Franz Babinger, 1909-33

HA. VI Nl. C.H.Becker. Nr.6181

320. Franz Babinger1 an C.H.B., Hamburg Würzburg, 14.6.1909

Hochverehrter Herr Professor,

Soeben erhalte ich Ihren frdl. Brief vom 13. Juni (1909) mit beiliegendem Zeitungsausschnitt. Für Ihre überaus große Liebenswürdigkeit und Bemühungen bitte ich Sie, sehr geehrter Herr Professor, meinen herzlichsten Dank entgegennehmen zu wollen. Die Mitteilungen Prof. Ridgeways’s sind für mich von außerordentlichem Wert, da sie mir eine Reihe von Gesichtspunkten eröffnen. Allerdings gestaltet sich die Sache immer verwickelter, je mehr man in dieselbe eingedrungen zu sein glaubt. Ich werde mir nun umgehend die Nummer des Journal of the Anthropological Institute of Great Britain and Ireland senden lassen, um den betreffenden Artikel einsehen zu können.

Ich bin natürlich mit größtem Vergnügen bereit dem mir von Ihnen erwähnten Herrn Dr. Paul Ruben-Hamburg meine bisherigen Ergebnisse in dieser hochinteressanten Sache mitzuteilen. Im übrigen werde ich kommenden Sommer mich einige Tage in Hamburg aufhalten, wobei ich Gelegenheit nehmen werde mit ihm mündlich über die Sache zu sprechen. Es würde mich riesig freuen, wenn ich das Vergnügen haben sollte, Sie, sehr geehrter Herr Professor, persönlich begrüßen zu können und Ihnen in persona meinen Dank für ihre Freundlichkeiten auszusprechen. Jedoch werden Sie wohl bis dahin nicht mehr in Hamburg anwesend sein.

Neulich ist mir die Mitteilung Herman Vambéry’s in die Hände gekommen wonach er bei den Turkmanen ebenfalls Anzeichen für die Verehrung des Halbmondes antraf. Im übrigen glaubt Vambéry, daß bei dem Halbmond als Regierungswappen nicht sosehr Hillâl als vielmehr der vom Propheten vollbrachten Mondspaltung (?) tonangebend gewesen sein mag. Ich kann daran nicht glauben, wenngleich auch Andere wie Ernst Lindl-München dieselbe Ansicht vertreten. Th. Nöldeke hat mir gegenüber einmal die Ansicht als „einfältig und grundverkehrt“ bezeichnet, wohl mit Recht. Für die (natürlich falsche) Erklärung des arab. (Allah?, in arabisch …) aus dem Einheitsbekenntnis wurde mir ein neuer Beleg im Lisân Bd.14 von bekannter Seite mitgeteilt. Ferner wurde ich noch auf eine heraldische Arbeit von Rogus-Bey verwiesen, der auf altägyptische Beziehungen hinweist. Die betreffende Schrift ist mir bisher nicht zugänglich, da ich erst die Zeit nehmen muß, Sherman’s O.-B. durchzusehen, um den genauen Titel in Erfahrung zu bringen. Ebenso war es mir unmöglich, das Werk Yacoub Artin Pacha’s Contribution à l’Etude du Blason en Orient aufzutreiben, wo sich ebenfalls verschie-dene Literaturangaben finden sollen. Hier in Würzburg ist das Buch nicht anzutreffen. Was das Vorkommen des Halbmondes auf altorientalischen Münzen (angeht), so habe ich nicht viel darüber erfahren können. Auf Sarre’s Anraten habe ich mich mit Prof. Nützel in Verbindung gesetzt und werde ich mich selbst einige Tage nach Berlin begeben, um in der muham(medanischen) Abteilung des Münzkabinetts Studien zu machen. In gleicher Weise werde ich dort die von Abehardt in seinem Katalog der arabischen Handschriften in der Königlichen Bibliothek zu Berlin verzeichneten Manuskripte über die Mondspaltung durch den Propheten (…) einzusehen Gelegenheit haben.

In Ihrem frdl. Brief erwähnen Sie ferner (weggelocht!) die auf altheidnische Vorstellungen zurückgehenden frühchristlichen Darstellungen der kl(einen?) Maria auf dem Halbmond. Dieses Vorkommen des Halbmondes in Verbindung mit der Jungfrau hat, soviel ich zu beurteilen in der Lage bin, wohl eine symbolische Bedeutung. Ich erinnere Sie nur, sehr geehrter Herr Professor, an die sog. österreichischen Marientaler, auf denen sich ebenfalls diese Zusammenstellung findet. Sollte darin nicht der Sieg des Christentums über den Halbmond zum Ausdruck gebracht sein?2 In meiner Münzsammlung besitze ich auch einen bayer(ischen) Taler von Ludwig II. (1870), der auf dem Revers die gleiche Darstellung, Maria mit dem Kind auf dem Halbmond stehend zeigt.

Indem ich ihnen noch einmal für Ihre großen Liebenswürdigkeiten meinen verbindlichsten Dank ausspreche, verbleibe ich in vorzüglicher Hochachtung stets

Ihr ergebener (gez.) FranzHBabinger

Postscriptum

Was die babylonischen Darstellungen angeht, so werde ich Gelegenheit haben, mich darüber im Juli oder August persönlich mit dem jetzt zur Erholung von schwerer Krankheit im Süden weilenden Assyriologen Hilprecht, der, wie Ihnen wohl bekannt ist, Sommers in Hailer bei Meerhoff (Hessen-Nassau) weilt, zu besprechen. Vielleicht weiß übrigens auch Max Streck mich darüber aufzuklären. Wenn Sarre sagt, daß sich der Halbmond auch auf ägyptischen Darstellungen findet, so glaube ich daran zweifeln zu dürfen; denn bis dato ist mir nicht das Geringste davon aufgefallen und berichtet worden.

Zum Schlusse gestatte ich uns Ihnen mal die Ansicht einen Laien (meines Erachtens) beizufügen … aus der Augsburger Abendzeitung 1909 … und zwar in dem Aufsatz eines … E. Witte, betitelt „Sagen und Prophezeiungen über Konstantinopel“:

  • „… Die Schutzgöttin des heidnischen Byzanz war die Göttin Hekate. Als im Jahre 340 v. Chr. die Makedonier unter Philipp … die Mauern nächtlicherweise zu erstürmen suchten erschien plötzlich ein Nordlicht am Himmel, dessen Schein den Byzantinern den drohenden Anschlag enthüllte und sie in den Stand setzte, ihn noch rechtzeitig zu vereiteln. Zum Dank errichteten sie der Göttin am Ufer der Meerenge eine Bildsäule, vor der sie eine Tag und Nacht brennende Lampe unterhielten. Auch ließen sie ihr zu Ehren auf ihren Münzen einen Halbmond prägen: man sieht darauf den Halbmond samt einem kleinen Sterne; so erklärt sich der Ursprung des türkischen Wappens, ein Stern, der neben der Mondsichel glänzt …“

Ich glaube, hier ist Giordano Bruno’s Wort ganz am Platze: „Sèn non è vero, è molto ben trovato“:

Indem ich Sie, hochgeehrter Herr Professor, nochmals ersuche, für Ihre liebenswürdigen Aufschlüsse meinen besten Dank entgegen zu nehmen, verbleibe ich mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster (gez. ) FranzHBabinger

PS. Um noch das Vorkommen des Halbmondes auf Münzen zu erwähnen, so bemerkt F.Sarre, daß sich der Halbmond mit Stern auf den Drachmen des Arsakiden Thrahases IV findet (hier fällt freilich auf, daß ihn nur ein Arskide auf seine Münze setzte). Weiteres wird er hie und da seit dem ersten Jahrhundert der Higra auf muhamm(edanischen) Münzen in Syrien, Mesopotamien und Persien angetroffen, auch die Sultane von Ikonium führten ihn im 12.-13. Jahrhundert auf ihren Münzen: auf türkischen erscheint er erst zweifellos unter Murad II (1421-1451). FB

 

321. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 12.1.1918

(Maschinenmanuskript)

Hochverehrter Herr Geheimrat,

heut Nacht völlig durchkältet und weidlich ausgehungert aus Breslau zurückgekehrt, wo ich noch dienstlich zu tun hatte, beeile mich mich Ihnen ein paar Abdrücke jener auf so eigenartige Weise entstandenen ungarischen Abhandlung über die altszékler Kerbschrift zuzusen-den; einen Sonderdruck des deutschen, in der Ungarischen Rundschau veröffentlichten Aufsatzes besitze ich leider nicht mehr, dafür lege ich eine S(onder) A(usgabe?) aus Kéleti Szemle bei, wo ich das ganze Problem der Kerbinschrift nochmals aufwarf.

Auch ein Exemplar meiner Doktorschrift füge ich bei; E. Windisch hatte die Freundlichkeit sie in seiner Geschichte der Sanskritphilologie, freilich über Gebühr, zu unterstreichen.

Meine Bemühungen um Wiederverwendung in der Türkei sind in sofern von Erfolg begleitet, als ich gestern von der Heeresgruppe F drahtlich angefordert wurde. Am kommenden Mitt-woch werde ich wieder in Berlin sein, um mich einkleiden zu lassen. Der Tag der Abreise dürfte dann nicht mehr allzufern sein, worüber niemand froher ist als ich.

Herrn Prof. E. Mittwoch durfte ich auf dem Abend der persischen Kolonie kennen lernen, wo ich auch die Bekanntschaft von J. Marquardt machte, der mich sehr interessierte. Der ganze Abend verlief sehr nett; besonderen Spaß machte mir die ernstliche Versicherung eines türkischen Herrn, daß er mich für einen Osmanen gehalten habe und erst von Imhoff-Pascha aufgekärt wurde, daß ich Deutscher sei.

In Verehrung und Dankbarkeit stets Ihr ganz ergebener

(gez.) Franz Babinger.

 

322. Franz Babinger an C.H.B. Berchtesgaden, 11.8.1919

Hochverehrter Herr Unterstaatssekretär,

Ihre gütigen Zeilen aus Gelnhausen vom 6.8. haben mich auf dem Umweg über Würzburg schließlich hier erreicht und ich beeile mich Ihnen für die so liebenswürdige Bereitwilligkeit, mir ein paar Stunden der Unterhaltung zu widmen, angelegentlichsten Dank zu sagen. Ich bin auf dem Sprung nach Wien, wo ich in allerlei Isl(amica?) Einblick nehmen möchte, ein paar Tage mit meinen Angehörigen hier in Berchtesgaden beisammen, also nicht einmal in Würzburg und damit in der Nähe Gelnhausens. Es träfe sich sehr gut, wenn ich etwa Ende des Monats, wo ich ganz gut Zeit für eine Fahrt nach Berlin gewinnen kann, mich bei Ihnen melden dürfte. Der Sicherheit wegen werde ich, Ihren Rat befolgend, mich brieflich anmelden.

Ich habe hier, d.h. in Wintermoos, unlängst Frl. Berta Schmidt getroffen, der es sehr gut geht.

Mit der erneuten Versicherung stets aufrichtiger Verehrung und Dankbarkeit und der Bitte, mich der gnädigen Frau vielmals zu empfehlen, verbleibe ich,

hochverehrter Herr Staatssekretär, stets Ihr ganz ergebener Franz Babinger.

 

323. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 30.9.1919

(Maschinenmanuskript)

Hochverehrter Herr Unterstaatssekretär,

nach Hause zurückgekehrt beeile ich mich Ihnen auf diesem Wege nochmals herzlichsten Dank zu sagen für die gütige Aufnahme in Halle und Berlin. Die Stunden der Unterhaltung im Deutschen Haus bleiben mir eine besonders wertvolle Erinnerung. Ich habe eine Menge Eindrücke davon mitgenommen. Nicht minder wertvoll war mir die Vollversammlung der DMG3 in Halle, bei der ich auch allerlei gelernt habe. Eines ist mir völlig klar geworden: daß es so nicht weiter gehen kann und ich freue mich, daß ein noch ein guter Teil andrer Teilnehmer mit dem nämlichen Bewußtsein aus Halle geschieden ist. Ebenso unerfreulich war der Einblick, den im Verlauf Ihres Gesprächs mit Herrn Mahrholz in das politische Getriebe habe nehmen dürfen. Unsereiner ist in diesen Dingen auf die Zeitungen angewiesen, zu denen ich schon längst das Vertrauen verloren habe,, so verloren habe, daß ich seit Wochen kein Blatt mehr anrühre. Ich bin immer noch überrascht von der Fixigkeit, mit der vor bald einem Jahr die Presse ihre alten Götzen weggeworfen hat, um neue zu begrüßen, und ich weiß nicht, ob das wunderlicher ist oder die Schnelligkeit, mit der die Öffentlichkeit sofort der erleuchteten Führung der Zeitungen folgte. Es gibt bei uns sehr viele verschiedene Meinungen und sehr wenige selbständige; wer nicht altständig, kirchlich oder genossig ist, kommt vor lauter Herausbildung politischer Theorie niemals zu ihrer praktischen Erprobung. Die Unlust zu ärgervoller Betätigung und die bequeme Gewöhnung, regiert zu werden, hat uns die Pflicht vergessen lassen, uns am öffentlichen Leben zu beteiligen. So wenig ich die Überzeugung teilen kann, daß für Deutschland das Heil in der Demokratie beruht (ich habe darüber lange mit Ihrem Herrn Schwager in Augsburg gesprochen!)4, so fest bin ich davon überzeugt, daß ein besserer Zustand niemals durch theoretische Schlagworte (wie „Selbstbestimmung“ usw.) herbeigeführt wird, sondern durch tätige Mitarbeit in den engeren und weiteren Kreisen, deren Mittelpunkt das eigene Leben ist. Und indem man sich durch Blamagen nicht verdrießen läßt.

Wenn ich, um bei diesem Gegenstand zu bleiben, von meiner persönlichen Meinung sprechen darf, die übrigens durch die Unterhaltung in Berlin erheblich verstärkt wurde, so liegt die größte Gefahr zurzeit darin, daß diejenigen, die gegenwärtig tatsächlich Politik treiben, von der Politik und vom Staat viel zu viel erwarten. Ohne saubere Gesinnung und Opferwilligkeit nützt die schönste Verfassung wenig; und diese Dinge wurzeln vielleicht am besten in der Familie und in den Staatskirchen. Alles, auch die notwendige Verständigung mit dem politischen Gegner läuft leichter, wenn anständige Naturen durch ihren sittlichen Optimismus immer mehr die Dämpfe des Neides und Mißtrauens vertreiben, die vielen für politische Lebensluft gelten und vielen passiven Naturen die Lust am öffentlichen Leben verderben. So überaus ich mit allen andern damals bedauerte, daß unserer engeren Wissenschaft Ihre Kräfte zunächst entzogen sind, so sehr freue ich mich jetzt, daß sie Ihrem derzeitigen Amt zugute kommen, dessen Bedeutung unendlich viel wichtiger als Ihre frühere Stellung ist. Es steht in unserem Bildungsleben Großes auf dem Spiel.5

Ich benutze die Gelegenheit, Ihnen einen SA6 des Artikels Josef Wolff zu übersenden, den ich für ein Sammelwerk fertiggestellt habe. Vielleicht nehmen Sie sich Zeit und Mühe, die paar Seiten einmal durchzulesen. Es war nicht leicht, das selten bewegte Leben dieses Mannes übersichtlich und zugleich leslich auf einigen Seiten zu schildern. Es war eine seltsame Größe, mit einer sehr feinen Empfindung dafür, wo man sich sozial am besten bettet, und mit einem herrlichen Maß kritikloser Leidenschaft für eine Idee. Daß diese Idee falsch war, macht den (mir nicht sympathischen) Mann nicht kleiner. Vielleicht hat mancher Spaß an der Darstellung, besonders solche, die persönliche Größe (+ etwas Humbug) über den intellektuellen Erfolg stellen.

In stets aufrichtiger Verehrung und Dankbarkeit bin ich

Ihr ganz ergebener (gez.) Franz Babinger

 

324. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 4.10.1919

(Maschinenmanuskript)

Hochverehrter Herr Unterstaatssekretär,

die gütige Teilnahme, die Sie meinem Leben zuwenden, veranlaßt mich, Ihnen in der Anlage einen Brief von Jensen zu übersenden (mit der Bitte um gelegentliche Rückleitung), der Sie vielleicht schon mit Rücksicht auf unsere diesbezüglichen Besprechungen ein wenig interessiert. Ich kenne Jensen aus eigener Erfahrung und aus Schilderungen und – Warnungen andrer viel zu genau, als daß ich mir darüber Gedanken machte.7 Ich habe ihm ganz einfach erwidert, daß ich viel zu praktisch und zu real veranlagt sei, als daß ich mich mit Gegenständen befaßte, die im Gebiete transcendenter Vorstellungen liegen. Von einer Reibung zwischen ihm und mir könne in wissenschaftlicher Hinsicht gar keine Rede sein, da meine Interessen auf ganz andere Gegenstände gerichtet seien. Ich wollte ihm noch schreiben, daß ich gerne meine Einnahmen aus den Kolleggeldern zur Verfügung stellen wolle; aber das ging dann doch nicht recht gut. Das Ulkigste ist, daß er mich für eine Art Carnegie hält. Summa summarum: ich denke gar nicht daran, Marburg aufzugeben. Im übrigen gilt die Losung des Pariser Polizeibeamten bei Alex(andre) Dumas d.Ä.: cherchez la femme. Ich meine: letzten Endes. Grund zum ganzen Brief war irgendein Bericht über Hallesche Vorgänge, wo ich vielleicht im Gespräch mit einem Fachkollegen ertappt wurde, der Jensens Billigung nicht findet. Wen dürfte ich aber dann nicht meiden? Herr Eheloff ist Jensens damad8 in spe, wie Brock(hausen) neulich erzählte. Ich habe den schweren Verdacht, daß Ritter und ich manchen Leuten als zu modern erschienen sind, u.a. auch Zimmern, der mit Jensen ja noch ganz gut steht. Ich will das Reich der Mutmaßungen verlassen.

Als … (arabischer Text) zu meiner Arbeit komme ich auf sehr wichtige und interessante Gebiete; so beschäftigt mich gerade im Zusammenhang mit meiner Habilitationsschrift die Untersuchung, wieweit im Islam kommunistische Ideen wirksam gewesen sind. Ich habe einen Fall zu behandeln, der als Gegenstück zu den letzten Putschen geradezu klassisch ist. Eine Leidener arabische HS(?) gibt köstliche Dinge darüber zum besten. Der Gedanke der (arabischer Text) oder wie man das eben heißen will, muß im Islam einmal verfolgt werden.-

Dann habe ich eine Bitte: wie lautet der Titel des Buches von al-Sairafí über das ägyptische Kanzleiwesen? Ich suche dauernd nach Qalqaschandi’s Stilkunst, kann sie aber nirgends bekommen. Das sind interessante Fragestellungen, denen man auch einmal nachgehen muß.

Ich will schließen. Ich verbleibe, hochverehrter Herr Staatssekretär, in tiefster Dankbarkeit und Verehrung stets Ihr ganz ergebener (gez.) Franz Babinger.

 

325. C.H.B. an Franz Babinger. Berlin, 6.10.1919

(Maschinenkopie)

Lieber Herr Babinger,

mit der Bitte, sich mir gegenüber der gleichen freundschaftlichen Anrede bedienen zu wollen, verbinde ich meinen herzlichen Dank für Ihre beiden Briefe.

Die Wolff-Biographie habe ich gestern mit Interesse gelesen und mich wieder Ihrer vielseitigen Kenntnisse gefreut. Sir H. Drummond Wolff ist mir natürlich ein alter bekannter, doch habe ich nie geahnt, wie nahe dieser englische Aristokrat dem Ghetto stand. Also vielen Dank!

Der Brief von Jensen ist äußerst interessant. Der arme kranke Mensch! Natürlich steckt irgend ein Echo von Halle dahinter. Hoffentlich ist es nicht ein Schatten von mir, der hier auf den sonnigen Pfad Ihres Lebens fällt: denn daß Sie zu mir und meinem Kreis gehören, ist in Halle wohl auch den Blinden klar geworden. Jensen hat sich einst mit großem Vertrauen an mich gewandt und mir seinen ganzen Mohammed Mythus brieflich entwickelt. Ich schrieb mit einigen Worten des Dankes zurück und verschob eine Stellungnahme. Ein zweiter Brief drängte mich zur Entscheidung; ihn ließ ich schließlich unbeantwortet. Nun kann ich verstehen, daß das einen Menschen kränken muß, der seine Mission in der Lösung dieser Frage erblickt. Aber ich war damals wirklich schon Geheimrat und war auch nicht Arzt genug, um dem Problem von dieser Seite ein Interesse abgewinnen zu können. Ich will jetzt einmal diese beiden Briefe heraussuchen, da sie für Sie zweifellos Interesse haben werden; dann Sie müssen über das Thema orientiert sein, wenn es natürlich auch richtiger ist, daß Sie sich ihm gegenüber nicht auf eine Diskussion einlassen. Bezold, mit dem ich dieser Tage hier sprach, meinte, daß Sie bei aller Meinungsverschiedenheit doch gut mit Jensen auskommen würden, da er großzügig genug sei, dem Nachbarn Licht und Luft zu lassen. Jensens Brief scheint dem zu widersprechen. Suchen Sie ihn doch damit anzulocken, daß auch weitere Kreise für die Orientalistik orientiert würden, wenn mehr Lehrkräfte zur Stelle sind. Und appellieren Sie in irgend einer menschlichen Form an den vornehmen, anständigen und großzügigen Kern, der doch schließlich aller äußeren Verrücktheit Jensens zu Grunde liegt. Schmerzlich wäre mir nur an der Sache, wenn wirklich Eheloff dahinter steckte. Er ist mir so sehr gelobt worden und scheint ja auch ein feiner Mensch zu sein, aber der erste Eindruck enthielt eine leichte Beimischung aus Subalternität, die mir fatal war.

Daß es von Qalqaschani’s Stilkunst zwei Ausgaben gibt, die aber nur den ersten Teil umfassen, ist Ihnen wohl bekannt. Ich habe beide, könnte Ihnen also zur Not aushelfen. Wichtiger, aber das

(Fortsetzung fehlt!)

 

326. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 8.10.1919

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

heute möchte ich Ihnen, weil ich gerade daran denke und solche Dinge gar nicht früh genug in die Wege geleitet werden können, sagen, daß Goldziher am 22. Juni 1920 seinen 70. Geburtstag begeht. Ich meine, wir sollten diesen Anlaß zu einem besseren sertum islamicum benutzen als es 1910 von deutscher Seite geschah, wo nur Bezold seine Freunde und Verehrer in der ZA vereinigte und so wenigstens ein Festbündel flocht. Solche Gelegenheitsbände von Zeitschrif-ten haben, für mich wenigstens, immer ein etwas flüchtiges Gepräge und ich dächte, wir sollten zum 70. Jubelfest G(oldzihers) einmal eine wirkliche Festschrift zustandebringen, wie man sie etwa Kuhn und dem ‚ewigjungen’ Sachau darreichte. Ich bin sehr auf Ihre Äußerung gespannt. Das wäre auch eine Gelegenheit, einmal die feindlichen Lager unserer deutschen Orientalistik wieder etwas zu versöhnen, vielleicht wäre noch zu überlegen, ob nicht das gegnerische Ausland heranzuziehen wäre. Browne, den übrigens Herzfeld völlig falsch beurteilt, machte sicherlich mit.

Ich benütze die Gelegenheit, Ihnen von einem Brief Richard Hartmanns Kenntnis zu geben, der Sie sicherlich interessieren wird; ich weiß zwar nicht, ob ich die Erlaubnis habe ihn weiterzureichen. Für Ihre Person nehme ich mir sie eben und bitte nur, dritten Personen gegenüber seinen Inhalt vertraulich zu behandeln. Ich frage H(artmann) demnächst, ob ich ihn nicht auch Herzfeld schicken darf. Es ist alles Mögliche darin enthalten, was Beachtung verdient. Und es ist gut, wenn derartige Meinungsverschiedenheiten beizeiten beseitigt werden.

Meine Arbeit habe ich am 24. September eingereicht und folgende vier Themen für die Probe- bzw. Antritts-Vorlesung vorgeschlagen:

    1. Sozialismus und Islam
    2. Die Schí a im osmanischen Reich
    3. Die Anfänge des Sefewidenreiches
    4. Die Staatsidee im Islam.

Ich besäße sehr gerne Jensens autographierte Abhandlung über Muhammed, um gegen anfällige Fragen gerüstet zu sein; er wird ja doch im sog. Colloquium davon anfangen. Schreiben mag ich ihm nicht, um ihm von vorneherein jeden Anknüpfungspunkt zu benehmen. Darf ich Sie an Ihr freundliches Versprechen erinnern, mir einmal jenen großen Brief J(ensens) zu zeigen, in dem er von seinen Ansichten über Muhammed handelt?

Sollten Sie einmal Ihre Kairo-Literatur wieder zur Hand nehmen, so denken Sie vielleicht an jene (arabischer Ausdruck), die ich leider selbst vergeblich suchte. Maqrízí’s Hitat sind mir leider hier nicht zugänglich; mein eigenes Exemplar ist, wie so manches andere, noch in Damaskus.

Im Islam lege ich von jetzt ab in der Bibliographie besondren Wert auf die ausländische Literatur; Browne sendet mir seine sämtlichen Bücher und Aufsätze seit Kriegsausbruch und auch aus Spanien und Italien erhalte ich von alten Bekannten wertvolle, in Deutschland kaum bekannt gewordene Neuerscheinungen unsres Faches.

In steter aufrichtiger Dankbarkeit und Verehrung verbleibe ich

Ihr ganz ergebener (gez.) Franz Babinger.

P.S. Ritter will meine Arbeit im übernächsten Islam-Heft bringen, was ich ganz reizend von

ihm finde. FB

 

327. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 19.10.1919

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

Jensen geht mir allmählich doch auf die Nerven. Er hat mir folgenden Brief geschrieben,

der doch etwas stark nach Gründen zu suchen scheint, mir den Aufenthalt in Marburg wo nicht zu vereiteln so doch später unmöglich zu machen. Ich muß gestehen, daß mich das alles etwas beunruhigt, so wenig ich mich durch solche Dinge sonst aus dem seelischen Gleichgewicht bringen lasse. Meine Achillesferse liegt auf ganz anderem Gebiet, wie Sie ja wissen. Ich muß mir nun, da ich sonst niemand habe, der mir hier raten könnte, Ihren gütigen Rat erbitten und Sie zunächst fragen, ob Ihnen die Form richtig erscheint, in der ich J(ensen) geantwortet habe. Der Grund, warum er mir diesen Brief geschrieben hat, ist wohl nur der, daß ich nicht auf seine Worte schwörte. Hichaeret qua.

Länger als zwei Semester werde ich schwerlich in Marburg aushalten können; das sehe ich schon und überlege mir, ob es nicht besser gewesen wäre, nach Göttingen zu Lidzbarski zu gehen.

Ich bin in einem Zustand etwas nervöser Ratlosigkeit und überaus gespannt, Ihre Meinung zu hören.

In herzlicher Dankbarkeit und Verehrung bleibe ich stets

Ihr ganz ergebener (gez.) Franz Babinger

PS 1: Den Brief an J(ensen) bitte ich, falls Ihnen die Form zusagt, zur Post gehen zu lassen.

PS2 handschriftlich, wohl mit Bezug auf den Brief an Jensen (liegt nicht bei): Die ‚eine Ausnahme’ ist Bergsträßer, dem ich in Stambul mal den ‚Leutnant’ rauskehrte, als er den ‚Unteroffizier der Reserve’ nach meinem Empfinden zu stark betonte. Dr. Ritter kennt die Geschichte ganz genau. Mit Jacob stehe ich jetzt geradezu glänzend! Aber wer sind ‚die anderen’? FB.

 

328. C.H.B. an Franz Babinger. Berlin, 23.10.1919

(Maschinenkopie)

Lieber Herr Babinger,

Ihren Brief an Jensen habe ich zweimal beschlafen, ihn aber dann ruhig abgehen lassen. Sie haben offen und männlich an ihn geschrieben, und jeder vernünftige Mann wird Ihre Stellung-nahme nur billigen. Wie Ihr Brief auf Jensens krankes Gemüt wirken wird, vermag ich natürlich nicht zu sagen. Jedenfalls können Sie sich darauf verlassen, daß, wenn die Dinge schließlich doch noch schief gehen, ich unbedingt so energisch für Sie eintreten werde, daß Ihre Übersiedlung nach Göttingen keinen Schwierigkeiten begegnen wird. Wenn ich ganz ehrlich sein darf, so kann ich wohl verstehen, daß Jensens überreizter und überscharf sehender Blick an einzelnen Untertönen Ihrer früheren Briefe Anstoß genommen hat. Ich könnte mir z. B. denken, daß er sich von Ihnen ‚behandelt’ fühlt, und dagegen protestiert ganz naturgemäß, was noch gesund in ihm ist. Immerhin hoffe ich, daß er doch noch so vernünftig ist, sich mit Ihnen glatt zu verständigen. Den Gedanken, von mir einmal an Jensen zu schreiben, um ihn meinerseits über Sie aufzuklären, habe ich zurückgestellt, da ich davon den gegenteiligen Effekt befürchte, und zwar auf Grund der Vorgänge, die Sie kennen. Jedenfalls ist an Ihrer vollen Loyalität in dieser Sache nicht zu zweifeln, und ich hoffe, daß alles in Ordnung kommt. Nur lassen Sie sich Ihre Nerven davon nicht ankratzen; es wäre schade darum, und das ist die Sache nicht wert. Auf einen gesunden Menschen wie mich würden derartig offene und ruhige Briefe nur ungemein sympathisch wirken. Natürlich stehe ich Ihnen auch weiterhin jederzeit gern mit meinem Rat zur Verfügung.

In freundschaftlicher Gesinnung Ihr Ihnen aufrichtig ergebener (C.H.B.)

 

329. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 27.10.1919

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

ich beeile mich, Ihnen für Ihre gütigen Zeilen meinen aufrichtigen Dank zu sagen. Ich kann mir sehr wohl denken, daß meine Worte ein krankhaftes Gemüt wie J9. verletzen können. Es liegt schon in der Art der manisch-depressiven Naturen, überall da Angriffe und hämische Bosheiten zu vermuten, wo gar keine sind. Ich will ganz offen sein: ich habe J(ensen). keine begeisterten Briefe geschrieben und er mag ganz richtig zwischen den Zeilen herausgelesen haben, daß ich ihm „etwas“ fremd gegenüberstehe. Eigentlich hätte er schon bei unserer flüchtigen Bekanntschaft nichts anderes erwarten dürfen, ganz abgesehen davon, daß uns beide wirklich Welten trennen. Nicht bloß wissenschaftlich, sondern auch persönlich. Das mußte ihm doch klar sein. Dann scheint ihn geärgert zu haben, daß ich auf seine wissenschaft-lichen Arbeiten einzugehen sozusagen abgelehnt habe. Das kränkte ihn vielleicht am meisten. Ich bin weit entfern, Herrn J(ensen) meinen Respekt zu versagen; den bin ich dem 60jährigen Mann schuldig. Aber ich sehe nicht ein, warum ich mich ihm um den Hals werfen soll. Das geschieht bis jetzt nicht und wird niemals der Fall sein. Dieses „innerliche Näherkommen“, von dem er dauernd spricht, ist doch wirklich nicht nötig. J. steht meinen Studieninteressen so fern gegenüber wie Herr Schücking und über eine Arbeit könnte Herr Budde oder Geldner ebenso gut referieren. Oder ebenso wenig. Ich habe doch weiß Gott mit Herrn J. nicht ge-meinsam und ich werde mich schwer hüten, bei ihm jemals diese Meinung zu stärken. Ich weiß sehr wohl, es ist eine wenig kluge Gepflogenheit von mir, mich jedem Menschen gegenüber ungefähr so zu geben, wie ich zu ihm fühle. Das ist riesig undiplomatisch, aber ich halte es da mit Lessing: was ich den Leuten zu sagen habe, sage ich Ihnen ins Gesicht und wenn sie darüber bersten sollten. Herr J. hat mir noch nicht geantwortet. Da aber die Gabe, sich wider-sprechen zu lassen, überhaupt nur eine Gabe ist, die unter Gelehrten nur die Toten haben, so steht nicht zu erwarten, daß er mir irgend eine „Freundlichkeit“ erwidert. Der Ton wird ganz von dem Gemütszustand abhängen, in dem er den Brief abfaßt.

Es ist aber ein unerhörter Fall, daß man einfach von der Gnade eines Mannes in dieser Form abhängig ist. Es muß da mal ein Wandel eintreten. Alle Achtung vor einem Ordinarius, vor einem verdienten Gelehrten. Aber es geht doch wirklich zu weit, daß die Habilitation an einem bestimmten Ort einfach von der Laune eines solchen Herrn abhängig ist. Sie werden denken, ich spreche revolutionär etwa wie mein Freund Mahrholz. Das ist aber gar nicht so, sondern ich sehe wieder einmal, wie Recht Sie mit Ihrem Fachausschuß-Vorschlag haben. Ich unterhielt mich gestern über zwei Stunden über diese Dinge mit dem Dekan der hiesigen philosophischen Fakultät, Professor Chroust. Es war ungemein interessant und ich habe riesig bedauert, daß Sie nicht dabei sein konnten.

  • Aber ich habe aus dem ganzen soviel entnommen, daß es an den bayerischen Univer-sitäten wenig Stimmung für Neuerungen ist. Zwei Dinge will man unter allen Umständen einzuführen sich weigern: die Abschaffung des Extraordinariats und die Fachausschüsse. Begründung etwa: es müsse ein Zwischenglied zwischen dem PD und dem Ordinarius geben, sonst fehle jeder Anreiz für wissenschaftliche Betätigung, der eben bei so und so vielen von Äußerlichkeiten abhängig sei. In der Versetzung von einer kleinen Universität in eine größere könne keine Beförderung erblickt werden. Abgesehen, daß sich nicht jeder für jede Universität eigne, wäre das der Verderb für die kleinen Hochschulen, die gerade mit gewissen Größen ihre Anziehungskraft und Daseinsberechtigung behaupten können. Man habe nicht umsonst Berlin die Licht-stumpenuniversität genannt, weil dort so viele ausgebrannte Leuchten seien. Diese „Zentralisierung“ müsse verhindert werden.
  • Ad II: die Fachausschüsse seien deshalb so bedenklich, weil in jeder Wissenschaft letzten Endes ein sog(enannter) Fachpapst die Entscheidung bei der Berufung gebe. Der habe einige Lieblingsschüler, die, nicht immer die besten, dann vorankämen, während die übrigen sitzen blieben. Das seien Schwächen im System, die nicht auf dem Papier beseitigt werden und neu geregelt werden könnten.

Es war, wie gesagt, sehr, sehr interessant und ich hätte mir gerne mehr notiert, um es Ihnen zu schreiben. Die Herren wollen in der nächsten Fakultätssitzung zu Ihren bzw. Starks Vorschlägen Stellung nehmen. Wäre es nun nicht gut, von den drei bayerischen Universitäten ein Gutachten einzufordern, falls das nicht geschehen ist? Bei diesem Meinungsaustausch käme doch sicher allerlei heraus. Sehr sympathisch begrüßt man die Absicht der Gehaltsregelung, wobei man die Form für die beste hält, die Kolleggeldeinnahmen, die einen gewissen Betrag überschreiten, zu kassieren und den minder gut gestellten Kollegen zuzuteilen. Dabei müßten aber physische und psychische Mehrleistungen, wie sie in größeren, vielstündigen Übungen begründet seien, besonders entlohnt werden. Es gehe aber nicht an, daß z. B. Mineralogen, die ebenso lange Übungen hielten, wesentlich schlechter gestellt sein dürften als z.B. Anatomen oder Physiker. Ich will Schluß machen, denn diese Dinge sind Ihnen ja sicher längst bekannt oder durch den Kopf gegangen. Das beste wäre wohl auch, wenn Sie einmal persönlich mit den drei bayerischen Universitäten persönlich in Fühlung träten. Das führte vielleicht zum günstigsten und klarsten Ergebnis. Haec hactenus.

Noch eine erfreuliche Mitteilung: E.G. Browne hat mir gerade rührend nett geschrieben, einen langen Brief (My dear colleague, bzw., Yours sincerely), in dem er sich entschuldigt. Aus der Art, wie er das tut (er meinte nämlich, daß ich mich über die Fortlassung meines „titles“ geärgert habe, an die Weglassung der brieflichen Höflichkeitsformeln dachte er offenbar gar nicht) ersehe ich, daß er wirklich nichts Böses wollte. Am gleichen Tag, an dem ich nämlich seine Karte erhielt, las ich in der Vossischen Zeitung und später in anderen Blättern, daß man in England übereingekommen sei, Deutschen gegenüber in Zuschriften die Formeln der Anrede und des Schlusses wegzulassen. Das hat mich so geärgert (ganz ohne Ehrgefühl sind wir in Deutschland halt doch noch nicht, wenigstens nicht alle!) und zugleich bei ihm enttäuscht, daß ich ihm jenen Brief schrieb, den ich Ihnen in einer Abschrift beilegte. Nun habe ich ihm selbstverständlich sofort geantwortet und wir sind wieder wie früher „hand and glove“. Ich freue mich riesig darüber, denn Browne ist sicher eine höchst vornehme Natur und bei ihm hätte mir diese Formlosigkeit leid getan. Wir müssen ihm eine Festschrift zum 60. Geburtstag schreiben!

Nun merke ich aber eines: ich sehe, daß sowohl diese Abschrift des Briefes an Browne (die ich nicht mehr bräuchte!) sowie der zweite Brief von Jensen nicht in Ihrem Brief enthalten bzw. erwähnt sind. Sie werden doch hoffentlich dieses Schreiben erhalten haben! Das wäre mir schon deshalb sehr peinlich, weil ich erstens den J(ensen)-Brief nicht gern in dritter Leute Hände sähe, zweitens weil ich Ihnen in dieser Zuschrift geradezu ausführlich über die gütige Aufforderung und Erlaubnis, mich Ihnen gegenüber einer so (wirklich unverdienten) vertraulichen Anrede zu bedienen schrieb und dafür dankte. Es ist mir wirklich ein Anliegen, von Ihnen gelegentlich eine Äußerung über das Schicksal dieses Briefes (mit dem Datum vom 8.10. etwa) zu hören.

Nun habe ich Ihre Zeit überreichlich in Anspruch genommen und es ist höchste Zeit, daß ich schließe. Ich möchte Ihnen nur noch sagen, daß ich bei meiner Habilitationsschrift auf höchst interessante Dinge gekommen bin, wie starke schiítische Strömungen im Kleinasien des 15. Jahrhunderts, mahdíradsch’as Versuche usw. Ich glaube, ein ganz neues Licht auf die von Jacob z.B so übermäßig stark betonten christlichen Einflüsse im türkischen Derwischwesen werfen zu können usw.usw. Es wimmelt von (arabisch) in der Arbeit, zu der ich ungedruckte osmanische Historiker und neue arabische Quellen (wie Qutb ed-dín) herangezogen habe. Ich bin bis 20.11. sicher damit fertig und könnte sie dann einreichen. Ritter will sie für den Islam haben. Ich werde sie ihm auf jeden Fall senden und mit dem Druck schon deshalb nicht allzulang zuwarten, weil sich Goldziher sehr dafür interessiert. Aber ich möchte mich im Islam unter keinen Umständen vordrängen, obwohl R(itter) schrieb, er könne die Arbeit „mit Glanz und Leichtigkeit“ drucken. Sonst schnappen noch andre Leute ein (reizbar scheinen ja die Herren Orientalisten10 großenteils zu sein) und das wäre mir unlieb, weniger meinetwegen als der Zeitschrift halber.

In steter herzlicher Dankbarkeit und Verehrung bleibe ich Ihr ganz ergebener

(gez.) Franz Babinger

PS. Kann ich wohl überflüssige S(onderdrucke) Ihrer Islam und EJ-Artikel erhalten?

 

330. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 2.11.1919

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

daß mich mein Gedächtnis allmählich im Stich läßt und ich bedenklich alt werde, beweist die Tatsache, daß ich ganz darauf vergessen habe, Ihnen zum 20jährigen Doktorjubiläum am 30. Oktober meine Glückwünsche darzubringen! Ich muß Sie also bitten, sie post festum freundlichst entgegenzunehmen.11

Ich bin wieder einmal in der Lage, Ihnen eine Zuschrift von Herrn J(ensen) vorzulegen. Wenn ich seine Zeilen recht verstehe, so lese ich daraus, daß er in Gnaden mich aufzunehmen sich entschlossen hat. Es wäre mir sehr belangvoll, Ihre Ansicht darüber zu hören. Eigentlich bedingt ja das volle Verständnis des J(ensen)’schen Wesens die Zugehörigkeit zu einer anderen Fakultät, und ich habe von meinen Vorfahren, die fünf Geschlechter hindurch sich als Ärzte betätigt haben, leider zu wenig auf diesem Gebiet ererbt, um hier ganz klar zu sehen. Ich will nun die Arbeit etwa am 20.d.Mts. einreichen und sehen, wie die Sache weiterläuft. Allzuviel Zutrauen zu einer gedeihlichen Arbeit hebe ich für Marburg wenigstens nicht; es ist mir bei diesem ganzen Briefwechsel die Unbefangenheit etwas abhanden gekommen. Über die Arbeit soll übrigens Brockelmann referieren, was mir nur lieb sein kann. J(ensen) dachte zuerst an Jacob; ich habe ihm dann erklärt, B(rockelmann) wäre wohl besser, und er war zufrieden damit. Was übrigens Jacob angeht, so dürfen Sie ja nicht glauben, daß wir beide nicht ein Herz sind. Denken Sie nur, Jacob schrieb neulich an mich: ich wüßte nicht (wer zur Besprechung eines Buches nämlich) geeigneter wäre als Sie. Ich habe die Karte an Ritter12 gesandt, damit er sieht, wie glänzend wir uns vertragen. Ich schreibe Jacob in jedem Brief etwa ein Halbdutzend grimmiger Verstöße, die er sich hier und dort geleistet hat, und er nimmt alles dankbar an. Ich habe gerade seine Derwischarbeiten durchgesehen und dabei manches bemerkt, was mir anfechtbar schien, manches aber, was einfach grundfalsch war. Was ich bei all diesen Arbeiten so sehr vermisse, ist die Quellenkritik und das geschichtliche Verständnis. Es scheint fast, als ob sich, in der Orientalistik wenigstens, philologischer und historischer Sinn gegenseitig ausschlösse. Für das, was geschichtlich möglich ist, fehlt fast allen der Sinn. Darin war Wellhausen eben groß. Und was ich an Ihrem Ausscheiden aus der Reihe der Lehrenden am allermeisten bedauert habe und immer noch beklage, ist, daß Sie damit die verschwindend kleine Zahl derer, die hier Schule zu machen berufen waren, um eine so große Kraft vermindert haben. Das ist ein Jammer, der diesen „neidgequälten“ (ein herrliches, von Herman Bahr geprägtes Wort) Philologen nur teilweise bewußt zu sein scheint. Ich bin wirklich froh, daß ich bei Heigel und Marcks, auch bei Wölfflin eine strenge geschichtliche Schule durchgemacht habe. Das ersetzt mir manches, was ich in meiner orientalistischen Universitätsausbildung vermißte und was ich mühsam selbst aneignen mußte. Vielleicht muß auch das Verständnis für das geschichtlich Mögliche (ich weiß nicht, ob ich mich damit geschickt ausdrücke!) angeboren sein und kann nicht geweckt werden.

Ich will Schluß machen und Ihnen nur noch die Bitte vortragen, einen Brief von Littmann an mich zu lesen. Er ist bezeichnend für Jensens Stellung in unserer Wissenschaft. Wehe ihm, wenn ich mit 80 Jahren, wie ich Ihnen versprach, die Geschichte der morgenländischen Studien schreibe! Sine ira et studio, versteht sich. Aber trotzdem.In aufrichtiger Dankbarkeit und Verehrung bleibe ich stets Ihr ganz ergebener (gez.) Franz Babinger

 

331. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 11.11.1919

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

wenn ich Ihnen erst heute für Ihre so überaus gütigen Zeilen vom 7.10. herzlichsten Dank sage, so geschieht das in der Hauptsache nur deswegen, weil ich Ihnen sehr gerne Jensens Entgegnungsschreiben zusenden wollte. Doch davon nachher. Was ich zunächst sprechen zu dürfen bitte, ist die wirklich völlig unverdiente Ehrung (es soll keine Phrase sein!), daß Sie mir mit der ungemein freundlichen Aufforderung erweisen, mich bei der Anrede Ihnen gegenüber einer so vertraulichen Form zu bedienen. So froh und glücklich mich der Gedanke macht, in so kurzer Zeit so große Beweise Ihres Vertrauens erlangt zu haben, so unbehaglich ist es mir, wie Sie begreiflich finden werden, das Gefühl, daß ich vielleicht nicht die kraft und die Fähigkeit besitze, mich durch entsprechende Leistungen dieses Vertrauens und dieser Hoffnung würdig zu erweisen. Ich kann Ihnen heute nur das ernste Versprechen geben, alles zu tun, um Ihnen in der Zukunft an mir eine Enttäuschung zu ersparen. Hocherfreut wäre ich, wenn Sie aus meinem bisherigen Streben den Wunsch zögen, daß ich die Kraft gewinne einst etwas Brauchbares zu leisten. „Haben ja doch, so ungefähr las ich einmal bei H(einrich)von Treitschke, „haben ja doch selbst in unsern wunderlosen Tagen die selbstlosen Wünsche guter Menschen eine zwingende Macht über das Schicksal.“

Ihre gütigen Zeilen geben mir wieder einmal ein so rührendes Zeichen Ihrer Besorgtheit um mein Wohl und Wehe in beruflicher Beziehung, daß es mir schwer fällt, Ihnen dafür in entsprechender Form den Dank abzustatten. Der J(ensen)’sche Zwischenfall ist, glaube ich, nicht sonderlich tragisch zu nehmen. Ich habe dem armen Mann wohl in der richtigen Form geantwortet, wie mir seine einlenkende Antwort zu beweisen scheint. Spricht doch auch aus seinem ersten Brief eine unverkennbare Aufrichtigkeit; denn sonst hätte er, wenn er die Habilitierung zu hintertreiben die ernstliche Absicht hätte, zu ganz andern versteckten Mitteln greifen können. So sehr ich mit Ihnen überzeugt bin, daß irgend ein Echo aus Halle ihn zu seiner Zuschrift an mich getrieben hat, so sehr bin ich von der Annahme entfernt, Herr Eheloff habe etwa in bösem Willen Jensen zu beeinflussen gesucht. Bei dessen geistiger Veranlagung genügt ja völlig eine Feststellung, daß ich z.B. mit den andern Fachgenossen nicht gerade Krach habe. Ich will mich einmal ganz vorsichtig ausdrücken. Herr E(heloff) hat ja gar nicht die Absicht sich zu habilitieren. Jensen hatte vorher ausdrücklich an ihn deswegen geschrieben, worauf E(heloff) ablehnte. Deswegen kann er ja doch J(ensen)’s Schwiegersohn werden. (Die Nachricht stammt übrigens von Brockelmann, also!! (Arabischer Text)). Nachdem ich mich in höflicher, aber ganz entschiedener Form geweigert hatte, „jurare in verba magistri“, scheint er einlenken zu wollen. So wenigstens fasse ich den beiliegenden Brief auf. Was er aber unter Rechten und Pflichten mir gegenüber versteht, bleibt mir unklar, da ich ihm die ersten gar nicht antasten will, die zweiten nicht einzusehen vermag. Ich kann mir gar nicht denken, wie mir Jensen etwa beruflich helfen könnte; selbst in bescheidensten Maße an der Marburger Universität scheint mir das unmöglich zu sein. Ich werde mich aber natürlich sehr hüten, mich mit ihm darüber in eine Erörterung einzulassen und will ihn gerne im guten Glauben belassen. Die Hauptsache ist mir, daß er nach meinen Mitteilungen keinerlei „sacrifizio dell’intelletto“ erwarten darf. Zu derartigen Zugeständnissen wären mir auch noch weit größere und bessere Aussichten zu wenig verlockend. Darüber werde ich ihn nie im unklaren lassen. Ich schrieb ihm nochmals, daß ich seinen Arbeiten gerne die Teilnahme entgegenbringe, die ich jeder auf die Erforschung des Morgenlandes gerichteten Bestrebung beweisen müsse. Bezüglich der Zukunft der morgenländischen Studien scheint er mir zu schwarz zu sehen. Ich bin gewiß kein Wolkenwanderer, aber ich kann nicht die Hoffnung aufgeben, daß wir, besonders nach den notwendigen und durch durch Ihre glücklich begonnene Anbahnung vielversprechenden Erneuerungen, besonders für den modernen Orient mählich wieder besseren Zeiten entgegen gehen. Er wird sich dem einzelnen Deutschen in einiger Zeit wieder öffnen, wir werden aufhören, wie unartige Kinder mit den Gesichte zur Wand zu stehen. Und der alte Orient wird seine Rollespielen, solange die Kirchen etwas gelten, die ihm ihre Urkunden verdanken. Jes(aja) XXVI,20 gilt auch für den einzelnen.

Zum Schluß etwas über E.G. Browne. Er sandte mir einen ganz interessanten Katalog, nachdem ich mich, übrigens persisch, bei ihm über etwas erkundigt hatte. Dazu schrieb er eine Karte, ohne jede Anrede, ohne jeglichen Schluß. Dabei hat es der Engländer mit seinem nichtssagenden ‚Sir’ (das ‚dear’ kann er sich ja doch schenken, ohne zu beleidigen) bzw. dem erstarrten ‚truly yours’ so unsäglich leichter als etwa wir. Ich habe mich maßlos darüber geärgert, um so mehr, als Browne früher die Freundlichkeit selbst war. Ich habe eigens seine alten Zuschriften daraufhin angesehen, bevor ich ihm mit einem Brief antwortete, den ich in einer Abschrift beizulegen mir erlaube. Ich hoffe, er ist nicht allzu grob. Es ist aber vielleicht ganz gut, wenn man den Herren jenseits des Kanals einmal die Zähne zeigt. Das ältere Geschlecht wie Hultzsch & Co macht das sicher nicht mit und findet das shocking. Das es gerade Browne hat sein müssen, an den ich zuerst geriet, hat auch mir leid getan. Aber schließlich kann man nicht verlangen, daß ich allen Unglimpf zaghaft und wehrlos über mich ergehen lasse wie jener Dichter bei Horaz:

An, si quis atro dente me petiverit
Inultus ut fleho puer?

Und schließlich, wie sagte doch ‚our mutual friend’ Helmut Ritter in Halle: Die Jugend ist respektlos!

In aufrichtiger Dankbarkeit und Verehrung bin ich mit der Bitte um Empfehlungen an die gnädige Frau stets Ihr ganz ergebener (gez.) Franz Babinger.

PS. Von Qalqasandi kenne ich leider nur die Ausgabe der Bibliothèque Khédiviale in Cairo, 1903, die aber nur einen Band umfaßt! Sairafi muß einmal übersetzt werden. Aber was müßte alles nicht? FB

 

332. C.H.B. an Franz Babinger. Berlin, 13.11.1919

(Maschinenkopie)

Lieber Herr Babinger!

Freundlichen Dank für Ihren Glückwunsch zu dem selbst von mir völlig unbeachteten Doktor-Jubiläum. Weiter sende ich Ihnen Ihre Briefe zurück und sende Ihnen aus qualvollem Drang der Geschäfte einen freundschaftlichen Gruß.

Herzlichst der Ihrige (C.H.B.)

 

333. C.H.B. an Franz Babinger. Berlin, 11.12.1919

(Maschinenkopie)

Lieber Herr Babinger.

Ich hatte Kultusetat und wußte in den letzten Wochen nicht recht, wo mir der Kopf stand. Trotzdem habe ich schon beim Empfang Ihres ersten Briefes in einem stillen Moment meinen Makrizi durchgesehen und auch den Ibn duk mak und andere ägyptische Literatur; aber die Harst el schl-tijjin war unauffindbar. Jedenfalls steht sie weder in einer Überschrift noch im Index der betreffenden Ausgaben.

Was Goldzihers 70. Geburtstag betrifft, so will ich zunächst einmal hoffen, daß er ihn erlebt. Festschriften sind Grabdenkmäler, d.h. sie ehren den Mann, aber bleiben fernab vom Verkehr auf Friedhöfen einsam liegen. Deshalb habe ich große Bedenken gegen eine Feld-, Wald- und Wiesenfestschrift im Stile der für Sachau oder Nöldeke. Es gibt aber eine Festschrift für Kuno Fischer, die mir das Ideal zu sein scheint. Man nimmt nicht jeden auf, der sich beteiligen will, sondern beauftragt eine Reihe von führenden Gelehrten, wirklich ein Gesamtwerk zu schaffen, das auch anderen Leuten Freude macht außer dem Jubilar, und das als Standardwerk der betreffenden Wissenschaft noch lange fruchtbar sein könnte. Lassen Sie Ihre Gedanken einmal nach dieser Richtung hin gehen; ich würde dabei gern mitwirken.

Und nun zur Hauptsache: dem anbei zurückfolgenden Brief von Hartmann. Ich erhielt ihn zufälligerweise gerade heute Morgen und aß heute mit Herzfeld zu Mittag, um die ganzen Pläne mit ihm durchzusprechen. Da habe ich die Indiskretion begangen, ihm die Hauptstellen des Briefes einfach vorzulesen. Es war zu lächerlich, daß der Brief, der vor mir lag, und über dessen Inhalt ja Hartmann selber an Herzfeld schreiben wollte, nun erst noch einmal an Sie zurück und dann mit Erlaubnis von Hartmann evtl. erneut nach Berlin zu Herzfeld reisen sollte. Außerdem war es wichtig, daß Herzfeld Bescheid wußte, da am Samstag bereits die Tagung des Reformausschusses der D.M.G.13 hier in Berlin stattfindet. Die Mitteilung war auch in sofern ganz unbedenklich und ganz gewiß im Sinne Hartmanns, als wir tatsächlich alle einer Meinung und gern bereit sind, auf den Boden der Ausführungen Harmanns zu treten. Ich habe seine eigene Äußerung wahr gemacht und durch mündliche Aussprache von Mensch zu Mensch im Sinne seiner Ausführungen alle etwa bestehenden Mißverständnisse beseitigt. Auf Grund unserer Besprechungen möchte ich zu dem Vorschlag kommen, den ich auf einem gesonderten Blatt beifüge14, weil ich ihn gleich in mehreren Durchschlägen herstellen will, um ihn auch noch an andere Leute zu schicken. Ich sollte mich freuen, wenn wir so zu einer allgemeinen Verständigung gelangen werden.

Ich will versuchen, Ihre Wünsche auf das Jensenmaterial zu erfüllen, weiß aber nicht, ob ich es so schnell finden werde. Ich sende Ihnen gleichzeitig meine Rede zur Hochschulreform, die nun endlich die amtliche Stellung der Regierung festlegt. Es war sehr interessant, daß sich ungefähr alle Parteien auf meine Vorschläge einigten. Auch die Universitäten dürften wohl jetzt mit mir zufrieden sein.

Mit freundschaftlichen Grüßen in bekannter Gesinnung Ihr getreuer (C.H.B.)

 

334. Franz Babinger an C.H.B. 18.12.1919

Lieber Herr Becker,

ich bin seit 5 Tagen in München und erhielt Ihre gütige Zuschrift sowie den mich natürlich überaus interessierenden Landtags-Bericht. Es freut mich, daß Sie mit Ihren Ausführungen solchen Beifall ernteten. Und ich selbst möchte Ihnen gern allerlei zu Ihren neuen Vorschlägen sagen. Vor allem über von Ihnen gebetene facultas artium liberalium. Ich habe mich oft, zumal beim Lesen von Pankseu’s (?unleserlich) einschlägigen Werken und Aufsätzen, gedacht, daß das Alte teilweise ganz gut war und durch das sog. Neue nicht glücklich ersetzt und ergänzt worden ist. Die Artistenfakultät wäre m.E. aber deshalb ein Vorteil, weil man damit einen Mittelweg herstellen könnte, auf dem sich die sonst wohl unvereinbaren Bestrebungen der alten Hochschule und der blödsinnigen Volkshochschule begegnen könnten. Ich muß Ihnen darüber einmal ausführlich schreiben.

Morgen Mittag werde ich über Ihre neuen Pläne mit Herrn Müller mich unterhalten.

Wenn ich nur einen geschichtlichen Plan von Cairo besäße! Dr. Max Hey-Pascha hat doch irgendwo einen veröffentlicht. Schade, daß Maqrizi’s (arabischer Text) so wenig über die (arabischer Text) aussagen.

Mit herzlichsten Wünschen für ein frohes Fest verbleibe ich in aufrichtiger Dankbarkeit und Verehrung Ihr stets ganz ergebener FBabinger

PS. Hier herrscht eine Meinung gegen den Einheitsstaat! FB

 

335. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 27.12.1919

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

Herzfeld meinte neulich einmal, Browne sei von der engl(ischen) Regierung nur vorgeschoben, um durch diesen gewichtigen Vertreter ‚coulant’ zu erscheinen. Ich habe schon damals an der Richtigkeit der Vermutung gezweifelt auf Grund des Briefwechsels, den ich seit geraumer Zeit wieder mit E.G. Browne führe und den ich um einer baldmöglichen Verständigung in wissenschaftlichen Arbeitsfragen willen getreulich fortsetzen werde. Ein Brief, der heute morgen eintraf, hat auch den letzten Rest allfallsiger Bedenken gründlich zerstreut und ich lege besonderen Wert darauf, das, was für weitere Kreise von Belang ist, daraus bekannt zu geben. Ich habe daher das Meiste abgeschrieben und lege Ihnen diese Abschrift mit der Bitte bei, doch davon nach Belieben Gebrauch zu machen. So kann doch kein Schwindler und Hintermann schreiben und Herzfeld wird sich überzeugen lassen müssen, daß er Browne im Geiste Unrecht tat. Es ist die alte hochvornehme Gesinnung, eben die gentlemanlikeness im wahrsten Sinne, die aus diesen Zeilen spricht und ich habe mich herzlich darüber gefreut. Die Frage nach dem Wohlergehen habe ich nach Kräften beantwortet; von Andreas, Littmann konnte ich Genaues sagen, von Rosen meldete ich das Gerücht, daß er nach Wien kommen solle, Le Coq kenne ich persönlich nicht und habe mich darauf beschränkt, seine Wohnung anzugeben. Lippert ist doch meines Wissens gestorben, ich meine J. Lippert vom Or(ientalistischen) Sem(inar)? Ich teile Ihnen das alles sofort mit, weil Sie ja schon in Halle die Frage unserer wissenschaftlichen Beziehungen mit England gerade im Hinblick auf die Browne-Festschrift erörtert haben.

Jensen schrieb mir, daß am 18. d.Mts. sich die Fakultät mit meinem Gesuch befaßt habe und daß meine Arbeit (auf meinen Wunsch) an Brockelmann weitergegangen sei. Ich darf also hoffen, daß die Sache sich nicht mehr allzulange hinzieht. Wenn Sie nun die Zulassungsbedingungen so sehr steigern, würde ich am Ende gar durchfallen!

Ich habe in München, wo ich übrigens nicht der Hochzeit wegen, sondern eines Familientrauerfalls halber fahren mußte, recht angeregte Stunden am Bavaria-Ring verlebt; im Vordergrund der Erörterungen stand Ihr neuer Vorschlag zur Hochschulerneuerung. Ich glaube immerhin: in Bayern werden Sie große, große Schwierigkeiten haben. Von einer Reichseinheit kann natürlich gar keine Rede sein und ich finde es unbegreiflich, wie man in Berlin jetzt mit solchen Plänen hervortreten kann. Im besten Fall springt eine ‚Verreichlichung’ der Hochschulen heraus. Das ist aber auch alles. Die monarchistische Strömung ist in Bayern auch unter der Arbeiterschaft (ich habe sehe interessante Nachrichten gerade darüber!) derartig gewaltig, daß es hier unten mit der Demokratie bald aus sein dürfte.15 Damit zerfällt an sich der Einheitsstaat. Dazu tritt ein recht unverblümt geäußerter Preußen-haß und die von ihm eingegebene Besorgnis, die kleineren Staaten möchten bei diesem Einheitsstaat nicht so recht auf ihre Rechnung kommen. Ich kann das den Leuten so sehr nicht übel nehmen, ich meine diese Angst, ausgeschmiert zu werden. Damit will ich gar nicht sagen, daß ich eine restlose Ausschaltung der bayerischen Schulmeisterpolitik und Zentrumswirtschaft nicht freudig begrüßte! Ich habe nun einmal recht wenig hier unten zu sagen!

Zum Schluß lassen Sie mich Ihnen und Ihrer Frau Gemahlin zum Neuen Jahr alles erdenkliche Gute wünschen. Wir alle werden dem verweichenden keine Träne nachweinen und können vom nächsten nur Besseres, schwerlich Schlimmeres erwarten!

In steter aufrichtiger Dankbarkeit und Verehrung bleibe ich

Ihr ganz ergebener (gez.) Franz Babinger.

PS. Das zweite Schreiben von R. Hartmann haben Sie doch wohl rechtzeitig erhalten? Sehr gespannt bin ich auf den in Aussicht gestellten Entwurf, von dem Sie mir freundlichst einen Durchschlag senden wollten. FB

 

336. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 29.12.1919

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

ich möchte Ihnen heute auf Ihre Vorgabe (?unleserlich) der geplanten, d.h. von mir vorgeschlagenen Goldziher-Festschrift antworten, nachdem ich mirdie von Wilh(elm) Windelband anläßlich Kuno Fischers 80. Geburtstag herausgegebene noch einmal genau ansah. Ich finde Ihren Vorschlag wirklich herrlich und ich habe mir im Geist schon ein ebensolches Werk, etwa des Titels: Die Islamwissenschaft im Beginne des 20. Jahrhunderts; Festschrift für I. Goldziher unter Mitwirkung von … herausgegeben von C.H. Becker. Berlin 1920, zurecht gemacht. Der Gedanke ist so glänzend, daß er verwirklicht werden muß und es fragt sich nur, wie man das Ganze gliedern soll. Könnten Sie nicht einmal in einer freien Stunde eine Einteilung machen und sich zugleich ausdenken, wem man die einzelnen Aufsätze überträgt? Ich denke vor allem an Littmann, Snouck Hurgronje, P. Kahle, C. Bezold usw.usw. Das gäbe einen Heidenspaß. Ritter habe ich auch schon von der Sache Mitteilung gemacht und es sollte mich riesig freuen, wenn der Plan bald greifbare Formen annähme. Der buchhändlerische Erfolg steht doch m.E. bei dieser Zusammensetzung außer Frage! Lüdtke wird sicher zugreifen und so will ich eigentlich keine rechten Schwierigkeiten mehr sehen.

Gilgamesch16 macht mit der ihm eigenen Gründlichkeit, die leider bei seiner Muhammed-Ausstellung nicht so recht in Erscheinung tritt (ich habe mir auf Umwegen durch einen Studenten den autographischen Text verschafft; das ist ja ein von keuschen Gelehrten beseufzter Skandal!), allerlei Mätzchen mit meiner Arbeit.. Er hat sie an Brockelmann geschickt, was ich ebenso selbstverständlich wie in Ordnung fand. Nun will er sie aber, wie mir Br(ockelmann) schreibt, außerdem noch an Jacob nach Kiel und an … Sie senden! Ich beschwöre zunächst, daß ich daran vollständig unschuldig bin, ja ich finde diese ganze bürokratische Komödie einfach lächerlich. Und peinlich obendrein. Denn Sie wissen ja, wie Br(ockelmann) mit J(ensen steht. Daraus folgt, weil J(ensen) nun einmal nicht der Mann ist, der Sachliches vom Persönlichen sauber zu scheiden weiß, daß J(ensen) in seinem Gutachten das gerade Gegenteil von dem behaupten wird, was Br(ockelmann) erklärt hat. Das wäre mir an sich gleichgültig, weil die Arbeit m.E. auch der J(ensen)’schen Kritik und Tiftelei standhält. Aber die Sache bedeutet eine empfindliche Verzögerung, die mir deshalb so unangenehm ist, weil Ritter sie im nächsten Islam-Heft bringen und mit dem Satz recht bald beginnen wollte. Ich wäre wirklich heilfroh, wenn meiner Arbeit die fahrt an die Wasserkante erspart bliebe. Und Ihnen selbst die Mühe, sich darin vertiefen zu müssen. Das ist doch alles entsetzlich altständig und ich sehe schon, daß Jensen vor Ostern überhaupt keine Miene macht, mich zur Hab(ilitation) zuzulassen. Neulich wollte er gar meine bisherigen Arbeiten haben. Ich habe ihm aber höflich abgeschrieben und ihm erzählt, sie lägen noch in Stambul. Credat Judaeus Apella! Und Jensen auch. Ich halte, weiß Gott nicht damit hinterm Berg, aber ich finde es unverständlich, daß J(ensen) bloß um einer paragrafenmäßig festgelegten Pflicht zu genügen, nun mein ganzes literarisches Treiben seit 1911(?) untersuchen will. Davon versteht er aber doch wirklich nichts. Ich habe überhaupt den Eindruck, daß Budde oder der Indologe Geldner ebenso gut darüber referieren kann, ja besser noch als Jensen, der aus seinen scheußlichen, monomanisch gruppierten Arbeiten nicht herauskommt. Ein Beweis, wie dringend das Hab(ilitations)wesen der Änderung bedarf. Quod erat demonstrandum. Läßt sich, um Bismarck zu nennen, gegen eine solch dilatorische Behandlung nichts machen?

Herzfeld sandte mir nun den Sitzungsbericht vom 13.12., den ich mit lebhafter Anteilnahme durchgelesen habe. Hoffentlich kommt etwas Kräftiges dabei heraus. Ich zweifle etwas an der Zeugungsfähigkeit der älteren dabei beteiligten Herren. Mit ‚älteren’ verstehe ich solche, die etwa im Juni 1869 bzw. um Juli 1862 herum geboren worden sind. Na, Ritter hat was Schönes angestellt mit seinem Ausfall gegen das ‚Mittelalter’. Und ich habe es bei den Indologen ganz verschüttet, seitdem ich meine Meinung über das allmähliche Aussterben der Sanskritisten einem hohen Herrn gegenüber kundgab.

Ich sende Ritter einige Buchanzeigen. Zum Glück weiß es die ganze Nachbarschaft, daß ich in der Kritik allzeit schonend und rücksichtsvoll im allgemeinen, gegen die Kieler Schule aber insbesondere von wesentlich höflichem Benehmen bin.

Ich habe durch jemand (nomina sunt odiosa!) Grüße an Sie bestellt und bin neugierig, ob sie Ihnen ausgerichtet werden. Nochmals von Herzen alles Gute für1920 und die auf(richtigsten) Grüße von Ihrem stets dankbar ergebensten (gez.) Franz Babinger

 

337. C.H.B. an Franz Babinger. Berlin, 13.1.1920

(Maschinenkopie)

Lieber Herr Babinger.

Dieser Tage war Jensen hier. Ich habe mich sehr warm für Sie eingesetzt und glaube, daß er Ihnen keine Schwierigkeiten machen wird. Er hatte auch nicht die Absicht, er hat sich nur etwas schwer an Ihrem Typ von Gelehrtentum in Verbindung mit Weltgewandtheit und Selbstbewußtsein gewöhnen können. Er fürchtete Reibungen mit Ihnen. Ich beruhigte ihn darüber vollständig und glaube, daß es auf ihn direkt erlösend gewirkt hat, als ich ihm sagte, daß Sie der liebenswürdigste und loyalste Kollege sein würden, den er sich denken könne. Ich soll ihm noch ein Votum über Sie schreiben, werde mich dabei aber nur in ganz allgemeinen Ausdrücken bewegen. Der Aufforderung, Ihre bisherigen wissenschaftlichen Publikationen vorzulegen, würde ich unter allen Umständen nachkommen, da es ganz allgemein üblich ist, daß Habilitanden ihre bisherigen wissenschaftlichen Veröffentlichungen mit einreichen. Sie brauchen sich derselben ja auch nicht zu schämen.

Einliegende Korrespondenz wird Sie interessieren. Rückgabe eilt nicht.

Grüße von Ihnen sind mir übrigens noch nicht bestellt worden.

In freundschaftlicher Gesinnung herzlichst der Ihrige (C.H.B.)

 

338. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 16.1.1920

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

auf dem Umweg über Ritter (um ihn von der Goldziher-Festschrift zu unterrichten) danke ich Ihnen herzlichst für die große Mühe, die Sie sich meinethalben wieder bei jenen gemacht haben. Sie haben ihm sicher nicht zuviel versprochen, wenn Sie ihn meiner ‚Loyalität’ versicherten. Ich habe ja auch wirklich keinen Grund, ihm gegenüber anders aufzutreten und eine gegenteilige Ansicht kann, zudem nach so kurzer Bekanntschaft, eigentlich nur, nun eben bei Jensen aufkommen. Ich habe Ihnen damals geschrieben, daß es wohl nie zu einem herzlichen Verhältnisse kommen wird und das werden Sie eben so begreiflich finden wie er nach kurzer Zeit. Es sind eben Welten, die uns trennen und die ich nicht überbrücken kann. Er darf nicht verlangen, daß ich ihm solche Zugeständnisse mache. Und dann, gewiß: Jensen ist Orientalist, aber Geldner in Marburg auch und der glänzende Hebraist Budde auch. Ich verstehe nicht recht, womit gerade J(ensen) seinen besonderen Anspruch auf enge Beziehungen mit mir begründen will. Sein Studiengebiet ist doch von dem meinigen siriusfern, genau so wie das G(eldners) und B(uddes). Das müßte der Mann doch einsehen. An meinem guten Willen soll es sicher nicht fehlen, wenn ich auch gestehe, daß sich meine Seele beim Gedanken an das Colloquium (über Muhammed-Saul und Abu-Bekr-David) mit Grauen zu füllen beginnt. Da kann ich einfach nicht mehr mittun. Es ist ein Glück, daß von Premerstein, der jetzige Dekan, als Mensch und als Gelehrter solche Vorzüge aufweist. Er schreibt mit wirklich überaus nett. Auch freue ich mich, daß meine Arbeit nunmehr nach einer Nachricht Brockelmanns von der fahrt an die Waterkant verschont bleibt. Womit ich nicht Ritter meine, sondern J(acob) in Kiel.

Nun zu Eduard Mahler! Die Ungarn haben 1910 (Goldziher wird doch heuer im Juni 70 Jahre alt!) G(oldziher) eine recht nette Festschrift gewidmet, die ich besitze und die mir vor allem wegen der Goldziher-Bibliographie (60 Seiten!) besonders wertvoll ist (Titel: Keleti tanulmányok oder ähnlich). Aber das ist eben eine Gabe, die Sie neulich unter dem Sammelbegriff ‚Feld-, Wald- und Wiesenfestschrift zusammenfaßten. Nun denke ich mir die Sache so. Ihr Gedanke ist zu glänzend als daß er fallen gelassen werden dürfte: ein delegatus der deutschen Islamwissenschaft überbringt G(oldziher) am Dienstag den 22. Juni 1920 zu Budapest Titelblatt, Vorwort und Inhaltsverzeichnis der Festschrift, für die ich , analog der Windelband’schen K.Fischer-Festschrift, als Überschrift vorschlage: Die Islamwissenschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Nun fragt sich bloß, wie man das Ganze gliedert und ich wiederhole meine Bitte, sich mir oder Ritter gegenüber einmal darüber zu äußern. Alles weitere wird dann schon besorgt, ich meine die reine Geschäftsseite wie Briefwechsel mit den Mitarbeitern deren Namen Sie uns aber auch vorschlagen müßten). Wir können dann das Werk selbst G(oldziher) möglichst bald nachliefern. So kommen wir am besten um die Sache herum. E. Mahler natürlich in Ehren, die östliche Chronologie verdankt ihm überaus viel; aber ich fürchte, dieser Kalender-Mann wird mit seinem Zahlenhirn nicht recht viel Begeisterung und Verständnis für ein geschlossenes Werk in Ihrem Sinn übrig haben, sondern alte, begangene Pfade neu betreten wollen. Um so lieber , wenn ich mich irre.

Darf ich, nachdem mir Herzfeld darauf beharrlich keine Antwort gibt (worüber ich im stillen Kämmerlein grolle), Sie selbst fragen, wie Sie es nun mit der deutschen Mitarbeit an der Browne-Festschrift gehalten wissen wollen. Die Manuskripte sollen, wie ich einer Zuschrift aus London entnehme, am 1.Juni abgeliefert werden (beim súfí-Onkel Nicholson in Cambridge). Browne ist so begeistert von der deutschen Wissenschaft und auch als Mensch so prächtig, daß auch wir etwas tun müssen. Wie wäre es mit einem Islam-Sonderheft? Oder ähnlich. Ich mache Sie aber aufmerksam, daß er erst 1922 sechzig Jahre alt wird. Warum die Engländer jetzt schon drängeln, weiß ich nicht; ich will Arnold einmal deswegen befragen. Die bewußten Grüße werden Ihnen wohl erst in diesen Tagen (angeblich zwischen 15. und 20. 1.1920) bestellt; ich bin überaus gespannt, ob sie ausgerichtet werden. Das ‚Warum’ zu erörtern, führte jetzt zu weit. Was macht VDMF? Hoffentlich schlummert das Kind nicht in der Wiege!!

In aufrichtiger Dankbarkeit und Verehrung bleibe ich stets

Ihr ganz ergebener (gez.)F.Babinger

Postskriptum auf Beiblatt

Nachschrift:

Beim nochmaligen Durchlesen Ihres Briefes fällt mir ein, daß ich etwas nicht erörtert habe:

Ich habe mir oft überlegt, woher es wohl kommt, daß einer in vielen philosophischen Fakultäten (vorab erste Sektion) sozusagen nicht voll genommen wird, wenn er nicht in Gummikrägen, schmierigem Anzug, Röllchen, Schnellkrawatte usw. usw. sich zeigt und demgemäß gibt (Typus: Freitischtheologe u.ä.). Ich habe darauf nie eine richtige Antwort gefunden, zumal, wenn ich bedenke, daß doch in andern Fakultäten (rechtswiss(schaftliche), mediz(i-nische) nicht der Fall ist. Das kann doch nicht alles daher kommen, daß sich eben die philos(ophische) Fak(ultät) gesellschaftlich aus Leuten zusammensetzt, die in solcher Umwelt aufgewachsen sind und sich demgemäß darin wohl fühlen!? An diese Dinge werde ich wieder erinnert durch Jensens Abneigung gegen meine ‚Weltgewandtheit’ und mein ‚Selbstbewußtsein’. Ich weiß sehr wohl, was er damit meint und weiß ebenso gut, daß ich mich damit in einem Gegensatz zu seinen, sagen wir biedermännischen Auftreten befinde. Aber er kann doch nicht verlangen, daß ich mich schriftlich zur Aufgabe der ‚Weltläufigkeit’ verpflichte und mich fortab in das Gewand spießermäßiger Bescheidenheit hülle. Überhaupt: die Anmaßung und das Selbstbewußtsein! Darüber habe ich mich mit Ritter eben unterhalten. Das ist so ein Kapitel für sich.

Immerhin, all diese dinge wirken erziehend für die Ehe. Ja, für die Ehe. Ich werde meinen, Gott sei Dank, noch imaginären Sohn niemals in die philosophische Fakultät I schicken. Der Kerl muß Jurist werden oder Mediziner. Bis dahin haben die Herren, die sich in ergaunerten Zwischensemestern ihre Heilwissenschaft zusammengerafft haben, ihr Schäfchen im Trockenen, leben von ihrer Rente, haben auch die halbe Menschheit zu Tode gedoktert. Und es wird Platz für ein neues Geschlecht, das es mit der Wissenschaft wieder ernst nimmt wie anno dazumal.

Wieder ein Grund zu heiraten.

……

F.B.

 

339. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 18.2.1920

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

Die Marburger Angelegenheit hat wieder einmal eine Form angenommen, die mich in eine gewisse Hilflosigkeit bringt. In ihr wende ich mich wieder an Sie mit der Bitte um Ihren Rat und Beistand, nicht ohne Sie herzlich um Verzeihung zu bitten, wenn ich damit zu den vielen großen Sorgen, die Sie jetzt quälen, für eine halbe Stunde auch die kleine Sorge um meine persönliche Zukunft bringe.

J(ensen) ist plötzlich auf den Einfall gekommen, meine Arbeit, die doch ein ihm, ja selbst der Mehrzahl der Islamforscher völlig ferne liegendes Gebiet behandelt, selbst zu überprüfen. Brock(elmann) hat sein Gutachten längst (wie ich aus Andeutungen entnehmen muß, in recht günstigem Sinn) erstattet und die Arbeit am 2. Januar nach Marburg zurückgesandt. Damit sollte, wie mir Jensen versprach, die Sache erledigt sein. Nun lesen Sie freundlichst beiliegende Karte. Ich weiß sehr wohl, daß man in diesem Fall einfach machtlos ist. J(ensen) kann, wenn er will, natürlich meine Arbeit jahrelang im Pult liegen lassen mit der Begründung, dass er sie ‚prüfen’ müsse. Eine ernsthafte Durchsicht ist bei ihm natürlich gänzlich ausgeschlossen, da er von diesen Sachen einfach keinen Schimmer hat und haben kann. Er versteht vom Derwischwesen und Sufismus soviel wie ich vom Tabuismus der Südseeinsulaner. Vielleicht noch weniger. Kein Mensch wird ihm das verübeln, aber das kann man ihm verdenken, daß er, hinter dem bürokratischen § (Paragraphen) verschanzt und durch ihn geschützt, einfach künstlich die Auslieferung des M(anuskripts) und damit auch die Habilitierung verzögert. Ich brauche Ihnen nicht zu erklären, was ich mir von der Marburger Tätigkeit erwarte. Aber ich muß endlich einmal einen Beruf ergreifen, da ich privatisieren weder kann noch mag. In diesen Zeiten, wo nur eine ernste und geregelte Berufstätigkeit über den Jammer und die Drangsale der Gegenwart hinweghelfen kann, ist diese Nichtstuerei einem Menschen wie mir doppelt gräulich und verhaßt. Das W(intersemester) endet in Preußen am 1. IV., mithin ist (vgl. Sie bitte den Brief an v. Premerstein!) die Aussicht, im Wintersemester noch zur Hab(ilitation) zu kommen und damit im S(ommer)S(emester) lesen zu können, einfach gleich Null. Mit andern Worten, Herr J(ensen) bringt es zuwege, mich bis zum WS einfach zu beruflicher Untätigkeit zu verurteilen. Das ist ein himmelschreiender Mißstand, gegen den, ich weiß es wohl, man §§mäßig machtlos ist. Ich habe nun zwei Briefe geschrieben, von denen einer für J(ensen) als Antwort auf seine Karte, der andre für den Dekan bestimmt ist. Professor von Pr(emerstein) hat sich riesig nett benommen und sicher alles getan, was er in seinem Wirkungskreis tun konnte. Ich erhoffe mir von seiner Unterstützung allerlei, wenn hier überhaupt noch zu hoffen ist.

Dann die Islam-Sache. Mein Aufsatz, den ich F. Gieses und sonstiger im Fluß befindlicher wichtiger Untersuchungen über den osmanischen Islam (sit venia verbo!) wegen sehr gern bald gedruckt sähe, sollte im nächsten Islam-Heft untergebracht werden. Ritter hat Platz dafür frei gehalten. Ich weiß nicht, wann es erscheinen kann, erinnere mich nur, daß R(itter) sagte, nicht vor Ostern. Das ist ja, nachdem sich 1.)2. Heft etwas verzögert hat, ganz selbstverständ-lich. Durch das J(ensen)’sche Manöver ist aber die Herausgabe des Manuskripts in weite Ferne gerückt. Quid faciamus nos?

Ich hätte niemals etwas dahinter gefunden, wenn J(ensen) die Begutachtung durch weitere Islamforscher verlangt hätte (Jacob war mir freilich als Mitberichterstatter neben Br(ockel-mann) nicht eben erwünscht), allein ich bin empört über die Art, mit der er jetzt selbst (ganz plötzlich) über mich zu Gericht sitzen will. Das ist dieser orientalische Größenwahn zu glauben, weil man einen Keilschrifttext lesen kann, auch über Dinge des modernen Orients bündig urteilen zu können. So are they all, all honourable men …

Das worum ich Sie hier zunächst bitte, ist eine Einsichtnahme in die beiliegenden Briefe.17 Um Ihnen den ersten Abschnitt des an J(ensen) gerichteten Schreibens verständlicher zu machen, sei gesagt, daß er sich um Einzelheiten über einen Derwisch18 bekümmerte, den ich in meiner Arbeit anführe, wohlgemerkt eine geschichtliche Person, die vor gerade 300 Jahren erst starb. Dieser dede wurde von den Schiffern des Bosporus um Rat (Wetter usw. betreffend) gefragt. Der Mann gehört naürlich jetzt in den Gilgamesch-Sagenkreis. Einfach schauerlich. Nun, ich habe ihm meine Ansicht sub rosa gesagt und dabei meine Meinung zum Ausdruck gebracht, daß die Alt-Orientalisten sich nicht um Dinge kümmern sollen, von denen sie keine Ahnung haben. Ob er sich das bei der Bekrittelung meiner Arbeit zu Herzen nimmt??!

Ich beginne allmählich einzusehen, daß in M(arburg) für mich keine erfreuliche Zeit bevorsteht. Dieser Mann plackt und quengelt mich sicher, wo er kann. Ein Glück, daß er in der Fakultät so ganz allein steht. Wenn ich nicht die felsenfeste Überzeugung hätte, in der mich auch andere Leute (so unlängst der hiesige Geograph, Prof. Sapper, für den ich drei Vorlesungen hier hielt) bestärken, daß ich im akademischen Berufe etwas Gutes bewirken kann – ich wäre schon längst abgesprungen und hätte mich der Industrie zugewendet. Oder wäre Müllkehrer geworden, oder etwas Ähnliches. Wenn ich Ihnen diese ganze Sache in so breiter Ausführlichkeit darstelle, so geschieht das auch deswegen, um Ihnen zu zeigen, wie sehr das ganze Hab(ilitations)-Wesen einer gründlichen Erneuerung bedarf. So ist man einfach auf Gnade oder Ungnade dem Fachbonzen ausgeliefert.

In der Internationalen Monatsschrift habe ich einen langen Aufsatz Die Zukunft der morgenländischen Studien in Deutschland (auf Anregung von Prof. Cornicelius) geschrieben, dessen Fahnen ich Ihnen demnächst sende. Ich bin sehr gespannt, wie Sie sich dazu äußern werden. Ich habe natürlich am Schluß, wo ich lang von Ihnen spreche, fürchterlich und bajuvarisch ‚geschimpft’. Der Artikel soll im April erscheinen.

Dann noch etwas: ich erinnere mich ganz deutlich, irgendwo von einer Schrift von Ihnen, etwa des Titels ‚Der Staatsgedanke im osmanischen Reich’ gelesen, nicht gehört zu haben. Sie erschien m.E. in den Veröffentlichungen des Dresdener Gehe-Stiftung. Nun erhalte ich von meinem Buchhändler beiliegende Zuschrift. Kann das wohl stimmen?

Darf ich Sie zu guter Letzt noch um ein Exemplar Ihrer Landtagsrede anbetteln; ich habe das Protokoll dem hiesigen Physiker, Geheimrat Wien (der als Nachfolger Röntgens wohl nach München gehen wird, was sehr schade ist) gegeben; der hat’s verlegt und ich mag ihn nicht nochmals daran erinnern. Andernteils möchte ich sehr gern Ihre Ausführungen für mich besitzen. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn Sie mich mit einem zweiten Abdruck erfreuten.

Meine im Islam abgedruckte Urkundenarbeit findet, praefiscini hoc dixerim, allgemeinen Beifall. Von Kraelitz, Brockelmann, Kahle usw. haben mir auffallend nett darüber geschrieben. Von Kiel habe ich noch keine Zeile darüber gehört. Aber den Empfang wird man mir doch noch bestätigen.

Ich bin zur Einsicht gekommen, daß in keiner Wissenschaft Neid, Mußgunst, Scheelsucht usw. eine so erbärmliche Rolle spielen wie bei uns. Ist das wohl wahr?

Wenn’s so weiter geht, nehme ich den Posten als Botschafter in Konstantinopel doch noch an. Soviel staatsmännisches Geschick wie Herr Erzberger habe ich auch noch. Freilich fehlen mir dafür andere Talente, die ihm so sehr eignen. Ad vocem E(rzberger): wenn ich der Kompagniechef des Fähnrichs von Hirschfeld wäre, würde ich mich aus Kummer über diesen Jungen erschießen. Und sein Großvater, der alte General in den Freiheitskriegen, dürfte sich im Grab herum drehen. „Ach, wie schießt Ihr schlecht!“, singt der alte Julius Mosen in seinem Hofer-Lied. Daran habe ich denken müssen. Und an einen hübschen alten Vers, den wir als Pennäler dereinst einpaukten:

Scelera ipsa nefasque
Hac mercede placent …

In steter aufrichtiger Dankbarkeit und Verehrung

bleibe ich Ihr ganz ergebener (gez.) Franz Babinger

P.S. Was macht die Goldziher-Festschrift? Es ist so schade, daß man sich über diese Dinge nicht mündlich unterhalten kann. Die hirnrissigen Fahrpreiserhöhungen machen solche Dinge wie Reisen für den gewöhnlichen Menschen hinfür überhaupt unmöglich. FB

 

340. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 7.9.1920

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

zunächst three cheers for you. Weil Sie mir nämlich die Meinung wegen des Aufsatzes gesagt haben. Also bitte, transeat. Im übrigen habe ich seitdem weiter über dieses Problem nachgedacht und ich bin, glaube ich, zu einem bestimmteren Ergebnis gelangt. Darüber mündlich, sobald ich nach Berlin komme. Denn nach Leipzig gehe ich um keinen Preis der Welt. Ich habe mich aus der gotterbärmlichen Stimmung des Spätfrühlings glücklich wieder etwas herausgefunden und kann mir diese mühsam wieder erlangte Laune nicht von gewissen Herren in Leipzig verderben lasse. Ich stehe jetzt ganz auf dem Standpunkt, den Sie mir im Juni anrieten: nur innerhalb eines ganz bestimmten Kreises aus sich heraus zu gehen. Dann bin ich bekanntlich als Mensch einer gewissen Gattung von Orientalisten ein Greuel, als da sind: J(ensen), Zimmern, Scherman aus Posen, Lehmann-Haupt, Hommel und gewissen philologisch orientierten Herren. Ich bin herzlich froh, wenn ich gewisse Gesichter möglichst lange nicht sehe. Außerdem bin ich ja bis heute noch nicht Mitglied der DMG19. Und werde es, so lange sie diese Form beibehält, niemals werden. Ich hätte mich selbstredend riesig gefreut, Sie schon vorher zu sehen. Aber es geht bei bestem Willen nicht. Ich habe, wie gesagt, im Schwarzwald so wundervolle Tage verlebt und habe mir dabei zum Umgang die Leute aussuchen können, die mir genehm waren, daß ich möglich lang an dieser Erinnerung zehren möchte. Auch den alten, gestrengen Nöldeke scheine ich etwas amüsiert zu haben: er schreibt mir eben: Die Stunden, die Sie hier bei uns zubrachten, werden uns immer in erfreulicher Erinnerung bleiben. Diese Worte aus dem Munde gerade Nöldekes haben mir riesigen Spaß gemacht. Wissen Sie, der Gegensatz zwischen ihm, dem 84jährigen, der niemals auf einem Gaul gesessen, und mir war einfach köstlich. Ich mußte ihm und seinen Damen stundenlang bis in die späte Nacht hinein von meinen Erlebnissen erzählen. Es war entzückend … Unendlich anregende Tage hatte ich im Hause Emil Jacobs in Freiburg. Darüber muß ich Ihnen einmal einen Sondervortrag halten. Er ist, nebenbei, der einzige Professor, der Sie ganz versteht. Wenigstens unter meinen Bekannten. Ein prächtiger Mensch. So, nun habe ich Ihnen lange genug fast pensionatdamenmäßig vorgeschwärmt …

Daß Sie sich an der Browne-Festschrift beteiligen wollen, freut mich mächtig. Ich möchte gern, daß eine bestimmte Gesellschaft sich daran beteiligt. Aber es eilt dann ein wenig. Nicholson schrieb mir unlängst (August 11th, 1920). Almost all contributions have now been sent in to me, and as the printing of the volume will take a long time – probably more than a year – it is important to avoid unnecessary delay. I can, however, promise you that any contribution which reaches me on ore before November 1st will be included in the Festschrift. This arrangement will, I hope, enable you and other German scholars to take part with European and American Orientalists in doing honour to professor Browne …

Bitte, drücken Sie doch innerhab Ihres Kreises möglichst viele Beiträge zur Festschrift durch. Ich verfolge mit dieser Anregung einen ganz bestimmten Zweck, den ich Ihnen mündlich genau darlegen will. Aber bis ich Sie sehe, sind wohl nur noch 14 Tage zum Termin! Es liegt im Interesse der zukünftigen Orientalistik und der zwischenstaatliche Beziehungen außeror-dentlich viel daran, daß Sie, Littman, Ritter, Mittwoch, Kahle usw.usw. beteiligt sind. Littmann habe ich gründlich bearbeitet; er wird also sicher teilnehmen.

Ritter hatte ich vor aufzusuchen; ich weiß aber nicht, ob man damit nicht seine Kreise stört, zweitens, ob ich selbst noch dazu komme. Ich verreise noch 8 Tage innerhalb der weißblauen Grenzpfähle. Ich hatte ihn dringend aufgefordert, mich hier zu besuchen, aber er scheint nicht recht aus Niederzwehren heraus zu wollen.

Allen Erfolg in Bad Elster! Hoffentlich kommen Sie in keinen Kommunistenputsch herein. Das ist gerade so die Gegend dafür.

In herzlicher Dankbarkeit und Verehrung stets Ihr (gez.) Franz Babinger.

P.S. Daß ich neulich ausführlich im …Vorwärts20 abgehandelt wurde, wissen Sie vielleicht schon. Man hat den Aufsatz aus dem NO (??) über die ‚Tatarennachricht’, Gott sei Dank, mit Quellenangabe in extenso gebracht!! FB

 

341. C.H.B. an Franz Babinger. Berlin, 13.1.1921

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Mein lieber Babinger!

Wenn ich Ihnen erst heute schreibe, so geschieht das, weil ich selbst die Grippe gehabt habe. Ich bin dieser scheußlichen Krankheit so energisch zu Leibe gegangen, daß ich sie sehr schnell wieder losgeworden bin. Allerdings gönne ich mir jetzt noch eine kleine Erholung und gehe in der nächsten Woche für etwa 8 Tage nach Gelnhausen. Sie müssen sich aber nun ganz besonders schonen. Man darf die Sache nicht leicht nehmen. Einer meiner Mitarbeiter hat heute seinen einzigen Sohn an dieser Krankheit verloren und beinahe auch seine Frau. Wo man hinhört dasselbe Elend. Aber wir wollen nicht jammern, sondern vorwärts schauen. Deshalb gehe ich auch nicht mehr auf (die) Herzfeld-Affäre ein. Ich wundre mich allerdings, daß Sie beabsichtigen, ihm einen Neujahrsbrief zu schreiben, nachdem Sie ihm vorher geschrieben haben, Sie würden Briefe von ihm uneröffnet zurückschicken. Also machen Sie was Sie wollen; aber machen Sie was Vernünftiges. Ich werde mich ganz draußen halten.

Ihren Goldziher-Nachruf in der Frankfurter Zeitung habe ich übrigens mit Interesse gelesen. Er war hübsch und durchaus zweckentsprechend. Ich bin natürlich nicht dazu gekommen, will aber jetzt in Gelnhausen die dortige Ruhe benutzen, einige Gedanken über den Islam niederzuschreiben. Auch Ihr Suleiman ist hier eingetroffen. Haben Sie herzlichen Dank. Gelesen habe ich ihn noch nicht, werde es aber tun.

Zum Schluß nehmen Sie meinen herzlichen Dank für Ihr schönes Bild. Der Karton hat leider beim Transport etwas gelitten, aber das Bild selbst ist unverletzt. Es ist ganz, daß wir ‚Franz Babinger in Berlin’ nunmehr im Bilde besitzen; denn sonst würde er schließlich nicht mehr ganz glaubhaft erscheinen.

Schonen Sie sich nur recht und pflegen Sie sich. Sie müssen jetzt erst einmal wieder ganz gesund werden. Ich gedenke Ihrer in herzlicher Freundschaft und erlebe mit Ihnen all Ihr unverdientes Mißgeschick. (C.H.B.)

 

342. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 26.4.1921

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

ich benutze eine der ersten Stunden nach meiner Rückkehr aus dem Hessenland, Ihnen für das Amt, das Sie nun tatsächlich übernommen haben, von ganzem Herzen allen Erfolg zu wünschen. Ich war zuerst entsetzt, aber dann schien es mir insofern eine glückliche Lösung, als wir eher Aussicht haben, den Minister CHB wieder zu gewinnen als den Staatssekretär! …

Ich war zwei Tage bei Kahle in Gießen und habe Marburg, lächelnd , aus der Ferne erschaut. Es war sehr nett und ich habe mit Staunen gesehen, wie Kahle in diesem gottverlassenen Nest eine ganz ausgezeichnete Seminarbücherei aus dem Nichts erschuf. Man wird weit gehen und suchen müssen, bis man wieder dergleichen findet. Im übrigen, ich habe wieder einmal gesehen, wie recht Sie hatten, als Sie meine Ungeeignetheit für eine ganz kleine Universität betonten. Ich stürbe totsicher vor Langerweile und Grausen in einer solchen Kleinstadt. In diesem Sinn muß ich das Scheitern der Marburger Sache als eine glückliche Fügung betrachten. Die Kleinheit der Menschen ist eben dort riesengroß.

Gestern schrieb mir der Berliner Pedell, daß meine Jungfernrede auf den 2. Mai falle. Das wäre der kommende Montag schon. Ich habe, da ich infolge verschiedener Abhaltungen in den letzten zwei Wochen fast zu nichts kam, um Verschiebung bis ans Weekend gebeten. Jedenfalls komme ich imVerlaufe der nächsten Woche nach Berlin. Sie werden, wenn das möglich ist, jetzt am Ende noch mehr in Anspruch genommen sein als früher. Aber ich gebe trotzdem die Hoffnung nicht auf, Sie während des S(ommer)S(emesters) einmal auf eine Stunde zu sehen.

Ihr früherer Hamburger Kollege, mein späterer Münchener Lehrer Erich Marcks hat sich dieser Tage an mich gewandt mit der Aufforderung, zu einem zweibändigen, von ihm geleiteten Werk ‚Meister der Politik’ einen Essay über Sülejman den Prächtigen beizusteuern. Tschudi habe aus Krankheit zurücktreten müssen und ich sei, so meinte er, in Deutschland der einzige, der für diesen Beitrag ernstlich in Frage komme. Ich nahm an, unterließ es aber nicht (versteht sich im stillen!!), meine Betrachtungen über diese Ansicht anzustellen. Trifft sie zu, so ist es weiß Gott kläglich um unsere Wissenschaft bestellt. So bleibt mir nichts anderes übrig, als jene Äußerung nicht ganz ernst zu nehmen.

Bedenken Sie doch, oben an der Wasserkante wirkt ja Ja’qùb. Wenn der so etwas erführe, platzte er vor Wut und Ingrimm. Das können wir doch im Ernste nicht wünschen …

Ihren Artikel in der Frankfurter Zeitung habe ich mich mit Entzücken gelesen. Glauben Sie aber ja nicht, daß die Leute an der Eschersheimer Straße nichts spannten. Dr. H. Simon, der Besitzer der Zeitung und – horribili dictu! – trotz einigermaßen abweichender politischer Auffassung guter Freund von mir, hat sich unsagbar darüber erlustigt, als ich ihn am vergangenen Samstag fragte, wie der Artikel in die Zeitung kam. Er meinte, und ich denke nicht mit Unrecht, Sie seien einer unsrer besten Diplomaten!

So sehen Sie denn zu, daß Sie recht bald den Ministersessel mit dem Botschafterposten am Goldenen Horn vertauschen. Und vergessen Sie dann bitte nicht – der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt! – mich als Kapudschi mitzunehmen.

Herzlichst stets Ihr getreuer (gez.) F.Babinger

 

343. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 3.9.1921

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

gestern sind es drei Wochen gewesen, seit ich mich hier von Ihnen verabschiedete. Es wird Zeit, daß ich anstelle der flüchtigen Kartengrüße mich wieder einmal ausführlicher vernehmen lasse. Ich mittlerweile hier und da gewesen, acht Tage in Tirol, wohin mich Mordtmann drahtlich gebeten hatte. Der Ärmste hat außer seinem einzigen Kind nun auch seine Frau hergeben müssen und steht im wirklichen Sinn des Wortes allein in der Welt. Dazu die Abgeschnittenheit von seinem Heim, seinem Hausrat, seiner Kleidung: ein schrecklicher Zustand. Ich bin gerade dabei, für ihn in London die Einreise nach Konstantinopel zu erwirken. Er wünscht, daß ich ihn, auf seine Kosten, dorthin begleite. Das wäre ein schicklicher Vorwand, die Reise nach Berlin hinauszuschieben, vor der mir im wahrsten Sinne graust. Nicht so sehr wegen Berlin selbst und der dortigen Menschen, denen ich immer noch keinen rechten Geschmack abgewinnen kann, als vielmehr wegen des nötigen Geldaufwandes. Die Zustände werden immer gräßlicher und der bevorstehenden Winterteuerung sind ganz anders gestellte Leute nicht mehr gewachsen. Aber ich will Ihnen wirklich nichts vorjammern. Ich habe bisher immer so etwas in den Tag hineingelebt. Allerlei Ereignisse haben nun meinen Blick mehr auf die Zukunft gerichtet, die mir in bezug auf Lebensbedingungen mehr als grau erscheint. Es ist, glaube ich, ganz gut, wenn man nicht von heute auf morgen denkt. Nur der Krämer sorgt für den Tag, der Kaufmann berechnet die Zukunft. Sie werden mich doch hoffentlich unter die Kaufherren rechnen!? Wäre ich um zehn Jahre jünger, so wüßte ich genau, was ich täte. Aber so bleibt mir nichts andres übrig als bei meiner brotlosen Kunst zu verharren. Sonderbar, daß die meisten meiner bekannten mich beneiden. Erst gestern sagte wieder so jemand, wie schön ich es doch haben müsse usw.! Ich hinwiederum finde den Zustand anderer beneidenswert, so Mittwochs, Ritters, Littmanns usw. Während die nicht nur das Haupthindernis als da ist inonis argenti glücklich übersprungen haben, steht mir dieses und Sonder-Hindernisse, wie (arabischer Text) und (arabischer Text) (o der unselige §1313 BGB, vgl. Sure 2,228; 65,1) zu überwinden bevor!

(Arabischer Text)

Doch genug der Jereminaden! Herzfeld, der mir übrigens ernstlich zu heiraten empfiehlt und Sport zu treiben rät, ist hell begeistert von Albion. Er hat mir ellenlange Briefe geschrieben. Aus manchem merkt man, den er zum erstenmal den Kanal überquert hat. Aber in vielem hat er ja recht, ach so recht. Er plant, statt nach Leipzig nach Rom zu fahren, wogegen ich Einspruch erhob. Ich selbst werde zwar, deficiente pecu -, schwerlich, d.h. fast sicher nicht nach Leipzig kommen, aber ich halte es aus mehrfachen Gründen wirklich für wichtig, wenn er erscheint und von seinen Erlebnissen berichtet. Meine englischen Freunde Browne, Arnold, Nicholson sind übrigens auf meine Anregung der DMG beigetreten und ich habe mindestens 30 Deutsche als neue Mitglieder beigebracht. Hoffentlich erscheint Ihr Vortrag bald. Sie müssen ihn gesondert drucken lassen, falls nicht ‚Transactions’ der Tagung gedruckt werden sollen.

Gregger schreibt aus Badgastein. Wir haben leider, als er Bayern durchfuhr, verfehlt. Ich war gerade in Rosenheim, als er die gleiche Gegend im Zug durchsauste. Er meint immer, ich solle mich mit ihm in Reichenhall oder in der Nähe davon treffen! Aber ich werde ihn gewiß sehen, wenn er zurückkehrt. Aus einer gemeinsamen Fahrt nach Ofen ist leider nichts geworden.

Mittwoch habe ich zur Hochzeit am 13.9. (in der Loge Plato zu Wiesbaden ulkigerweise) einen Perser versprochen (Teppich nämlich!), aber erst, wenn mein Einkommen x Tausende übersteigt. Er ist weniger um seine Auffassung über die Ehe und um seine Braut zu beneiden als um die Tatsache, daß er heiratet. Die platonische Loge finde ich überflüssig. Er hat noch Platonismus genug in seiner Ehe …

Herzfeld ist auf schickliche Art der Verpflichtung überhoben, an der chatunâ (hebräischer Text) teilnehmen zu müssen. Aber ich wünschte ihm trotzdem sehr, daß er dem Nebel der City, der ihm schwer zuzusetzen scheint neben der anstrengenden Tätigkeit im B(ritish) M(useum), endlich entfliehen könnte. Er schreibt geradezu beängstigende Briefe über seinen Gesundheitszustand. Was er über die englische Rasse alles schreibt, ist, wenn es sonst nichts ist, äußerst geistreich und hat mir viel Spaß gemacht. Er hat bis zu einem gewissen Grade sicherlich recht, wenn er auch vielleicht vergißt, daß auch die geschichtliche Entwicklung und die geographische Lage ein gut Teil an den Erfolgen schuld sind, und , daß er —– zum erstenmal in England ist. Aber auch ich habe mich von jeher riesig begeistert für jenen Eton- oder Oxford-Typ, der etwas von der wirklichen Kultur des Gelehrten mit der Anmut, Vornehmheit und dem vollkommenen Gebaren eines Weltmannes verbindet. Die Engländer scheinen ihm aber auch wirklich entgegenzukommen und ich kann mir vorstellen, das all das um so günstiger auf ihn einwirken muß, als gerade seine letzten Erfahrungen in Berlin entgegengesetzter Art gewesen sind.

Der XI. Islam-Band ist übrigens in der neuen Zeitschrift Oriente Moderno glänzend wegge-kommen. Auch die Arbeit von al-abd alfaqir hat darin freundliche Beurteilung gefunden. Diese Zeitschrift gefällt mir sehr. Sie hat nicht nur den Titel, sondern auch die Anordnung von der Mittwoch’schen, ist aber ganz ungleich besser. Ein Unterschied wie zwischen Tag und Nacht. Sie müssen sie sich, wenn Sie einmal eine ruhige Stunde haben, wirklich einmal ansehen. Mittwoch könnte alles daraus lernen.

Ich war vorgestern bei mehreren Buchhändlern um die versprochenen Bücher für die beiden Jungens zu erstehen. Was ich da fand, war sehr kümmerlich und gar nicht das, was ich suchte. Ich überlege mir nun noch etwas. Mitte kommender Woche spätestens will ich die Bände absenden. Ganz das, was mir in jedem Fall vorschwebt, wird es wohl kaum. Das Frankenland hat, wie es scheint, außer Scheffel keinen richtigen Lobpreiser gefunden und gerade solche Bücher, wie sie für meine altbayerische Heimat vorliegen, gibt es für Nordbayern gar nicht. Ich werde nu etwas über Würzburg aussuchen, weil mir dafür noch am besten gesorgt zu sein scheint.

Nun habe ich Sie vier Seiten lang aufgehalten. Es ist wenig Gescheites, was diesmal im Briefe steht. Aber Sie werden zeitlebens das Pech haben, von mir brieflich angegangen zu werden, wenn es im Innern nicht so aussieht, wie man es wünscht. Ich kann Ihnen keinen größeren Beweis meiner herzlichen Anhänglichkeit und Dankbarkeit geben …

In steter aufrichtiger Verehrung und Dankbarkeit Ihr getreuer (gez.) F.Babinger.

 

344. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 14.12.1921

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

schon lange wollte ich ihnen einmal schreiben, aber die Zeit, die ich bisher außer Betts verbrachte, war immer so kurz, daß ich mich nicht dazu aufraffen konnte. Ich bin nämlich seit dem ersten Tag meines Hierseins, 30.11. abends, bis heute ständig zu Bett gelegen und erst jetzt fange ich an, hin und wieder etwas aufzustehen und innerhalb der vier Wände der Wohnung mich zu bewegen. Seit heute haben wir Schnee und wenn das Wetter Bestand hat, will ich morgen sogar den Weg ins Freie suchen, und sei es nur für wenige Stunden. Aber das Ergebnis der genauen Untersuchung ist nicht gerade erhebend; ich habe einen linksseitigen Lungenspitzenkatarrh gehabt und dadurch mir eine, freilich ganz unbedeutende Geschichte zugezogen, die sorgfältiger Behandlung bedarf. Der Arzt hat mir aufs bestimmteste versichert, daß binnen sechs Wochen alles wieder gut sei, aber mir dringendst einen rund 6-8wöchigen Aufenthalt im Allgäu angeraten. Ich will, um möglichst rasch die Sache loszuwerden, schon Ende des Monats nach Hohenschwangau und dort, bzw. in Oberstdorf, bleiben bis Mitte Februar. Berlin sieht mich also in diesem W(inter) S(emester) wohl nicht mehr. Ich hatte vorhin eine Rücksprache mit dem Arzt und habe daraufhin mein Zimmer zum morgigen Tage gekündigt.

In diesen Tagen haben Sie mir eine unendliche Freude und einen ebensolchen Genuß bereitet. Jawohl, Sie, und zwar ohne es zu wissen. Ich hatte nämlich neben meinem Bett die beiden großen Kapseln ‚CHBecker’ stehen, in den alle Ihre opuscula minora verwahrt werden. Ich habe sie alle durchgelesen, manchmal zweimal, so den Beseler-Vortrag, zu dessen Studium ich bisher leider gar nicht gekommen war. Es war mir eine unbeschreibliche geistige Erholung und Ablenkung und ich habe überaus viel Neues gelernt. Ich schriebe Ihnen, Sie kennen mich genau, dies sicherlich nicht, wenn es nicht genau stimmte. Sie finden diesen Erguß vielleicht naiv. Aber es gibt Fälle, wo einen das Temperament oder das Herz, oder wie man diese feine Bewegungszentrale sonst nennen will, über die papiernen Schranken der Zurückhaltung hin-wegtreibt, wo die innere Lebenswärme, die durch irgend einen Anstoß in uns erweckt und befeuert wird, auf dem kürzesten Weg nach außen drängt. Das war eben der Fall.

Ich werde mir diese zwei Kästen als geistige Nahrung mit ins Gebirge nehmen.

Der kleine Wolfgang Kühn hat mir eine sehr nette Karte geschrieben, die ich, meiner alten Gepflogenheit nach, längst bedankt hätte, wenn ich zurzeit nicht ganz aus dem Gleise wäre. Denken Sie sich, er schrieb als Anschrift: Herrn F.C.H. Babinger, Berlin, Universität. Die Karte wurde mir prompt in meine dortige Wohnung und von da hierher zugestellt.

Die neuen Postgebühren finde ich irrsinnig; ich werde am 1. Januar zu schreiben aufhören, Briefe und Karten nämlich. Wie lange dieser Wahnsinn wohl noch weitergeht?

Zum Schlusse noch eine Frage: ich möchte sehr gern, daß mir für die restlichen drei Monate (Januar, Februar, März 1922) Stipendium und Lehrauftrags-Geld auf einmal ausbezahlt werden; das macht s.s. Mark 1675. Ich habe im Juni schon einmal eine solche Eingabe dem Ministerio unterbreitet, aber ich hatte das Empfinden, als ob das allerlei Weiterunge zur Folge gehabt habe. Man wollte, irre ich nicht, bei der Fakultät nach der Bedürftigkeit nachfragen usw. So wenigstens sagte mir irgend ein Assessor im Ministerium, an den ich mich wandte, als die Sache Ende Juli noch im Umlauf war. Unter solchen Umständen lasse ich mir die Beträge natürlich lieber ratenweise, nämlich monatlich, auszahlen, aber sonst wäre mir, zur Bestreitung meiner höchst ungewollten Gebirgsreise, der auf einmal entrichtete Betrag natürlich nicht unangenehm. Vielleicht lassen Sie mir, wenn Sie selbst keine Zeit dazu finden, das durch Gragger sagen, der mir doch dieser Tage schreiben wird.

Und nun wünsche ich Ihnen und den Ihrigen recht fröhliche Weihnachten. Ehe das Jahr zu Ende geht, werde ich mich noch einmal vernehmen lassen.

In herzlichster Dankbarkeit und Verehrung stets Ihr getreuer (gez.) F.Babinger.

PS. Der handschriftliche Vermerk ist unlesbar. BB

 

345. C.H.B. an Franz Babinger, Privatdozent (Berlin), 20.12.1921

Der Staatssekretär (Maschinenkopie)

Lieber Herr Babinger!

Haben Sie herzlichen Dank für Ihren guten Brief vom 14. Dezember. Es tut mir aufrichtig leid, daraus zu entnehmen, daß Sie sich doch einen kleinen Knacks geholt haben. Ich kann Sie nur bitten, Ihre ganze Kraft darauf zu konzentrieren, zunächst einmal wieder gesund zu werden. Ihre materiellen Wünsche habe ich mit Herrn Richter besprochen und wird Ihnen in der nächsten Zeit Mitteilung zugehen, daß Ihre Lehrauftragsbezüge erheblich erhöht worden sind. Außerdem wollen wir versuchen, ihnen sonst noch eine kleine Unterstützung zukommen zu lassen. Erwarten Sie also, bitte, darüber besondere Nachricht.

Daß Sie meinen Opuscula ein so freundliches Interesse entgegenbringen, freut mich aufrichtig. So kommt doch noch manches, was nur wenige gelesen haben und an den verschiedensten Orten verstreut ist, an die richtige Adresse. Schaeder hat ja schon lange die Absicht, meine ganzen kleinen Schriften einmal in einem Bande zusammenzufassen. Ich habe nur nie die Zeit, die notwendige korrigierende Hand mit an die Arbeit zu legen.

Wenn Sie dieses Semester nicht mehr nach Berlin zurückkommen, was ich nach Ihren Mitteilungen für selbstverständlich halte, bitte ich Sie, der Fakultät eine kurze Mitteilung davon zu machen, unter allen Umständen aber, worüber Sie zweifelhaft zu sein scheinen, Vorlesungen für das Sommersemester anzukündigen. Bis dahin sind wir ja wieder ein gut Stück weiter.

Ich hatte gerade Ihren Brief zu Ende gelesen, als mich Herzfeld besuchte und wir auf Sie zu sprechen kamen. Er war aufrichtig betrübt über die zwischen Ihnen ausgebrochenen Mißverständnisse und meinte besorgt, Sie müßten doch offenbar sehr nervös sein. Nachdem er mir den ganzen Vorgang auf meine Bitte hin genau erzählt hat, glaube ich auch, daß Sie einer fixen Idee zum Opfer gefallen sind. Ich bemerkte schon früher einmal, daß Sie sich sehr abfällig über Herzfelds Stellung zu E.G. Browne äußerten. Ich machte schon damals eine abwiegelnde Bemerkung, da ich Herzfeld zu genau kannte, um Ihr Urteil in dieser Sache für richtig zu halten. Herzfeld hat bei den ersten Wiederanknüpfungen mit England Browne gegenüber eine abwartende und kritische Stellung eingenommen, wenn er auch lange nicht so empfindlich war wie Sie dem gleichen englischen Gelehrten gegenüber. Dann trat bei Ihnen die Peripetie ein, während Sie sich nie davon überzeugten, daß auch Herzfeld gern seinen guten Erfahrungen mit Browne nach Wiederanknüpfung der Beziehungen Rechnung trug. Herzfeld hatte seine frühere Reserve nie so tragisch genommen, wie Sie das getan hatten, und sich deshalb auch gar nicht mehr erinnert, daß er sich Ihnen gegenüber abfällig über Browne geäußert hatte. Unter diesen umständen hat er in voller Gutgläubigkeit, da er wieder von Ihren neuerlichen intimen Beziehungen zu Browne nichts wußte, Ihre Bemerkungen über seine Stellung zu Browne völlig mißverstanden und dann von Ihnen eine mich etwas erschreckende brüske Antwort erlebt. Er hätte mir die Sache nicht erzählt und trägt sie Ihnen auch nicht weiter nach, da er Sie wirklich gern mag und sich bloß um Ihre nervöse Labilität im Interesse Ihrer Person Sorge macht. Es ist wirklich schade, wenn sich Leute wie Sie und Herzfeld über ein derartiges Mißverständnis verkrachen, und ich bitte Sie herzlich, Ihre kollegialen Beziehungen zu ihm mit einigen Worten der Aufklärung in der alten Weise wieder aufzunehmen. Sie können natürlich nach dem Vorgefallenen nicht erwarten, daß er zuerst an Sie schreibt. Aber von meiner Freundschaft können Sie ja sicher sein, daß sie Ihnen nur zu etwas rät, was vor Gott und den Menschen vertretbar ist.

Mit den besten Wünschen für ein gutes Weihnachten und für eine gute Gesundheit bin ich in herzlicher Zuneigung Ihr getreuer (C.H.B.)

Anhang.

Herrn Staatssekretär Professor Dr. Becker o.D.

Fall Babinger

  1. 6000 RM außerordentliche Unterstützung, zahlbar Würzburg, sind angewiesen.
  2. Die Zahlung des Stipendiums in der vorjährigen Höhe wird folgen.
  3. Für die Weiterzahlung der beim Orientalischen Seminar zahlbaren Vergütung werde ich Sorge tragen.
  4. Die Absendung des Werkes von Lenz ist veranlaßt.
  5. Am Mittwoch habe ich wegen des Lehrauftrags bei der Universität geschrieben.
  6. Vom geschäftlichen Teil des Briefes ist demnach folgendes noch zu erledigen:
    1. Die Überweisung eines Exemplars des Bezold’schen Werkes können wir von hier aus wohl kaum veranlassen.
    2. Mit dem Steuerabzug hat es seine Richtigkeit, weil der Entscheidung hierüber nicht nur die Zahlung der Vergütung für den Lehrauftrag beim Orientalischen Seminar zugrunde zu legen ist, sondern auch die Zahlung des Stipendiums, beide Summen machen mehr als 7800 RM. Zur Zeit sind auch die Stipendien steuerpflichtig.

 

346. Postkarte21 von Professor Georg Jacob an Franz Babinger. Kiel,13.1.1922

Sehr geehrter Herr Kollege,

herzlichen Dank für Ihre beiden Zusendungen. Über letztere schreibe ich ausführlicher und sende Ihnen auch eine Gegengabe, wenn ich Ihre Berliner Adresse weiß, die mir bisher zu ermitteln unmöglich war. Briefe an Jäger (Berlin, Universität) kamen als unbestellbar zurück, da er dort ‚unbekannt’ ist, obwohl er doch zu Ihren (Sternen??unleserlich) zählt. In Würzburg war ich auf der Rückreise von warmen sonnigen Herbsttagen und habe wieder einen tiefen Eindruck von der Schönheit der Stadt mitgenommen.

Mit bestem Gruß Ihr Georg Jacob.

PS und Unterstreichung von Babinger: Ist das nicht entzückend? Mich erreichen Karten ‚F.C. H. Babinger, Universität. Ja , ja , es kommt eben auf die Größe der Sterne an! (1., 2., 3. Größe(!)

 

347. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 16.1.1922

Lieber Herr Becker,

haben Sie herzlichen Dank für Ihre lieben Zeilen vom 13.1. Denken Sie sich, ich hatte am 6.1. einen neuerlichen, ganz schweren Grippe-Rückfall, der mich volle acht Tage in scheuß-licher Verfassung ließ. Es war (unleserlich) zum irrsinnig werden. Erst seit zwei Tagen fühle ich mich wieder wohler und es wird nun wirklich höchste Zeit, daß ich an meine Erholung in den Bergen denke. Das war eine schreckliche Zeit. Ich liege nun die zehnte Woche. Wenn mir das jemand früher gesagt hätte, so wäre mir das als heller Unsinn erschienen. Aber vielleicht ist es ein gutes Zeichen. Daß ich seit gestern, wo ich in ein neues Lebensjahr eintrat, eine merkliche Besserung in meinem Befinden verspürte.

Gregger riet mir dringend zu einem Sanatorium (meine Ärzte raten mir ebenso ab, weil sie sagen, das brauche ich nicht). Ich habe mich daraufhin erkundigt und erfahren, daß keiner unter 150 RM pro Aufnahme gewährt. So erledigt sich dieser Vorschlag schon aus diesem Grunde ganz von selbst.

Ich bin bestürzt, daß Sie den dummen von der Schriftleitung zu Dreivierteln verkürzten, dumm verkürzten Artikel über Goldziher dennoch zu Gesicht bekamen. Ich habe mich rasend darüber geärgert. Mein Nachruf sah ganz anders aus. Goldziher jr. sandte mir eine begeisterte Karte mit interessanten Angaben, die Sie verwerten sollten. Auch hat irgendwer der Frankfurter Zeitung sehr nett geschrieben und einige Daten, die sie irgendwelchen Büchern entnahmen, berichtigt. Goldziher soll nun eine lange Biographie erhalten, wie mir der Sohn schreibt.

In der Herzfeld-Sache sehen Sie, leider, leider, immer noch etwas falsch. Ich konnte einfach einen dritten Brief des Kalibers wie die zwei vorangegangenen in meinem Zustand nicht ertragen. Er hätte mir die Nerven zersägt.

Im T’amg Paa (?) hat der berühmte P. Pelliot meine kümmerliche Doktorarbeit lang und glänzend besprochen, was mich eigentlich freute. Denn dieser Pelliot (wohl der größte lebende Sinologe) ist ruppig und karg in seinem Lob. Der mißratene Sulejman-Essai hat mir ein paar sehr nette Zuschriften von ganz unbekannter Seite eingetragen. Riesig dumm ist, daß im Inhaltsverzeichnis des Werkes steht: F.B., Professor in Berlin. Mich traf fast der Schlag, als ich das las. Aber ich versichere Ihnen, ich bin unschuldig daran.

Ich schreibe Ihnen bald einmal wieder. Aber zurzeit läßt sich im Bett die Feder zu schwer führen.

In steter Herzlichkeit und treuer Anhänglichkeit Ihr F.Babinger.

PS. Grüßen Sie die Buben herzlichst, wenn sie bei Ihnen sind. O, wie schöne Tage hatten wir im August 1921!

 

348. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 19.1.1922

Lieber Herr Becker,

heute früh habe ich mich zum erstenmal nach langer Zeit wieder freuen dürfen. Ich erhielt eine Depesche des Inhalts, daß der bewußte Scheidungsprozeß gestern in Salburg völlig zugunsten der Klägerin entschieden worden sei. Das muß ich Ihnen doch schnell mitteilen, weil Sie gerade in dieser Sache so rührenden Anteil genommen haben. Ich hatte mich schon fast in die Tatsache gefunden, daß dieses Jahr mir unmöglich etwas Gutes gelingen werde, nach dem das verwichene in seinem letzten Viertel mir nichts als Kummer und Sorge gebracht hatte. In einer solchen seelischen Niedergedrücktheit und so ohne Freude am Leben bin ich noch nie gewesen. Nun ist mir wenigstens die freudige Gewißheit geworden, daß ein in unwürdigem, jämmerlichen Zustand dahinlebendes Menschenkind wieder frei aufatmen und die Zukunft rosiger sehen darf.

Ich glaube, nachdem ich einen dritten schweren Grippe-Anfall glücklich überstanden habe, wieder zu leidlicher Rüstigkeit gediehen und fähig zu sein, die Reise südwärts demnächst antreten zu können. Ich schwanke noch zwischen Oberstdorf und Todtmoos (Süd-Schwarz-wald). Jedenfalls will ich Ende des Monats unterwegs sein.

Ich lege Ihnen eine Karte bei mit der Bitte um gel(egentliche) Rücksendung, die mir Goldziher d.Jg. geschickt hat und und mit deren Inhalt Sie am Ende für Ihren Nachruf interessiert.

Wissen Sie, das Bettliegen, das bei mir nun schon die 11.(elfte!) Woche währt, hat eine peinliche Folge gehabt: ich kam auf allerlei Gedanken, stöberte in meinen alten Erinnerungen herum usw. Und siehe da, mir fiel eine Aufforderung ein, die Sie im August während der fahrt von Rothenburg nach Würzburg (IV.Klasse!) an mich gerichtet haben, nämlich Sie zu erinnern, daß ich im Ministerium ein Exemplar der Lenz’schen ‚Geschichte der Univ(ersität) Berlin’ (drei Bände) und womöglich der von Bezold’schen Bonner Universitätsgeschichte umsonst bekommen könne. Ich hatte ganz auf diese Geschichte vergessen.

Dann noch etwas: Können Sie nicht gelegentlich zwei Briefe von Ihnen aus den Jahren 1908/1910 (jawoll!) aus dem Briefwechsel heraussuchen lassen. Ich sandte Ihnen diese zwei Schreiben vor rund 1 ½ -2 Jahren einmal als Belege dafür, daß ich wirklich schon 1908 mit Ihnen im Briefwechsel stand.

Hoffentlich haben Sie auch die letzten Spuren der Grippe überwunden und kehren gestärkt aus dem südlichen Deutschland zurück. Mein jüngster Bruder, der Leutnant bei der Reichswehr ist, vertritt mich in Berlin. Er ist dorthin bis zum 12. Juni zu einem Lehrgang berufen worden. Er kann mich getrost ad calendas Graecas vertreten.

Vescis, ben, vescis dominae fastidia Romae…

In alter Anhänglichkeit stets Ihr getreuer F.Babinger.

P.S. E.G.Browne schreibt mir rührend – besagte Briefe! Am 7.Februar ist sein 60. Geburtstag!

Anhang: Karte von Prof. Dr. Karl Goldziher, an Franz Babinger. Budapest, 3.1.1922

Hochverehrter Herr Professor!

Erst heute bekamen wir Ihren schönen Nachruf zu Gesicht, den Sie meinem guten Vater in der Frankfurter Zeitung gewidmet haben. Empfangen Sie den innigsten Dank für diese herrlichen Worte des Gedenkens, die sich an die Widmung Ihres letzten Werkes anschließen. Gestatten Sie die Bitte, mir –falls möglich – bekannt zu geben (eventuell einzuschicken), wo noch Nachrufe in Deutschland erschienen sind.

Ich benutze die Gelegenheit, einige unrichtige Angaben zu berichtigen, da diese die merkwürdige Laufbahn in noch helleres Licht stellen:

  • Reise im Orient nicht zwei Jahre sondern nur 6 Monate!
  • Privatdozent nicht 22, sondern 34 Jahre, da 1894 nicht a.o. Professor, sondern nur Titularprofessor;
  • Bei der jüd(ischen) Gemeinde nicht 16, sondern mehr als 30 Jahre;
  • Nicht in Oxford, sondern in Cambridge.
  • Prag, Cairo (Yiher Bibliothek?) noch in den 70er Jahren, später noch Heidelberg, Leipzig, Königsberg, etc.

Wir planen jetzt eine große wiss(enschaftliche) Biographie, deren Prospekt bald zugeschickt wird.

Ich berichte Ihnen über die obigen Daten, da Sie vielleicht einmal noch Gebrauch machen können.

Leider waren die letzten Jahre durch Krankheiten sehr getrübt, mein Vater arbeitete aber bis zur letzten Stunde am 9. (unleserlich)

Wir ordnen jetzt die ganze Bibliothek, deren Schicksal uns gehörige Sorge bereitet.

Mit hochachtungsvollen Grüßen bin ich

Ihr sehr ergebener Professor Dr. Karl Goldziher

 

349. Postkarte von Franz Babinger an C.H.B, Gelnhausen. Würzburg, 24.1.1922

(Maschinenmanuskript)

CHB: Sie müssen es meiner gegenwärtigen Verfassung zugute halten, wenn ich Ihnen noch nicht geschrieben habe. Ich bin täglich nur etwa eine Stunde außer Bett. An genauen Daten über Goldz(iher)s Leben kann ich Ihnen geben, was Sie wünschen. Durch die Mitteilungen des Sohnes sind ja die bisherigen Zweifel gelöst. Soll ich Ihnen etwa ganz kurz einen Lebensabriß von ihm schreiben? Nur Daten etwa. Sie müßten diesen dann eben nach der Karte von G(oldziher) d.Jr ergänzen. Die Städtenamen, aus den Sie vielleicht nicht klug geworden sind, bedeuten Orte, an die G(oldziher) berufen wurde. Ich habe noch ein paar Zuschriften in Händen, die bei der Schriftleitung der Frankfurter Zeitung auf meinen Artikel hin einliefen; es sind aber darin nur ganz belanglose Richtigstellungen enthalten, die sich zumeist in der Karte G(oldziher)s d.J. finden. E.G. Browwne’s Anschrift ist: Trumpington Road, Firwood, Cambridge, England. Geburtstag ist am 7. Februar. Er wird sich riesig auf Ihren Glückwunsch freuen. Und ich freue mich riesig, daß Sie endlich mal gründlicher Zeit nehmen, sich zu erholen und so weit von Ihrem Amt sind. Was ist denn mit Ritter los? Von ihm hört und sieht man nichts. Wenn man nicht hin und wieder eine Korrektur erhielte, so möchte man fast zweifeln, ob er noch lebt. Mittwoch fragt er bei mir an, ob Br.(??) in Berlin angenommen habe!! Ausgerechnet bei mir, der Ärmste! Die Leute halten mich für ein Orakel und glauben mir nicht, wenn ich ihnen schwöre, daß ich nichts weiß und daß ich mich überhaupt gar nicht darum kümmere … Am 29., spätestens am 30. Januar reise ich hier ab. Es geht mir gesundheitlich, Gott sei Dank, wesentlich besser; die neuerliche Untersuchung ist fast negativ verlaufen, also wenigstens darin ein Riesenfortschritt.

Ich kann Ihnen nicht schildern, wie ich mich auf die Sonne, überhaupt auf den Lenz freue.

Herzlichst stets Ihr getr(euer) F.Babin(ger).

 

350. C.H.B. an Franz Babinger. (Berlin,) 1.4.1922

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Mein lieber Babinger!

Sie werden wieder einmal nahezu an mir verzweifelt sein. Ich habe wirklich teilnahmslos gewirkt, aber ich darf Ihnen versichern, daß ich Ihrer ebenso schmerzlich wie herzlich gedacht habe. Ich halte es für unbedingt notwendig, daß Sie jetzt nicht nach Berlin zurückkehren, sondern sich erst vollständig erholen. Auf der anderen Seite hängt natürlich alles, was ich materiell für Sie tun kann, von Ihrer Berliner Wirksamkeit ab. Ziehen Sie die Synthese aus diesen beiden Notwendigkeiten, so ergibt sich als einzige Möglichkeit eine immer von Fall zu Fall zu erwirkende kurzfristige Beurlaubung; also benachrichtigen Sie die Fakultät erst zu Beginn des Semesters. Was ihre materielle Lage betrifft, so kann ich Ihnen einstweilen auch nur provisorisch beispringen. Es ist Ihnen zunächst eine außerordentliche Unterstützung von 6000 Mark, zahlbar Würzburg, angewiesen. Die Zahlung des Stipendiums in der vorjährigen Höhe wird folgen. Für die Weiterzahlung der vom orientalischen Seminar zahlbaren Vergütung wird Sorge getragen werden, wobei zu hoffen ist, daß Sie dann wenigstens im Wintersemester Ihren Lehrauftrag wirklich ausüben können. Eine dauernde Sicherstellung für Sie ist nur möglich, wenn Ihnen ein voller Lehrauftrag erteilt wird. Dafür brauche ich einen Antrag der Fakultät. Mittwoch ist Geheimrat Wende ersucht worden, eine solchen Antrag zu extrahieren.

Die Absendung der Universitätsgeschichte von Lenz ist veranlaßt.- Die Bezold’sche Universitätsgeschichte von Bonn kann leider nicht erfolgen, da wir keine Verfügung über diese Exemplare besitzen, was mir seinerzeit offenbar nicht gegenwärtig war.- Im übrigen haben Sie unserer Universitätskasse doch Unrecht getan. Mit dem Steuerabzug hat es seine Richtigkeit, weil der Entscheidung hierüber nicht nur die Zahlung der Vergütung für den Lehrauftrag beim Orientalischen Seminar zu Grunde zu legen ist, sondern auch die Zahlung des Stipendiums und zurzeit auch die Stipendien steuerpflichtig sind.

Ihre Anlagen folgen zurück.

Soviel über das Geschäftliche. Ich kann Ihnen gar nicht sagen, wie leid es mir tut, daß Sie so schwer vom Schicksal heimgesucht werden. Ich baue aber ebenso wie Ihr Arzt auf Ihre gute Konstitution und hoffe, daß Sie durchhalten werden. Aber gerade bei einer solchen Erkrankung wie der Ihrigen ist es nötig, daß man sich gut ernährt: und dazu braucht man wieder Geld, da haben Sie unbedingt recht.. Ich war leider in der letzten Zeit auch nicht ganz wohl und schreibe auch diesen Brief noch zuhause. Sonst hätten Sie wohl früher von mir gehört. Im übrigen waren meine Tage durch die Vertretung des Ministers während der Lichterfelder Krise über Gebühr in Anspruch genommen. Die Sache wird voraussichtlich Dienstag ihr parlamentarisches Nachspiel erleben. Je nachdem man Individualist oder Milieu-Theoretiker ist, wird man die Schuld verteilen. Mich hat immer der Gedanke bestimmt, daß das Wohl der Gesamtheit unter allen Umständen dem Wohle des Einzelnen vorzugehen hat. Ich hoffe, daß die Entwicklung der Anstalt jetzt endlich in ein ruhiges Fahrwasser kommt.

Mit gleicher Post sende ich Ihnen meinen Leipziger Vortrag; die Goldziher’sche Biographie folgt bald nach. Hoffentlich freuen Sie die kurzen Mitteilungen dieses Briefes. Jedenfalls kommt er aus freundschaftlichem Herzen.

Treulichst der Ihrige (gez.) C.H.Becker

 

351. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 3.4.1922

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

da ich die entzückend ausgestattete Lenz’sche Un(iversitäts)Geschichte schon seit vier, die ministerielle Benachrichtigung von der Verlängerung des Stipendiums und er Anweisung von Mark 6000 schon seit Samstag in Händen habe, hätte ich Ihnen schon längst für die neuen Beweise Ihrer Güte danken sollen. Aber mein Gesamtzustand in seelischer und sonstiger Beziehung hat mich derartig stumpfsinnig und lebensunfroh gemacht, daß erst Ihre heute eingetroffenen lieben Zeilen mich aus der Betäubung bringen. Diese materielle Unterstützung ist mir natürlich überaus erwünscht und ich danke Ihnen herzlich für die Anregung. Ich habe am 1.4. wieder Arztrechnungen usw. bekommen, daß mir die Haare zu Berg stehen und bin heilfroh, daß ich nunmehr diese Verpflichtungen los werden, meine Mutter aber gleichzeitig für erhebliche Ausgaben, die sie durch meine Erkrankung in letzter Zeit hatte entschädigen kann.

Ich mache eine schauerliche Zeit durch, so schauerlich, daß ich Ihnen mit nackten Worten gar keinen Einblick in meinen Zustand zu geben vermöchte, selbst wenn ich Sie mit meinem gram und Kram zu behelligen willens wäre. Unter der namenlosen seelischen Bedrücktheit sehe ich meine ganze Lage im schwärzesten Licht. Dazu kommt unheilvoller Weise, daß ich einen großen Teil des Tages regungslos und wach zubringen muß. Von geistiger Beschäftigung keine Spur. Ich bin in meinem ganzen leben niemals wirklich krank gewesen und empfinde natürlich diese Heimsuchung doppelt stark. Die ganzen deutschen Verhältnisse, die mit jedem Tag gräßlicher und für eine gewisse Volksklasse immer unerträglicher werden, wirken mit, mich gar nicht mehr des Lebens froh werden zu lassen. Mein Aufsatz in der ZDMG ist eine Art vox et oratio cygnea, wenigstens für die nächste Zeit. Es ist ein Jammer, daß ich im selben Augenblick, wo ich, wie in diesem Aufsatz, eine Art ‚Programm’ entworfen habe, meine Arbeitskraft und -lust lahm gelegt werden mußte. Die einzige Freude, die ich habe, besteht darin, daß grade an meine letzten Arbeiten allerorten (sogar !! in Deutschland) angeknüpft wird und ich vielleicht doch noch die freudige Genugtuung erleben darf, daß dem türkisch-persischen Islam und der osman(ischen) Urkundenforschung ein wirklicher Aufschwung zuteil wird.

In der nächsten Woche, just an Ihrem Geburtstag, fahre ich nach Reichenhall, wo ich allerlei Bäder und sonstige Kurmittel nehmen will, zu deren Bestreitung mir die Mark 6000 auch sehr willkommen sind. So lebe ich halt von einem Tag auf den andern, ein Dasein, das mir freilich niemals vorschwebte. Am meisten bedrückt mich, daß ich zur Untätigkeit verdammt bin und meine Arbeiten so gut wie einstellen muß. Ich sehe da zunächst keine Besserung. Schon in Berlin lebte ich notgedrungen fernab von meinen Büchern (die ich hier lassen muß: 1. weil ich dort immer nur während des Semesters mir ein Zimmer halte, 2. die mich ein irrsinniges Geld kosteten, wenn ich sie auch von hier nach Berlin schaffen könnte, d.h. eine Dauer-wohnung besäße.) Die Paketkosten sind dermaßen gestiegen, daß eine Bücherbeschaffung von auswärts hier auch zur Unmöglichkeit wurde, da die kostenlose Besorgung nur den bayerischen Dozenten zugute kommt. Kurz und gut, trostlose Aussichten. Bei der Universitätskasse bin ich übrigens doch mit meiner bajuwarischen Deutlichkeit durchgedrungen. Man hat erklärt, daß selbstredend der Abzug zu Unrecht erfolgt sei und die Rückzahlung der Beträge veranlaßt. Daß man nunmehr auch die Stipendien versteuert, paßt gut zu den unglaublichen Verhältnissen, in denen geistige Arbeiter seit Ende 1918 zu leben gezwungen sind. Man braucht gar nicht einmal weit rechtsum zu wünschen, daß endlich ein Herkules für diesen Augiasstall auftrete. Es ist jammerschade um die unheimliche Kraft und den Willen, den Sie der Besserung der Dinge widmen. Ich bedauere das jeden Tag, wenn ich eine Zeitung in die Hand nehme und von der Berliner Wirtschaft lese. Wären Sie doch in Bonn! Wieviel Neues hätten Sie uns da bescheren können! Wie jammervoll ist es um uns bestellt und wie dringend wir neuzeitliche Forscher in orientalibus brauchen, beweist für mich die Berufung des Herrn Rhodokanakis auf Ihren Lehrstuhl und in dieses herrliche Seminar!! Ausgerechnet Rh(odokonakis) aus Alexandrien. Das hat mir unsagbar leid getan …

Die Lenz’sche Geschichte, für die ich ebenfalls herzlichst danke, hat mir schon manche Stunde verkürzt. Ich habe die Akten nachgelesen, besonders die über die Berufung meines Großonkels Friedr(ich) Julius Stahl. Sie müßten einmal das dumme Gutachten lesen, das ein gewisser Schulz über Stahl abgab, der offenbar eine Berufung verhindern wollte, aber beim König und bei Altenstein, oder war’s Wich(?weggelocht!), an den unrechten kam. Höchst interessant und fast tröstend sind die Briefe L(eopold) v(on) Rankes, Seite 465. Man hat mir ein wundervolles Exemplar gesandt: Goldschnittbände in Halbleder! Ich bin wirklich riesig froh, daß ich dieses Werk besitze. Gekannt und studiert habe ich es schon als Student.

Auf Ihren Leipziger Vortrag freue ich mich sehr. Ich habe ihn noch nicht bekommen. Auch meine SA’e aus der ZDMG sind noch nicht in meinen Händen. Ich bin mächtig gespannt, wie man in Stambul darüber urteilt. Über den Bedreddin sind die Zeitungen buchstäblich voll. Halil sendet mir jeden Monat Ausschnitte. Dieser Schejch Bedreddin ist über Nacht zur Berühmtheit geworden. Einer meiner Hörer, ein Tatare, schrieb mir unlängst, daß er der pi´r der tartarischen Kommunisten geworden sei!! Ist das nicht köstlich? Es ist gut, daß die VWV Überdrucke des Heftes gemacht hat.

Nun muß ich schließen. Ich habe Ihre Zeit wieder über Gebühr in Anspruch genommen. Seien Sie nochmals herzlichst bedankt für Ihre Güte und begrüßt von

Ihrem getreuen (gez.) Fbabinger.

P.S. Kann denn für Süßbein nicht einmal etwas geschehen? Er spricht und schreibt doch das Arabische, Persische und Türkische wie ein Eingeborener! Der wäre am O(rientalischen) S(eminar) am Platz gewesen! Menzel, den man nach Kiel berufen hat, halte ich wissenschaftlich zwar für weit besser wie (arabischer Text..22.), aber auch für keine Größe. vielleicht werden nun die Kieler Veröffentlichungen etwas besser und weniger fehlerhaft. FB

Anliegender Zettel von FB:

Bitte zeigen Sie den Brief getrost Geheimrat Wende, dem ich übrigens herzlichst danke für die freundliche Benachrichtigung vom 1. April. Auch die Fakultät funktioniert, wie die Einlage zeigt, glänzend, seit Luder weg ist. Vorher habe ich so etwas ½ Jahr später erfahren! FB

Zettel 2 von FB:

Der Gilgameschuggene hat sich ja wieder eine herrliche Sache geleistet, wie mir Horovitz dieser Tage erzählte. Mme Jensen scheint Sie gründlich mißverstanden zu haben und er noch mehr. Quousque tandem …?

 

352. Postkarte von Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 5.4.1922

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

man soll keinem Menschen Unrecht tun! Eben erhalte ich von Schaeder einen langen Brief, darin sich folgende Stelle findet:

Ich las eben Ihren Aufsatz im neuen Stück der ZDMG aufmerksamer als es in Leipzig geschehen konnte. Er ist höchst anregend. Sie haben einen hervorragenden Instinkt dafür, wo die Probleme sitzen. Daß das ganze Gebiet noch völlig terra incognita ist, betonen Sie ja selber. Usw.usw.

Darnach scheint Sch(aeder) gar nicht so ablehnend gegen mich eingestellt zu sein, wie es nach Ihren düsteren Mitteilungen am Eingang zum K(ultus)M(inisterium) Unter den Linden scheinen mochte. Ich bringe Ihnen diesen Briefauszug deshalb schleunigst zur Kenntnis, weil ich fürchtete, Sie würden von Sch(aeder) allzusehr gegen meine Ausführungen beeinflußt. Ich möchte mich mit ihm sehr gern unterhalten; es freut mich, daß er sich (noch?, weggelocht!) mehr mit dem persisch-türkischen Islam abgegeben hat als bisher. Er kann sich hier einen dicken Lorbeerkranz holen. Strothmann, von Mülinen, Sch(aeder?) und noch etliche haben mir sehr nett zu diesem Artikel geschrieben, was mich lebhaft erfreut. Es ist doch ein höchst angenehmes Gefühl, irgendwo promachos sein zu können. Aber das haben Sie selbst viel, viel mehr als ich erleben dürfen.

Ich empfehle Ihnen nochmals meinen gestrigen Brief!!!

Herzlichst Ihr (gez.) F.Bab(inger)

P.S. „Deutsche, kauft deutsche Waren!! Keine Importen!! Inländische Tabake!!“

 

353. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 5.4.1922

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

da ich nicht jeden Tag zum Briefschreiben und kampfesmutig gestimmt bin, weil in mir seit einem halben Jahr alles umgekehrt zu sein scheint, benutze ich das heutige intervallum dilucidum, Ihnen jetzt schon zum 12.d.Mts. meine aufrichtigsten Glückwünsche zu senden. Eigentlich versteht sich das von selbst und Sie werden es den Leuten die Ihnen näher stehen selbst dann nicht verübeln, wenn sie einmal auf die Wünsche vergessen. Aber da ich nun einmal ein besonders unglückliches Talent für Daten habe und Sie um diese unselige Veranlagung wissen, fiele Ihnen am Ende mein Schweigen auf. Es wird nun bald Zeit, Ihre Festschrift zum Jahre 1926 vorzubereiten! Dergleichen geschieht doch, irre ich nicht, immer schon eine weidliche Weile vorher …

Die Bonner Univ(ersitäts)-Geschichte habe ich hier nun genauer eingesehen. Ich habe nichts Neues daraus gelernt, wenigstens nicht für Dinge, die ich gern wissen wollte. Denn ausge-rechnet da, wo ich neues zu erfahren wünschte, verweist v. Bezold auf … mich.

Daß Brockel sich nunmehr zur Annahme des Berliner Rufes gnädigst bequemt hat, habe ich gehört. Das berührte mich weiter nicht, wenn damit die Gefahr nicht immer drohender würde, daß man im ‚vorgeordneten Ministerium’ (ein entzückendes Wort von Seckel d.i. hessisch ‚Isaakel’, nebenbei) mit Vorliebe und nicht ohne Nebenton bei Reden angewandt) wirklich den Vorschlag, Rhod(okanakis) nach Bonn zu berufen, das placet gibt. Ich weiß genau, daß Sie mich nicht falsch verstehen, wenn ich Ihnen sage, daß das für mich eine höchst schmerzliche Enttäuschung wäre. Und zwar aus ganz allgemeinen Gesichtspunkten, die ich Ihnen im letzten Brief schon andeutete und die weiter auszuführen sich für mich erübrigt. Käme diese Berufung zustande, so wäre das etwas so Verheerendes, daß man den Verstand einbüßen könnte darüber. Das wäre etwas, was ich im Leben nicht begriffe23, soweit dabei das Ministerium in Frage käme. So gern ich geneigt bin, seit 1918 bei einem preuß(ischen) Ministeriums-Erlaß die köstliche Phrase Kells anzuwenden: ‚ich kenne die Gründe der Reg(ierung) nicht, aber ich mißbillige sie’, so sehr sind doch in einem solchen Fall Sie selbst beteiligt. Daß man Rhod(okonakis) von Bonn aus vorschlug und von Breslau aus (wo dieser versoffene Eiszeitmensch Praetorius das Wort geführt haben wird), wundert mich gar nicht und beweist nichts gegen die feste Überzeugung wirklicher Kenner, daß Rhod(okonakis) als Mensch wie als Gelehrter von sehr untergeordneter Bedeutung ist. Wenn Littmann sich für ihn einsetzte, so sollte Sie das um so weniger beeinflussen, als m.E. nach Littmanns Verhalten in der Berliner Berufung ganz und gar die Antithese des löblichen Grundsatzes gerechtfertigt ist: noblesse oblige. Erstens ist diese désobligeance ihm gegenüber ganz und gar am Platz, zweitens ist für mein Empfinden (und wohl auch für das anderer Leute) L(ittmann) nicht der Mann, der die Notwendigkeiten der Gegenwart und die Belange der reichsdeutschen Orientalistik übersieht. Er hat mir im Leben niemals etwas zuleide getan, ist im Gegenteil immer äußerst ‚wohlwollend’ gewesen. Das hindert mich nicht, Ihnen gegenüber auszusprechen, daß ich ihn des Bonzentums stark verdächtig halte und zweitens von seiner Bedeutung von meinem Standpunkt aus nicht die Meinung habe, zu der man ‚von amtswegen’ verpflichtet sein müßte. Er ist wohl das größte deutsche Sprachgenie und ein selten glücklicher Inschriftenenträtsler. Aber, was ist er sonst? Was hat er für die Realien geleistet? Worin hat er seine synthetische Begabung auch nur im bescheidensten Ausmaß bewiesen? Mit andern Worten, wenn Littmann sich für Rh(odokonakis) ins Zeug legt, so beweist das gar nichts. Ich verstehe von der Wissenschaft des Kyrios Rhod(okanakis) nichts. Sie liegt mir, Gott sei bedankt, meilenfern, syriusfern. Aber ich bin bereit, Ihnen unbeteiligte Autoritäten sowohl im Südarabischen wie im Altsemistischen namhaft zu machen, die ein durchaus abfälliges Urteil über seine Leistungen fällen. Für mich genügt eine bloße Ankündigung der Vorlesungen eines Semesters: (Kein Scherz!!)

  • Codex Hammurabi.
  • Aramäische Stücke des Buches Daniel.
  • Einführung ins Arabische.
  • Israel, Juda und die Propheten.
  • Übungen im Orientalischen Institut.

Wenn ich so etwas lese, bekomme ich einen Brechreiz. Das ist der verjüngte Jensen, einer von jenen Tausendsassas, die mit genialem Flug die Jahrtausende in Sprachen, Geschichte usw. überbrücken. Eheu illos beatos! Wirkliche Orientalisten, wie Goldziher, Wallhausen usw. haben sich nie entblödet, solchen Unsinn anzukündigen. Goldziher hat, was mich zutiefst rührte, mir noch wenige Wochen vor seinem Tod bekannt, wie sehr er es bedauere, daß er vom persischen und türkischen Islam ‚rein gar nichts’ verstehe und daß er leider die Zeit nur anbrechen sehen dürfe, wo man hier ganz neue und umwälzende Dinge erkunde. Kyrios Rhod(okanakis) liest flugs drauf los, ‚wie’s trefft’. Und so etwas kommt als Ihr Nachfolger nach Bonn!!!24 Dieser Mann, mit dem ich übrigens nicht die leiseste Berührung persönlicher oder brieflicher Art hatte, hat mit Ihnen nur das gemein, daß er grade 6 Tage nach Ihnen, nämlich am 12.4.1876 zu Alexandrien das Licht der Welt sah. Sonst nichts.

Sie werden mir vielleicht sagen, daß die Urteile aller möglichen Leute günstig für ihn ausfielen. Sie wissen aber zum voraus, daß ich diesen Einwand nicht gelten lasse. Ich müßte Sie gänzlich verkannt haben, wenn ich glauben müßte, daß Sie aus freudigem Herzen diese Importe holen. Es gibt doch, bei uns in Deutschland auch noch Leute, die, jeder nach seiner Art, ebenso diesen Platz ausfüllen können, wie Rhod(okanakis). Das heißt nicht einmal hochgeschworen. Warum beruft man Strothmann nicht? Warum nicht irgendeinen beliebigen preußischen Privatdozenten, die seit Jahren herumsitzen? In Gottes Namen Horten! Bauer. Selbst Rescher ist mir lieber als Rhod(okokanakis). Für diese Leute wäre übrigens die Berufung des Grazers ein nicht mißzuverstehendes consilium abeundi. Wenigstens müßte es sein. Denn bei dieser Praxis der Universitätsbonzen beruft man eines Tages einen Schejch aus der Azhar.

Ich weiß nicht, wie andre, jüngere Leute über diesen Fall denken. Ich bin herzlich froh, zu Ihnen so zu stehen, daß ich nicht mißverstanden werden kann. Was die Bonzen sagen, berührt mich nicht. Im Übrigen gilt für dieses Genus Hiob 32,9.

Ich weiß, daß Ihre Zeit knapp bemessen ist, aber ich würde mich riesig freuen, wenn dieses Unheil nicht heraufzöge und Sie mir einmal in diesem Sinne schreiben könnten. Ich sage außer Ihnen niemand etwas über diese Dinge. Ich habe meine guten Gründe. Nur Kahle habe ich, als er Ende Dezembers hier bei mir war, ganz kurz gesagt, das wäre mir gänzlich unbegreiflich. Kahle ist bei allen guten, sehr guten Eigenschaften viel zu sehr verbonzt, als daß er mir recht und Littmann unrecht geben wollte.

Zu etwas Erfreulicherem, ehe ich schließe: Strothmann hat, aus sich heraus und ohne mit mir vorher irgendwelche Berührungen gehabt zu haben, mir einen reizenden Brief über meinen Aufsatz in der ZDMG geschrieben (über den ich, nebenbei, gern einmal Ihre Meinung, unbeeinflußt von Schaeder, der von diesem Zweig der Islamforschung – glauben Sie mir’s aufs Wort – keine Ahnung hat!)25 geschrieben, der mich herzlich gefreut hat. Aber noch mehr hat mich gefreut, was er über Sie in diesem Brief sagt. Ich begehe wohl keinen Vertrauensmißbrauch, wenn ich die Stellen hierher setze:

Es war mir doch ein Genuß, in der ZDMG noch einmal den Orientalistentag zu erleben, und das alles made in Germany. Besonders Beckers Vortrag packte mich aufs neu. Alle Kleinarbeit in Ehren und die ja auch von Becker gepflegte und geleistete philo(logische) Akribie gewiß conditio sine qua non – aber, wo ständen wir, wenn er nicht die großen Linien zöge? (Kommen Einzelheiten aus dem Vortrag.) Unsere Aufgabe wird nun sein, jene Gedanken in den Einzelstoff zu projizieren. Der Vortrag versöhnt einen wieder mit der Tatsache, daß der wahrlich nicht große Kreis der Islamforscher seinen Vorarbeiter nun schon all die Jahre nur noch nebenamtlich zu den Seinen zählen darf. So wird man denn weiterhin seine Sonderfachwünsche ein wenig – glücklicherweise, wie der Vortrag zeigt, nicht ganz zurücksetzen, im Interesse der Gesamtheit mit dem nicht hoch genug anzusetzenden beruhigenden Gefühl, daß selbst im Kultusministerium ein starker Kulturträger lenkt.- Immerhin, wer beschert (? Weggelocht!) uns jetzt das Große – etwa ein Gegenstück zu Troeltsch – etwa die ‚Soziallehren des Islam’? Bitte, Herr Doktor!“

Das macht man aus dem Ärmel (Kyrios Rhodokanakis !! FB)

Soweit der prächtige Strothmann. Ich schließe nunmehr. Und zwar mit dem Psalmisten: Credidi propter quod locutus sum

Möchte ich Sie niemals mit schmerzlichen Gefühlen an diesen Brief erinnern müssen!

Kardinal, ich habe das meinige getan, tun Sie das Ihrige!!

In steter Herzlichkeit Ihr getreuer (gez.) F.Babinger.

Anlage

Anbei eine Anciennitäts-Liste (so heißt doch das herrliche Wort?!), die ich mir neulich im Bett zu Zeitvertreib zusammenstellte:

  • Hommel * 1854, München, wird 86 J)26
  • Bezold *1859, Heidelberg
  • Jensen *1861, Marburg (stirbt nie)27
  • Jacob *1862, Kiel
  • Reckendorf *1863, Freiburg i.Br.
  • Grimme *1864, Münster
  • Aujust Fischer * 1865, Leipzig
  • Lidzbarski * 1868, Göttingen
  • Brockelmann *1868, Berlin
  • Streck *1873, Würzburg
  • Horovitz * 1874, Frankfurt
  • Hell *1875, Erlangen
  • Kahle *1875, Gießen
  • Littmann *1875, Tübingen
  • Mittwoch *1876, Berlin
  • RHODOKANAKIS *1876, ???
  • Poebel *1881, Rostock
  • Hartmann *1881, Leipzig
  • Bergsträsser *188?, Breslau
  • Ritter *1892, Hamburg

Man sperre die Habilitation für Orientalia!!!!!

 

354. C.H.B. an Franz Babinger. Berlin, 12.4.1922

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Mein lieber Babinger.

Es freut mich herzlich, Ihnen mit der Lenz’schen Universitätsgeschichte eine kleine Freude und mit den Bewilligungen eine gewisse materielle Erleichterung bereitet zu haben. Ich brauche Ihnen wohl nicht zu versichern, mit wie freundschaftlichen Gefühlen ich Ihr physisches Leid mit erlebe, und wie innig ich Ihnen wünsche, daß Sie die so gar nicht zu Ihrem Wesen passende tückische Krankheit möglichst bald überwinden. In Ihrer schwierigen Lage nehme ich es Ihnen auch nicht weiter übel, daß Sie auf Gott und die Welt schimpfen, und daß Sie die unglückseligen Organe, die jetzt die große Liquidation vollziehen müssen, für den verlorenen Krieg und seine Folgeerscheinungen verantwortlich machen. Namentlich ist es furchtbar ungerecht, immer Preußen und Berlin zu beschimpfen und Bayern zu loben. Wenn Bayern ein solches Eldorado für Privatdozenten ist, daß sich dort Jeder als kleiner Rentner fühlen kann, so stelle ich anheim, sich doch nach Bayern umzuhabiltieren. Wie großzügig und verständnisvoll in Bayern die Berufungspolitik auf die orientalistischen Lehrstühle betrieben worden ist, beweist ja die derzeitige Besetzung, und ich sollte meinen, daß es kein Beispiel gibt, das besser beweist, wie weit man mit einer engherzigen Berücksichtigung der ‚Anwärter’ unter Ausschluß des ‚Importes’ kommt, als die Besetzung der orientalistischen Lehrstühle Bayerns. Sie könnten eigentlich wissen, meinlieber Babinger, daß kein Professor in Preußen berufen wird, ohne daß ich mein placet dazugegeben habe, und daß vorher in einem sorgfältigen Sieb- und Gutachtsverfahren die zu Berufenden auf Herz und Nieren geprüft sind. Insofern richtet sich Ihre Kritik der Berufung von Rhodokanakis auch in erster Linie gegen mich, und wenn ich auch freundschaftlicher Kritik gegenüber, wie Sie wissen, stets ein offenes Ohr bewahre, so kann ich Ihre Auslassungen doch nur aus einer nervösen Überrei-zung erklären, die ich bedauern muß. Ich werde Sie Ihnen nicht nachtragen, aber ich hätte Sie persönlich für großzügiger gehalten. Wie unsicher und schief Ihr Urteil gelegentlich ist, sehen Sie doch selbst an Ihrer Beurteilung von Schaeder, vor dessen Urteil Sie mich erst warnen, und den Sie dann, nachdem er einige freundliche Worte gesagt hat, doch wieder in Gnaden aufnehmen. Wer anderer Meinung ist wie Sie, ist eo ipso ein Bonze. Lieber Babinger, behalten Sie doch eingewisses Sabr Djamil! Mit solchen Briefen, wie den an mich, schreiben Sie sich um Kopf und Kragen. Ich bin Ihr Freund, verstehe und würdige Sie; aber wie Sie mit solchen mündlichen oder schriftlichen Expektorationen auf andere Leute wirken, haben Sie doch nun schon oft erlebt und jetzt auch wieder im Falle Moritz Littmann gesehen, daß ich Ihnen wirklich etwas mehr Vorsicht anraten möchte. Ich habe nicht die Absicht, mich Ihnen gegenüber über meine Berufungspolitik lang und breit zu rechtfertigen. Soviel Vertrauen dürften Sie ja doch wohl nach allen Vorgängen in meingesundes Urteil besitzen, daß Sie nicht verurteilen, ohne die Dinge zu kennen. Und Sie kennen sie nicht und sehen sie vor allem durch und durch schief und aus einem ja vielleicht begreiflichen furor privatdocenticus heraus, zu dem Sie, dem man doch nun wirklich weitgehend entgegengekommen ist, am allerwenigsten Anlaß hätten. Doch will ich Ihnen keine Moralpredigt halten. Das steht mir schlecht. Zu diesen Andeutungen fühle ich mich aber doch gerade auf Grund unseres herzlichen und vertrauensvollen Verhältnisses einfach verpflichtet. Es wäre unehrlich und gewissenlos von mir, wenn ich Ihre letzten Briefe so einfach zu den Akten nähme.

Zum Schluß will ich Ihnen aber doch noch etwas Erfreuliches sagen. Merkwürdigerweise habe ich das Heft der ZDMG noch nicht erhalten. Um so wertvoller war mir Ihr Separatabzug. Ich habe ihn aufmerksam gelesen und mich herzlich darüber gefreut. Ob die Grundthese richtig ist, steht dahin. Möldeke( oder Köldeke?) will gegen Sie schreiben, wie er mir mitteilt. Aber trotzdem ist der Aufsatz gut, wenn ich auch bemerken muß, daß Sie von der Basis Ihrer Kenntnisse aus die klein-asiatischen Verhältnisse vielleicht als zu einzigartig ansehen. In Indien liegen die Verhältnisse genau ebenso und in Niederländisch-Indien noch vielmehr. Aber diese gebiete sind ihnen fremd, aber hier ist für die Islam-Forschung vielleicht noch ebensoviel zu tun wie in Kleinasien. Damit will ich Ihre Verdienst nicht verkleinern. Ich glaube allerdings, daß Sie das spezifisch Schiitische überschätzen; bis zum Aufkommen der Safawiden spielt die Schia überhaupt keine so entscheidende Rolle, und der große Gegensatz zwischen Sunna und Schia stammt erst aus den politischen Differenzen zwischen Persien und der Türkei. Bis dahin ist auch die Orthoxie in einer Weise kalifenfreundlich, daß man zu ganz falschen Unterscheidungen kommt, wenn man mit der heutigen dogmatischen Spannung an die Darstellung dieser Verhältnisse herangeht. Ich habe leider nicht die Zeit, näher darauf einzugehen, will Ihnen aber gern zum Ausdruck bringen, daß ich mich über diese Ihre Arbeit gefreut habe, und daß ich nur wünschen möchte, daß Sie selbst mit aller Energie die Wege verfolgen, die Sie hier angeschnitten haben. Auch ich habe einst mit Christentum und Islam gewisse Leitsätze veröffentlicht, deren Spezialbeweis meine spätere Arbeit erfüllte. Ich hoffe, wenn Sie das Gleiche tun, Sie reiche Befriedigung und die Wissenschaft großen Nutzen davon haben werden.

Mit freundlichen Grüßen zu Ostern und guten Wünschen für eine baldige gesundheitliche Wiederherstellung Ihr Ihnen wie stets herzlich ergebener (CHB.)

 

355. C.H.B. an Franz Babinger. Berlin, 4.9.1922

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Lieber Herr Babinger!

Es freut mich, Sie in den nächsten Tagen wiederzusehen. Ich bin am 9. September zu einer Hochzeit in Gelnhausen und fahre wahrscheinlich Sonntag, den 10., vielleicht aber erst Montag, den 11. September, nach Berlin zurück. Für alle Fälle wollen wir deshalb ausmachen, daß Sie mich am 12. September besuchen, und zwar bitte ich Sie, mein und Geheimrat Wende’s bescheidenes Mittagsbrot (ein Frühstück, kein Mittagessen) um 2 Uhr teilen zu wollen. Daran anschließend können wir uns dann über Ihre Zukunft aussprechen.

Ich wäre dankbar, wenn Sie mir die Berliner Adresse Mordtmanns sofort mitteilen wollten, damit ich ihm telegraphieren kann. (Inzwischen anderweit erfahren.)

Mit freundlichen Grüßen Ihr getreuer (C.H.B.)

 

356. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 6.9.1922

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

sehr gerne folge ich Ihrer freundlichen Aufforderung und hole Sie, wenn Sie mich nicht unter J.H. Mordtmann’s Anschrift (NW 23, Holsteiner Ufer 2/II) anders verständigen, am Dienstag, 12. September um 2 Uhr in Ihrem Amtszimmer ab.

Wenn ich, im Anschluß an das Frühstück, außer den Staatssekretär auch noch den Professor oder noch lieber den Herrn Becker sprechen könnte, wäre mir das eine besondere Freude.

Mit herzlicher Begrüßung Ihr getreuer (gez.) F. Babinger.

 

357. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 5.4.1923

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

bitte verübeln Sie mir nicht, daß ich Ihnen schon heute alles Gute und Schöne zum Geburtstag am 12. April wünsche! Ich bin eben nach Schwaben eingeladen worden und möchte, zumal ich mutterseelenallein hier Haushalt führen muß, diese Gelegenheit so rasch wie möglich wahrnehmen. Am Samstag reise ich ab. In Augsburg hoffe ich Ihren Herrn Schwiegervater in alter Frische anzutreffen, ebenso wie Ihren Herrn Schwager. Ich habe allerlei mit dem Fürsten Fugger zu besprechen im Anschluß an mein Buch.

Während der letzten Wochen habe ich am nächsten opus gearbeitet, eine entsagungs- und mühevolle, gänzlich undankbare Arbeit, die aber unerläßlich ist als Vorläufer zu meiner von allen Seiten gewünschten Osmanischen Literaturgeschichte. Sonst habe ich hin und wieder Betrachtungen angestellt, ob es nicht besser gewesen wäre, ich hätte anstelle des letzten 350 Seitenbuches eine, wenn auch kleine, aber belangreiche Abhandlung über die ‚Auflösung der Akkusativrektion des transitiven Verbs durch die Präposition li im klassischen Arabisch’ oder etwas Ähnliches geschrieben (Arabische Bemerkung).

Werden Sie auf dem Orientalistentag sprechen und über was? Wann erscheint Ihr letzter Vortrag? Bitte, grüßen Sie Ritter von mir! Ich sandte ihm ein Stück meines Buches zu und seinem Seminar will ich auch noch eines abtreten, wenn ich mit der leider äußerst knapp bemessenen Zahl der Freiexemplare irgendwie zurecht komme.

Und nun freue ich mich auf ein paar Wochen Studium süddeutscher Kultur. Ich nehme nichts weiter mit als ein Buch von Goldziher (folgt eine weitere arabische Bemerkung).

(Gez.) F.Babinger

 

358. Franz Babinger an C.H.B. z.Z. Buchloe (Schwaben), 12.4.1923

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

kurz vor meiner Abfahrt aus Würzburg lernte ich in der Person des dortigen Privatdozenten Dr. Glaser (Physiker) einen m.E. sehr schätzbaren Menschen kennen, der sich insbesondere, ohne eine Ahnung von unseren Beziehungen (zu) haben, mit großer Begeisterung über Ihre Hochschulumgestaltungspläne äußerte und mir dabei Mitteilungen machte, die Sie eigentlich interessieren sollten. Da der junge Mann, der Sie übrigens aus einem Vortrag aus einem Demokratischen Klub kennt, auf sechs Wochen nach Berlin geht, habe ich ihm nahegelegt, sich bei Ihnen fernmündlichen Bescheid zu erholen, ob Sie ihn empfangen wollen und wann.

Dr. Glaser ist ein wirtschaftlich ganz und gar unabhängiger Mensch und eine Persönlichkeit Naumann’schen Gepräges, an deren lauterer Gesinnung und Überzeugungstreue nicht zu zweifeln ist. Ich glaube, Sie werden eine kurze Unterhaltung mit ihm sicher nicht bereuen.

Ich bin seit zwei Tagen in Vindelizien28, habe gestern längere Zeit mit Ihrem Herrn Schwiegervater, den ich womöglich noch frischer und jugendlicher als früher fand, gesprochen und ihn auch heute früh kurz vor der Abreise aus Augsburg nochmals auf der Straße gesehen und mich seiner erstaunlichen Rüstigkeit gefreut.

Nun sitze ich, nach verpaßtem Anschluß (des Zuges nämlich) in einem wenig hübschen Gasthof dieses Schwabennestes.

Und gedenke glückwünschend Ihres heutigen Tages.

Herzlichste Grüße Ihr getr(euer) (gez..) F.Babinger

 

359. Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 26.4.1923

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

die Tatsache, daß ich, sicherlich dank Ihrer gütigen Fürsprache, heute die erfreuende Mitteilung von einer außerordentlichen Beihilfe in Höhe von Mark 150 000 für meinen Lehrauftrag erhielt, benütze ich zum schnöden Anlaß, Ihnen meinen herzlichen Dank hierfür zu sagen, gleichzeitig aber auch eine Bitte auszusprechen, durch deren Erfüllung Sie mir einen wirklich großen Gefallen erwiesen. Seinerzeit sandten Sie mir mit Ihren Schriften auch einen SA29 Ihres und Barthold’s Aufsatz im ‚Islam’ über Kalif und Sultan. Ich habe ihn vor rund zwei Jahren an Sir T.W. Arnold senden müssen, der sich brennend dafür interessierte, aus Anlaß eines Vortrages, den er über das Kalifat halten mußte. Nun bräuchte ich ihn aber, zu einem ganz ähnlichen Zweck für ein Sommerkolleg, selber dringendst wieder. Sollten Sie noch einen verfügbaren Abdruck besitzen, so lassen Sie ihn mir doch bitte zukommen. Und sei es nur leihweise. Ich mag den ganzen Islam-Band, den ich natürlich besitze, nicht mit nach Berlin nehmen, wohin ich, nebenbei, am kommenden Dienstag die Anabasis antrete. Mein gesamter Büchervorrat, mit dem ich in Berlin hause, beträgt niemals mehr als ein Halb-dutzend Bände, weil ich immer fürchte, daß mir ein Handbuch verloren geht. Ich wäre Ihnen ganz besonders dankbar, wenn Sie die Absendung des SA’s etwa bis Montag veranlaßten bevor ich die Reise antrete.

Von Nöldeke habe ich einen höchst begeisterten, vier ganz engbeschriebene Seiten langen Brief über mein Buch, das er, praefiscini, in den höchsten Tönen preist.

Mein alter Lehrer, Geheimrat Hehn aus Würzburg, der neulich mit dem Gilgameschuggenen beim Grafen von Baudissin am selben Tisch saß, erzählte mir, daß ihm Jensen sein lebhaftes Bedauern über meine vereitelte Habilitation in Marburg ausgesprochen habe. Er habe hinterher erfahren und eingesehen, daß er sicherlich ‚glänzend’ mit mir ausgekommen wäre!!! The rest is silence.

Dieser Tage hatte ich in Oberstdorf höchst lehrreiche Gespräche mit einem Herrn, der sich über deutsche Universitätsverhältnisse erschreckend und beängstigend gut unterrichtet zeigte. Er meinte, natürlich ganz ungerechtfertigter Weise, daß im Tempelbezirk der Hochschulen horstende Intellektuellentum durch den Zusammenbruch des alten Staates, dem es im bösen Mißverstand seiner Aufgaben unkritisch dienerte, noch ganz im Gefängnis einer bankrotten Gedankenwelt sitze, mit der es eine geistig und politisch gleich schwer bildbare Jugend zu füttern suche. Wie man nur so gemein und ungerecht sein kann!?

Das Schlimmste war aber ein weiteres Erlebnis, wo mir ein alter Ordinarius, dem bisher nichts über die ‚Würde und Erhabenheit’ der deutschen Hochschullehrerschaft ging, sub rosa, anvertraute, er sei durch den Verkehr mit Industriellen usw. zur felsenfesten Überzeugung gelangt, daß die deutschen Universitäten, wenn nicht baldigst durchgreifende Umgestaltungen Platz griffen, rettungslos dem gänzlichen Verfall geweiht seien. Schaudervoll, schaudervoll, höchst schaudervoll, sagt Hamlet.

Mit besonderem Interesse habe ich neulich, leider aus den Zeitungen, die nur kümmerliche Auszüge brachten, Ihre Ausführungen im Landtag gelesen. Es wäre großartig, wenn Sie mir einen Abzug der amtlichen Drucksache gelegentlich schenken würden!

Nun lassen Sie mich abschließen! Mit bekannten Gesinnungen

stets ihr getreuer (gez.) F. Babinger.

 

360.C.H.B. an Franz Babinger. Berlin, 30.4.1923

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Lieber Herr Babinger!

Mit gleicher Post sende ich Ihnen den gewünschten Separatabzug. Hoffentlich erreicht er Sie noch rechtzeitig. Lassen Sie mich zugleich herzlich danken für manche freundliche Zeile und vor allem für Ihren großen Wälzer, der auf meinem Schreibtisch einem näheren Studium ungeduldig entgegenharrt. Ritter hat mir ausgiebig davon erzählt und mir Lust gemacht, ihn trotz meiner augenblicklichen Belastung einmal vorzunehmen. Verzeihen Sie einem Vielgeplagten, wenn er sich noch nicht dafür bedankt hat.

Ich bedauere aufrichtig, daß Sie beim Orientalistentag gefehlt haben. Es war sehr nett und kam wirklich was dabei heraus.

In Erwartung eines baldigen Wiedersehens herzlichst der Ihrige (C.H.B.)

 

361. C.H.B. an Franz Babinger, z.Z. Berlin. Berlin, 14.6.1923

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Lieber Babinger!

Sonnabend abend trifft Schaeder hier ein, um über Sonntag mit mir den Plan meiner kleinen Schriften zu besprechen. Er teilt mir mit, daß er mit Ihnen einiges zu besprechen habe und bittet mich, ihn bei Ihnen anzusagen. Er hat ja, wie Sie wissen werden, den von Ihnen abgelehnten Muhammed-Aufsatz übernommen, und würde es mir am besten passen, wenn Sie den Sonntag Abend miteinander verbringen würden. Vielleicht verabreden wir Sonnabend Morgen in meiner Vorlesung das Nähere. Ich wollte Ihnen nur heute schon Kenntnis von Schaeder’s Plänen geben, damit auch Sie sich einrichten können.

Ich bin infolge der Abwesenheit des Ministers maßlos belastet und verschiedentlich verreist gewesen, sonst hätte ich mich schon etwas mehr um Sie gekümmert; Sie müssen aber Nachsicht mit mir haben.

Mit freundschaftlichen Grüßen Ihr ergebenster (C.H.B.)

 

362. Franz Babinger an C.H.B. Berlin, 12.7.1923

Lieber Herr Becker,

ich komme erst heute dazu, Ihnen für Ihr freundliches Gedenken aus Gelnhausen, wo ich grade vor zehn Jahren zum letzten Male geweilt habe, zu danken. Es freut mich aus Ihrer Karte zu vernehmen, daß es Ihnen wohl ergeht und Sie sich Ihrer Ferien erfreuen.

Ich sitze noch in der Berliner Steinwüste. Am 27. Juli reise ich von hier ab.. Bis dahin muß, muß, muß ich eine Entscheidung von lebenswichtiger Bedeutung treffen. So darf mein und anderer, mir anvertrauter lieber Menschen Leben keinen Monat weitergehen!-

Leider habe ich hier keinen vernünftigen ehrlichen Menschen um mich und der vorhandene liegt mir nicht. Abgesehen von desertum Berolinum.—

Ich wünsche Ihnen alles Gute und Schöne für den Urlaub!

(Grußformel auf Arabisch) F.B.

 

363. Postkarte von Franz Babinger an C.H.B. Würzburg, 11.12.1923

(Maschinenmansukript)

CHB,

nehmen Sie meinen herzlichen Dank für das mir so wertvolle Geschenk, das Sie mir durch Ihren Verleger haben zukommen lassen. Ich will es in der ersten ruhigen Stunde, die mir beschieden sein wird, genau durchlesen und Ihnen dann ausführlicher schreiben. Es ist jeden-falls überaus angenehm, daß man nun Ihre Islamstudien beisammen hat, da ja nicht alle an ihnen Beteiligten in der erfreulichen Lage wie ich waren, alle Sonderdrucke zu besitzen. Ich darf Ihnen verraten, daß in wenigen Monaten ein grundlegendes Werk über den Islam erscheinen wird, über dessen Verfasser und über dessen Art ich zunächst Schweigen wahren muß. Per varius casus, per tot discrimina rerum bedeutet es für mich in wissenschaftlicher Beziehung den einzigen Lichtblick in diesem kläglichsten aller Jahre.

Mein Freund Sir T.W. Arnold schreibt mir soeben:

I hear that Becker gave a lecture last month about the relations of England with Islam, in which he attacked England (in which respect it is certainly vulnerable!). Do you know whether it has been published anywhere, as I should like to see it.

Ich weiß nichts von allem. Ich nehme nicht an daß der Vortrag schon gedruckt ist. Inzwischen will ich Sir Thomas auf Ihren Aufsatz ‚England im vorderen Orient’ hinweisen, der in den ‚Lebensfragen des Britischen Weltreiches’ erschien.

Ich wiederhole meine guten Wünsche für die Festtage und für das Neue Jahr.

(Arabische Grußformel). FB

 

364. Franz Babinger an C.H.B. Berlin-Wilmersdorf, Berliner Str.13/IV ,10.11.1924

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

am Kopf steht die Anschrift meiner neuen Wohnung die ich vor zwei Stunden bezogen habe. Inzwischen hat sich für mich insofern etwas Wichtiges ereignet, als sich, nach mehr als einjährigen Bemühungen, mir in dieser Woche eine Möglichkeit bietet, endlich hier eine Wohnung zu bekommen. Die Sache verhält sich so: meine Frau und Schwägerin besitzen in Bad Reichenhall eine Wohnung, die ich seit mehr als Jahresfrist gegen eine hiesige zu vertauschen suche. Das war bisher nur mit schweren Geldopfern (Abfindungen, finanziellen Ausgleichen, Vergütungen und wie diese schönen Worte alle heißen) möglich gewesen. Nun fand sich vor wenigen Tagen eine Dame, die in Wilmersdorf eine Wohnung besitzt, die nicht nur die von mir benötigte Größe hat, sondern auch einen erschwinglichen Mietzins. Die Dame hat sich bereit erklärt, ihre Wohnung gegen die meiner Frau anfangs Dezember zu vertauschen, wenn man ihr den Umzug vergütet, der nach den Berechnungen der Spedition etwa 1250-1300 Mark kosten wird. Von allen Angeboten ist dieses das weitaus anständigste und ich möchte selbstredend um jeden Preis diesen Tausch vollziehen. Ich brauche ihnen nicht zu schildern, was es für mich bedeuten würde, endlich ein Heim und meine Bücherei zur Hand zu haben. Der bisherige, seit mehr als drei Jahren ertragene Zustand wird nachgrade unhalt-bar.

Wäre es nun möglich, daß mir vonseiten des Ministeriums aus einem Fonds ein Betrag zur Verfügung gestellt würde, mit dem ich die bezeichnete Forderung der Dame begleichen könnte? Dann bliebe zwar noch der Umzug Reichenhall – Berlin sowie Würzburg – Berlin,aber ich glaube es dann irgendwie ermöglichen zu können, nach und nach unseren Hausrat hierher schaffen zu lassen.

Ich erlaube mir, Ihnen, auf Mittwochs Rat, diese Angelegenheit vor unserem Zusammen-treffen am Mittwoch zu unterbreiten. Die Sache drängt, denn die Entscheidung soll in dieser Woche fallen. Der betr(effenden) Dame wurden noch Wohnungen in München und Garmisch angeboten und es besteht die Gefahr, daß mir jemand zuvorkommt, wenn ich ihr nicht bald eine bindende Zusage geben und sie dann vertraglich verpflichten kann.

Heute erhielt ich aus Darmstadt die Korrekturen des Titelbogens. Es fehlt nur noch das Register, das ich in dieser Woche anfertigen will. Dann kann das Buch wenige Tage später erscheinen.

Mit verehrungsvollen Grüßen Ihr ganz ergebener (gez.) F. Babinger.

 

365. Franz Babinger an C.H.B. (Berlin) W 15, 22.6.1925

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

ich fürchte, daß mein von Ihnen angeregtes Gesuch vom 14 April 1925, betreffend Druck-zuschuß von Mark 500 niemals bis zu Ihnen vorgedrungen ist und vordringen wird, wenn ich mir nicht erlaube, Ihnen es auf diese Weise in Erinnerung zu bringen. Mir ist diese ganze Angelegenheit deswegen von Bedeutung, weil ich im April in der Annahme einer baldigeren Erledigung aus meiner eigenen Tasche die bei Druckereien übliche Anzahlung von mehreren hundert Mark geleistet sowie von mir aus die notwendigen Lichtbildaufnahmen der beiden Handschriften von Oxford und Cambridge bezahlt habe. Der Druck ist nahezu vollendet; ich hoffe Ihnen in längstens drei Wochen das vollständige rund zwölf Bogen umfassende Buch überreichen zu können.

Mit verehrungsvollen Begrüßungen stets Ihr dankbarer (gez.) Franz Babinger.

Anmerkung: Durch den beiliegenden Vorausverfügungsentwurf zu 6035 Mark erledigt

 

366. C.H.B. an Professor Dr.Franz Babinger. Berlin, 20.4.1926

(Maschinenkopie)

Lieber Herr Babinger!

Ihr freundlicher Glückwunsch und Ihr außerordentlich geschickter und geschmackvoller Artikel in der D(eutschen) A(llgemeinen) Z(eitung) haben mir eine aufrichtige Geburtstags-freude bereitet. Ich danke Ihnen von Herzen für die mich beglückende Würdigung, die mir nun von neuem bestätigt hat, wieviel sachliche und persönliche Interessen uns verbinden. –

Sie werden inzwischen wohl gehört haben, daß im Landtagsausschuß von Ihnen viel die Rede war und daß nicht nur Herr Richter, sondern auch ich sehr energisch für Sie eingetreten sind. Ihre Ernennung zum Lehrer des ‚Arabischen’ war mir von Anfang an nicht recht.; und wenn sie aus etatrechtlichen Gründen auch notwendig war, so gibt sie doch zu allerlei Mißverständnissen Anlaß, da neben einem gesonderten Lehrer für Arabisch und Türkisch Sie als der Lehrer der Realien insbesondere der Islamkunde30 gedacht sind und bei diesem Lehrgebiet es ja bei einer allgemeinen Beherrschung der drei großen islamischen Sprachen ziemlich gleichgültig ist, welche der drei Sprachen Sie als Ihre Hauptdomäne betrachten. Herr Richter hat sehr pointiert die kollegiale Verfassung mit der kollegialen Gesinnung kontrastiert und ich selbst habe ohne jede polemische Spitze mehr die oben skizzierten Ideen entwickelt. Ich hoffe, daß bei den Plenarverhandlungen davon nicht weiter die Rede sein wird.

Mit nochmaligem Dank und freundlichen grüßen, auch an Ihre verehrte Gattin, Ihr Ihnen stets aufrichtig ergebener (C.H.B.)

 

367. Franz Babinger an C.H.B. Berlin, 13.6.1926

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

in diesen widerlichen Stunden, wo eine verhetzte und um jede Besinnung gebrachte Studentenschaft versucht, gegen Sie Stimmung zu machen und dabei von einem Teil der Tagespresse und ‚Gott sei’s geklagt’, der Professorenschaft herzhaft unterstützt wird, möchte ich Ihnen sagen, wie sehr ich Ihren offensichtlich glücklich eingeleiteten Gegenmaßnahmen Erfolg wünsche. Wenn ich mir erlauben darf, eine öffentliche Kritik an dem Verhalten des Ministeriums zu meiner eigenen zu machen, so sind es die Schlußsätze in einem Artikel der heutigen Abend Voss(ischen Zeitung): Das ist die Quittung für die Langmut des Ministeriums. Seit über einem Jahr schleppt sich der Hochschulstreit hin. Man dokttert herum und kann sich nicht zur peration entschließen.

Si parva licet componere magnis: der Fall Kampffmeyer gibt zu ähnlichen Betrachtungen Anlaß. Möchte beim großen, gründlichen Reinewaschen des Ministeriums eine Eingabe, die ich dieser Tage abgehen ließ, auch zur endlichen Säuberung des nachgerade um jedes Ansehen gebrachten Orientalischen Seminars beitragen!

In der festen Hoffnung und Überzeugung, daß der Hochschulstreit und -streik rasch und gründlich aus der Welt geschafft wird, bin ich mit den herzlichsten Wünschen und grüßen Ihr dankbarer und getreuer (gez.) F. Babinger

Aktenvermerk zur Eingabe:

Die Rücksprache ist erledigt, die Anlage zur geschäftlichen Behandlung entnommen.

ORR Duwe. 25.6.(1926)

 

368. Franz Babinger an C.H.B. z.Z. Bad Reichenhall, 5.8.1926

Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

heute früh übersandte ich Ihnen die Fahnenabzüge von drei Nachrufen (E.G.Browne, C.M. Doughty, G.L. Bell), die für das erste Heft des XVI. Bandes des Islam bestimmt sind. Hoffentlich finden sie einigermaßen Ihre Billigung. Darf ich Sie bei diesem Anlaß an Ihr Vorhaben erinnern, dem großen René Basset einen Nachruf zu widmen? Das wäre m.E. unbedingt nötig, daß man dieses Mannes , dem die Islamwissenschaft soviel zu danken hat, im Islam gedenkt. Ich hatte Ihnen seinerzeit einige bibliographische und lebensgeschichtliche Zusammenstellungen zu machen das Vergnügen gehabt. Vielleicht denken Sie daran, sie für diesen Nekrolog zu verwerten.

Paul Casanova ist unlängst auch gestorben; der Mann hat auch seine Verdienste und ich würde gern etwas über ihn geschrieben haben, allein meine Zeit war vor der nunmehr erfol-genden Ausreise wirklich recht knapp bemessen, so daß ich froh war, als ich Miss G.L.Bell noch ein paar Seiten haben widmen können. Ich möchte aber sehr warm einen Nekrolog auf Casanova zur Aufnahme in den Islam anempfehlen. Basset darf auf keinen Fall vergessen werden. Wurde ich vor meiner Abfahrt aus Berlin richtig unterrichtet, so wird der Hamburger Lehrstuhl, nachdem R. Hartmann abgelehnt hat, in einer Weise besetzt, die jeden Freund der Islamkunde und der Zeitschrift Der Islam mit banger Sorge erfüllen muß. Um die Orienta-listik ist es in Deutschland schlimm bestellt. Nichts kann darüber hinweg täuschen.

Mit allen guten Wünschen für eine recht gründliche Erholung, zu der Sie sich hoffentlich endlich einmal die nötige Zeit gönnen, bin ich mit bekannten Gesinnungen

stets Ihr dankbar ergebener (gez.) F. Babinger.

 

369. Franz Babinger an C.H.B. Berlin, 8.3.1927

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

niemand wird Ihnen verübeln, daß Sie nach den trüben Erfahrungen mit dem SOS während der letzten Jahre nicht Lust haben, sich mit ihm mehr als notwendig zu befassen. Aber ich darf Sie vielleicht auf die schwere, relativ schwere Gefahr aufmerksam machen, die von neuem droht, falls die Unterrichtsverwaltung einem offensichtlichen Wunsche des A(uswärtigen) A(mtes) folgend, die Anstellung des Herrn Abdullah Sebastian Beck als ‚planmäßigen Lehrer und Professor’ am SOS vollzieht31. Eine solche Ernennung wäre wirklich ein Schlag ins Gesicht dieser ganzen Anstalt und für Leute wie Heepe und mich, die wir gleichzeitig der Universität angehören, eine kaum tragbare Belastung. Gegen die Anstellung Becks werden aus dem Kreise der Dozenten des SOS die schwersten Bedenken geltend gemacht und ich kann für meine Person nur sagen, daß diese berechtigt sind.

Abdullah Beck ist ein Mann von gänzlich ungeregelter Vorbildung, ein schwacher, willenloser Mensch, der, bei einer nicht zu leugnenden sprachlichen Begabung, sich bisher lediglich zur Abfassung einer Persischen Grammatik aufgeschwungen hat, die, nach einhelligem Urteil der maßgebenden Fachleute, sich als unwissenschaftlich und unbrauchbar erwiesen hat. Ich darf Sie auf das sehr maßvolle und doch ungemein scharfe Gutachten Maximilian Bittners, eines doch gewiß zuständigen Orientalisten, im XXX. Band der WZKM verweisen. Andere Leistungen hat Herr Abdullah Beck bisher nicht aufzuweisen. Die Dinge liegen unzweifelhaft so, daß das A.A. Herrn Beck irgendwo unterbringen will, nachdem es für ihn im eigenen Rahmen keine Platz mehr hat. Beck hat sich, nicht nur durch seinen unter seltsamen Umständen erfolgten Scheinübertritt zum Islam, in Kabul unmöglich gemacht, ist nun hier gelandet und soll versorgt werden. Er ist persönlich eine ungemein kindliche, naive und sogar sympathische Natur, aber das befähigt allein ihn doch nicht, eine Lehrstelle am SOS32 zu versehen.

So tief kann doch bei den maßgebenden Behörden die Achtung vor den Lehrern dieser Anstalt noch nicht gesunken sein, daß man sie einfach zur Unterbringung anderweitig nicht verwertbarer Persönlichkeiten benützt. Ich zweifle nicht daran, daß Sie persönlich mit dem Fall noch gar nicht sich befassen konnten und befaßt haben. Die vorsichtige Art des Vorgehens der Unterrichtsverwaltung deutet wohl auch darauf hin, daß man nicht unbedingt geneigt ist, seine Genehmigung zu geben. Man hat heute eine Sitzung aus sämtlichen reichsdeutschen Dozenten des SOS zusammengerufen, die sich , innerhalb weniger Stunden, mit diesem so heiklen Fragenkomplex befassen und darüber äußern sollten. Das war natürlich unmöglich, insbeson-dere haben sämtliche sog. planmäßige Herren sich dagegen ausgesprochen, die Angelegenheit ohne eine Ausschuß zu erledigen. Das ist ja auch geschehen.

Das Ergebnis kann kaum zweifelhaft sein, darüber hinaus sind aber Schritte aller möglichen Art zu erwarten, die spielend leicht vermieden werden könnten, wenn man nur die Ernennung einer wissenschaftlich so fragwürdigen Persönlichkeit wie des Herrn Beck zu vollziehen sich weigerte. Ich fühle mich verpflichtet, Ihnen sachlich diese Angelegenheit zu berichten, da ich nicht weiß, ob Sie sonst und unmittelbar unterrichtet werden. Es handelt sich doch schließlich um eine Sache der deutschen Orientalistik. Wenn man auch, ganz ernsthaft, von einer ‚Strafversetzung’ ans SOS zu sprechen sich gewöhnt hat, so scheint mir doch der immerhin begründete Ruf dieser Anstalt es zu fordern, daß nicht Leute an es berufen werden, die überall in wissenschaftlichen Kreisen Lächeln und Kopfschütteln erregen und die jede wissenschaftliche Anstalt aufzunehmen sich schlankweg weigern würde. Es ist doch wirklich nicht notwendig, daß wegen dieses Herrn Abdullah Sebastian Beck, der sich bis heute als ‚Abdullah Sebastian Beck, Orientalist und Dolmetscher’ unterzeichnet die endliche Befriedung der Verhältnisse am SOS aufs Spiel gesetzt werden. Meine eigenen bitteren Gefühle, die angesichts solcher engerer Kollegenschaft erstünden, will ich dabei ganz außer Acht lassen.

In der Hoffnung, Ihnen mit diesen kurzen Hinweisen dienlich gewesen zu sein, bin ich mit bekannten Gesinnungen

stets Ihr dankbarer (gez.) F. Babinger.

 

370. Franz Babinger an C.H.B. Berlin, 8.5.1929

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

darf ich bei Ihnen Herrn Hanns-Henning von der Osten33 einführen, einen Schüler Herzfelds, der seit Jahren in amerikanischen Diensten steht und in Kleinasien sich mit Erfolg archäologisch betätigt hat. Er steht im Begriffe34 wieder nach Kleinasien abzureisen und möchte gern vorher Ihnen sowohl über die amerikanischen Pläne wie über andere Dinge Vortrag halten. Herr von der Osten wohnt Hotel Astoria, Charlottenburg, Hardenbergstraße 15, und bittet, ihn zu einer Ihnen gelegenen Stunde zu bestellen. Es hat mir leid getan, das letzte Zusammensein am 1. Mai versäumt zu haben. Ich war gerade unterwegs nach Berlin.

Mit bekannten Gesinnungen

Ihr dankbarer(gez.) F. Babinger

Anmerkung von RR Duwe: Hotel bestellt. Herr von der Osten ist von Berlin abwesend, wollte bereits am Sonntag zurückkehren, ist bisher aber nicht eingetroffen. Duwe, 14.5. und 16.5.

 

371. Franz Babinger an C.H.B. Berlin, 19.3.1931

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

ich danke Ihnen aufrichtig, daß Sie bei der Zuwendung Ihrer neuesten Schrift sich so freundlich meiner erinnert haben. Ich kannte ihren Inhalt nur aus Zeitungsberichten gelegentlich Ihres Vortrages und freue mich, in den nächsten Tagen auf einer Eisenbahnfahrt mich näher mit Ihren Ausführungen vertraut machen zu können.

Darf ich die Gelegenheit benützen, mich an Sie qua Herausgeber der Zeitschrift Der Islam in folgender Sache zu wenden? Der Zeitschrift wurde Ende 1927 gelegentlich des Abschlusses meines nun bald vergriffenen Buches Die Geschichtsschreiber der Osmanen und ihre Werke auf Anforderung aus Hamburg durch den Verlag ein Besprechungsstück übersandt. Diese Anzeige ist, wiederholter Mahnung seitens des Verlags zum Trotz, bis heute nicht erfolgt. Ich muß gestehen, daß ich mir von einer weiteren günstigen Kritik der GOW in keinem Belang irgendwelchen Nutzen verspreche, da bereits 15 teilweise sehr lange Besprechungen vor-liegen, die in ihrem Tenor einhellig sind. Aber ich lege gewissen Wert darauf, daß der Islam dieses Buch bespricht, nachdem ich in seinen Spalten vor etlichen Jahren in hanebüchener Weise von einem jugendlichen Kritiker mich mußte abkanzeln lassen.

Es widerstrebt mir, mich selbst nach Hamburg zu wenden. Aber vielleicht ergibt sich für Sie einmal Gelegenheit, auf dieses Versäumnis hinzuweisen.

1927 waren Sie so gütig, sich nach den kritischen Stimmen über meine GOW zu erkundigen: ich erlaube mir Ihnen eine Liste der bisher veröffentlichten Anzeigen zu übersenden. Am Ende interessiert Sie die eine oder die andre.

Verehrungsvolle Grüße Ihres ganz ergebenen (gez.) F. Babinger.

Anmerkung Beckers: Wittek 2mal gemahnt.

Anlage:

Besprechungen der Geschichtsschreiber der Osmanen und ihre Werke,

von F. Babinger (Leipzig 1927) (nur auf die Zeitschriftennamen verkürzt vom Herausgeber)

  • Oriente Moderno VII (1927) S.587f
  • Zapinski kollegii vostokvedow III (Leningrad 1928) S.217f.
  • Rivisti delli studi orientali XI (Rom 1928) S. 323
  • Deutsche Allgemeine Zeitung, 1928 No.103, 1.3.1928
  • Ungarische Jahrbücher VIII (Berlin 1928), S.164
  • Byzantinische Zeitschrift XXVIII (Leipzig 1928) S.144ff
  • Revue historique du Sud-Est Européen V, (Bukarest-Paris 1928) S.81
  • Orientalische Literatur-Zeitung XXXII (1929) Sp.42ff
  • Literarisches Zentralblatt vom 31.3.1928, Sp.503
  • Türkijjâ medschnû asi II (1928) S. 564
  • Byzantisch-neugriechische Jahrbücher VII, Athen 1930, S.489
  • Zeitschrift der Deutschen Morgenländischen Gesellschaft (84.Bd., Leipzig 1930, S.277
  • Glasnik Skopskog naucnog drztva VII/VIII. Bd. (Skoplje 1930) S.391
  • Wiener Zeitschrift für die Kunde des Morgenlandes XXXVII. Bd. (Wien 1931), S. 304f
  • Journal Asiatique, 1931

 

372. C.H.B. an Franz Babinger. O.O. 11.4.1931

(Maschinenkopie)

Lieber Herr Babinger,

auf Ihren Brief vom 19. März habe ich in Hamburg nachgefragt, wie es mit der Besprechung Ihrer Geschichtsschreiber (der Osmanen und ihrer Werke) steht. Ich hörte gestern, daß die Besprechung von Dr. Witteck übernommen wäre, daß Wittek schon zweimal gemahnt sei, und daß nun die Hamburger Redaktion energisch vorgehen wird. Also brauchen Sie in Hamburg nicht vorstellig zu werden. Sie wissen ja selbst, wie es manchmal mit solchen Besprechungen geht.

Es wird Sie übrigens interessieren, daß sich Schaeder vorgestern sehr anerkennend über Ihre Geschichtsschreiber geäußert hat.

Mit freundlichen Grüßen Ihr sehr ergebener (C.H.B.)

 

373. Franz Babinger an C.H.B. Berlin W 15, Bregenzer Str.4, 10.11.1932

(Maschinenmanuskript)

Lieber Herr Becker,

wollen Sie es bitte, meiner langen Abwesenheit von Berlin und den aufregenden Plackereien eines Umzugs zugute halten, daß ich Ihnen für die freundliche Zuwendung auch des zweiten Bandes Ihrer Islamstudien erst heute meinen angelegentlichsten Dank abstatte.

Ich beglückwünsche Sie dazu, daß nunmehr auch der zweite Teil dieses Werkes hat veröffentlicht werden können, in dem Sie das Erträgnis Ihrer wissenschaftlichen Tätigkeit wenigstens zum größten, die breitere Öffentlichkeit interessierenden Menge, haben niederlegen können.

Ich habe diesen Band nicht ohne ein Gefühl der Wehmut und der Trauer durchgeblättert, weil grade er mich an eine Zeit der deutschen Islamforschung erinnerte, die sehr Großes versprach und die, Gott sei’s geklagt, bald nach dem Weltkrieg durch eine Periode kläglichster Untätig-keit und nichtsverheißender Kleinlichkeitskrämerei abgelöst wurde. Möchte dies Werk diesem teilweise so windigen Geschlecht nunmehr zeigen, welche Hoffnungen man dereinst an die Entwicklung der Islamkunde auch in Deutschland knüpfen durfte und wie jammervoll es diese Erwartungen getäuscht hat.

Wenn Sie die Menge der seit Kriegsende in unserem lieben Vaterland erschienenen, in die Islamwissenschaft schlagenden Arbeiten durchmustern, so werden Sie um so erschreckter deren gänzliche Belanglosigkeit feststellen müssen, je mehr Sie gleichzeitig sich die teilweise großartigen Leistungen der Franzosen, Italiener und selbst der Engländer vor Augen halten.

Die Aussichten, daß es anders wird, schätze ich denkbar niedrig ein. Daß Ihre nunmehr abgeschlossenen Islamstudien dazu beitragen, diesen für jeden Kenner des Verlaufs der Islamstudien unerträglichen Zustand wenigstens teilweise beseitigen und eine bessere Zeit heraufführen, ist eine jener freudigen Empfindungen, die Ihre wertvolle Gabe bei mir ausgelöst hat.

Mit allen guten Wünschen und verehrungsvollen Grüßen (gez.) F. Babinger.

 

374. Walter Becker an Franz Babinger. Berlin, 21.2.1933

(Maschinenkopie)

Sehr verehrter Herr Professor!

Für die freundliche Übersendung des Briefes des Herrn Dr. Schweinfurth sowie des Auszugs aus der Zeitung Le Temps sage ich Ihnen zugleich im Namen meiner Mutter unseren auf-richtigen Dank. Es ist uns sehr lieb, die warmen und ganz gewiß die Stimmen vieler uns Unbekannter wiedergebenden Worte eines auch meinem Vater Fernerstehenden zu besitzen.

Mit freundlichen Grüßen bin ich Ihr ergebenster (Walter Becker).


1 Franz Babinger, Orientalist, 1891-1967, zuletzt Professor in Berlin, Jassy und München, arbeitete über frühosmanische Geschichte, die Türkenherrschaft in Südosteuropa sowie abendländisch-türkische Kultur-beziehungen. Werke: Die Geschichtsschreiber der Osmanen (1927); Mehmed der Eroberer und seine Zeit (1953); Aufsätze und Abhandlungen zur Geschichte Südosteuropas und der Levante, 3 Bde (1962-76)

2 Hervorhebungen vom Herausgeber

3 Es handelt sich um die Deutsche Morgenländische Gesellschaft.

4 Fritz Schmid, der Bruder Hedwig Beckers (Schmid)

5 Hervorhebung vom Herausgeber.

6 Sonderdruck, oder Sonderabzug

7 Anmerkung Babingers: Der Brief ist ein typ(isches) Beispiel für den Zustand, den der Münchener Psychiater Krepetin als ‚manisch-depressiven Irrsinn’ bezeichnet.

8 Anmerkung Beckers: Schwiegersohn. In arabischer Umschrift im Text.

9 Es handelt sich um einen Ordinarius in Würzburg, Jensen. Ob es nun der Ethnologe Adolf Ellegard J. (* 1899 +1965) oder der Sprachwissenschaftler Hans Detlev J. (*1884 +1973) ist: Islamwissenschaftler waren beide nicht. Und auch nicht in Würzburg. Gegen beide spricht auch das Alter, denn Babinger spricht von einem 60jährigen; dieser Jensen müßte also 1869 geboren sein. Im Brockhaus steht er jedenfalls nicht!

10 Anmerkung des Verfassers: z.B. B. Zimmern ( übrigens die Quelle für Jensen über mich und Halle!) und Streck, den ich vorgestern zum ersten Mal seit acht (8!) Jahren sah. Er spie Gift und Galle auf seine Fachgenossen, u.a. auf Ritter („Einfach erbärmlich, unbekannte Größe“)

11 Randbemerkung mit Unterstreichung Beckers: Das ist so charakteristisch, daß ich es Dir nicht vorenthalten möchte. CHB

12 Anmerkung Babingers: Der zweifelt nämlich hin und wieder, daß wir d’accord sind!

13 Deutsche Morgenländische Gesellschaft

14 Anlage fehlt.

15 Hervorhebung vom Herausgeber.

16 Das muß wohl Prof.Jensen, Würzburg, sein!

17 Anmerkung Babingers: Ich bitte um Weiterleitung der Briefe, falls sie Ihre Billigung finden.

18 Hervorhebung vom Herausgeber.

19 Deutsche Morgenländische Gesellschaft

20 SPD-Zeitung

21 Übrigens kostete die Postkarte 1,30 RM Porto!

22 Hazrat = Morgenstimmung! (recht unleserliche Anmerkung von FB)

23 Unterstreichung von FB

24 Unterstreichungen von FB

25 Anmerkung Babingers: Non omnia possumus cuius(?)!!

26 Die bayerischen Lehrstühle hob ich kursiv hervor. BB

27 Ich druckte die preußischen Lehrstühle fett, um die Bedeutung Preußens hervorzuheben. BB

28 Augusta Vindelicorum = lat. für Augsburg

29 Sonderdruck, Separatabzug

30 Hervorhebungen vom Herausgeber.

31 Unterstreichung des Empfängers mit Rot!

32 Es findet sich kein Hinweis, was für eine Anstalt das SOS ist. Der Herausgeber

33 Unterstreichung des Empfängers.

34 Anmerkung Babingers: er reist am 17.5. ab.

C. van Arendonk, 1913

HA VI Rep.92 Becker A. Nr. 64

302. C. van Arendonk, Leiden/Holland. An C.H.B. in Hamburg. Leiden,19.2.1913

Sehr geehrter Herr Professor,

Auf Ersuchen von Herrn Professor Houtsma beehre ich Ihnen mitzuteilen, daß der einge-sandte Teil Ihres Artikels Egypten ungefähr 13 Spalten einnehmen wird.

Es freut mich hiermit Gelegenheit zu haben, die während des September-Kongresses gemachte Bekanntschaft brieflich wieder anzuknüpfen; wäre nur nicht die indirekte Anleitung die Überanstrengung des Herrn Dr. Hartmann, dessen Stelle ich während seiner Erholung vertrete.

Bald hoffe ich Ihnen die Proben senden zu können.

Nach freundlichem Gruße, auch von meinem Contubernale Herrn Schricker

ergebenst C. van Arendonk

 

303. C.H.B. an C. van Arendonk, Leiden. Hamburg, 3.6.1913

(Maschinenkopie)

Sehr geehrter Herr,

In Beantwortung Ihrer Mahnkarte vom 29. Mai teile ich Ihnen ergebenst mit, daß ich bei Abschluß des Artikels Ägypten an Herrn Prof. Houtsma geschrieben habe, daß ich im laufenden Jahre keine Zeile mehr für die Enzyklopädie zu schreiben im Stande wäre.

Ich habe noch gesundheitlich unter den Folgen dieser Arbeit zu leiden, und muß nun erst einige andere Pflichten erfüllen. Um Ihnen aber zu helfen, habe ich den Artikel Gharbíye an Dr.Graefe, den Artikel Giryeh an Herrn Ritter übertragen. Der Artikel Gizeh braucht nicht geschrieben zu werden, es genügt ein Verweis auf Cairo, wo ich alles wesentliche über Gizeh gesagt habe.

Ich benutze die Gelegenheit darauf hinzuweisen, daß in den Separatabzügen meines Artikels „Ägypten“ allerlei ärgerliche Druckfehler passiert sind. So ist auf S.5. links unten die letzte Zeile in die rechte Columne gerutscht. Ferner ist auf S.21 rechte Spalte noch nachträglich das richtige Akmar-Moschee meines Manuskriptes von der Redaktion in das falsche Ahmar-Moschee verschlimmbessert worden.

Mit verbindlichen Grüßen Ihr Ihnen sehr ergebener (C.H.B.)

Raymund Aron, 1932

HA VI. Rep.92 A. Nr.69

293. Raymund Aron an C.H.B. Berlin-Wilmersdorf, Landhausstr.14 (o.D.)

A mesure qu’on a plus d’esprit, on trouve qu’il y a plus d’hommes originaux. Les gens du commun ne trouvent pas de différence entre les hommes.

294. C.H.B. an Raymund Aron. Berlin, 19.11.1932

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Aron!

Ich danke Ihnen freundlich für das Zitat. Es ist allerdings so pointiert, daß ich es leider nicht zitieren kann, ohne die Amerikaner zu beleidigen, und liegt mir fern.

Ich denke gern an unsere Unterhaltung zurück und sende Ihnen anbei zwei Aufsätze, von denen Sie den italienischen behalten wollen, während ich Sie leider bitten muß, mir den deutschen zurück zu schicken, da es mein letztes Exemplar ist. Ich glaube aber, daß es eine schöne Basis für eine Diskussion zwischen uns werden wird.

Mit verbindlichen Grüßen Ihr sehr ergebener (C.H.B.)

 

295. Raymund Aron an C.H.B. Berlin, den 12.12 1932

Sehr geehrter Herr Minister!

Ich schicke Ihnen Ihren Aufsatz zurück und bitte um Entschuldigung für die

Verspätung.

Natürlich bin ich im großen und ganzen mit Ihrem neuen historischen Bewußtsein einverstanden. Und ich würde gern Ihre These als Anfangspunkt für eine Diskussion hinnehmen. Wenn man die Laizität des Positivismus überwunden hat, bleibt noch eine schwierige Aufgabe zu erfüllen: eine neue Methode, die neue Philosophie der Geschichte aufzubauen. Die Verhältnisse unserer Geschichte und dem Geschehen sind ja lange nicht so einfach, wie der frohe Positivismus sich vorgestellt hat. Aber desto notwendiger wird die Reflexion, die uns die Grenzen und den Wert der historischen Kenntnisse klar macht. Ohne diese positive Lösung des Problems bleibt die Überwindung des Positivismus ein Ende des Skeptizismus und nicht ein Fortschritt des philosophischen Bewußtsein.

Die heutige Krisis ist nicht nur die Befreiung von einer toten Materialsammlung und des unmöglichen Wie einer Abbildung der Realität, sondern auch die Unfähigkeit an ihren alten Glauben zu verzichten, weil man keinen anderen hat und weil das Absterben der Götter langsam vor sich geht.

Dazu kommt, daß wir selbst zu viel Geschichte erlebt haben, um nicht auf einer Seite das Bedürfnis zu empfinden, auf die Vergangenheit zurückzugreifen und wir nicht auf der anderen Seite die Problematik der geschichtlichen Rekonstruktion wir am Leibe gespürt zu haben – und diese Rekonstruktion brauchen wir doch! Weil wir mitten in der tragischen Wirklichkeit stehen, wo alles wieder in Frage gestellt wird, verlangen wir nach einer Wieder-eroberung der Vergangenheit um zur Zukunft vorwärts zu gehen und die Kontinuität wieder-herzustellen. Wir wollen, daß die Historie der Gegenwart dient und doch kann die Wissen-schaft dem Leben wirklich helfen, wenn sie wahr ist. Doch diese Spannung zwischen dem Lebensbedürfnis und dem Wahrheitsideal, zwischen dem geschichtlichen Erleben und dem Vertrauen ist die Historie.

Aber diese Spannung ist nun die Gegebenheit. Es ist Pflicht und Ziel, in der Tat und der Philosophie den Gegensatz auf einer höheren Stufe des Denkens und der Lebenseinstellung aufzuheben

Entschuldigen Sie diese vagen und kurzen Bemerkungen, die Ihnen zeigen werden, mit welchem Interesse ich Ihren Aufsatz gelesen habe, und wie gern ich mit Ihnen über diesen Fragenkomplex diskutieren würde.

Mit dem Ausdruck aufrichtiger Sympathie und vorzüglicher Hochachtung verbleibe ich

Raymund Aron

Richard Anschütz, 1915-19

HA VI. Rep.92 Becker A Nr.55

Briefwechsel mit Prof. Richard Anschütz, Direktor des Chemischen Instituts der Universität Bonn

282. C.H.B. an Seine Magnifizenz. Herrn Geheimrat Richard Anschütz Bonn, 9.11.1915

Ew. Magnifizenz

danke ich nochmals schriftlich für das Vertrauen, das Sie in mich setzten, als Sie aufforderten, am 27. Januar die Kaisergeburtstagsrede zu übernehmen. Nach reiflichem Überlegen habe ich mich entschlossen, die ehrenvolle Aufgabe anzunehmen, und ich werde mich nach Kräften bemühen, ein Thema zu wählen, das zugleich aktuell und doch nicht politisch, sondern wissenschaftlich ist. Sobald der Plan fester steht, werde ich mir erlauben, einmal persönlich mit Ihnen Rücksprache zu nehmen.

Sollte ich um diese Zeit als Dolmetscher Verwendung gefunden haben, so würde es ja ein Leichtes sein, eventuell mit Hilfe Ew. Magnifizenz mich für den 27. Januar frei zu bekommen. Ich glaube aber, daß ich dann so wie so frei sein werde, da ich in der ersten Hälfte Januar in Berlin für die Deutsch-türkische Vereinigung tätig bin und deshalb wohl für den ganzen Monat reklamiert werde.

Mit verbindlicher Empfehlung

bin ich in bekannter Verehrung Ew. Magnifizenz ergebenster (C.H.B.)

 

283. Rektor Anschütz an C.H.B. Bonn, 5.2.1916

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr College!

Hierdurch beehre ich mich Ihnen ergebenst mitzuteilen, daß die Kommission von Ihrem freundlichen Anerbieten das angegebene Thema

Die Türkei und Wir

für den Universitäts-Ostergruß zu bearbeiten gern Gebrauch machen und den Aufsatz in die Sammlung aufnehmen wird.

Ich erlaube mir Sie noch einmal an die Aufforderungsbedingungen zu erinnern, die den Umfang und die Lieferzeit betreffen. Nach dem mit dem Verlag vorgesehenen festen Ab-machungen darf der Einzelbeitrag den Umfang von 5 Oktavseiten (etwa 29-30 Zeilen die Seite) nicht übersteigen und muß am 29. Februar druckfertig (mit Maschinenschrift geschrieben) auf dem Rektorat sein. Nur dadurch wird eine rechtzeitige Fertigstellung des Büchleins ermöglicht.

Da der Verlag der Universität 3500 Exemplare kostenlos zu liefern verpflichtet werden soll, so kann von ihm eine Honorarzahlung nicht gefordert werden.

Für Ihre Bereitwilligkeit spreche ich Ihnen noch meinen verbindlichsten Dank aus.

Gez. Anschütz

 

284. Prof. Anschütz an Unter-Staatssekretär C.H.B. Bonn, 26.8.1919

Sehr verehrter Herr Kollege!

Viele von uns, unter denen auch ich mich befand, haben es aufrichtig bedauert, daß Sie zum schlichten Jubiläum unserer Universität nicht kommen und einige Tage unter uns weilen konnten, da wir über Ihre Reformpläne gern mit Ihnen gesprochen hätten. Denn durch die im Laufe des Sommersemesters gepflogenen Beratungen in der Fakultät hat jeder von uns Gele-genheit gehabt, sich über seine Stellungnahme zu diesen Plänen klar zu werden. Neuerdings hat sich unser Kollege Goetz bemüßigt gesehen, in der Kölnischen Zeitung vom Sonntag, 27. Juli Nr. 643 einen Aufsatz über Hochschulreform und Hochschullehrer zu veröffentlichen. Was er darin von den naturwissenschaftlichen Instituten und Institutsdirektoren sagt, wird der Leser, da Goetz Bonner Professor ist, unwillkürlich auf Bonner Verhältnisse beziehen, in die Goetz keine Einsicht hat. Was Goetz denkt, kann mir gleichgültig sein, aber großen Wert lege ich darauf, daß Sie die richtige Anschauung von den Verhältnissen haben, wie Sie an dem meiner Leitung unterstellten Institut geordnet sind. Meinen Darlegungen schicke ich eine Abschrift der Zusammenstellung meiner Honorareinnahmen und -abgaben für das Rech-nungsjahr 1913 voraus, die mir Geheimrat Hövermann auf meinen Wunsch anfertigte. Dieses Jahr brachte mir vor dem Krieg die höchsten Einnahmen:

  • Im Sommer-Semester 1913 hörten 325 Studierende anorganische Experimentalchemie.
  • Im Winter-Semester 1913/14 hörten 298 Studierende organische Experimentalchemie
  • Im Sommer-Semester 1913 hatten die praktischen Übungen im Laboratorium belegt: 196 Chemiker, Lehramtskandidaten und Pharmazeuten, 150 Mediziner
  • Im Winter-Semester 1913/14: 190 Chemiker, Lehramtskandidaten und Pharmazeuten, 66 Mediziner.

Die Honorareinnahme für das Rechnungsjahr 1913 hat betragen:

  • Experimentalchemie A 2528,00 Mark
  • Praktikum für Pharmazeuten B I. 5372,00 M

Davon ab an Prof. Frerichs I’1790 3581,33 Mark

  • Praktikum für Mediziner B II 6698,00 M

Ab an Prof. Benrath II’2232 4465,33 Mark

Ab für Oberlehrer B III 3774

Ab an Prof Benrath III’ 1258 2516,00 Mark

  • Großes Praktikum B IV 5712,00 M

Ab an Prof. Benrath 910 M

Ab an Prof, Trimbach 102 M

Ab an Prof. Kippenberger 102 M

Ab an Prof. Frerichs 102 M IV’ 1224,00 M 4488,00 Mark

____________

40334,66 Mark

Für den Quaestor als Tantième – 806,69

Bleiben 39527,97 Mark

Gestundete Honorare C 472,39

Für den Quaestor ab 94,48 377,91

_____________

39 905,88

Davon bleiben abzugsfrei 3000 M

Einzubehalten sind von 1000 M 25% = 250 M

Von 35 905,88 M 50% = 17 952 M 18202,94 Mark

____________

bleiben bar 21 702,94

gez. Hövermann

Zur Erläuterung dieser Zahlen bemerke ich folgendes:

Von den Praktikantengebühren des Direktors erhalten am hiesigen chemischen Institut die Abteilungsvorsteher ein Drittel, nur die Gebühren der organisch arbeitenden Praktikanten erhält der Direktor unverkürzt, da am Institut noch kein Abteilungsvorsteher für organische Chemie vorhanden ist, also der Direktor selbst den Dienst des Abteilungsvorstehers versieht. Von der Gesamteinnahme an Praktikantengebühren: B I+B II + B III + B IV = 21.556,00 M gab der Institutsdirektor an die Abteilungsvorsteher I’ + II’ + III’ + IV’ = 6.505,34 M

ab. Es blieben ihm 15.050,66 M, die dem Honorarabzugsverfahren unterworfen werden, also

7.525,83 M ! Das sind die „riesigen Praktikantengelder“.

Meines Wissens gibt kein anderer Direktor eines chemischen Instituts einer preußischen Universität so viel – ein Drittel – seines Praktikantenhonorars an seine Abteilungsvorstände ab, eine Abgabe die in dieser Höhe meiner Ansicht allgemein eingeführt werden sollte.

Bei meiner Berufung hatte ich darüber in Gegenwart von Elster ein mir im Gedächtnis geblie-benes Gespräch mit Althoff:

Er: Wieviel wollen Sie von den Institutsgebühren Ihren Abteilungsvorständen abgeben?

Ich: Ein Drittel.

Er. Ein Sechstel wäre auch genug.

Ich: Mir war als Extraordinarius unter Kekulé das Drittel doch sehr angenehm und ich möchte meinen Nachfolger nicht schlechter gestellt sehen,

Er: Edel gedacht, aber nötig ist’ s nicht.

So blieb es bei dem Drittel.

Im Anschluß an diese Betrachtung möchte ich empfehlen, auch den Unterrichtsassistenten einen Anteil an den Institutsgebühren zu geben: von jedem Praktikanten, den sie auszubilden haben etwa 5 M für das Vollpraktikum und 3 M für das Halbpraktikum. Um diesen Gebührenanteil wären vorher die Praktikantenhonorare des Institutsdirektors bei der demnächst kommenden allgemeinen Erhöhung der Praktikantengebühren zu erhöhen. Das Tantièmen-System halte ich für durchaus zweckmäßig. In der Beteiligung am Honorar liegt ein Anreiz, sich für das Blühen des Instituts mit einzusetzen.

Ich wende mich zum Vorlesungshonorar, das im Rechnungsjahr 1913/1914 14.177,61 M betrug, eine Summe, in die ich das ohne Abzug gebliebene Honorar von 3750 M und das 1913 eingegangene gestundete Honorar einbegriffen habe. Goetz macht keinen Unterschied zwischen theoretischen und Experimental-Vorlesungen. Er sagt von der Vorlesungstätigkeit: die Arbeitsleistung ist die gleiche, ob der Lehrer vor 2 bis 4 oder vor 200 bis 400 Studenten doziert. Das ist richtig für die Vorbereitung, unrichtig für die Ausführung. Abgesehen vom Experimentieren ist eine in einem überfüllten Hörsaal vor 300 Studenten täglich gehaltene freie Vorlesung eine große körperliche und seelische Anstrengung, die Vorlesung vor 2 oder 4 Zuhörern eine bequeme Unterhaltung. Wird die Vorlesung reichlich mit Experimenten aus-gestattet, so kommt dazu, daß der Vortragende viele Experimente, die er ein Jahr lang nicht ausgeführt hat, vor der Vorlesung wieder einübt, besonders bei einem Wechsel des Vorle-sungsassistenten. Er muß stets die von dem Assistenten aufgebauten Apparate und hingestellten Reagentien vor der Vorlesung sorgfältig prüfen, wenn ihm nicht in der Vorlesung Experimente mißlingen sollen. Nicht wenige Versuche sind, wenn sie mißlingen, gefährlich in erster Linie für den Dozenten und den ihn unterstützenden Vorlesungsassistenten. Den unglücklichen Zufall wird man trotzdem nie ganz ausschalten können und keiner von uns ist ohne Verletzungen durch schlagendes Glas bei unvorhergesehenen Explosionen oder durch die Gesundheit oft schwer schädigendes Einatmen giftiger Dämpfe bei der Vorlesung von stürmisch entwickelnden Gasapparaten davongekommen. Aber auch die theoretische Vorbereitung der Vorlesungen über eine in so rascher Entwicklung begriffene Wissenschaft wie die Chemie ist ebenso zeitraubend wie die Vorbereitung für eine dem Gebiet der Geisteswissenschaften angehörige Vorlesung.

Ich will damit begründen, das einmal das Honorar billigerweise mit der Zahl der Zuhörer wachsen soll und daß die Vorlesungen über Experimentalchemie unbedingt höher honoriert zu werden verdienen, als Vorlesungen, bei denen der Dozent ein wohl vorbereitetes Heft seinen Zuhörern in die Feder diktiert.

Dazu kommt, daß der Direktor eines großen chemischen Instituts mehr als irgend ein anderer Dozent von den Verwaltungsgeschäften aller Art in Anspruch genommen wird. Hat er noch das Glück, größere Erweiterungsbauten oder Neuanlagen bewilligt zu bekommen, so erfordern Vorbereitung und Überwachung der Einrichtungen, Einarbeitung auf die neuen Apparate einen großen, außergewöhnlichen Aufwand an Zeit und Arbeitskraft von dem durch die gewöhnlichen beruflichen und wissenschaftlichen Arbeiten dauernd beanspruchten Institutsdirektor.

Die Ordinarien der theologischen, juristischen und humanistischen Fächer der philosophischen Fakultät führen dagegen ein viel ungebundeneres freieres Leben; meist haben sie die Nachmittage für sich, so wie Samstag und Montag ganz frei. Dem gegenüber ist der Direktor eines großen Instituts täglich 6 bis 8 Stunden an sein Institut beruflich gebunden; es bleibt ihm im Semester tatsächlich nur der Samstag Nachmittag an den Wochentagen zur Erholung.

Drückt man die Stellen der Direktoren der chemischen Institute der Universitäten noch mehr herunter, als es durch das Honorarwahrungsverfahren geschehen ist, dann wird der jetzt schon starke Wettbewerb der chemischen Industrie mit dem Staate, dem letzteren oft genug die tüchtigsten Kräfte entziehen.

Mit den herzlichsten Grüßen von Haus zu Haus verbleibe ich

Ihr getreuer Kollege Richard Anschütz.

 

285. C.H.B. an Richard Anschütz. Berlin W8, 3.9.1919

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Kollege!

Empfangen Sie meinen herzlichen Dank für Ihren ausführlichen Brief vom 26. August, den ich mit großem Interesse gelesen habe. Es ist mir äußerst wertvoll, derartigdetaillierte Unterlagen zu erhalten, und kann ich verstehen, daß Sie sich durch generalisierende Bemer-kungen beeinträchtigt fühlen mußten. Ich kann Ihnen aber versichern, daß auf diesem Gebiet nicht überall gesunde Verhältnisse bestehen und manches reformiert werden muß. Sie wissen aus meinem Büchlein, daß ich mit der wichtigen Schlußbemerkung Ihres Briefes völlig ein-verstanden bin. Wenn man erste Kräfte haben will, muß man sie erstklassig bezahlen, und das gilt namentlich für Gebiete, die für die Industrie Bedeutung haben. Gerade aus diesem Grund bin ich ja so für die Erhaltung der Kolleggelder, weil die staatlichen Gehälter ja differenzieren können, aber doch nie so hoch gehen können wie unter Umständen die Einnahmen aus Kolleggeldern. Ich bin jetzt dabei, mir die nötigen statistischen Unterlagen für das von mir geplante Garantiesystem zu beschaffen.. Dafür werden Ihre Darlegungen ein wertvolles Material sein.

Wie sehr ich bedauerte, an dem Jubiläum nicht teilnehmen zu können, hatte ich ja der Fakultät schon geschrieben. Aber gerade bei meiner Liebe für Bonn brachte ich es nicht übers Herz, dies von mir so ganz anders geplante Fest mitzufeiern.

Mit freundlichen Grüßen, auch an Ihre verehrte Gattin,

Ihr Ihnen verehrungsvoll ergebener (C.H.B), Unterstaatssekretär

Deutschen Welle, Königswusterhausen, 1927-33

HA VI. Nachl. C.H.Becker. Rep.92. Nr. 2002

265. Deutsche Welle an C.H.B. Berlin W 9, 31.1.1927

(Maschinenmanuskript)

Hochverehrter Herr Minister!

Auf Veranlassung von Herrn Professor Schubotz erlaube ich mir, Ihnen beiliegend einen Fragebogen zu überreichen und Sie zu bitten, ihn auf vier Vorträge stichwortartig ausgefüllt uns möglichst umgehend zusenden zu wollen. Wie wir von Herrn Oberregierungsrat Duwe erfahren, sind Ihnen die von uns bezeichneten Termine, d.h. Freitag, der 4. und 11. März, nachmittags von 5-6 Uhr für die Abhaltung Ihrer Vorträge genehm. Wir haben deshalb unser Programm unter Berücksichtigung dieser Termine aufgestellt. Ferner wären wir Ihnen dank-bar, wenn wir recht bald die genaue Formulierung des Haupttitels1 Ihrer vier Vorträge erfahren könnten. Dann aber habe ich noch die Bitte, uns doch für unsere Zeitschrift, den D.W.-Funk einen etwa 3-4 Schreibmaschinenseiten langen Einführungsaufsatz in Ihre Vortragsreihe schreiben zu wollen, den ich bis zum 11. Februar benötigen würde.

Wie ich zu meiner Freude höre, sind Sie, hochverehrter Herr Minister, gesundheitlich wieder hergestellt. Ich würde mich sehr freuen, wenn ich demnächst gelegentlich telefonisch bei Ihnen erfahren könnte, wann ich Sie wieder einmal besuchen darf.

Mit den besten Grüßen Ihr Ihnen stets sehr ergebener Gez. (unleserlich)

Anlage. Notizzettel

Das Problem der Schule im heutigen Staat

  1. Die Stellung der Schule in den Bildungskämpfen der Gegenwart.
  2. Staat und Gesellschaft als Träger der Schule.

 

266. Deutsche Welle an C.H.B. Berlin, 30.4.1927

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr Minister,

Wir beehren uns, Ihnen hierdurch ergebenst mitzuteilen, daß wir die uns freundlichst für den Monat Juni zugesagten Vorträge über den Orient nach dem Weltkriege in unser Juniprogramm auf Donnerstag, den 16. und Donnerstag, den 23. Juni nachmittags von 5.30-6.30 Uhr eingesetzt haben. Wir wären Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, sehr verbunden, wenn Sie uns freundlichst mitteilen ließen, ob diese in Vorschlag gebrachten Termine Ihnen genehm sind.

Ferner bitten wir Sie ergebenst, uns für unsere Zeitschrift D.W.Funk einen Einführungsaufsatz in Ihre Vorträge schreiben zu wollen, den wir gern bis spätestens 1. Juni in Händen haben würden. Der Aufsatz braucht nicht länger als drei Schreibmaschinenseiten zu sein. Wir würden es lebhaft begrüßen, wenn Sie uns zu diesem Aufsatz einiges Abbildungsmaterial zur Illustrierung des Aufsatzes zugehen lassen könnten.

In vorzüglicher Hochachtung Die Deutsche Welle gez. Herzlichste Grüße , unleserlich)

 

267. Deutsche Welle an C.H.B. Berlin, 10.10.1929

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr Minister,

wir gestatten uns, Sie höflichst an die mit unserem Direktor Herrn Prof. Dr. Schubotz getroffene Vereinbarung zu erinnern, wonach Sie bereit sind, am Montag, den 28.Oktober 1929 abends von 8 – 8.30 Uhr vor unserem Mikrophon gegen eine Vergütung von M 500,- über „Die geistige Krisis der Gegenwart“ zu sprechen. Für eine kurze Bestätigung wären wir sehr dankbar.

In vorzüglicher Hochachtung Deutsche Welle i.A gez.Dürra

Rede abgelegt in Akte 18/IX Nr.115

 

268. Professor Schubotz . Einleitung zur Sendereihe Gegenwartsfragen

In Deutsche Welle, Berlin 25.10.1929 (Kopie an C.H.B.)

Die echten Gegenwartsfragen sind die flüchtigen Kinder der Zeit.. Sind nicht von heute und nur deswegen Gegenwartsfragen, weil sie gerade jetzt aktuell sind. Die echten Gegenwartsfragen tragen die ganze Fragwürdigkeit der Zukunft in sich und zwingen uns deswegen zum Nachdenken und mehr als zum Nachdenken: zur Rechenschaft. Und vor allem zur Rechenschaft über unsere Einsicht in ihre Fragwürdigkeit und Folgenschwere. Schon das erste Thema, mit dem der preußische Kultusminister Professor Dr. Becker der Deutschen Welle neue Vortragsreihe Gegenwartsfragen eröffnet, schon das erste Thema Die geistige Krisis der Gegenwart gibt diese Grundhaltung zu erkennen. Denn: was ist hier die Frage? Hier ist es wirklich nur fraglich, wie weit wir unsere kritische geistige Situation durchschauen. Ihre Tatsächlichkeit steht außerhalb jeder Diskussion. Es ist kein Zufall oder gar etwa der Wunsch nach geistig-eleganter Repräsentation, die diesen Redner an die Spitze der großangelegten Vortragsreihe stellt. Minister Becker hat mit seiner immer wiederholten Forderung nach neuer Humanität die zentrale Frage und kritische Fragwürdigkeit unserer Tage aufgezeigt. Es wäre lächerlich, diese Forderung in den Mittelpunkt eines weitausgreifenden Bildungsprogrammes zu stellen, wenn sie nicht von der Grundansicht und Grundeinsicht ausginge, daß es unserem Zeitalter an Humanität gebricht.

Es mag hier an einem ganz geringfügig erscheinenden Bildausschnitt des täglichen Lebens gezeigt werden, wie weit und in welchem Sinne es uns an Humanität gebricht. Wir nennen es in unangebrachter Überhebung Egoismus, wenn einer anfängt über seine Arbeit und Arbeitshäufung zu stöhnen, über den Mangel an Muße. Ja es macht tiefen und leider imponierenden Eindruck, wenn ein vielbeschäftigter Mann stöhnt, daß er seit Wochen kein Buch mehr in der Hand gehabt habe. Man verstehe mich nicht dahin, daß ich in den Büchern und im Umgang mit ihnen den Gipfel der Humanität erreicht sähe. Nein, ich nehme s nur als Beispiel. Der Mann hätte eben so gut sagen können, ich finde keine Zeit, über meine eigene Arbeit nachzudenken. Nachzudenken aber mit der Ruhe des Unbeteiligten, Ungehetzten, Zuschauenden, vielleicht sogar Träumenden. Und es gehört durchaus zu der Krisis unserer Tage, die über unsere Tage hinaus Bedeutung hat, daß wir Gefahr laufen, die wirtschaftliche Zwangslage zum zwingenden Grund für unsere Atemlosigkeit zu nehmen. Das heißt aber erst aus einer Not eine Krisis und aus der Krisis eine Krankheit und aus der Krankheit den Tod zu machen. Denn das ist der gefährlichste Mangel an Humanität, daß man Menschen wie eine Arbeitsmaschine betrachtet, die eigens und nur zur Arbeit geschaffen ist und die wie eine Maschine erst abgenützt und dann verbraucht und dann zum alten Eisen geworfen werden darf. Der kleine aber nicht unwesentliche Unterschied besteht darin, daß die Maschine viel eher revoltiert als der Mensch, weil sie nur bei guter und sachkundige Behandlung arbeiten kann und (dieser Unterschied ist wesentlicher), weil sie nicht ahnt, daß sie unter Umständen vor ihrer eigenen Unbrauchbarkeit zum alten Eisen geworfen werden kann, aus Sparsamkeitsgründen, wenn eine neue Maschine billiger ist als die Reparatur der alten. Das ist keine politische, nicht einmal eine wirtschaftspolitische Betrachtung. Nur ein Hinweis, daß wir uns ganz außerhalb der politischen Auseinandersetzung alle miteinander verbrauchen, als wenn wir leichter ersetzbar wären als Maschinen und als wenn wir nichts Unersetzliches (etwa das Humane) hätten, um dessentwillen wir uns selbst mit einer gewissen Schonung oder doch Achtung (das ist Selbstachtung) behandeln sollten.

Statt dessen leben wir, auch wenn wir gut leben, wie die Barbaren. Von Tag zu Tag, ohne recht eigentlich noch den Lebenstag eines Menschen zu kennen. Es gibt keine Religion ohne Humanität. Uns es gibt keine Humanität ohne Ruhe. Der Sonntag und seine Heiligung ist ein Gradmesser in der Überwindung des Fiebers, das wir die geistige Krisis der Gegenwart nennen.

 

269. Deutsche Welle an C.H.B. Berlin, 11.11.1930

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr Minister (a.D.),

wir beziehen uns höflichst auf die von unserem Herrn Direktor Professor Dr. Schubotz mit Ihnen geführten Verhandlungen und bestätigen Ihnen der Ordnung halber noch einmal, daß Sie die Liebenswürdigkeit haben wollen, am Freitag, dem 5.,12. und 19. Dezember in unserem Hochschulfunk in der Zeit von 18.30-18.55 Uhr über das Thema zu sprechen: Europäisierung der islamischen Welt.

Mit vorzüglicher Hochachtung Deutsche Welle gez. I.A. Dürr

 

270. Deutsche Welle an C.H.B. Berlin, 19.4.1932

Sehr geehrter Herr Staatsminister!

Wir beziehen uns auf die mit Ihnen geführten Verhandlungen und teilen Ihnen hierdurch höflichst mit, daß wir die mit Ihnen vereinbarte Rundfunkveranstaltung

Reiseeindrücke aus Ostasien
für Montag, den 2. Mai, in der Zeit von 19.35-20.15 Uhr vorgesehen haben.
Etc.pp (Honorar 200 RM)

Wir bitten höflichst um umgehende Bestätigung des Termins …

Mit vorzüglicher Hochachtung Deutsche Welle gez. (unleserlich)

 

271. Deutsche Welle an C.H.B. Berlin, 15.6.1932

(wie oben:)

Thema: Reiseeindrücke aus Ostasien: Niederländisch Indien.
(Honorar dto.)
Montag, 4.7.1932, 19.35-20.20 Uhr

 

272. Deutsche Welle an C.H.B. Berlin, 22.8.1932

(wie oben)

Thema: Die Erziehung und der Wandel der Gesellschaft auf dem Pädagogischen Weltkongreß in Nizza.
Mittwoch, 7.9. 1932 , 16-16.25 Uhr
Honorar 100 RM

 

273. Deutsche Welle an C.H.B. Berlin, 28.12.1932

(wie oben)

Thema : Europäische und amerikanische Wesensart.
Montag, 9.1.1933, 21.30-22.10 Uhr
Honorar 150 RM

 

274. C.H.B. an Deutsche Welle, Masurenallee. Berlin, 3.1.1933

(Privatsekretariat)

Im Auftrage von Herrn Minister Becker übersende ich Ihnen wunschgemäß zwei Durchschläge des von ihm am 9. Januar zu haltenden Vortrags. Herr Minister Becker bittet, ein Exemplar Herrn Prof. Schubotz persönlich vorzulegen, da er ihn darum gebeten hatte.

Hochachtungsvoll ergebenst. Gez. (Sekretärin)


1 Vgl. Anlage

Ernst Cassirer, 1919-25

VI HA Nachl. Becker C.H. Rep.92 Becker C., Nr.96

249. Ernst Cassirer an C.H.B. Berlin, 13.3.1919

Sehr geehrter Herr Geheimrat!

Würden Sie gestatten, Sie gelegentlich einmal im Kultusministerium aufzusuchen, um über eine persönliche Angelegenheit mit ihnen Rücksprache zu nehmen? Ich wäre Ihnen für die Angabe einer Stunde, zu der ich Ihnen nicht ungelegen käme, sehr dankbar.

Ich bin mit den besten Empfehlungen in vorzüglicher Hochachtung Ihr Ernst Cassirer1.

Anmerkung Beckers: Mittwoch 26.(3.), 11 Uhr.

 

250. Ernst Cassirer an C.H.B. z.Z. Düsseldorf, 24.2.1924

Hochverehrter Herr Staatssekretär.

Verzeihen Sie mir, wenn ich die freundliche Zusendung Ihres Aufsatzes über Spengler erst heute mit dem Ausdruck des herzlichsten Dankes beantworte: ich war in den letzten Wochen durch akademische Verpflichtungen und durch den Abschluß einer größeren Arbeit so viel-fältig bedrängt, daß meine Korrespondenz sehr stark darunter gelitten hat, und ich noch jetzt während einer Reise die freie Zeit finde, das Versäumte einigermaßen nachzuholen.

Das Interesse, das Sie meinem kleinen Aufsatz über die Begriffsform im mythischen Denken entgegenbringen, war mir um so wertvoller und ermutigender, als die Probleme, die ich in diesem Aufsatz nur kurz skizziert habe, mich gerade jetzt wieder sehr eingehend beschäftigen. Ich habe in der Vorbereitung des zweiten Bandes meiner Philosophie der symbolischen Formen, der ausschließlich die Philosophie der mythischen Denk – und Anschauungsform behandeln soll. Hierbei empfinde ich es auf Schritt und Tritt, wie sehr der Philosoph, wenn er in diesem Fach nach ganz unwegsamen Gebieten einigermaßen weiter kommen will, überall auf die intensive Mithilfe und auf die Meinung der speziellen Fachkenner angewiesen ist. Ihr Aufsatz läßt mich hoffen, daß es mir gelungen ist, auch Ihr Interesse für einen Problemkreis zu erwecken, der wenn überhaupt nur in aktiver Zusammenarbeit zwischen systematischer Philosophie und den Einzelphilologien zu bewältigen sein wird. Ich werde im Laufe der näch-sten Woche in Berlin sein, da ich unmittelbar vor meiner Abreise durch Herr Geheimen Oberregierungsrat Pallah die Aufforderung erhielt, am 6. März im Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht zu sprechen – eine Aufforderung, die ich um so lieber angenommen habe, als das Thema, das er mir vorschlägt und das sich wohl an einen von Ihnen kürzlich gehaltenen Vortrag anschließt, ganz im Rahmen meiner jetzigen Arbeit liegt.

Sollte sich bei dieser Gelegenheit die Möglichkeit zu einer persönlichen Rücksprache mit Ihnen ergeben, so würde mir das sehr wertvoll sein: ich würde dann nur um eine ganz kurze Mitteilung bitten, wenn ich Sie in der Zeit vom 4.-6. März einmal aufsuchen dürfte.

Ich bin in ausgezeichneter Hochachtung Ihr aufrichtig ergebener Ernst Cassirer.

 

251. C.H.B. an Ernst Cassirer, Professor in Hamburg. Berlin 27.2.1924

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Kollege!

Ich danke ihnen bestens für Ihren freundlichen Brief vom 24. des Monats. Ich freue mich sehr, daß Sie den Vortrag im Namen der Veranstaltung des Zentralinstituts übernommen haben. Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, daß ich in diesen Tagen von Berlin abwe-send sein werde, da ich schon diese Woche einen dringend notwendigen Erholungsurlaub antrete und für 14 Tage in die Schweiz fahre.

Mein Vortrag führte den Titel „West-östliche Kulturkritik“ und enthielt eine Kritik der islamischen Zivilisation vom Standpunkt des Europäers. Im ersten Teil untersuchte ich die Grundlagen der islamischen Zivilisation im Verhältnis zu Europa und wie ihre Wesensart in die verschiedenen Formen der Rezeption der Anteile von Ost und West sich auswirken. Im zweiten Teil untersuchte ich die Rückwirkung des modernen Europa auf den heutigen Orient. Als einleitender Vortrag des Unternehmens stand er völlig isoliert und hatte nichts mit der planvollen Reihe zu tun, die Ihr Vortrag einleiten soll.. Da das Thema Ihres Vortrages Ihrem Buche entnommen ist, bin ich besonders froh und dankbar, daß Sie sich entschieden haben, durch Ihre persönliche Mitwirkung unserem Unternehmen eine besondere Weihe zu geben.

Mit vorzüglicher Hochschätzung Ihr ergebenster (C.H.B.).

 

252. C.H.B. an Ernst Cassirer. Berlin, 9.3.1925

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Kollege!

Für das mir durch Vermittlung des Bruno Cassirer Verlags, hierselbst, freundlichst übersand-te Buch Philosophie der symbolischen Formen, Zweiter Teil: Das mythische Denken sage ich Ihnen meinen verbindlichsten Dank. Ich hoffe, bald eine Mußestunde zu finden, um die mich sehr interessierende Schrift in Ruhe lesen zu können.

Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster (C.H.B.)


1 Ernst Cassirer *1874 Breslau + 1945 New York. Philosophieprofessor bis 1933 in Hamburg, Emigration nach England Professor in Oxford 1933-35, dann in Göteborg/Schweden. Vetter von Bruno und Paul C.

Max Clauß, 1925

HA VI. Nachl.C.H. Becker. Rep.92 Becker 111

241. Max Clauß, Offenburg, 15.10.1925

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr Minister!

Als Studierender der Heidelberger Ruperto-Carola, der ältesten Hochschule der deutschen Westmark, und inaktiver Bursch der Verbindung Rupertia gestatte ich mir, Ihnen, unserem hochverehrten Alten Herrn, zu dem Zwischenfall in Paris mit Dr. Krüger einige, vielleicht nicht ganz uninteressante Mitteilungen aus meinen eigenen Erfahrungen drüben zu machen.

Es ist unbegreiflich, daß Herr de Monzie seinen wohlgemeinten Verständigungsversuch einem solchen, bei der Haltung der Pariser Großbourgeoisie leicht vorauszusehenden Mißerfolg aussetzen konnte. Trotzdem wäre es bei aller berechtigter Empörung und Verwahrung von unserer Seite falsch, den Fall ohne weiteres zu verallgemeinern. Einige Gegenbeispiele mögen das beweisen.

Im Auftrag des Heidelberger Instituts für Sozial- und Staatswissenschaften hielt ich mich dieses Frühjahr zusammen mit Herrn Dr. Arnold Bergsträsser, den Sie soviel ich weiß kennen, drei Monate in Paris auf, um Informationen für eine soziologische Arbeit über die französische Demokratie zu sammeln. Man hat mich in den verschiedensten Kreisen der Rechten und Linken nie die geringste Feindseligkeit fühlen lassen, sondern ist meinen oft recht anspruchsvollen Wünschen über jedes Erwarten entgegengekommen, ohne das berühmte „pazifistische“ Bekenntnis als Gegenleistung zu verlangen. Erlauben Sie mir, drei Fälle von offiziöser Bedeutung dem offiziellen Rückschlag an die Seite zu stellen.

  • Herr Prof. André Siegfried von der konservativen Ecole des Sciences politiques, Sohn des bekannten Senators und Freundes von Gambetta, selbst noch bei den letzten Wahlen Kandidat des Bloc national in Le Havre, hat Dr. Bergsträsser und mich in seiner Familie aufs freundlichste empfangen. Er hat uns beide zu einer Fest-Conférence über „Außenhandel und Diplomatie“ (einer geschlossenen Veranstaltung der Schule) eingeladen. Ich persönlich habe ihn noch zweimal während meines Aufent-haltes besucht und in stundenlangen Gesprächen die wertvollsten Auskünfte über französische politische Zustände von ihm erhalten.
  • Herr Lucien Herr, Bibliothekar der berühmten Ecole Normale Supérieure, ein Altelsässer, der für Frankreich optiert hatte, hat mir die Bibliothek der Schule zur uneingeschränkten Benützung geöffnet und mich in meiner Arbeit außerordentlich unter-stützt. Er hat mir, als ich zur Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ins Innen-ministerium bestellt wurde, einen Brief an den Minister mitgegeben, der mir auch auf der Präfektur alle Schwierigkeiten aus dem Wege räumte. Einen anderen Brief, den er mir nach meiner Rückkehr schrieb, lege ich ihnen bei. Ich weiß, daß ich ihm jederzeit Bekannte schicken kann.
  • Herr Prof. Charles Seignobos, der bekannte Historiker der Sorbonne, hat mich in seiner Wohnung empfangen und ebenfalls über eine Stunde lang in zuvorkommend-ster Weise meine Fragen beantwortet.
  • In der Bibliothèque Nationale habe ich dauernd gearbeitet.- Dr. Bergsträsser wird übrigens die angeführten Beispiele noch beträchtlich vermehren können.

Der Fall Krüger zeigt, daß die französische Nation ihre häßlichste Kriegskrankheit, den blinden Haß auf den Gegner, noch lange nicht überwunden hat. Doch brauchen wir deshalb, außer der selbstverständlich gebotenen offiziellen Zurückhaltung, keine Gesinnungssanktionen zu ergreifen. Frankreichs eigene Zukunft hängt davon ab, ob es im Kampf mit den Schatten seiner Vergangenheit endlich Sieger bleibt oder nicht. Wir können ruhig warten.

In Erinnerung an Ihre wundervolle Rede zum 50. Stiftungsfest 1923, zu dem ich aus dem besetzten Gebiet gekommen war,

Mit Rupertengruß Max Clauß.

Chicago University, 1932/33

VI.HA Nachl. Becker Rep 92 Nr.7986

134. James Henry Breasted, Director of the Oriental Institute of the University of Chicago The Cloisters, 5807 Dorchester Ave, Chicago, Illinois, USA an C.H.B., Chicago, 11.3.1932

(Maschinenmanuskript)

My dear colleague,

I received with the greatest pleasure your kind letter of the 13 of February, written at Persepolis. I assure you I appreciate very much a message from you under these circumstances when I know there was so much of interest which you wanted to see. And I am very grateful that you took the time to send me this letter.

Your impressions, communicated while they were very recent and fresh in your mind, are most welcome, and I am very glad to see that you are wholly converted to the desirability of further research at Persepolis. It is indeed a magnificent site, and I am glad that you have seen it, and are able to report at first-hand on the tremendous impressiveness of the surviving remains of this ancient home of Persian power and civilisation.

I am glad also that you are convinced of the efficiency and success of the staff which we have chosen to do this work. I do not see how we could have a better man than Herzfeld, and Krefter also makes a very favorable impression. We are hoping for results of substantial importance from this effort, and the indications gathered from the work already done would lead us to conclude that we are not disappointed.

I hope that you are bringing home the most valuable experiences from your visit in the far orient, though I can understand that under the present circumstances your work must have been exceedingly difficult. I trust that you are returning to your family and friends in the best of health and spirits. We are all watching the political developments in Germany with the deepest interest and the profoundest concern; the worst thing that could happen would be his successful election. I am sure that would make en end of him. But whether the German Republic could survive such a catastrophe is a grave question.

With warmest good wishes to you and your household, in which Mrs. Breasted joins me, and with very pleasant recollections of our last visit there, I remain very faithfully yours

James Henry Breasted

135. C.H.B an Charles Breasted, Chicago. Berlin (?), 10.12.1932

(Maschinenkopie)

Lieber und verehrter Herr Breasted,

der erste Weihnachtsgruß, den ich in diesem Jahr empfing, war der Ihrige. Sie wissen, daß wir Deutsche die Gewohnheit der Christmas-Cards nicht haben, sonst würde sich mein Gruß mit dem Ihrigen gekreuzt haben. So gibt mir Ihre Karte den willkommenen Anlaß, Ihnen einmal wieder einen recht herzlichen und freundschaftlichen Gruß zu schicken, denn ich denke mit unveränderter Sympathie an unser Zusammentreffen zurück und bedauere nur aufrichtig, daß wir uns so selten sehen. Möge es ihnen und Ihrer Gattin im neuen Jahr gut gehen und mögen vor allem auch die großen Arbeiten Ihres Vaters (James Henry B.), die sie betreuen, unter der ungünstigen Weltlage nicht allzu sehr leiden. Mir persönlich liegt namentlich das große Persepolis-Werk am Herzen, und ich stehe grade wieder in Unterhandlung, um noch etwas darüber zu schreiben, um die deutsche Öffentlichkeit auf die großen amerikanischen Leistungen im Interesse der Bildung aufmerksam zu machen. Nun ist ja auch der Schah in Person in Persepolis gewesen, aber ich habe darüber noch keinen Bericht erhalten.

Indem ich Sie bitte, mich auch Ihrem Herrn Vater angelegentlichst zu empfehlen, grüße ich mit den besten Wünschen für Familie und Beruf als Ihr Ihnen aufrichtig ergebener (C.H.B.)

 

136. Charles Breasted an C.H.B. Chicago, 16.1.1933

(Maschinenmanuskript)

My dear Dr. Becker,

Just prior to my recent departure from Tucson, Arizona, where I have been convalescing from a serious operation and illness of the past summer and autumn, I received your letter of December 10 acknowledging receipt of my Christmas Card.

It is characteristically charming and thoughtful of you to take time from your crowded days to write me as you did, and the present letter is intended merely as an expression of my gratitude and appreciation. I wish I might look forward to seeing you in person in Berlin – I was so disappointed that we failed to meet in Persepolis last year where I arrived after your departure – but unfortunately owing to my illness I am not going abroad this year. My father an mother are leaving early in February for an extensive sojourn in the Near East and hope rather late in May or early June to be passing through Berlin on their way home. It is unlikely therefore that I shall have cause to envy them their sight of you at that time.

Again please accept my sincerest thanks for your kind letter, which I assure you earn a great deal to me, and believe me, with friendliest greetings and good wishes.

Cordially yours Charles Breasted

137. Dr. Walter Becker an Charles Breasted. Berlin, 17.3.1933

(Maschinenkopie)

My dear Mr. Breasted,

I want to add to my letter of yesterday a few words about a matter in which w do not want to decide anything without having first conferred with you or your father and the Oriental Institute of Chicago. I am writing to you personally since I learned from your cable that your father is at present in the Near East and since I know that you will be able to answer my question or take necessary steps.

My father, as you know, has owned one of the most valuable and complete collections of books about the field of Arabistic and Islamkunde. As far as I know there is no other equally valuable library in private hands in Germany and only one or two in other European countries, which could be compared to it. As you will be able to imagine this library is of no use to us personally and on the other hand we are, owing of the difficult circumstances of this time and the complete loss of our fortune during the inflation obliged to sell it sometime before too long. We have already several offers from book-dealers in Germany who are very eager to get hold of this unusable valuable collection. A sale to one of these book-dealers would, of course, mean that father’s books would not stay together but would be sold by the dealer separately to different people or institutions. It is natural that we have the desire to keep father’s collection as such, even if it is not any more in our possession, and we would therefore prefer to sell it to some institution, which could keep it as a whole. Unfortunately, owing to the general lack of means, no institution in this country seems to be able at the present moment or within the course of the next year to acquire the whole collection for an adequate price, so that we shall probably be obliged to accept the highest offer of the above-mentioned book-dealers. Before we do so, however, we feel that we should ask you or your father, if by any chance the oriental Institute of Chicago or another American institution of which you know would be at all interested in buying this collection. We would in that case not decide anything definitive about a sale to one of the book-dealers before we have had an offer from America, if by such a sale it would be possible to keep father’s books together.

I have, of course, no idea whether the Chicago Oriental Institute is at all interested in this matter, but if there should be such a possibility, I would be very glad to have any representative of yours examine and estimate the library here; also it would be possible so send you a catalogue. A personal examination by some of your representatives would, however, be preferable and probably unavoidable since one of the main value of this collection besides its completeness lies in the way in which the books are bound and kept. I may add that there are Arabic and considerable number English and French. To give you an approximate idea of the value of the library I may say that according to the estimates that are in our hands so far we should not consider a sale for less then $ 10 000.

I hope, dear Mr. Breasted, that you understand why I am writing to you about this all. My motives are not only our desire to try everything to keep father’s library together the collection of which is part of his life-work, but also the feeling that it could not be fair to decide anything definite about a sale without having informed you and your father beforehand.

I should be very much obliged to you if you would let me know at your earliest convenience if in your eyes there is any chance at all that the Oriental Institute or some other American institution would be interested in the matter.

With kind regards yours sincerely (Walter Becker)

138. Charles Breasted an Walter Becker. Chicago, 20.4.1933

(Maschinenmanuskript)

Dear Dr. Becker,

I have delayed acknowledgement of your very interesting letter from March 17 which reached me while I was still in Arizona convalescing from a serious operation last summer, in order that I might confer with several of our senior scientific staff members at the Oriental Institute headquarters regarding the possibilities of preserving intact your father’s valuable scientific library.

So far as the Oriental Institute is concerned, I regret to report that the acute financial stringency in which we find ourselves and the policy of drastic retrenchment thereby necessitated, absolutely preclude our entertaining the idea of acquiring on any basis all or even a portion of this unique library. Conditions being what they are, the price of $10,000 which you have placed upon the collection, which in normal times would no doubt have been a fair appraisal, is also quite beyond any other university department of oriental languages to which I might refer you in this country. After careful consideration of all possibilities, I am unable to think of any indivual in America whose combined interest and means would enable him to consider this project.

I need hardly assure you of my appreciation of your kind thought of my father and myself in this connection and my profound regret at being unable to send you a my favourable reply. Your letter together with a copy of the present acknowledgement will of course be brought to my father’s attention upon his return to Chicago early in June, but I know that perforce his reactions will concur with my own.

I wish you every success in your disposition of your father’s splendid collection of works, which I agree with you ought to be kept intact as a monument to his lifetime of pre-eminent productivity and achievement.

With every good wish, I remain

Very sincerely yours Charles Breasted,

Executive Secretary

139. Walter Becker an Charles Breasted, Oriental Institute Chicago. Berlin, 21.6.1933

(Maschinenkopie)

Dear Mr. Breasted,

I regret not to have been able to acknowledge your kind letter of April 20th earlier than today. As you will be able to imagine the work concerning the disposition of the library, the house and many other things together with my regular professional work takes every minute of my time now.

We are, of course, very sorry that a sale of the library to your institute is out of question at the present moment. But we want you to know that we are nevertheless extremely grateful to you for going through the trouble of considering it all and giving us the required information.

In the meantime we have had various more or less hopeful negotiations with different people and institutions in this country as well as in Spain, Holland, Palestine and – through a German agent – also in America. And we hope to arrive at some definite agreement within the next few months. The price, owing to the general depression, will have to be considerably lower than the real value of the collection. I expect now that it will be something about 25 000 RM, but I have not kept you informed about further development, since you have said in your letter that the Oriental Institute is unable to acquire on any basis all or even a portion of the collection.

Thanking you again for your kindness, I am, dear Mr. Breasted,

yours sincerely (Walter Becker)

Reichswirtschaftsminister Curtius, 1927

VI. Nachl. Becker Nr.142

164. Reichswirtschaftsminister Curtius an C.H.B. z.Z. Karlsbad 19.9.1927

Persönlich (Maschinenmanuskript)

Sehr verehrter Herr Kollege!

In der mir ärztlich auferlegten Muße der Karlsbader Kur habe ich mich erneut mit dem Problem des Reichsschuldengesetzes beschäftigt. Ich höre, daß die erste Lesung des Reichstages mit Rücksicht auf die Reichsratsverhandlungen noch hinausgeschoben werden muß. Für diese soll eine preußische Denkschrift in Vorbereitung sein. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie es möglich machen könnten, mir diese Denkschrift, sobald es geht, unmittelbar zuzusenden.

Mit besten Empfehlungen und Grüßen Ihr sehr ergebener Curtius.

 

165. C.H.B. an Minister Curtius, Karlsbad. Berlin, 21.9. 1927

Einschreiben! Persönlich! (Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Kollege!

Ihrer Bitte entspreche ich gern. Ich muß Sie nur dringend bitten, die Einlagen als wirklich geheim zu betrachten. Das Gutachten ist mein persönliches Votum an die preußischen Staatsminister; in ihm ist in jedem Falle zunächst einmal die Problemstellung gegeben – natürlich von meinem liberalen Standpunkt aus. Ich versuche schon einen Kompromiß, doch wird die endgültige Denkschrift des Preußischen Kabinetts natürlich ziemlich anders aussehen. Nach langen Zwischenverhandlungen und Referentenbesprechungen haben wir gestern in einer 5-stündigen Kabinettssitzung endgültig Beschluß gefaßt, der natürlich einen Kompromiß mit dem Zentrum darstellt. Die für die Sitzung hergestellte Drucksache habe ich persönlich korrigiert, so daß Sie daraus ersehen können, wie die preußischen Anträge an den Reichsrat aussehen werden. Zurzeit wird noch an der Begründung gearbeitet, die sich im wesentlichen an das Gutachten anschließen wird. Aber naturgemäß nun den Zentrums-standpunkt mit hineinarbeiten muß. Ich glaube, daß die Volkspartei nicht weniger liberal sein kann als die preußischen Zentrumsminister. Infolge dessen könnte vielleicht schon bei entsprechender Einwirkung auf Herrn von Keudell im Reichsrat die Entwicklungslinie des Preußischen Votums in das Reichsgesetz Aufnahme finden. Sie werden natürlich merken, daß wir uns in einigen Punkten um die Schwierigkeit gedrückt haben, indem wir die Sache der landesrechtlichen Regelung überwiesen. Ich glaube aber, daß es ein sehr vernünftiger Weg ist, da die Hauptschwierigkeit darin besteht, eine reichsrechtliche Formulierung zufinden, die uns auf die sehr verschiedenen Verhältnisse der einzelnen Länder paßt. Das gilt namentlich für den geordneten Schulbetrieb.

bemerke übrigens, daß ich das Gutachten privatschriftlich und persönlich den Herren Marx und von Keudell habe zugehen lassen, die es aber ihrerseits, wie ich zu meiner Freude bemerkt habe, tatsächlich geheim gehalten haben. Die andere Drucksache ist bisher noch in keine andere Hand gelangt. Ich glaube mich aber dazu ermächtigt, Sie darüber zu orientieren, da in wenigen tagen die preußischen Beschlüsse ja doch offiziell an den Reichstag gehen werden. Ich bemerke aber ausdrücklich, daß das Protokoll der Sitzung noch nicht von allen Herren Ministern ratifiziert ist. Sie wissen ja selbst am besten, daß bei so komplizierten Gesetzesvorlagen, die wir im Kabinett und ohne Referenten bearbeitet und verabschiedet haben, nachträglich noch hier und da Korrekturen angebracht werden müssen. Mein Gutachten ist übrigens im benachbarten Marienbad entstanden, wo ich einige Wochen zur Kur war.. Ich bin sehr glücklich, daß wir tatsächlich trotz der ungeheuerlichen Schwierigkeit der Aufgabe die Termine eingehalten und, wie mit der Reichsregierung verabredet, tatsächlich am 20. September d.J. endgültig Beschluß gefaßt haben.

Mit den besten Wünschen für Ihre Kur und in der Hoffnung Sie nach Ihrer Rückkehr einmal persönlich sprechen zu können Ihr Ihnen aufrichtig ergebener (C.H.B.)

Leone Caetani, Fürst von Teano, 1906-1914

I/92 Nachl. Becker. Rep 92 Nr. 85 

140. Caetani an C.H.B. Rom, Palazzo Caetani, 2.4.1906

Hochgeehrter Herr Doktor,

Ich bitte Sie meinen besten Dank anzunehmen für Ihre hochinteressante und aufregende Arbeit über den Nimbaa (?). Ich bemerke, daß Sie äußerst freundlich auch meinen bescheidenen Namen unter Ihre Zitate drucken, auch nehme ich es als eine große Ehre, was Sie darüber urtheilen.

Besitzen Sie das erste Buch meiner Annali? Ich könnte Ihnen noch ein Exemplar davon schicken, wenn Sie es nicht besitzen, und werde sicher den 2. Band senden, sobald der Druck fertig ist,

Ich besitze schon Ihre wertvollen Arbeiten über die Geschichte Ägyptens unter dem Islam und habe besonders auffallende Bemerkungen gefunden in die Theile über die Steuerverhältnisse, die mich jetzt speziell interessieren für meine Arbeit.

Mit ergebenstem (?) Dank L. Caetani di Teano

 

141. Leone Caetani an C.H.B. Rom, 15.4.1906

Hochgeehrter Herr Professor,

ich danke für ihren höchstliebenswürdigen Brief, und für den Auszug aus (der) Z(usammen)fassung, den ich gleich mit großem Interesse gelesen habe. Ich erwarte auch mit großer Spannung auf Ihre Arbeit über den Arabischen Papyri, denn leider der Karabaeck liefert nichts mehr aus der Raimeri-Sammlung, und ohne die Papyri ist es unmöglich etwas bestimmtes zu wissen über die wirklichen Steuerverhältnisse aus allen Islam und den realen Zustand des Grundbesitzes für die Nicht-Musulmanen im Anfang des Islam.

Ich gründe meine Forschungen hauptsächlich auf ihre bahnbrechenden Arbeiten; ich will die Sache durchstudieren, um das Califat des `Kmar besser ins Klare zu setzen. Ich hoffe, daß meine Arbeiten Ihnen auch etwas nützen werden, aber die werden nie so wichtig für Sie, als die Ihrigen für meine Arbeit.

Mit besten Empfehlungen ergebenst L. Caetani.

 

142. Leone Caetani an C.H.B. Rom, 13.6.1906

Hochgeehrter Herr Doktor,

ich habe Ihnen nicht eher antworten wollen, da ich wünschte mir, das wichtigste Theil von Ihrer bewunderungsvollen Arbeit (zu) lesen. Jetzt schreibe ich Ihnen mit dem Ausdruck meiner größten Dankbarkeit und innigster Bewunderung für (das), was Sie geleistet haben. Die Einleitung hat mich sehr interessiert, und was Sie über die wirklichen inneren Zustände der umayyadischen1 Verwaltung schreiben wirft (ein) großes Licht auf viele historische Probleme. Sie bahnen den Weg zur gerechten Rehabilitation der viel verläumdeten Dynastie. Ihre Worte über die Gîzyah haben mich auch ganz besonders interessiert, da es ein Gegenstand (ist), worüber ich mich letztens sehr viel beschäftigt (habe). Was ich in alou Yusuf und Yahy-ben-Âcham über die Gîyah und den Kharay gelesen habe, hat mich nie überzeugt daß es korrekt ist, und ihre jetzige Arbeit, wie auch Ihre früheren haben mich sehr geholfen.

Ihre Grundidee, daß die persische Staatsverwaltung die ganze islamische Regierung beeinflußt hat, ist für mich ein wirklicher Lichtstrahl: ich habe mir nie einen guten Grund finden können, warum gerade die Verhältnisse des Sawud (?) hereinspielen vor den Augen unserer literar-historischen Quellen liegen. Ich glaube, man müßte in der Art und Weise wie das Land erobert wurde den Schlüssel des Enigma2 finden: im Sawad alle Städte, außer(halb) Hirab (?) wurden erobert ansonsten mit Gewalt, und keine „sulhan“ durch Verträge, während in Syrien geschah gerade das Gegentheil, wie Balanez (?) uns berichtet. Alle Städte capitulierten und machten regelmäßige Verträge. Was denken Sie darüber?

Verzeihen Sie mir mein barbarisches deutsch, aber ich hoffe, daß Sie jedoch mich verstehen werden, da Sie diese arabischen Papyri so vortrefflich gelesen, verstanden, commentiert und illustriert haben.

Mit allerbestem Dank ergebenst L.Caetani.

P.S. Der II. Band der Annali ist gedruckt, aber es fehlen noch die Indices, eine gräßliche Arbeit, die mir vielleicht noch manche Momente nehmen werden. Sobald alles fertig sein wird, eine der ersten Kopien schicke ich nach Heidelberg!

 

143. Leone Caetani an C.H.B. London SW, 18.10.1906

(Maschinenmanuskript)

Hochgeehrter Herr!

Ich hoffe, Sie werden mich verzeihen, wenn ich Ihnen mit der Maschine antworte, aber ich habe so viele Briefe zu schreiben, und Sachen zu thun, daß es mir nicht möglich ist, alles mit der Feder zu fixieren ohne Handschmerze zu kriegen. Ich bitte Sie meinen allerinnigsten Dank anzunehmen für die Güte, mit welchem Sie freiwillig an meiner Arbeit Ihre höchst-werthvolle Mithilfe leisten werden, und nehme Ihren Vorschlag als eine große Ehre, und mit größter Dankbarkeit an. Der Druck wird langsam voranschreiten, so daß eine Arbeit Ihnen nicht viel von Ihrer werthvollen Zeit aufnehmen wird. In diesem Moment habe ich Schwierigkeiten mit meinem Drucker, der etwas erschreckt ist von der Größe der Arbeit: dies wird vielleicht den Anfang des Druckes einige Wochen verspäten, aber ich hoffe doch vor Ende November Ihnen einige Druckbogen schon schicken zu können. Mein zweiter Band ist schon fertig gedruckt (ca.1200 Seiten), aber der Index ist noch nicht fertig: ich habe einen alphabetischen Index für die zwei ersten Bände gemacht, und werde in Zukunft jedem Bande einen Index geben, und am Ende werden alle Indices zusammen schmelzen. Ich bin jetzt auch mit einem Onomasticon Arabicum beschäftigt, was unbedingt nötig ist in einem Werke wie die Annali, wie Sie wohl schon bemerkt haben werden. Es ist eine riesige Arbeit und kann nur langsam vollendet werden. Es ist möglich, daß ich in diesem Winter eine Art Probe davon drucken werde (40 Kopien), um es den Fachgenossen zu zeigen und ihren Rat, und Verbesserungen zu hören. In diesem Falle könnte ich Ihnen auch diese Druckproben schicken?

Im Monat Januar (1907) hoffe ich Ihnen den zweiten band der Annali zu schicken: darin steckt vieles Neues, worüber ich Ihre hochgeschätzte Meinung gespannt bin zu haben. Ich habe die „Riddah“ der Jahre II und 12 der Higrah auf ziemlich neuen Linien aufgefaßt, und die Chronologie gründlich revidiert und ich hoffe, korrekt corrigiert. Ganz neu ist die gesamte Auffassung der Eroberungen und deren Ursachen, wozu ich ganz neues Material gebraucht habe, ein Material, das sonst allen Orientalisten unbemerkt geblieben ist. Wenn meine Ideen angenommen werden, muß man die ganze alte Geschichte des Orients und die Anfänge des Islam verschieden ansehen von dem, was man vorher gemacht hat. Ich hoffe, daß das ganze Problem interessieren wird, da die ganze Sache mit dem großen Problem der Urheimat der Semiten am engsten verbunden ist.

Ich bitte Sie nochmals einen allerinnigsten Dank anzunehmen für Ihre Mitarbeit an den Annali, und glauben Sie mich immer Ihnen ergebenst L. Caetani di Teano

 

144. Leone Caetani an C.H.B. Rom, 10.4.1907

Hochverehrter Herr,

ich danke Ihnen bestens für Ihren liebenswürdigen Brief: Ihre Sympathie für meine Arbeit ist für mich die höchste Anregung, um weiter zu gehen, und darum bin ich Ihnen sehr dankbar. Es würde mir sehr lieb sein, wenn Sie eine kleine Besprechung von meinem Werke herausgäben.

Ich weiß nicht, woher der Papyrus kommt, und auch nicht wer es besitzt. Eine Photographie ist mir (in die) Hand gekommen mit vielen anderen Papieren von unbekannter Herkunft. Der zweite Papyrus befindet sich in der Bodleiana und ist von Marqolionka herausgegeben.

Die ersten 200 Seiten meines III. Bandes sind schon beim Drucker: am Ende April wird vielleicht die erste Korrektur fertig sein und ich hoffe, Ihnen die Druckbogen ungefähr Mitte Mai schicken zu können. Zur selben Zeit hoffe ich Ihnen auch den zweiten Theil des II. Bandes schicken zu können: der Index hat mir ungemein viel Zeit und Arbeit gekostet und ist länger und größer gekommen als ich dachte; aber wenigstens ist er vollständig.

Mit dem innigsten Dank L.Caetani.

P.S. Ich danke Sie auch für Ihre Büchlein: sehr lehrreich und mit vielen tiefen anregenden Gedanken!

 

145. Leone Caetani an C.H.B. Rom, 15.7.1907

Hochverehrter Herr Doktor,

ich kann Ihnen nicht sagen, mit welchem Interesse ich Ihre Bemerkungen gelesen habe, und wie dankbar ich bin. Ich habe alle Ihre Bemerkungen angenommen: sie sind mir sehr, sehr nützlich gewesen. Ich verkürzte oft meine Übersetzungen, wo ich glaubte, nichts wichtiges zu finden, aber Sie haben einen schärferen Blick, und werde recht dankbar sein, wenn Sie mir eine Lücke andeuten. Die Arbeit ist so groß, daß nicht selten einige Details entschlüpfen mir.- Sie sind sehr nachsichtig und milde im Ausdruck Ihres Urteils, und darum danke ich Sie innigstens, aber ich bitte Sie auch, mich nicht zu schonen, und auch streng zu urteilen, wenn Ihnen etwas gar nicht gefällt.

Ich reise ab von Rom nach einigen Tagen, und die anderen Druckbogen werden nicht bereit sein vor November, (wenn) Sie wieder in Heidelberg zurück sein werden. Während des Sommers kann ich nicht weiter drucken, weil die Hitze mich von meiner Bibliothek weg jagt: und ich gehe nach England, um frische Luft zu atmen und neue Kräfte zu sammeln für nächsten Winter. Während des Sommers sammele ich Materialien: im nächsten Winter hoffe ich mit dem III. Band rascher weiter zu gehen. Zur selben Zeit fang ich an meinen Onomasticum Arabicum zu drucken – es ist nur ein Versuch! (80 000 Zetteln!)

Ich bin auch beschäftigt jetzt mit einer „Facsimile“-Ausgabe von einem fast vollständigen Exemplar von Ibn Maskawayh. Der erste Band kommt heraus im nächsten Winter, und der zweite bald nachher mit „Summarium und Indices“. Später will ich auf ähnliche Weise auch den Munbazam-us-ibn-al Qawez herausgeben, worin vieles wichtiges steckt.

Es thut mir leid, daß es mit dem Ansal-al-Asraf so langsam weiter geht!

Wieder mit allerherzlichem Dank nochmals L. Caetani

 

146. Leone Caetani an C.H.B. Rom, 25.3.1908

Hochverehrter Herr Doktor,

Ich danke Sie für Ihren interessanten Brief und die wertvollen Notizen, wovon die meisten mir neu sind. Ich habe noch nicht die Eroberung Spaniens gründlich studiert. Das wird wohl nachher kommen.

Ich bin gerade in diesen tagen von einer größeren Reise nach Syrien zurück, wo ich die Schlachtfelder besucht habe, um einige Sachen mir klar zu machen. Die Reise ist sehr nützlich gewesen und habe vieles interessantes zusammen gesetzt, welches ich glaube die ganze Frage der Yarmuk-Schlacht erklärt auf sehr einfache Weise.

Mit innigstem Dank bleibe ich ergebenst Leone Caetani

 

147. Leone Caetani an C.H.B. Rom, 4.4.1908

Hochverehrter Herr Doktor,

ich bin Ihnen außerordentlich dankbar für Ihren freundlichen Brief und höchstinteressanten Bemerkungen. Jetzt werde ich sie sorgfältig studieren, und es ist möglich, daß ich auch in dem wichtigsten Punkte …Ihren „Point of view“ annehmen werde., denn es scheint mir, daß Ihre Gegenargumente sehr stark begründet sind. Ich suche nur die Wahrheit und will nicht meine Ansichten impromieren3. Sie zeigen sich als einen höchst wichtigen Mitarbeiter der Annali: ich bin Ihnen schon vieles schuldig. Im Vorwort werde ich klar darstellen, wie viel Sie für mich geleistet haben.

Meine Orient-Reise hat den Druck der Annali ziemlich verspätet, so daß vor ein paar Monaten es mir schwerlich (möglich) sein wird, andere Druckbogen zu schicken. Ich werde vielleicht einen Vortrag machen an dem internationalen Congreß der historischen Wissenschaften in Berlin im nächsten Sommer (1909?).

Mit dem erneuten Ausdruck meiner innigsten Dankbarkeit ergebenst L.Caetani di Teano

 

148. Karte von Leone Caetani an C.H.B Rom, 5.11.1908

Innigsten Dank für die höchst interessanten Excerpte! – Die Antwort zu K’s Artikel ist meisterhaft!

 

149. Karte von Leone Caetani an C.H.B. Rom, 28.12.1908

Leone Caetani bittet den Herrn Prof. C.H.Becker um herzlichen Dank zu genehmigen für den meisterhaften Vortrag, welcher neue Bahnen öffnet in den islamischen Studien.

 

150. C.H.B. an Don Leone Caetani, Principe di Teano. O.O., 26.3.1910

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Prinz!

Empfangen Sie meinen herzlichen Dank für die Übersendung des 3ten Bandes Ihrer Annali

dell’Islam. Ich bewundere auch diese neue Leistung von ganzem Herzen. Ich habe den ganzen Text bereits in den Druckbogen gelesen, wenn ich Ihnen auch seinerzeit nur zu den ersten Jahren Bemerkungen schickte, weil ich für die späteren Jahre nicht die nötige Zeit zu eingehenden Studien fand, aber gelesen und angenommen habe ich fast alles. Sie werden einen starken Reflex Ihrer Gedanken in dem einleitenden Aufsatze zu meiner Zeitschrift „Der Islam“ finden. Ich hoffe, Sie schreiben mir dann einmal, was Sie über die dort niedergelegten Gedanken denken. Sie werden selbst merken, wie viel Anteil Sie daran haben.

Ich habe mit großer Freude und Genugtuung bemerkt, daß Sie all meine kleinen Bemerkungen und Glossen Ihrem epochemachenden Werke einverleibt haben. Das gibt einem natürlich freudigen Anlaß zu weiterer eifriger Mitarbeit. Ich bitte ja, mir auch Ihre weiteren Druckbogen zugehen zu lassen, und ich hoffe sehr, Ihnen ausführliche Bemerkungen dazu zugehen zu lassen. Heute möchte ich mich darauf beschränken, Ihnen von Herzen für dieses wertvolle Geschenk zu danken. Eine sehr starke Reaktion darauf werden Sie auch in meinem Abschnitt The Expansion of the Saracens in der Cambridge Medieval History finden. Auch für die Göttinger Gelehrtenanzeigen bereite ich eine Besprechung vor, sie währt lange, aber ich hoffe, sie wird dann um so gründlicher.

Mit erneutem herzlichen Dank und verbindlichen Grüßen

Ihr wie stets sehr ergebener (C.H.B.)

 

151. C.H.B. an Don Leone Caetani, Principe di Teano. O.O., 21.5.1913

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Prinz,

wie Sie gehört haben werden ist vor kurzem Hugo Winckler gestorben. Ich möchte ihm gern einen kurzen Nachruf im „Islam“ widmen, in dem nicht etwa seine Verdienste um die Assyriologie, sondern seine bahnbrechende Tätigkeit für die Erkenntnis der Anfänge des Islams zur Darstellung kämen. Zur Abfassung einer solchen kurzen Würdigung scheint mir niemand geeigneter als Sie, und Sie würden mich zu Dank verpflichten, wenn Sie im Styl und Umfang des Nachrufs von Nöldeke auf Euting (siehe letztes heft des Islam) einige Worte sagen wollten. Italienisch natürlich.

In bekannter Verehrung und mit verbindlichen Grüßen Ihr Ihnen sehr ergebener (C.H.B.)

 

152. Leone Caetani an C.H.B. Rom, 28.6.1913

Camera del Deputatii

Hochverehrter Herr Professor,

ich bin krankgewesen, und in der Verwirrung ist Ihr hochgeschätzter Brief ohne Antwort geblieben. Ich bitte Sie mir zu verzeihen. Ich fürchte, daß in meinem jetzigen Zustande, mit viel aufgehäufter Arbeit es mir unmöglich sein wird, eine Notiz über Winckler zu schreiben. Da ich auch kein Assyriologe bin, würde mein Urtheil über diesen Theil seiner Lebensarbeit sehr dürftig bleiben. Ich habe ihn nur als Historiker studiert und bewundert. Er hatte einen weiten und tiefen Blick, und was wir Italiener nennen „intuizione storico“. Er sah was geschehen war. Ich danke ihnen für die Kopie von Batudz, die ich noch nicht erhalten habe.

Ich finde „Der Islamausgezeichnet: es konnte nicht besser gemacht werden.

Ich hoffe (daß) Sie (sich) in bester Gesundheit befinden und immer tüchtig arbeiten können.

Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst Leone Caetani

 

153. C.H.B. an Don Leone Caetani, Principe de Teano, Via Botteghe Oscure 32.

Bonn, 6.7.1914 (Maschinenkopie)

Hochverehrter Freund,

vor ein paar Tagen empfing ich die zwei stattlichen Teile Ihrer Chronographia Islamica und beeile mich, Ihnen meinen verbindlichsten Dank dafür auszusprechen. Ich hatte mich seiner Zeit bereit erklärt, selbst eine Besprechung der Chronographie für den Islam zu übernehmen, aber das Rezensionsexemplar ging auf dem Wege zwischen Geuthner und Trübner verloren, und meine Reklamation blieb von Seiten Geuthners unerledigt. Ich hörte von letzterem, daß Sie von diesem Werke gar keine Exemplare verschenkten und konnte das auch sehr wohl würdigen und verstehen. Um so überraschter bin ich allerdings jetzt, plötzlich diese kostbare Gabe von Ihnen zu erhalten. Ich darf ja wohl annehmen, daß es sich um ein Rezensionsexemplar handelt. Jedenfalls werde ich es so betrachten und alsbald darüber referieren. Für heute kann ich Ihnen nur meine aufrichtige Bewunderung aussprechen, daß Sie uns auch mit diesem neuen praktischen Werke bereichert haben. Solche Regesten sind auch neben Ihren Annali geradezu unentbehrlich, namentlich für den Unterricht. Hoffentlich gelingt es Ihnen, dieses Unternehmen recht zu fördern und trotzdem die Annali nicht zu vernachlässigen. Es wäre doch schön, wenn Sie auch die Annali bis zum Jahre 750 vollenden könnten. Ich bewundere dies Werk um so mehr, je öfter ich es benutze.

Sie haben von mir in den letzten Jahren nur Kleinigkeiten erhalten. Ich war in Hamburg übermäßig mit organisatorischen Aufgaben belastet und habe mir leider dabei eine erhebliche Schädigung meiner Gesundheit zugezogen. Ich erhole mich jetzt in der Ruhe von Bonn langsam, aber ich bin dadurch genötigt, nur mit halber Kraft zu arbeiten, was mir sehr schmerzlich ist. Immerhin hoffe ich doch, in den nächsten Jahren wieder mehr publizieren zu können. Zahllose Arbeiten liegen halbfertig da. Je weniger ich selber zur Zeit leisten kann, um so mehr bewundere ich Ihre ungebrochene Arbeitskraft und hoffe nur, daß sie Ihnen im Interesse unserer Islamstudien noch recht lange erhalten bleiben möge.

Im Islam, Band V, 2/3, wird Sie wohl besonders die doppelte Auseinandersetzung Nöldekes mit den Lammen’schen Theorien interessiert haben. Ich war sehr glücklich, daß es mir gelang, den alten Herrn zu dieser Äußerung zu veranlassen. Auch mir ist es zweifellos, daß Lammens Hyperkritik treibt. Daß alle seine Sachen äußerst geistvoll sind, ist natürlich nicht zu leugnen.

Mit erneutem Dank und verbindlichen Grüßen

Ihr Ihnen aufrichtig ergebener (C.H.B.)

 

154. Leone Caetani an C.H. B. Rom, 13.7.1914

(Maschinenmanuskript)

Caro Professore,

Mi permetta di scriverle in italiano, ch‘ Ella ben comprende, ni risparmi del tempo, date le mie numerose occupazioni.

Ho piacere che Ella abbiy gradito l’invio dei due fascioli della Chronographia Islamica, che ho fatto per suggerimento del Geuthner. Questi mi aveva detto a Parigi, che Ella aveva que ricevuto il terzo fascicolo e che i primi due erano stati perduti. Quindi la continuazione dei fascicoli Le sarò rimessa direttamente dal libraio: cosí mi dice il Geuthner e, quando Le sarò comodo, Le sarò grato se me lo verrà confermare, essendo mio desiderio che ella abbia l’opera completa.

La ringrazio delle sue cortesi espressioni e mi auguro che Ella abbia a rimettersi presto in perfetta salute per contribuire con il suo grande ingegno e con la sua vasta coltura al nostro comune lavoro.

Spero anch‘ io giungere all’anno 750: intanto to Le comunico che il volume VII° degli Annali è quasi pronto e l’VIII° sarò composto per la fine dell ‘estate: con questo due volumi arriverà a tutto l’anno 35. Sono anche composti per circa la metà i volumi X° e XI°, che comprendo – no gli anni 36-40. Lavoro con tre tipografie e così spero di accelerare la pubblicazione, ma uno dei miei collaboratori mi ha abbandonato e non ho ancora potuto rimpiazzarlo.

In autunno uscierá il quarto fascicolo della Chronographia, che spero comprenderà fin tutta l’annata 85.

La saluto molto cordialmente Leone Caetani.

155. C.H.B. an Leone Caetani. Bonn, 21.7.1914

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Prinz,

freundlichen Dank für ihren Brief vom 13. Juli, den ich erst heute beantworte, da ich inzwischen mit meinem Verleger korrespondiert habe. Die Versendung der Rezensionsexemplare der Chronographia ist von Geuthner offenbar sehr nachlässig besorgt worden, denn es ist nicht richtig, daß ich das dritte Fascikel bisher erhalten habe. Das erste ging verloren, das zweite schickte mir jetzt der Verleger. Fascikel 1 & 2 erhielt ich von Ihnen. Bitte lassen Sie mich wissen, wohin ich das doppelte zweite Fascikel senden soll und haben Sie die Freundlichkeit, mir das dritte und die folgenden Fascikel direkt zugehen zu lassen. Ich werde dann jedenfalls im Islam darüber sprechen. Ich beglückwünsche Sie auch heute nochmals zu dem schnellen Erscheinen Ihrer Werke. Mich erfüllt es mit besonderem Neid, da meine Gesundheit mich in letzter Zeit häufiger zur Schonung zwingt. Trotzdem hoffe ich, wenn ich mich diesen Sommer vollständig erholt habe, mehrere Arbeiten schnell hintereinander herauszubringen.

Mit verbindlichen Grüßen und nochmaligem besten Dank

Ihr Ihnen verehrungsvoll ergebener (C.H.B.)


1 Da ich leider kein Arabisch kann, dürfte meine Transkription der arabischen Namen etwas zweifelhaft sein. Die Thematik dürfte trotzdem einigermaßen klar geworden sein.

2 Enigma, wohl wie franz. Énigme = Rätsel

3 er meint wohl: aufzwingen; franz. imposer