Reichswirtschaftsminister Curtius, 1927

VI. Nachl. Becker Nr.142

164. Reichswirtschaftsminister Curtius an C.H.B. z.Z. Karlsbad 19.9.1927

Persönlich (Maschinenmanuskript)

Sehr verehrter Herr Kollege!

In der mir ärztlich auferlegten Muße der Karlsbader Kur habe ich mich erneut mit dem Problem des Reichsschuldengesetzes beschäftigt. Ich höre, daß die erste Lesung des Reichstages mit Rücksicht auf die Reichsratsverhandlungen noch hinausgeschoben werden muß. Für diese soll eine preußische Denkschrift in Vorbereitung sein. Ich wäre Ihnen sehr verbunden, wenn Sie es möglich machen könnten, mir diese Denkschrift, sobald es geht, unmittelbar zuzusenden.

Mit besten Empfehlungen und Grüßen Ihr sehr ergebener Curtius.

 

165. C.H.B. an Minister Curtius, Karlsbad. Berlin, 21.9. 1927

Einschreiben! Persönlich! (Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Kollege!

Ihrer Bitte entspreche ich gern. Ich muß Sie nur dringend bitten, die Einlagen als wirklich geheim zu betrachten. Das Gutachten ist mein persönliches Votum an die preußischen Staatsminister; in ihm ist in jedem Falle zunächst einmal die Problemstellung gegeben – natürlich von meinem liberalen Standpunkt aus. Ich versuche schon einen Kompromiß, doch wird die endgültige Denkschrift des Preußischen Kabinetts natürlich ziemlich anders aussehen. Nach langen Zwischenverhandlungen und Referentenbesprechungen haben wir gestern in einer 5-stündigen Kabinettssitzung endgültig Beschluß gefaßt, der natürlich einen Kompromiß mit dem Zentrum darstellt. Die für die Sitzung hergestellte Drucksache habe ich persönlich korrigiert, so daß Sie daraus ersehen können, wie die preußischen Anträge an den Reichsrat aussehen werden. Zurzeit wird noch an der Begründung gearbeitet, die sich im wesentlichen an das Gutachten anschließen wird. Aber naturgemäß nun den Zentrums-standpunkt mit hineinarbeiten muß. Ich glaube, daß die Volkspartei nicht weniger liberal sein kann als die preußischen Zentrumsminister. Infolge dessen könnte vielleicht schon bei entsprechender Einwirkung auf Herrn von Keudell im Reichsrat die Entwicklungslinie des Preußischen Votums in das Reichsgesetz Aufnahme finden. Sie werden natürlich merken, daß wir uns in einigen Punkten um die Schwierigkeit gedrückt haben, indem wir die Sache der landesrechtlichen Regelung überwiesen. Ich glaube aber, daß es ein sehr vernünftiger Weg ist, da die Hauptschwierigkeit darin besteht, eine reichsrechtliche Formulierung zufinden, die uns auf die sehr verschiedenen Verhältnisse der einzelnen Länder paßt. Das gilt namentlich für den geordneten Schulbetrieb.

bemerke übrigens, daß ich das Gutachten privatschriftlich und persönlich den Herren Marx und von Keudell habe zugehen lassen, die es aber ihrerseits, wie ich zu meiner Freude bemerkt habe, tatsächlich geheim gehalten haben. Die andere Drucksache ist bisher noch in keine andere Hand gelangt. Ich glaube mich aber dazu ermächtigt, Sie darüber zu orientieren, da in wenigen tagen die preußischen Beschlüsse ja doch offiziell an den Reichstag gehen werden. Ich bemerke aber ausdrücklich, daß das Protokoll der Sitzung noch nicht von allen Herren Ministern ratifiziert ist. Sie wissen ja selbst am besten, daß bei so komplizierten Gesetzesvorlagen, die wir im Kabinett und ohne Referenten bearbeitet und verabschiedet haben, nachträglich noch hier und da Korrekturen angebracht werden müssen. Mein Gutachten ist übrigens im benachbarten Marienbad entstanden, wo ich einige Wochen zur Kur war.. Ich bin sehr glücklich, daß wir tatsächlich trotz der ungeheuerlichen Schwierigkeit der Aufgabe die Termine eingehalten und, wie mit der Reichsregierung verabredet, tatsächlich am 20. September d.J. endgültig Beschluß gefaßt haben.

Mit den besten Wünschen für Ihre Kur und in der Hoffnung Sie nach Ihrer Rückkehr einmal persönlich sprechen zu können Ihr Ihnen aufrichtig ergebener (C.H.B.)