Deutsches Komitee Pro Palästina, 1927

HA. VI. Nachl. C.H. Becker. Rep.92. Becker. Nr.2958

279. Anruf des Pro-Palästina-Komitees. Notiz für Minister Becker1, Berlin 23.5.1927

Das Büro des Pro-Palästina-Komitees (Herr Boehm) rief heute an und bat um einen Empfang für Herrn Blumenfeld, 1. Vorsitzender der Zionistischen Vereinigung Deutschlands. Das Pro-Palästina-Komitee hält am 20. Juni d. Js. eine Versammlung ab, auf der der Vorsitzende Exzellenz Graf Bernstorff spricht. Graf Bernstorff bittet Herrn Minister Becker, ein Referat zu übernehmen. Herr Blumenfeld soll die Bitte übermitteln. Herr Blumenfeld, der demnächst auf Dienstreise geht, stände an den Tagen: Dienstag, den 23. Mai, Mittwoch, den 24. Mai, vormittags, und Sonnabend, den 28. Mai zur Verfügung.

Herr Boehm ruft heute um 5 Uhr noch einmal telephonisch an, um sich evtl. der Termin für den Empfang nennen zu lassen. Er selber ist zwischen1/4 4 und 6 Uhr heute zu erreichen unter Bismarck 7165. gez. Müller

Anmerkung: Montag 27.6. abends 8 ½ Uhr Herrenhausversammlung, vorher Empfang zu allem(einer) Aussprache über Pro-Palästina …

 

280. C.H.Becker. Handschriftliche Notizen Frankfurt/M, Universität 20.1.1932

Die panarabische Bewegung

  • Es gibt keine panarabische, sondern nur eine großarabische Bewegung, aber selbst sie ist eine literarische Angelegenheit.
  • Panarabische Tendenz = panislamische Religion/Volkstum, wie Deutsche vielgespalten Schweizerisches Erbe, holländisches, österreichisches, bayerisches und preußisches, selbst Hamburg und Waldenser, Wolgadeutsche, Ney Yorker Deutsche…

1. Geschichte des arabischen Volkes

  • Entscheidende Gestaltung des Mittelmeergebiets: die ganzen Ost- und Südgrenzen des Mittelmeeres sind arabisch. Arabisierung der vorderasiatisch-afrikanischen Welt – die arabische Völkerwanderung. Syrien bis in Iran. (?) Berge – nicht religiöse Bekehrung, sondern Wirtschaft…
  • Araber am Tschadsee. … Schwarze Araber. … Neger – Berber – Ägypter – Syrer –Iraquier – Beduinen und andere Bewohner der Halbinsel.
  • Politischer Zusammenfassung völlige Utopie – islamische Gemeinschaft. Islam (ist) arabische Religion: Türken ausgeschieden!!
  • Daneben von Europa bestimmte Staatsgedanken importiert. Verschiedene Formen.

2. Die politische und nationale Problemstellung in den arabischen Teilgebieten

Vom Atlantik zum Indischen Ozean

  1. Ganz Nordafrika unter französischer Herrschaft außer Ägypten (britisch) und Tripolis(italienisch). Marokko bis Tunis Schutzgebiete , eingeborene Herrscher: Beispiel: Erlaß des Sultans von Marokko über Berberisches Gewohnheitsrecht, Bekämpfung der arabischsprachigen Tendenz, dafür Französischtendenz. Algier: prolongation de la métropole, Politik der Assimilation. Scheidet aus für panarabische, auch für großarabische Pläne, und mit ihm das ganze arabische Hinterland (Colonialverwaltung). Schon Arabisch als Sprache im Konkurrenz mit Französisch – Haussa – Suaheli. – Verschiedenheit der Kulturstandards. Frankreich sitzt fest im Sattel.
  2. Ägypten. Cairo geistiger Mittelpunkt der islamischen Welt und zugleich der arabischen Zeitungen! Araber Ägyptens noch mit Türken gemischt, Stadt und Land, Kopten und Muhammedaner.– Tatsache der Okkupation schweißt sie zusammen, nicht nur Araber, sondern (auch ) Arabisierte. – Der abgeschlossene Charakter des Niltals: Erbe der Pharaonen, Ägypter, nicht Großaraber. Doch eine Gruppe hat diese Tendenz: Zeitschrift El Masur (?) von Mohammed Aldal, früher mehr religiös jetzt unter Muhammed Resid Ridà auch politisch-großarabisch. Schon deshalb England-freundlich im Gegensatz zu Gros des ägyptischen Volkes. Ägypten den Ägyptern, nicht den Arabern. – Englischer Versuch eines Bündnisses (erst unklar, dann Protektorat, dann Bündnis … Auch Ägypten hat seine eigene Problemstellung.
  3. Syrien – Mesopotamien. – Innerarabien als türkische Provinz (hatte) Araber und Türken, Christen und Mohammedaner. Hier liegen, namentlich in Syrien, die Wurzeln der großarabischen Bewegung.. Syrien hat Provinzverwaltung. Libanonstatut 1861/1864. Mit kleinen Ausnahmen arabische Landessprache, aber kein Nationalbewußtsein, seit 18.Jh.(?) schwer bekämpft, Religionsgemeinschaften, 25% Christen: 5 Patriarchen in Antiochia: griechisch-katholisch, syrisch-uniert, marronitisch, gakolitisch (?)-monophys(itisch) und griechisch-uniert(maliktos(?). Führung bei hochkultivierten syrischen Erahau (?), Beyrouth, Damaskus. Antitürkisch, zunächst Selbstverwaltung im Rahmen des Osmanischen Reiches, dann Freiheit vom Türkischen Joch unter französischem oder englischem Protektorat. Aufforderungen von verschiedenen Kreisen an beide Mächte, je nach histor(ischen) Verbindungen.- Anfang (19)04 Begründung eines nationalen arabischen Comités, Anfänge dunkel: Negib Azouri Bey, Le réveil de la Nation arabe dans l’Asie turque, Paris 1905. Programm: Unabhängige syrische Nation, konstitutionelle Monarchie, Higaz als Kalifatsersatz, Autonomie des Libanon und der christlichen Heiligtümer.- Stärkung der Bewegung bei Revolution 1908 (Loge J.E mit gleichen Mitteln wie Jungtürken, islamischer!! Zentralismus/Dezentralisierung…- Empfindlichkeit des Comité Union et Progrès in der arabischen Frage. Von der Goltz ist pro Dezentralisation.- Unter syrischer Führung verschiedene Denkschriften zwischen 1912 und Kriegsbeginn. Noch loyal: Araber nehmen türkisch als Verkehrssprache, Araber mehr heranziehen, Milderung des Militärdienstes, Steuerwesen, Dezentralisation, aber im Rahmen der Türkei.

Mesopotamien: Türkische Provinz, Verhältnisse ähnlich, doch fehlte Intellektuellenschicht Syriens.

Innerarabien: England verhindert Consolidierung der Türkei, Jemen, Hadramaut, kleine Fürstentümer des Persischen Golfs. Alte Verträge, erster Plan von Kuwait 1839!

Im Nagd: Banu Sa’du und Banu Rasid. B.Sa’du im englischen Sold. Große Entwicklung war nicht anzunehmen.

Higaz (Hedschas?) Großer Scherif Husain. Teilung der Scherife zur Türkei. Bedeutung der Wallfahrt: Ernte von Mekka.

3. Der Krieg und die Aufrollung des großarabischen Problems

    1. Arabien muß abfallen, besonders Mekka, da wirtschaftlich von Ägypten abhängig. Mekkabahn ein vergeblicher Versuch der Türkei, diesen wichtigen Außenposten zu stärken. 1915/16 sucht Enver (Pascha) zu retten, während Husain schon mit Sir Henry MacMahon verhandelt. England hatte zunächst an Ibn Sa’ud gedacht, der aber nach der Niederlage sich zunächst zurückhielt. Husain will Großarabien, selbst auf Libanon war (er) vorübergehend ausgerichtet und auf Aden und Alexandrette. Gleichzeitig Sykes-Picot-Verhandlungen!! England! Juni1916 begannen Feindseligkeiten, T.E. Lawrence. 29.10.1916 Husain proklamiert (sich) zum König der Araber, nicht des Higaz! (war als solcher anerkannt). An der Niederlage der Palästina-front haben Araber unter Feisal großen Anteil! – Gewaltige Enttäuschung über Mandatspolitik. August 1921 krönt sich Feisal zum König von Irak … 1924 Abschaffung des Kalifats.- Abdulaziz Ibn Sa’ud und die Wahabiten ziehen am 13.10.1924 in Mekka ein.
    2. Palästina.2 1. Juli 1920 wurde Zivilrat eingeführt.- 1.10. Sir Herbert Samuel ernennt Advisory Council mit 10 britischen Beamten, 10 Palästinensern (4 Muslime, 3 Christen, 3 Juden). Anfang 1922 Legislative Council durch Order ins Auge gefaßt: High Commissioner + 10 Beamte + 12 gewählte Mitglieder (8 Muslime+2+2) durch Wahlmänner auf Grund von Zahlen nach dem türkischen System.- Februar und März Wahlen: Non Cooperation Tendenz und Indolenz machten Wahlen ungültig (nur bei den Juden hatte es geklappt).-4. Mai: Wahlen für ungültig erklärt.- Ebenfalls scheiterten Wahlen zum Advisory Council und zur Arab Agency. So mußte im Dezember ein Advisory Council begründet werden, der nur aus offiziellen Mitgliedern bestand.- Nur Sprme(?) Muslim Shari’a Council für Palästina als Ersatz für Ergaf Nun und Sheikh al islam. Muslim Community entrance (?) Satzung, gebilligt durch High Commissioner, 20. Dezember 1921 in Kraft.- Herbst 1925 bei Wiederwahl scharfe Kritik; ganz freie Wahl 1926, doch so viele Unregelmäßigkeiten, daß Gericht zahlreiche Wahlen annulliert. Die Unruhen von August 1928 kamen nicht aus heitrem Himmel: Non Cooperation der Araber, solange Jewish National Home Politik besteht.- 1925/26 Truppen reduziert. 1926/29 Zeichen der Zeit nicht richtig verstanden. (Auch am 5. Juli berichtet High Commissioner Sir John Chanzeller, die Beziehungen besserten sich!!). Mandatscommission warnte vergeblich.
    3. Aufgabe des Mandats von 1922 war dreifach:
      1. Beförderung der jüdischen Einwanderung, die jetzt zu recht und nicht geduldet sein sollte. Und zwar als individuelle Bürger Palästina und zugleich nationale Gemeinschaft.
      2. Rechte und Lage der anderen Bevölkerungselemente durften nicht benachteiligt werden (Muslime, christliche Araber).
      3. Mandatsmacht sollte sich durch Entwicklung der Selbstverwaltung und eine gesetzgebende Versammlung möglichst überflüssig machen.

Das Mißtrauen der Araber wird beeinflußt durch den griechisch-türkischen Bevölkerungs-austausch. Unsicherheit des Faktors der jüdischen Bevölkerung.

1930: 700 000 arabische Muslime, 82 000 Christen; Juden 1922: 84 00=11,7%; 1932 175 000 =17% (sagen: 200 000).

… Das meiste Land war auf dem offenen Markt von Ehrem gekauft und nicht freies Land gewesen:

  1. Palestine Jewish Colonization Association (Rothschild)
  2. Keren Hegesod Palestine Foundation Found, Organ der Jewish Agency
  3. Steht gut mit Arabern, hilft ihnen und …
  4. Beschränkt sich auf Juden, Jewish Colonization

Abschlußbetrachtung

    1. Panarabische Bewegung gibt es nicht, wohl aber panislamisches Gefühl, das im wesentlichen von den Arabern getragen wird
    2. Die großarabische Bewegung ist eine Tatsache. In Syrien aus antitürkischer Haltung geboren wird sie heute wohl von allen leitenden Leuten der arabischen Teilreiche akzeptiert … Als Tendenz anerkannt. Ägypten steht mit einer Sonderentwicklung in wohlwollender Hilfsstellung, das übrige Afrika hat nur islamische Solidaritätsgefühle.
    3. Die praktische Verwirklichung ist mindestens für ein Jahrhundert noch eine Utopie, und zwar weil England und Frankreich andere Interessen haben und weil die Eifersucht der arabischen Staaten untereinander zu groß ist.

 

281. Deutsches Komitee Pro Palästina zur Förderung der jüdischen Palästinasiedlung.

Vorsitzender Graf Bernstorff Berlin, 30.4.1932

Vgl. Zeitschrift, 12 Seiten


1 Becker war im Ehrenausschuß des Verein, mit Einstein, Grimme Löbe u.a.

2 Heranzuziehen : Balfour-Declaration von 1920. Offizielle Interpretationen bei Toynbee S.366, Churchill, Memoiren.

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