Ernst Cassirer, 1919-25

VI HA Nachl. Becker C.H. Rep.92 Becker C., Nr.96

249. Ernst Cassirer an C.H.B. Berlin, 13.3.1919

Sehr geehrter Herr Geheimrat!

Würden Sie gestatten, Sie gelegentlich einmal im Kultusministerium aufzusuchen, um über eine persönliche Angelegenheit mit ihnen Rücksprache zu nehmen? Ich wäre Ihnen für die Angabe einer Stunde, zu der ich Ihnen nicht ungelegen käme, sehr dankbar.

Ich bin mit den besten Empfehlungen in vorzüglicher Hochachtung Ihr Ernst Cassirer1.

Anmerkung Beckers: Mittwoch 26.(3.), 11 Uhr.

 

250. Ernst Cassirer an C.H.B. z.Z. Düsseldorf, 24.2.1924

Hochverehrter Herr Staatssekretär.

Verzeihen Sie mir, wenn ich die freundliche Zusendung Ihres Aufsatzes über Spengler erst heute mit dem Ausdruck des herzlichsten Dankes beantworte: ich war in den letzten Wochen durch akademische Verpflichtungen und durch den Abschluß einer größeren Arbeit so viel-fältig bedrängt, daß meine Korrespondenz sehr stark darunter gelitten hat, und ich noch jetzt während einer Reise die freie Zeit finde, das Versäumte einigermaßen nachzuholen.

Das Interesse, das Sie meinem kleinen Aufsatz über die Begriffsform im mythischen Denken entgegenbringen, war mir um so wertvoller und ermutigender, als die Probleme, die ich in diesem Aufsatz nur kurz skizziert habe, mich gerade jetzt wieder sehr eingehend beschäftigen. Ich habe in der Vorbereitung des zweiten Bandes meiner Philosophie der symbolischen Formen, der ausschließlich die Philosophie der mythischen Denk – und Anschauungsform behandeln soll. Hierbei empfinde ich es auf Schritt und Tritt, wie sehr der Philosoph, wenn er in diesem Fach nach ganz unwegsamen Gebieten einigermaßen weiter kommen will, überall auf die intensive Mithilfe und auf die Meinung der speziellen Fachkenner angewiesen ist. Ihr Aufsatz läßt mich hoffen, daß es mir gelungen ist, auch Ihr Interesse für einen Problemkreis zu erwecken, der wenn überhaupt nur in aktiver Zusammenarbeit zwischen systematischer Philosophie und den Einzelphilologien zu bewältigen sein wird. Ich werde im Laufe der näch-sten Woche in Berlin sein, da ich unmittelbar vor meiner Abreise durch Herr Geheimen Oberregierungsrat Pallah die Aufforderung erhielt, am 6. März im Zentralinstitut für Erziehung und Unterricht zu sprechen – eine Aufforderung, die ich um so lieber angenommen habe, als das Thema, das er mir vorschlägt und das sich wohl an einen von Ihnen kürzlich gehaltenen Vortrag anschließt, ganz im Rahmen meiner jetzigen Arbeit liegt.

Sollte sich bei dieser Gelegenheit die Möglichkeit zu einer persönlichen Rücksprache mit Ihnen ergeben, so würde mir das sehr wertvoll sein: ich würde dann nur um eine ganz kurze Mitteilung bitten, wenn ich Sie in der Zeit vom 4.-6. März einmal aufsuchen dürfte.

Ich bin in ausgezeichneter Hochachtung Ihr aufrichtig ergebener Ernst Cassirer.

 

251. C.H.B. an Ernst Cassirer, Professor in Hamburg. Berlin 27.2.1924

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Kollege!

Ich danke ihnen bestens für Ihren freundlichen Brief vom 24. des Monats. Ich freue mich sehr, daß Sie den Vortrag im Namen der Veranstaltung des Zentralinstituts übernommen haben. Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, daß ich in diesen Tagen von Berlin abwe-send sein werde, da ich schon diese Woche einen dringend notwendigen Erholungsurlaub antrete und für 14 Tage in die Schweiz fahre.

Mein Vortrag führte den Titel „West-östliche Kulturkritik“ und enthielt eine Kritik der islamischen Zivilisation vom Standpunkt des Europäers. Im ersten Teil untersuchte ich die Grundlagen der islamischen Zivilisation im Verhältnis zu Europa und wie ihre Wesensart in die verschiedenen Formen der Rezeption der Anteile von Ost und West sich auswirken. Im zweiten Teil untersuchte ich die Rückwirkung des modernen Europa auf den heutigen Orient. Als einleitender Vortrag des Unternehmens stand er völlig isoliert und hatte nichts mit der planvollen Reihe zu tun, die Ihr Vortrag einleiten soll.. Da das Thema Ihres Vortrages Ihrem Buche entnommen ist, bin ich besonders froh und dankbar, daß Sie sich entschieden haben, durch Ihre persönliche Mitwirkung unserem Unternehmen eine besondere Weihe zu geben.

Mit vorzüglicher Hochschätzung Ihr ergebenster (C.H.B.).

 

252. C.H.B. an Ernst Cassirer. Berlin, 9.3.1925

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Kollege!

Für das mir durch Vermittlung des Bruno Cassirer Verlags, hierselbst, freundlichst übersand-te Buch Philosophie der symbolischen Formen, Zweiter Teil: Das mythische Denken sage ich Ihnen meinen verbindlichsten Dank. Ich hoffe, bald eine Mußestunde zu finden, um die mich sehr interessierende Schrift in Ruhe lesen zu können.

Mit vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster (C.H.B.)


1 Ernst Cassirer *1874 Breslau + 1945 New York. Philosophieprofessor bis 1933 in Hamburg, Emigration nach England Professor in Oxford 1933-35, dann in Göteborg/Schweden. Vetter von Bruno und Paul C.