besonders Macaulay (Die englische Revolution) (Freytag), Freeman (Growth of the English Constitution 3. die amerikanische Demokratie (Wells (The Future of America) , Brooks (A trip to Washington) (Freytag) 4. der englische Imperialismus (Seeley (Expansion of England) Parrott (Britain overseas); Lektüre einer englischen Zeitung.

9 Hervorhebung vom Herausgeber.

10 Wir befinden uns mitten in der Hochphase der Inflation!

11 Vgl. obige Anmerkung.

Richard Anschütz, 1915-19

HA VI. Rep.92 Becker A Nr.55

Briefwechsel mit Prof. Richard Anschütz, Direktor des Chemischen Instituts der Universität Bonn

282. C.H.B. an Seine Magnifizenz. Herrn Geheimrat Richard Anschütz Bonn, 9.11.1915

Ew. Magnifizenz

danke ich nochmals schriftlich für das Vertrauen, das Sie in mich setzten, als Sie aufforderten, am 27. Januar die Kaisergeburtstagsrede zu übernehmen. Nach reiflichem Überlegen habe ich mich entschlossen, die ehrenvolle Aufgabe anzunehmen, und ich werde mich nach Kräften bemühen, ein Thema zu wählen, das zugleich aktuell und doch nicht politisch, sondern wissenschaftlich ist. Sobald der Plan fester steht, werde ich mir erlauben, einmal persönlich mit Ihnen Rücksprache zu nehmen.

Sollte ich um diese Zeit als Dolmetscher Verwendung gefunden haben, so würde es ja ein Leichtes sein, eventuell mit Hilfe Ew. Magnifizenz mich für den 27. Januar frei zu bekommen. Ich glaube aber, daß ich dann so wie so frei sein werde, da ich in der ersten Hälfte Januar in Berlin für die Deutsch-türkische Vereinigung tätig bin und deshalb wohl für den ganzen Monat reklamiert werde.

Mit verbindlicher Empfehlung

bin ich in bekannter Verehrung Ew. Magnifizenz ergebenster (C.H.B.)

 

283. Rektor Anschütz an C.H.B. Bonn, 5.2.1916

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr College!

Hierdurch beehre ich mich Ihnen ergebenst mitzuteilen, daß die Kommission von Ihrem freundlichen Anerbieten das angegebene Thema

Die Türkei und Wir

für den Universitäts-Ostergruß zu bearbeiten gern Gebrauch machen und den Aufsatz in die Sammlung aufnehmen wird.

Ich erlaube mir Sie noch einmal an die Aufforderungsbedingungen zu erinnern, die den Umfang und die Lieferzeit betreffen. Nach dem mit dem Verlag vorgesehenen festen Ab-machungen darf der Einzelbeitrag den Umfang von 5 Oktavseiten (etwa 29-30 Zeilen die Seite) nicht übersteigen und muß am 29. Februar druckfertig (mit Maschinenschrift geschrieben) auf dem Rektorat sein. Nur dadurch wird eine rechtzeitige Fertigstellung des Büchleins ermöglicht.

Da der Verlag der Universität 3500 Exemplare kostenlos zu liefern verpflichtet werden soll, so kann von ihm eine Honorarzahlung nicht gefordert werden.

Für Ihre Bereitwilligkeit spreche ich Ihnen noch meinen verbindlichsten Dank aus.

Gez. Anschütz

 

284. Prof. Anschütz an Unter-Staatssekretär C.H.B. Bonn, 26.8.1919

Sehr verehrter Herr Kollege!

Viele von uns, unter denen auch ich mich befand, haben es aufrichtig bedauert, daß Sie zum schlichten Jubiläum unserer Universität nicht kommen und einige Tage unter uns weilen konnten, da wir über Ihre Reformpläne gern mit Ihnen gesprochen hätten. Denn durch die im Laufe des Sommersemesters gepflogenen Beratungen in der Fakultät hat jeder von uns Gele-genheit gehabt, sich über seine Stellungnahme zu diesen Plänen klar zu werden. Neuerdings hat sich unser Kollege Goetz bemüßigt gesehen, in der Kölnischen Zeitung vom Sonntag, 27. Juli Nr. 643 einen Aufsatz über Hochschulreform und Hochschullehrer zu veröffentlichen. Was er darin von den naturwissenschaftlichen Instituten und Institutsdirektoren sagt, wird der Leser, da Goetz Bonner Professor ist, unwillkürlich auf Bonner Verhältnisse beziehen, in die Goetz keine Einsicht hat. Was Goetz denkt, kann mir gleichgültig sein, aber großen Wert lege ich darauf, daß Sie die richtige Anschauung von den Verhältnissen haben, wie Sie an dem meiner Leitung unterstellten Institut geordnet sind. Meinen Darlegungen schicke ich eine Abschrift der Zusammenstellung meiner Honorareinnahmen und -abgaben für das Rech-nungsjahr 1913 voraus, die mir Geheimrat Hövermann auf meinen Wunsch anfertigte. Dieses Jahr brachte mir vor dem Krieg die höchsten Einnahmen:

  • Im Sommer-Semester 1913 hörten 325 Studierende anorganische Experimentalchemie.
  • Im Winter-Semester 1913/14 hörten 298 Studierende organische Experimentalchemie
  • Im Sommer-Semester 1913 hatten die praktischen Übungen im Laboratorium belegt: 196 Chemiker, Lehramtskandidaten und Pharmazeuten, 150 Mediziner
  • Im Winter-Semester 1913/14: 190 Chemiker, Lehramtskandidaten und Pharmazeuten, 66 Mediziner.

Die Honorareinnahme für das Rechnungsjahr 1913 hat betragen:

  • Experimentalchemie A 2528,00 Mark
  • Praktikum für Pharmazeuten B I. 5372,00 M

Davon ab an Prof. Frerichs I’1790 3581,33 Mark

  • Praktikum für Mediziner B II 6698,00 M

Ab an Prof. Benrath II’2232 4465,33 Mark

Ab für Oberlehrer B III 3774

Ab an Prof Benrath III’ 1258 2516,00 Mark

  • Großes Praktikum B IV 5712,00 M

Ab an Prof. Benrath 910 M

Ab an Prof, Trimbach 102 M

Ab an Prof. Kippenberger 102 M

Ab an Prof. Frerichs 102 M IV’ 1224,00 M 4488,00 Mark

____________

40334,66 Mark

Für den Quaestor als Tantième – 806,69

Bleiben 39527,97 Mark

Gestundete Honorare C 472,39

Für den Quaestor ab 94,48 377,91

_____________

39 905,88

Davon bleiben abzugsfrei 3000 M

Einzubehalten sind von 1000 M 25% = 250 M

Von 35 905,88 M 50% = 17 952 M 18202,94 Mark

____________

bleiben bar 21 702,94

gez. Hövermann

Zur Erläuterung dieser Zahlen bemerke ich folgendes:

Von den Praktikantengebühren des Direktors erhalten am hiesigen chemischen Institut die Abteilungsvorsteher ein Drittel, nur die Gebühren der organisch arbeitenden Praktikanten erhält der Direktor unverkürzt, da am Institut noch kein Abteilungsvorsteher für organische Chemie vorhanden ist, also der Direktor selbst den Dienst des Abteilungsvorstehers versieht. Von der Gesamteinnahme an Praktikantengebühren: B I+B II + B III + B IV = 21.556,00 M gab der Institutsdirektor an die Abteilungsvorsteher I’ + II’ + III’ + IV’ = 6.505,34 M

ab. Es blieben ihm 15.050,66 M, die dem Honorarabzugsverfahren unterworfen werden, also

7.525,83 M ! Das sind die „riesigen Praktikantengelder“.

Meines Wissens gibt kein anderer Direktor eines chemischen Instituts einer preußischen Universität so viel – ein Drittel – seines Praktikantenhonorars an seine Abteilungsvorstände ab, eine Abgabe die in dieser Höhe meiner Ansicht allgemein eingeführt werden sollte.

Bei meiner Berufung hatte ich darüber in Gegenwart von Elster ein mir im Gedächtnis geblie-benes Gespräch mit Althoff:

Er: Wieviel wollen Sie von den Institutsgebühren Ihren Abteilungsvorständen abgeben?

Ich: Ein Drittel.

Er. Ein Sechstel wäre auch genug.

Ich: Mir war als Extraordinarius unter Kekulé das Drittel doch sehr angenehm und ich möchte meinen Nachfolger nicht schlechter gestellt sehen,

Er: Edel gedacht, aber nötig ist’ s nicht.

So blieb es bei dem Drittel.

Im Anschluß an diese Betrachtung möchte ich empfehlen, auch den Unterrichtsassistenten einen Anteil an den Institutsgebühren zu geben: von jedem Praktikanten, den sie auszubilden haben etwa 5 M für das Vollpraktikum und 3 M für das Halbpraktikum. Um diesen Gebührenanteil wären vorher die Praktikantenhonorare des Institutsdirektors bei der demnächst kommenden allgemeinen Erhöhung der Praktikantengebühren zu erhöhen. Das Tantièmen-System halte ich für durchaus zweckmäßig. In der Beteiligung am Honorar liegt ein Anreiz, sich für das Blühen des Instituts mit einzusetzen.

Ich wende mich zum Vorlesungshonorar, das im Rechnungsjahr 1913/1914 14.177,61 M betrug, eine Summe, in die ich das ohne Abzug gebliebene Honorar von 3750 M und das 1913 eingegangene gestundete Honorar einbegriffen habe. Goetz macht keinen Unterschied zwischen theoretischen und Experimental-Vorlesungen. Er sagt von der Vorlesungstätigkeit: die Arbeitsleistung ist die gleiche, ob der Lehrer vor 2 bis 4 oder vor 200 bis 400 Studenten doziert. Das ist richtig für die Vorbereitung, unrichtig für die Ausführung. Abgesehen vom Experimentieren ist eine in einem überfüllten Hörsaal vor 300 Studenten täglich gehaltene freie Vorlesung eine große körperliche und seelische Anstrengung, die Vorlesung vor 2 oder 4 Zuhörern eine bequeme Unterhaltung. Wird die Vorlesung reichlich mit Experimenten aus-gestattet, so kommt dazu, daß der Vortragende viele Experimente, die er ein Jahr lang nicht ausgeführt hat, vor der Vorlesung wieder einübt, besonders bei einem Wechsel des Vorle-sungsassistenten. Er muß stets die von dem Assistenten aufgebauten Apparate und hingestellten Reagentien vor der Vorlesung sorgfältig prüfen, wenn ihm nicht in der Vorlesung Experimente mißlingen sollen. Nicht wenige Versuche sind, wenn sie mißlingen, gefährlich in erster Linie für den Dozenten und den ihn unterstützenden Vorlesungsassistenten. Den unglücklichen Zufall wird man trotzdem nie ganz ausschalten können und keiner von uns ist ohne Verletzungen durch schlagendes Glas bei unvorhergesehenen Explosionen oder durch die Gesundheit oft schwer schädigendes Einatmen giftiger Dämpfe bei der Vorlesung von stürmisch entwickelnden Gasapparaten davongekommen. Aber auch die theoretische Vorbereitung der Vorlesungen über eine in so rascher Entwicklung begriffene Wissenschaft wie die Chemie ist ebenso zeitraubend wie die Vorbereitung für eine dem Gebiet der Geisteswissenschaften angehörige Vorlesung.

Ich will damit begründen, das einmal das Honorar billigerweise mit der Zahl der Zuhörer wachsen soll und daß die Vorlesungen über Experimentalchemie unbedingt höher honoriert zu werden verdienen, als Vorlesungen, bei denen der Dozent ein wohl vorbereitetes Heft seinen Zuhörern in die Feder diktiert.

Dazu kommt, daß der Direktor eines großen chemischen Instituts mehr als irgend ein anderer Dozent von den Verwaltungsgeschäften aller Art in Anspruch genommen wird. Hat er noch das Glück, größere Erweiterungsbauten oder Neuanlagen bewilligt zu bekommen, so erfordern Vorbereitung und Überwachung der Einrichtungen, Einarbeitung auf die neuen Apparate einen großen, außergewöhnlichen Aufwand an Zeit und Arbeitskraft von dem durch die gewöhnlichen beruflichen und wissenschaftlichen Arbeiten dauernd beanspruchten Institutsdirektor.

Die Ordinarien der theologischen, juristischen und humanistischen Fächer der philosophischen Fakultät führen dagegen ein viel ungebundeneres freieres Leben; meist haben sie die Nachmittage für sich, so wie Samstag und Montag ganz frei. Dem gegenüber ist der Direktor eines großen Instituts täglich 6 bis 8 Stunden an sein Institut beruflich gebunden; es bleibt ihm im Semester tatsächlich nur der Samstag Nachmittag an den Wochentagen zur Erholung.

Drückt man die Stellen der Direktoren der chemischen Institute der Universitäten noch mehr herunter, als es durch das Honorarwahrungsverfahren geschehen ist, dann wird der jetzt schon starke Wettbewerb der chemischen Industrie mit dem Staate, dem letzteren oft genug die tüchtigsten Kräfte entziehen.

Mit den herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus verbleibe ich

Ihr getreuer Kollege Richard Anschütz.

 

285. C.H.B. an Richard Anschütz. Berlin W8, 3.9.1919

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Kollege!

Empfangen Sie meinen herzlichen Dank für Ihren ausführlichen Brief vom 26. August, den ich mit großem Interesse gelesen habe. Es ist mir äußerst wertvoll, derartigdetaillierte Unterlagen zu erhalten, und kann ich verstehen, daß Sie sich durch generalisierende Bemer-kungen beeinträchtigt fühlen mußten. Ich kann Ihnen aber versichern, daß auf diesem Gebiet nicht überall gesunde Verhältnisse bestehen und manches reformiert werden muß. Sie wissen aus meinem Büchlein, daß ich mit der wichtigen Schlußbemerkung Ihres Briefes völlig ein-verstanden bin. Wenn man erste Kräfte haben will, muß man sie erstklassig bezahlen, und das gilt namentlich für Gebiete, die für die Industrie Bedeutung haben. Gerade aus diesem Grund bin ich ja so für die Erhaltung der Kolleggelder, weil die staatlichen Gehälter ja differenzieren können, aber doch nie so hoch gehen können wie unter Umständen die Einnahmen aus Kolleggeldern. Ich bin jetzt dabei, mir die nötigen statistischen Unterlagen für das von mir geplante Garantiesystem zu beschaffen.. Dafür werden Ihre Darlegungen ein wertvolles Material sein.

Wie sehr ich bedauerte, an dem Jubiläum nicht teilnehmen zu können, hatte ich ja der Fakultät schon geschrieben. Aber gerade bei meiner Liebe für Bonn brachte ich es nicht übers Herz, dies von mir so ganz anders geplante Fest mitzufeiern.

Mit freundlichen Grüßen, auch an Ihre verehrte Gattin,

Ihr Ihnen verehrungsvoll ergebener (C.H.B), Unterstaatssekretär

Deutsches Komitee Pro Palästina, 1927

HA. VI. Nachl. C.H. Becker. Rep.92. Becker. Nr.2958

279. Anruf des Pro-Palästina-Komitees. Notiz für Minister Becker1, Berlin 23.5.1927

Das Büro des Pro-Palästina-Komitees (Herr Boehm) rief heute an und bat um einen Empfang für Herrn Blumenfeld, 1. Vorsitzender der Zionistischen Vereinigung Deutschlands. Das Pro-Palästina-Komitee hält am 20. Juni d. Js. eine Versammlung ab, auf der der Vorsitzende Exzellenz Graf Bernstorff spricht. Graf Bernstorff bittet Herrn Minister Becker, ein Referat zu übernehmen. Herr Blumenfeld soll die Bitte übermitteln. Herr Blumenfeld, der demnächst auf Dienstreise geht, stände an den Tagen: Dienstag, den 23. Mai, Mittwoch, den 24. Mai, vormittags, und Sonnabend, den 28. Mai zur Verfügung.

Herr Boehm ruft heute um 5 Uhr noch einmal telephonisch an, um sich evtl. der Termin für den Empfang nennen zu lassen. Er selber ist zwischen1/4 4 und 6 Uhr heute zu erreichen unter Bismarck 7165. gez. Müller

Anmerkung: Montag 27.6. abends 8 ½ Uhr Herrenhausversammlung, vorher Empfang zu allem(einer) Aussprache über Pro-Palästina …

 

280. C.H.Becker. Handschriftliche Notizen Frankfurt/M, Universität 20.1.1932

Die panarabische Bewegung

  • Es gibt keine panarabische, sondern nur eine großarabische Bewegung, aber selbst sie ist eine literarische Angelegenheit.
  • Panarabische Tendenz = panislamische Religion/Volkstum, wie Deutsche vielgespalten Schweizerisches Erbe, holländisches, österreichisches, bayerisches und preußisches, selbst Hamburg und Waldenser, Wolgadeutsche, Ney Yorker Deutsche…

1. Geschichte des arabischen Volkes

  • Entscheidende Gestaltung des Mittelmeergebiets: die ganzen Ost- und Südgrenzen des Mittelmeeres sind arabisch. Arabisierung der vorderasiatisch-afrikanischen Welt – die arabische Völkerwanderung. Syrien bis in Iran. (?) Berge – nicht religiöse Bekehrung, sondern Wirtschaft…
  • Araber am Tschadsee. … Schwarze Araber. … Neger – Berber – Ägypter – Syrer –Iraquier – Beduinen und andere Bewohner der Halbinsel.
  • Politischer Zusammenfassung völlige Utopie – islamische Gemeinschaft. Islam (ist) arabische Religion: Türken ausgeschieden!!
  • Daneben von Europa bestimmte Staatsgedanken importiert. Verschiedene Formen.

2. Die politische und nationale Problemstellung in den arabischen Teilgebieten

Vom Atlantik zum Indischen Ozean

  1. Ganz Nordafrika unter französischer Herrschaft außer Ägypten (britisch) und Tripolis(italienisch). Marokko bis Tunis Schutzgebiete , eingeborene Herrscher: Beispiel: Erlaß des Sultans von Marokko über Berberisches Gewohnheitsrecht, Bekämpfung der arabischsprachigen Tendenz, dafür Französischtendenz. Algier: prolongation de la métropole, Politik der Assimilation. Scheidet aus für panarabische, auch für großarabische Pläne, und mit ihm das ganze arabische Hinterland (Colonialverwaltung). Schon Arabisch als Sprache im Konkurrenz mit Französisch – Haussa – Suaheli. – Verschiedenheit der Kulturstandards. Frankreich sitzt fest im Sattel.
  2. Ägypten. Cairo geistiger Mittelpunkt der islamischen Welt und zugleich der arabischen Zeitungen! Araber Ägyptens noch mit Türken gemischt, Stadt und Land, Kopten und Muhammedaner.– Tatsache der Okkupation schweißt sie zusammen, nicht nur Araber, sondern (auch ) Arabisierte. – Der abgeschlossene Charakter des Niltals: Erbe der Pharaonen, Ägypter, nicht Großaraber. Doch eine Gruppe hat diese Tendenz: Zeitschrift El Masur (?) von Mohammed Aldal, früher mehr religiös jetzt unter Muhammed Resid Ridà auch politisch-großarabisch. Schon deshalb England-freundlich im Gegensatz zu Gros des ägyptischen Volkes. Ägypten den Ägyptern, nicht den Arabern. – Englischer Versuch eines Bündnisses (erst unklar, dann Protektorat, dann Bündnis … Auch Ägypten hat seine eigene Problemstellung.
  3. Syrien – Mesopotamien. – Innerarabien als türkische Provinz (hatte) Araber und Türken, Christen und Mohammedaner. Hier liegen, namentlich in Syrien, die Wurzeln der großarabischen Bewegung.. Syrien hat Provinzverwaltung. Libanonstatut 1861/1864. Mit kleinen Ausnahmen arabische Landessprache, aber kein Nationalbewußtsein, seit 18.Jh.(?) schwer bekämpft, Religionsgemeinschaften, 25% Christen: 5 Patriarchen in Antiochia: griechisch-katholisch, syrisch-uniert, marronitisch, gakolitisch (?)-monophys(itisch) und griechisch-uniert(maliktos(?). Führung bei hochkultivierten syrischen Erahau (?), Beyrouth, Damaskus. Antitürkisch, zunächst Selbstverwaltung im Rahmen des Osmanischen Reiches, dann Freiheit vom Türkischen Joch unter französischem oder englischem Protektorat. Aufforderungen von verschiedenen Kreisen an beide Mächte, je nach histor(ischen) Verbindungen.- Anfang (19)04 Begründung eines nationalen arabischen Comités, Anfänge dunkel: Negib Azouri Bey, Le réveil de la Nation arabe dans l’Asie turque, Paris 1905. Programm: Unabhängige syrische Nation, konstitutionelle Monarchie, Higaz als Kalifatsersatz, Autonomie des Libanon und der christlichen Heiligtümer.- Stärkung der Bewegung bei Revolution 1908 (Loge J.E mit gleichen Mitteln wie Jungtürken, islamischer!! Zentralismus/Dezentralisierung…- Empfindlichkeit des Comité Union et Progrès in der arabischen Frage. Von der Goltz ist pro Dezentralisation.- Unter syrischer Führung verschiedene Denkschriften zwischen 1912 und Kriegsbeginn. Noch loyal: Araber nehmen türkisch als Verkehrssprache, Araber mehr heranziehen, Milderung des Militärdienstes, Steuerwesen, Dezentralisation, aber im Rahmen der Türkei.

Mesopotamien: Türkische Provinz, Verhältnisse ähnlich, doch fehlte Intellektuellenschicht Syriens.

Innerarabien: England verhindert Consolidierung der Türkei, Jemen, Hadramaut, kleine Fürstentümer des Persischen Golfs. Alte Verträge, erster Plan von Kuwait 1839!

Im Nagd: Banu Sa’du und Banu Rasid. B.Sa’du im englischen Sold. Große Entwicklung war nicht anzunehmen.

Higaz (Hedschas?) Großer Scherif Husain. Teilung der Scherife zur Türkei. Bedeutung der Wallfahrt: Ernte von Mekka.

3. Der Krieg und die Aufrollung des großarabischen Problems

    1. Arabien muß abfallen, besonders Mekka, da wirtschaftlich von Ägypten abhängig. Mekkabahn ein vergeblicher Versuch der Türkei, diesen wichtigen Außenposten zu stärken. 1915/16 sucht Enver (Pascha) zu retten, während Husain schon mit Sir Henry MacMahon verhandelt. England hatte zunächst an Ibn Sa’ud gedacht, der aber nach der Niederlage sich zunächst zurückhielt. Husain will Großarabien, selbst auf Libanon war (er) vorübergehend ausgerichtet und auf Aden und Alexandrette. Gleichzeitig Sykes-Picot-Verhandlungen!! England! Juni1916 begannen Feindseligkeiten, T.E. Lawrence. 29.10.1916 Husain proklamiert (sich) zum König der Araber, nicht des Higaz! (war als solcher anerkannt). An der Niederlage der Palästina-front haben Araber unter Feisal großen Anteil! – Gewaltige Enttäuschung über Mandatspolitik. August 1921 krönt sich Feisal zum König von Irak … 1924 Abschaffung des Kalifats.- Abdulaziz Ibn Sa’ud und die Wahabiten ziehen am 13.10.1924 in Mekka ein.
    2. Palästina.2 1. Juli 1920 wurde Zivilrat eingeführt.- 1.10. Sir Herbert Samuel ernennt Advisory Council mit 10 britischen Beamten, 10 Palästinensern (4 Muslime, 3 Christen, 3 Juden). Anfang 1922 Legislative Council durch Order ins Auge gefaßt: High Commissioner + 10 Beamte + 12 gewählte Mitglieder (8 Muslime+2+2) durch Wahlmänner auf Grund von Zahlen nach dem türkischen System.- Februar und März Wahlen: Non Cooperation Tendenz und Indolenz machten Wahlen ungültig (nur bei den Juden hatte es geklappt).-4. Mai: Wahlen für ungültig erklärt.- Ebenfalls scheiterten Wahlen zum Advisory Council und zur Arab Agency. So mußte im Dezember ein Advisory Council begründet werden, der nur aus offiziellen Mitgliedern bestand.- Nur Sprme(?) Muslim Shari’a Council für Palästina als Ersatz für Ergaf Nun und Sheikh al islam. Muslim Community entrance (?) Satzung, gebilligt durch High Commissioner, 20. Dezember 1921 in Kraft.- Herbst 1925 bei Wiederwahl scharfe Kritik; ganz freie Wahl 1926, doch so viele Unregelmäßigkeiten, daß Gericht zahlreiche Wahlen annulliert. Die Unruhen von August 1928 kamen nicht aus heitrem Himmel: Non Cooperation der Araber, solange Jewish National Home Politik besteht.- 1925/26 Truppen reduziert. 1926/29 Zeichen der Zeit nicht richtig verstanden. (Auch am 5. Juli berichtet High Commissioner Sir John Chanzeller, die Beziehungen besserten sich!!). Mandatscommission warnte vergeblich.
    3. Aufgabe des Mandats von 1922 war dreifach:
      1. Beförderung der jüdischen Einwanderung, die jetzt zu recht und nicht geduldet sein sollte. Und zwar als individuelle Bürger Palästina und zugleich nationale Gemeinschaft.
      2. Rechte und Lage der anderen Bevölkerungselemente durften nicht benachteiligt werden (Muslime, christliche Araber).
      3. Mandatsmacht sollte sich durch Entwicklung der Selbstverwaltung und eine gesetzgebende Versammlung möglichst überflüssig machen.

Das Mißtrauen der Araber wird beeinflußt durch den griechisch-türkischen Bevölkerungs-austausch. Unsicherheit des Faktors der jüdischen Bevölkerung.

1930: 700 000 arabische Muslime, 82 000 Christen; Juden 1922: 84 00=11,7%; 1932 175 000 =17% (sagen: 200 000).

… Das meiste Land war auf dem offenen Markt von Ehrem gekauft und nicht freies Land gewesen:

  1. Palestine Jewish Colonization Association (Rothschild)
  2. Keren Hegesod Palestine Foundation Found, Organ der Jewish Agency
  3. Steht gut mit Arabern, hilft ihnen und …
  4. Beschränkt sich auf Juden, Jewish Colonization

Abschlußbetrachtung

    1. Panarabische Bewegung gibt es nicht, wohl aber panislamisches Gefühl, das im wesentlichen von den Arabern getragen wird
    2. Die großarabische Bewegung ist eine Tatsache. In Syrien aus antitürkischer Haltung geboren wird sie heute wohl von allen leitenden Leuten der arabischen Teilreiche akzeptiert … Als Tendenz anerkannt. Ägypten steht mit einer Sonderentwicklung in wohlwollender Hilfsstellung, das übrige Afrika hat nur islamische Solidaritätsgefühle.
    3. Die praktische Verwirklichung ist mindestens für ein Jahrhundert noch eine Utopie, und zwar weil England und Frankreich andere Interessen haben und weil die Eifersucht der arabischen Staaten untereinander zu groß ist.

 

281. Deutsches Komitee Pro Palästina zur Förderung der jüdischen Palästinasiedlung.

Vorsitzender Graf Bernstorff Berlin, 30.4.1932

Vgl. Zeitschrift, 12 Seiten


1 Becker war im Ehrenausschuß des Verein, mit Einstein, Grimme Löbe u.a.

2 Heranzuziehen : Balfour-Declaration von 1920. Offizielle Interpretationen bei Toynbee S.366, Churchill, Memoiren.