Prinz Max von Baden, 1923 + 1929

HA VI. Nachl. Becker. Rep.92 B. Nr.6188

318. C.H.B. an Prinz Max von Baden, Salem (Baden). Berlin, 16.11.1923

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Hochzuverehrender Prinz.

Euer Hoheit telegrafische Anfrage über Oberschulrat Michaelis habe ich sofort in empfehlenden Sinne beantwortet. Wenn ich mir eine briefliche Begründung vorbehielt, so geschah es in der Absicht, Euer Hoheit über die Stellung von Michaelis im Berliner Schulleben kurz zu informieren.

Michaelis ist unzweifelhaft ein tüchtiger Schulmann und guter klassischer Philologe und dienstlich besonders mit Prüfungsvorschriften und Examensanforderungen vertraut. Wenn auch der alten Schule angehörig, hat er doch Verständnis für moderne Experimente bewiesen, wovon ich mich persönlich bei einem gemeinsamen Besuche der städtischen Versuchsanstalt auf der Insel Scherfenstein im Tegeler See überzeugen konnte. Natürlich ist er nicht die bezwingende und führende Persönlichkeit, die Reinhardt war, und ich würde es nicht als im Interesse der Schloßschule liegend erachten, wenn er als dauernder Leiter in Frage kommen sollte. Dafür ist er doch zu altmodisch und dem neuen Stande der Dinge zu fern stehend. Politisch ist er wohl ziemlich ahnungslos, wirkt deshalb aber wie alle sogenannten Unpolitischen im Sinne der Rechten. Jedenfalls sind manche seiner Maßnahmen und Handlungen so gedeutet worden, und es hat sich ein wahres Kesseltreiben der Linken gegen ihn entwickelt, wodurch er zu einer gewissen Belastung für die Regierung wurde. Irgendetwas disziplinär zu Ahndendes ist ihm nicht vorzuwerfen gewesen. Aber seine Unfähigkeit, sich der neuen Zeit anzupassen, hat uns doch veranlaßt, ihm einen freiwilligen Rücktritt vor dem Erreichen der Altersgrenze zu erleichtern.

Ich wollte das ganz offen sagen, um Euer Hoheit vollkommen ins Bild zu setzen, kann aber nur wiederholen, daß er, losgelöst von der Berliner Atmosphäre und herausgenommen aus der ständigen Verärgerung durch Zeitungsangriffe, bei seinem unbedingten pädagogischen Geschicke und seiner hervorragenden klassisch-philologischen Bildung als vorübergehender Leiter der Schloßschule nur wärmstens empfohlen werden kann.

Darf ich diesen Anlaß benutzen, Euer Hoheit noch einmal Dank zu sagen für die liebenswürdige Aufnahme, die ich in Schloß Salem gefunden habe. Euer Hoheit wissen, welch warmes Interesse ich der Salemer Schule entgegenbringe, und ich kann nur wiederholen, das alles, was ich gesehen und gehört habe, mich in der Überzeugung bestärkt hat, daß unter Euer Hoheit Patronat ein sehr ernster und bedeutungsvoller Versuch unternommen wird, dem ich volles Gelingen wünsche.

Mit der Bitte, der Frau Prinzessin meine ehrerbietigste Empfehlung übermitteln zu wollen, habe ich die Ehre, Euer Hoheit mit besonderer Verehrung zu begrüßen

Als Euer Hoheit ergebenster (C.H.B.)

 

319. C.H.B. an Berthold Prinz von Baden, Salem. Berlin, 6.11.1929

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Telegramm (?)

Zum Heimgang Ihres Herrn Vaters1 spreche ich Ihnen und Ihrer hochverehrten Frau Mutter meine und meiner Frau innigste Teilnahme aus. In stolzer Freude werden Sie immer Ihres Vaters gedenken können, der in schwerer Zeit sich rückhaltslos dem Vaterlande zur Verfügung gestellt hat und dessen edle Menschlichkeit allen unvergeßbar sein wird, die das Glück seiner persönlichen Bekanntschaft genießen durften.

Kultusminister Becker


1 Prinz Max von Baden *1867 +1929 wurde im Oktober 1918 Reichskanzler

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