Einführung zu 8.2

Erneut bestätigt sich hier meine zu Beginn des Teils III geäußerte These, daß sich bei Becker immer der Orientalist und Wissenschaftler mit dem Kulturpolitiker die Waage hält.

Interessant und anrührend ist der Briefwechsel mit seinem Heidelberger Professor für Assyriologie C. Bezold zwischen 1897 und 1921 (Nr. 111-224). Die geradezu liebevolle Begleitung des jungen Studenten während der Studienzeit in Heidelberg und Berlin, aber auch während der Vorbereitung der Habilitation in Kairo 1900-1902, die freundlichen Empfehlungen an Kollegen in London, Paris, Berlin und Budapest: die Internationale der modernen Islamforscher war seinerzeit durchaus überschaubar, man kannte sich eben. So eine intensive Betreuung eines jungen Akademikers war wohl nur möglich bei überschaubaren Studentenzahlen.

In London bereitete Becker 1897 seine assyriologische Dissertation vor. 1899, frisch promoviert, schreibt Bezold an den „lieben Herrn Doctor) (Nr. 113) von einer freundlichen Erwähnung der Doktorarbeit durch Goldziher-Budapest, einem der Begründer der modernen Islamwissenschaft. Inzwischen bereitete Becker seine Habilitation in Berlin vor, wo er ein Jahr verbrachte. Zusammen reisten sie nach Rom und später – sozusagen als Unterbrechung bei der Rückkehr aus Kairo 1901, auch durch den griechischen Archipel. In einem Brief nach Kairo befürwortet er Beckers „Conversationsstunden in der arabischen Umgangssprache“. Im gleichen Brief wird auch Snouck-Amsterdam zitiert, der holländischen Islamwissenschafts-Koryphäe, der Beckers Arbeit lobend erwähnt. Für den Herbst 1901 erwartet Bezold bereits die private Zusendung von Beckers Habilitationsschrift (Nr. 122).

Kleiner Hinweis auf die Postverbindung Kairo – Heidelberg: ein Brief brauchte nur 9 Tage! (Nr. 125)

„Selbstverständlich“ – so Bezold Februar 1902 – bin ich zu allen Correcturen und Revisionen, die Sie mir senden lassen, stets bereit.“(Nr. 126) Auch privatim entwickelten sich die Beziehungen auf das freundschaftlichste – sowohl anläßlich von Beckers Hochzeit als auch zur Geburt der Kinder oder der Krankheit der Mutter Beckers. (Nr. 138).

Nach der Privatdozentenzeit in Heidelberg geht Becker 1908 nach Hamburg ans Kolonialinstitut, wo Bezold seinem Schüler immer wieder gute Ratschläge gibt (Nr.139). Im gleichen Brief warnt er Becker vor einer „vorauseilenden“ Idee einer Universitätsgründung, die dann auch trotz jahrelanger Bemühungen des ungestümen Beckers scheiterte. Deshalb ging er 1913 an eine „richtige Universität“ nach Bonn, wie Bezold betont, wo er bis 1916 lehrte. Im Frühjahr 1916 wird er ins Preußische Kultusministerium berufen.

Das Jahr 1909 ist für Becker auf einem wichtigen Gebiet von Bedeutung: er gründet die Zeitschrift Der Islam“, wobei sein väterlicher Freund mit Rat und Tat hilft. (Nr. 140)

Angesteckt von Beckers Ägyptenliebe, reist Bezold im Jahre 1909 dorthin und stöhnt über den „langen Eselsritt“ in Theben (Nr. 141). In Assuan, so heißt es im Frühjahr 1909, „regnete es – wie seit 30 Jahren nicht geschehen war.“

Auf Beckers schriftliche Glückwünsche zum 50. Geburtstag entgegnet Bezold:

„Daß ich diesmal 50 Jahre alt geworden bin, ist mir vorderhand noch nicht so peinlich, als mir vor 10 Jahren die 40 wurden. Man gewöhnt sich eben allmählich an die absteigende Bewegung: kostet weniger Schweiß und geht schneller.“ (Nr. 142) Im gleichen Brief lobt er: „Die sachliche Ruhe, mit der Sie sehr heikle Fragen behandelt haben, ist dabei besonders zu rühmen, und daß Sie andererseits sehr energisch für die wissenschaftliche Bildung der (Kolonial-) Beamten eintreten, … finde ich in Ordnung.“

Auch Bezold sieht die christlichen Missionen, wie Becker, eher kritisch:

„Das Zugeständnis, daß die Missionen ein Kulturfactor sind, das wir einfach nicht entbehren können, hätte ich nicht über mich vermocht! Ich weiß nicht, wie weit die Holländer dem beistimmen würden; und die halten doch wohl auch Sie für die besten Kolonisatoren? Aber Sie wissen, ich spreche als fernstehender outsider. Und dann eine nur wenig überzuckerte Pille, daß die Mission dem Islám – in die Hände arbeitet, bleibt für alle Gläubigen zu schlucken!“ (Nr. 142)

Becker entgegnet auf seine beanstandete Stellung zur Mission, sie sei

„ein Produkt der Hamburger Luft, d.h. ein Kompromiß zwischen den Tatsachen und der Praxis. Wer beobachtet, wie die kolossalen amerikanischen Missionsunternehmungen in Ostasien der politischen Propaganda Amerikas den Boden bereiten, der erkennt, was für ein wichtiger Faktor die Mission bildet.“ (Nr. 143)

1909 gratuliert Becker seinem verehrten Lehrer zur Gründung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

Interessant die Bemerkung Beckers über den neuen Kollegen Meinhof, der den Kiautchou-Vertrag verfaßt hat sowie den „Staatsvertrag über die neugegründete chinesisch-deutsche Hochschule.“(Nr. 145)

Die Aversion des Hamburger Senats gegen eine

Universität alten Styles (sei) nicht zu leugnen. Man fürchtet zunächst die Studenten, besonders die mit den bunten Mützen, dann aber namentlich in Kaufmannskreisen die Schaffung eines selbständigen, neuen Körpers, der unausbleiblich die führende Rolle in dem geistigen Leben Hamburgs übernehmen wird …“

1910 lobt Becker seinen Schüler Dr. jur. F.F. Schmidt (gerade Assessor geworden), der im Sommer bei Bezold promovieren will; er sei ein ungewöhnliches Sprachtalent („Arabisch mit vollendetem Accent“), Dolmetscher für Marokkanisch. Er legt eine Arbeit vor über islamisches Recht. Wir werden ihn im Ersten Weltkrieg als Beckers Informant über die Türkei noch genauer kennenlernen! (Nr. 152)

Begeistert berichtet Bezold über einen öffentlichen Vortrag von Leopold von Ranke über ägyptische Kultur – ein Autor, der auch heute noch durchaus lesenswert ist, im Gegensatz etwa zu seinem Zeitgenossen Treitschke. (Nr. 155)

1911 reist Becker erneut nach Kairo (Nr. 158), wo er von Bezold gemahnt wird, seinen Beitrag für die Goldziher-Festschrift doch bitte zuzusenden (Die Postkarte brauchte nur fünf (5) Tage von Heidelberg nach Kairo!) Leider mußte Becker seine Reise fluchtartig abbrechen wegen der schweren Krankheit seines Sohnes Walter. In dem Dankesbrief Beckers (Nr. 160) ist Sohn Walter bereits auf dem Wege der Besserung, brauche aber mildes Klima, so daß die Familie auf die Isle of Wight fahren werde. Der Artikel für Goldziher wird nunmehr eine Studie der ersten christlichen Polemik gegen den Islam in ihrer Wirkung auf die Hadith und die islamische Glaubenslehre“ und wird kurze Zeit darauf versandt.

Im Mai 1911 wird ein neues Vorlesungsgebäude des Kolonialinstituts eingeweiht mit einer Rede von Professor Marcks, Senatsdiener (und gewiß auch einer Rede Beckers). Was den Ausbau des Instituts zur Universität angeht: „Jeder hat seine Meinung in der Sache, wirkliche Sachkenntnis aber selten.“ (Nr. 164)

Wie umfangreich die Spannbreite von Beckers Tätigkeit zu dieser Zeit war, wird im gleichen Brief deutlich: druckfertig machen der Papyrie, Islam in Afrika-Kolleg; dagegen geringe Beteiligung an den philologischen Kollegs, für Syrisch und den Koran …

Über Marokko schreibt Becker (Nr. 166, 3.7.1911, – 2. Marokkokrise mit der Besetzung von Fes durch die Franzosen):

„Ich wußte schon seit langem, daß etwas bevorstand und bin wirklich froh, daß es endlich soweit ist. Das Vorgehen der Franzosen bedeutete doch eine derartige Verachtung des deutschen Standpunktes, daß es sich nur mit der allgemeinen deutschen Uninteressiertheit in der auswärtigen Politik erklärt, daß sich die öffentliche Meinung das so lange gefallen ließ. Mit brennender Spannung sehe ich die Weiterentwicklung der Dinge entgegen; denn die Interessen, die speziell auch hamburgische Firmen in jener Gegend haben, sind außerordentlich groß.“

Das Problem bestand u. a. darin, daß bei einer Ausdehnung der französisch-britischen usw. Kolonialreiche die Häfen zumeist für die deutschen Kaufleute gesperrt waren!

Im November 1911 heißt es (Nr. 170), daß man momentan die Universitätsfrage diskutiere, „aber der Name Universität wirkt hier über alle Maßen abschreckend.“ Der Senat wolle zwar, aber die Bürgerschaf …

Eine Fahrt mit Bezold und anderen Orientalisten nach Budapest zu Ehren Goldzihers mußte Becker, nach anfänglicher Zusage, dann doch absagen wegen der Krankheit seiner Frau. (Nr. 173) Die Festreden erfolgten auf Ungarisch, Deutsch, Lateinisch, Arabisch und Assyrisch …

Für 1912 plante Becker mit Kollegen die Herausgabe eines Grundrisses der semitischen Philologie bei Trübner, worin Bezold für die assyrische Literatur gewonnen werden soll. (Nr. 175)

Im gleichen Jahr trafen sich Bezold und Becker zum Orientalistenkongreß in Athen (Nr. 179) – bei der Rückreise erfuhren die Reisenden in Italien den Untergang der Titanic (vgl. die Privatbriefe)

Im Juli 1913 beglückwünscht Bezold seinen Schüler „zur Rückkehr an die Hochschule!“ Becker hatte in Hamburg das Handtuch geworfen wegen der ablehnenden Haltung der Bürgerschaft zur Universitätsgründung und nahm einen Ruf nach Bonn an.

Bezold plante für 1916 einen Kongreß für Religionswissenschaft (Nr. 193 und 196) – wie man sich denken kann, ging diese Planung in „Stahlgewittern“ unter. Im gleichen Brief berichtet Bezold von gemeinsamen Ausgrabungen in Ägypten mit der Universität Freiburg. Von seiner Reise dorthin im Jahre 1914 brachte Bezold 49 Kisten mit erworbenen Schätzen, was noch manchen Schweißtropfen kosten wird.“ (Nr. 198)

Der Kriegsausbruch im August 1914 sieht Becker bei der Verwundeten-Verpflegung („es hat sich Gewaltiges ereignet“). (Nr. 202) Bezold arbeitet in Heidelberg an einem Zentralnachweis aller hier befindlichen Verwundeten“ (Nr. 203) – die anfängliche Euphorie sollte jedoch bald bei beiden abkühlen. Bezold fragt sich:

„Was mag von Ägypten kommen? … Ich halte Englands Erniedrigung auf die Kulturstufe, die es jetzt vor aller Welt eingenommen hat, für eine Schmach für ganz Europa gegenüber dem Orient…“1

Und Becker hofft in seinem Neujahrsbrief (Nr. 204),

„daß wir uns 1915 wieder einmal gemütlich sehen werden und daß es auch nach den schweren, bangen Kriegszeiten uns einen ehrenvollen Frieden bringe.“

Sein Schüler Dr. Graefe sei gefallen und um Hellmuth Ritter in der Türkei mache er sich Sorgen.

1914/15 lieferten sich der Holländer Snouck und Becker ein erbittertes Wortgefecht in der Presse. Bezold schreibt dazu (Nr. 206): „Ich suchte möglichst sachlich nach Snoucks Motiven;

  • eines ist entschieden der Gedanke an die niederländisch-indischen Moslims …;
  • daß andere sehe ich darin, daß Snouck ja selber Moslem ist … und am Ende auch durch den Zwang Fes g`had verärgert wird.
  • Aber das pazifistische (utopistische) Element gehört wahrhaftig nicht in die Fluten – die blutgetränkten – der jetzigen Politik,
  • und dem Gespenst des „Glaubenshasses“ sind Sie mit Recht energisch zu Leibe gegangen.“

Im Zusammenhang mit einer Amulettstudie Bezolds (Nr. 212) verweist Becker u.a. auch auf ein Werk Canaans „Volksmedizin und Aberglaube im Lande der Bibel“, insbesondere wegen der abessinischen Parallelen … und damit auf die geistigen Beziehungen zwischen Ägypten und Abessinien neues Licht fällt.“ Im gleichen Brief berichtet Becker über die ausführlichen Nachrichten von F. F. Schmidt und Ritter. Die Armeniergreuel2 übertreffen alles bisher Dagewesene.“ Die Rückwirkung auf die deutsche Innenpolitik wird angedeutet.

Osmanisches Reich im I. Weltkrieg
Osmanisches Reich im I. Weltkrieg

Wegen der türkischen Probleme haben Beckers Vorlesungen und Vorträge gewaltigen Zulauf (Nr. 213).

Die Berufung Beckers ins Preußische Kultusministerium im Frühjahr 1916 ist eine Zäsur in seinem Schaffen, denn Forschung und Lehre rücken nunmehr in den Hintergrund gegenüber seiner Tätigkeit als Personalreferent der preußischen Universitäten. Die Korrespondenz mit Bezold bricht praktisch ab bis Sommer 1919. Zu diesem Zeitpunkt ist Bezold bereits Professor in Bonn. Verschiedentlich wendet sich der junge Staatssekretär an seinen väterlichen Freund bei Besetzungsfragen von Lehrstühlen (Nr. 222). 1922 stirbt Bezold und hinterläßt seinem Freund eine große Lücke.

***

Von großem Interesse für Becker waren die folgenden Briefe und Tagebuchberichte Hellmut Ritters (Nr. 225-349), die zuweilen die Zensurbehörde des Auswärtigen Amtes etwas beunruhigten (17.7.1915), denn mancher Brief ging wohl „verloren“ oder enthielt ein Beiblatt mit dem Hinweis auf absolute Geheimhaltung des Inhalts …

Die Briefe Ritters beginnen im Januar 1915 nach einem halben Jahr auf den Schlachtfeldern des Westens; als Dolmetscher ohne militärischen Hintergrund war er dennoch als „Leutnant“ und dank Beckers Unterstützung als „Dr.“ ein Verbindungsglied zwischen deutschen Militärs um von der Goltz und den türkischen Stäben, was ihn zu nicht immer erfreulichen Einsichten verhalf … Rumänien war zu dieser Zeit noch neutral, drückte bei der Passage deutscher Offiziere in Zivil aber ein Auge zu (19.1.1915).

Die folgenden Berichte zeigen Ritters intensive Bekanntschaft mit der anatolischen Eisenbahn, dem Weiterbau durch das Taurusgebirge, das Umladen auf Esel und Kamele oder Büffelwagen – Odysseen eines Armeekorps, das, einmal angekommen in Jerusalem, nach nicht langer Zeit zurückbeordert wurde an die Galipolifront – von Jerusalem reist er nach Damaskus, Baalbeck und Aleppo – kurzum, er lernt Land und Leute kennen, wenn auch auf eine besondere Art.

Im Tagebuch berichtet er am 24.2.1915 von der Begegnung mit zwei deutschen Offizieren, die an der Suezkanalexpedition teilgenommen hatten. Interessant seine Diskussion des sog. „Heiligen Krieges“:

„Überall, wohin ich kam, entsprach das Volksempfinden ganz dem Fetwa. Gehaßt die Nation der Engländer, die Nation der Russen, der Franzosen, geliebt die Nation der Deutschen und ihr vortreffliches Heer und ihr vielgepriesener Kaiser.“

Und weiter unten heißt es:

„Die Stimmung des muslimischen Volkes ist für die Deutschen gewonnen gegen die Engländer, nicht so sehr für die Befreiung des Islam …“

Ziemlich deutlich spricht Ritter von den Konflikten zwischen Arabern und Türken, wobei erstere recht schlecht wegkommen. Doch mag das natürlich an der osmanischen Politik liegen, die die Araber zweitrangig behandelten … (Jerusalem, 1.3.1915) Ein Djihad von Konstantinopel aus erklärt, sei

„eine Lächerlichkeit. Hier im Lande (Palästina!) ist er gänzlich ins Wasser gefallen. Wenn Deutschland das beweisen wollte, daß religiöse Aufrufe von Konstantinopel aus ohnmächtig und wirkungslos sind, so hat es einen großen Erfolg zu verzeichnen. Wo er hier gezündet hat, hat er in der alten Form gezündet. Hier hat ein Scheich tatsächlich zur Austreibung sämtlicher Giaurs aufgefordert, hat aber begreiflicherweise keinen Erfolg gehabt. In Stambul hat der Pöbel ein paar europäische Läden zerschlagen. Das ist alles. Dieser Djihad ist kein Djihad, sagen die arabischen Scheiche, die auf die Türken so wie so nicht besonders zu sprechen sind.“ (Jerusalem, 6.3.1915)

Am 31.3.1915 bestätigt Prüfer (vom Auswärtigen Amt) die Bemerkungen Ritters über die Spannungen zwischen Arabern und Türken. Sehr schlecht kommt dabei auch die deutsche Orientpolitik weg, die den Briten und Franzosen nichts entgegengesetzt hätte. „Hier lieben uns weder die Christen noch Juden. Am loyalsten sind noch die Muhammedaner.“

Im Tagebuchbericht vom 19.4.1915 aus Jerusalem geht Ritter erneut mit der türkischen Politik ins Gericht:

„Die politische Lage ist ja sehr prekär hier. Die Araber sehnen sich nach Befreiung vom Türkenjoch; die Abneigung wird nun noch künstlich vergrößert einesteils durch mancherlei Unbequemlichkeiten, die der Krieg, für den auch nicht das geringste Interesse herrscht, und die Anwesenheit so großer Truppenmengen überhaupt mit sich führt, andererseits durch die türkisierenden Bestrebungen Djemal Paschas. Ein Ukas befiehlt, daß in allen Schulen (auch den deutschen, wie Schnellers Waisenhaus) türkisch gelehrt werden solle – um das Geld und die Lehrkräfte kümmert sich natürlich niemand -, aller arabische Schriftverkehr mit den Behörden hat, sehr zum Ärger der Araber , aufgehört.“

Falls die Kapitulationen aufgehoben würden, würden viele Deutsche aus Jaffa abreisen (26.4.1915). Ein türkischer Sieg würde sich gegen alle Fremden richten! Becker entgegnet am 12.5.1915:

„Mir sind Ihre Erlebnisse und Eindrücke nicht sehr überraschend und halte ich den ganzen arabischen Besitz der Türkei überhaupt für stark gefährdet, wenn die Türkei nicht endlich damit Ernst macht, die Verwaltung zu arabisieren.“

Und weiter unten heißt es:

„Ich weiß von maßgebender Stelle, daß man bei uns tatsächlich die Absicht hat, das wirtschaftliche Staatsinteresse der Türkei auch gegen die privatwirtschaftlichen Interessen selbst des deutschen Kapitalismus zu schützen, und zwar nicht etwa aus sentimentalen Gründen heraus, sondern weil eine innerlich gestärkte und gekräftigte Türkei auch den wirtschaftlichen Zukunftsinteressen Deutschlands mehr entspricht.“

Im Juni 1915 ist ein ägyptischer Nationalist, Scheich Schawisch, Vertrauensmann Enver Paschas, in Berlin. Becker berichtet vom Frühstück mit diesem Abgesandten Folgendes (14.6.1915)

„Aus Unterhaltungen mit ihm gewann ich die Bestätigung meiner alten Ansicht von der allzu großen Fairheit unserer auswärtigen Politik vor dem Kriege. Hätten wir, seinem Rate folgend, rechtzeitig Waffen in orientalische Gebiete eingeschmuggelt, was England und Frankreich ganz gewohnheitsmäßig tun, so wäre der Aufruf zum Djihad wirkungsvoller gewesen. Erschreckend ist vor allem der Hochmut der Jungtürken, nur wenige ganz fähige Köpfe sehen die eigenen Fehler ein.“

Interessant auch im gleichen Brief die Erörterung der Kriegsziele Deutschlands.

In seinem Brief aus Anatolien (23.5.1915) berichtet Ritter von einer verheerenden Heuschreckenplage, die neben der Ernte auch den Eisenbahnverkehr sabotieren – die Räder drehen einfach durch… Etwas weiter unten wird von der Ansiedlung von Bosniern gesprochen; vor allem aber von den Armeniern:

„Der Haß gegen die Armenier ist groß. Wenn der türkische Bauernjunge gerade so alt wird, daß er was lernen und schaffen könnte, wird er Soldat, und bei dem ununterbrochenen Kriegszustand, in dem sich die Türkei befindet, können wir jetzt, wo wir Ähnliches bei uns erleben, wohl vorstellen, welche schweren wirtschaftlichen Folgen diese Dauerabwesenheit der arbeitsfähigen Mannschaft haben muß. Was Greise, Frauen und Kinder ersparen können, schicken sie dem Vater und Sohn ins Feld. Etwas besser ist es seit der Abschaffung der 8jährigen Dienstzeit Abdul Hamid’s geworden, doch der Übelstand ist immer noch groß, weil der Staat jedes Jahr Krieg führt, sei es gegen den Westen, gegen Jemen, gegen Kurden oder sonst etwas.“

Balkankriege vor 1914
Balkankriege vor 1914

„Der Armenier sitzt derweil zu Haus, kriegt viele Söhne, jeder macht einen Laden auf und wird dick und reich, während sein gleichaltriger türkischer Nachbar des Sultans Rock trägt. Eine üble Folge des alten Gesetzes. Doch beginnt man jetzt schon, Christen und Juden einzustellen, was im Offizierskorps schon länger der Fall war.“ (24.5.1915)

Aus Kara Burnu in Anatolien schreibt Ritter (5.8.1915):

„Von den Armeniern wird nicht mehr viel übrigbleiben, welch wirtschaftlich kurzsichtige Politik! … Ein deutscher Unternehmer war im Taurus, ob man an den Wasserfällen eine Spinnerei machen könnte. Er kam enttäuscht zurück: Wasserkraft genug, aber keine Menschen.“

Ende Juli 1915 schreibt Ritter aus Stambul (28.7.1915) über die Türkei:

„Je tiefer man hineinsieht in die Verhältnisse dieses Landes, desto klarer wird einem, daß man die Fähigkeiten der Türken zu eigener selbständiger Vorwärtsentwicklung nicht tief genug einschätzen kann. Hoffentlich richtet Jäckh (Deutsch-Türkische Vereinigung in Berlin. Der Herausgeber) nicht zuviel Unheil an! Ein Bündnis mit der Türkei! Die ist überhaupt nicht bündnisfähig für uns.“

Im gleichen Brief schreibt er erneut über die „Armenier massacres“:

„Natürlich werden diese Gewalttaten unseres „Verbündeten“ einst uns zur Last gelegt werden. Kompromittieren wir uns nicht mit solchen Dingen! (Quelle F.F. Schmidt und Dr. Hoffmann, Fotos!)“

Am 1.8.1915 berichtet Ritter von Lepsius, der von Berlin gesandt wurde, um sich über die

„Armeniermassacres zu instruieren und reiste entsetzt ab, da alle Befürchtungen und Missionarsberichte weit übertroffen sind. Die Deutsche Bank hat aus Dresden einen Beamten, Herrn Schneider, geschickt, der von der Millionenerwartung der Deutschen Bank, die durch die Metzeleien gefährdet sind, einiges zu retten versuchen soll. Daß unsere Diplomatie versagt, ist selbstverständlich. Prinz Hohenlohe soll eine Note überreicht haben, aber alle Vorstellungen wurden mit zynischem Lächeln beantwortet. Enver soll gesagt haben: Ich weiß, daß wir uns 10 Jahre wirtschaftlich zurückbringen, aber der innere Feind muß ausgerottet werden. Für diese rachsinnige Art und Weise der Hinmordung gibt es keine Entschuldigung.

Daß die Sache nicht religiösem Fanatismus zuzuschreiben sei, wird mir in Zukunft niemand mehr weismachen. Man braucht geradezu den Fanatismus, um diesen „Djihad“ zu entfesseln. Es ist eine Art innertürkischer Panislamismus, für die es nur in Rußland Parallelen, aber hingegen harmlose Parallelen gibt.“

Leider fehlen jegliche Briefe und Tagebuchnotizen aus den Jahren 1916 und 1917.

Erst Anfang 1918 schreibt Ritter aus Nazareth (9.1.1918); am 4.5.1918 bereits aus der Heimat, Niederzwehren bei Kassel. Anfang 1919 ist Ritter Professor am Kolonialinstitut in Hamburg (1.3.1919) und verfolgt seine akademische Karriere, in enger Verbindung mit Becker der ihn weiterhin fördert. Außerdem übernimmt er von ihm die Herausgabe der Zeitschrift „Der Islam“. Rund ein Jahrzehnt nach den Bemühungen Beckers und seiner Mitstreiter, in Hamburg eine Universität zu gründen, erfolgte diese Gründung nunmehr im Jahre 1919 in der Anfangszeit Ritters.

Die Briefe Beckers kreisen insbesondere um die kulturpolitische Rolle des Reiches. Mehrmals reiste er zu den Verfassungsverhandlungen nach Weimar (14.7.1919):

„Es ist furchtbar, daß die Sozialdemokratie in ihrem Doktrinarismus, ihrer Unkenntnis der Verwaltung und ihrem Mangel an Führern die ja in jahrtausende langem Kampf der katholischen Kirche abgerungenen Rechte des Staates mit einem Federstrich preisgibt. Aber das Zentrum ist halt Trumpf und Erzberger Diktator. Die Protestanten haben in ihrer Angst vor Adolf Hoffmann und ähnliche Möglichkeiten sich für ihre Kirche alle Vorteile vom Staate errungen, ohne dem Staat irgendwelche Rechte zu lassen. Was den Einen recht war, war für die Anderen billig. So hat die Katholische Kirche schmunzelnd alle Vorteile mit eingesteckt, die einer evangelischen Landeskirche leider zu bewilligen waren. In Zukunft wird es niemand hindern können, wenn ein spanischer Mönch Erzbischof von Köln wird oder die gemischtsprachigen Gebiete an der Ostgrenze zu einer polnischen Diözese geschlagen werden usw. usw. Alle Beamten haben gewarnt, aber der Dilettantismus der politischen Machthaber ist jetzt Trumpf auf allen Gebieten. Ich versuche aber noch einiges zu retten, aber ich sehe schwarz. Hinter allem steht in letzter Linie im Augenblick der Kampf auf Leben und Tod zwischen Preußen und dem Reich.“

Am 20.3.1920 schreibt Becker an Ritter:

„Der wahnsinnige Husarenritt Kapps hat die Situation fatal nach links verschoben und es wird uns sehr viel Mühe kosten, all das neue gegen Bildung und Bürgertum angehäufte Mißtrauen zu überwinden. Nach solchen Heldentaten darf niemand von rechts mehr den Arbeitern einen Vorwurf machen, wenn sie in ihrer primitiven Denkweise die Konsequenzen aus dem Vorgefallenen ziehen.“

Becker war übrigens kurzzeitig in „Schutzhaft“ und wurde von Oberst Bauer in der Reichskanzlei vernommen.

Neben der gewiß arbeitsintensiven Tätigkeit im Ministerium hält Becker auch immer wieder Vorträge und Vorlesungen. Im Rahmen der Auslandsstudien für zukünftige Diplomaten spricht er über „England im Vorderen Orient“. (15.12.1920)

1925 wird Becker erneut Kultusminister in der Regierung Braun. Ritter schreibt ihm dazu:

„Ich glaube frei von aller Schmeichelei zu sein, wenn ich einmal ausspreche, daß ich Deine Islamstudien… immer noch für das Gescheiteste ansehe, was überhaupt in den letzten 20 Jahren auf unserem Gebiet erschienen ist. Es ist wirklich ein erheblich höheres Niveau als alles andere und auch von den vielen kollegialen Schafsköpfen auch nicht entfernt nach Gebühr gewürdigt.

Du bist der 1. Mann auf unserem Gebiet. Aber warum willst Du nun mit aller Gewalt in Rom der zweite sein? Es kann ja gar nicht gut gehen.“

In der Folge geht Ritter zurück in den Orient, zuerst nach Bagdad (1927), dann nach Istanbul (1928), wo der die Zweigstelle der DMG (Deutsche Morgenländische Gesellschaft) leitet – auf Distanz vom Dritten Reich.

***

Aus dem kulturpolitischen Briefwechsel möchte ich jenen mit dem preußischen Gesandten Denk in München (28 Briefe) und mit dem preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun (29 Briefe) hervorheben. Der Briefwechsel mit der DDP, der Deutschen Demokratischen Partei, für die – oder genauer bei der er als Redner auftrat, zeigt, daß er Männern wie Theodor Heuß und Walter Rathenau recht nahe stand, wenn er es auch ablehnte, Mitglied einer Partei zu werden – fühlte er sich doch der Partei der Bildung zugehörig! Daß das keine „Amtsver sicherung“ darstellte, mußte er nach fünf Jahren im Amt feststellen, so daß er 1930 seinen Rücktritt einreichte, nicht ohne zuvor einen tüchtigen Nachfolger, Grimme, empfohlen zu haben.

Als Staatssekretär setzte sich Becker 1922 für eine würdige Verwendung (und Versorgung!) des Ex-Kultusministers Haenisch ein. Und obwohl Braun eigentlich gegen dessen Ernennung zum Regierungspräsidenten war, wurde er es doch letztendlich. Braun hatte eher an eine Lehrtätigkeit an einer Berliner Hochschule gedacht.

Ab 1925, nunmehr Minister eines Riesenministeriums in der Wilhelmstraße, wurde der Kontakt zu Braun enger. All die Pläne Beckers wie Neugestaltung der Lehrerbildung, Pensionsgrenze der Professoren, Reichsschulgesetz, Jugend- und Sportförderung und das Konkordat mit dem Vatikan waren gar nicht durchzusetzen ohne engen Kontakt zum Ministerpräsidenten, den übrigen Kollegen Ministern und nicht zuletzt dem Landtag.

Braun setzte sich diskret für Einzelpersonen ein, wobei parteipolitische Probleme in den preußischen Provinzen überwogen (4.11.1925/17.3.1926; 6.5.1926)). Republikanisches Denken war dort nicht immer gegeben …

Zur Jahreswende 1926 schreibt ihm Becker (30.12.1926):

„Mit Schrecken höre ich, daß Sie ein neuerlicher Unfall betroffen hat. Das drängt mich, Ihnen von Herzen gute Besserung zu wünschen. Damit möchte ich zugleich meine besten Glückwünsche zum neuen Jahre verbinden. Auch Ihrer Frau Gemahlin bitte ich mich und meine Frau freundlichst empfehlen zu wollen. Hoffentlich sind Sie bald nach dem Jahreswechsel wieder wohlauf in unserer Mitte. Ich persönlich danke Ihnen besonders für die mir auch vergangenen Jahre allzeit bewiesene Unterstützung. Auf dem Rücken des armen Kultusministers werden manche der großen geistigen Kämpfe ausgepaukt, die sich nun einmal aus den Spannungsverhältnissen in unserem Volke ergeben. Da war ich oft dankbar erfreut über das Verständnis dieser Situation, dem ich immer bei Ihnen begegnet bin.“

1927 verfaßt Becker eine Denkschrift über das Reichsschulgesetz: „Sie ist ganz auf Versöhnung gestellt, ohne etwa Konzessionen an den Konfessionalismus zu machen.“ (28.8.1927)

Auch die Neuordnung des Studentenrechts steht im gleichen Jahr auf der Agenda (21.9.1927).

Die Studentenschaft war vorsichtig ausgedrückt nur in geringem Maße republikanisch, um nicht zu sagen deutschnational bis reaktionär gesinnt. Die Kontroverse um das Grußtelegramm des Reichsinnenministers von Keudell führte zu einem Protest Brauns bei der Reichsregierung, in dem er mit dem Abbruch „jedes dienstlichen Verkehrs“ droht. (30.11.1927) Die Regierungserklärung Brauns nach den Landtagswahlen vom Juni 1928 wurde in dem kulturpolitischen Teil von Becker verfaßt (7.6.1928). Dabei wird die rechtslastige Haltung der Presse deutlich, denn Braun beschwert sich darüber,

„daß der Rechenschaftsbericht der Regierung nicht in alle Kreise der Wählerschaft gedrungen (sei), da zahlreiche, vornehmlich rechtsstehende Blätter in Verkennung ihrer journalistischen Pflicht den Abdruck der Regierungserklärung unterlassen und damit den Lesern vorenthalten haben. Die Regierung war daher gezwungen (von Becker eingeklammert: um dieser journalistischen Sabotage wenigstens einigermaßen entgegen wirken zu können) auf andere Weise und auch unter Verwendung von Staatsmitteln dem Bericht die weitmöglichste Verbreitung zu geben.“

1929 setzt sich Braun für die Berufung Hans Kelsens an die Universität Frankfurt/M ein, da dieser in Wien „durch die nationalistische und antisemitische Einstellung gewisser Studenten- und Dozentenkreise… in seiner Lehr- und Forschungstätigkeit … beeinträchtigt wird.“ (26.9.1929)

Am 30.1.1930 tritt Becker zurück:

„Die politische Entwicklung der letzten Zeit hat mich zu der Überzeugung gebracht, daß die Auffassung führender Parteien von der Bedeutung der großen kulturellen Aufgabe meines Ministeriums so stark im Geiste abweicht, den ich in langen Jahren mühevoller Arbeit im Dienste der geistigen und politischen Erstarkung der deutschen Republik zu verwirklichen bemüht war, daß für mich eine gedeihliche Wirksamkeit nicht mehr gegeben ist.“ (30.1.1930)

***

Mit dem Pädagogen Wilhelm Flitner verband Becker der Aufbau der Pädagogischen Akademien; 1926 war Flitner an der Pädagogischen Akademie im preußischen Kiel als Dozent tätig und bekam einen Ruf an die Universität Leipzig; doch verstand Becker es wohl, ihn in Preußen zu halten, denn wir sehen Flitner 1932 in Altona; auch fuhr er im gleichen Jahr mit Becker zum Internationalen Pädagogenkongreß in Nizza, wo Becker über seine Chinareise 1931/32 seinen Rapport machte – Flitner aber den Hauptvortrag halten sollte. Allerdings war die Finanzierung der Reise nicht unproblematisch – schließlich befand man sich mitten in der Weltwirtschaftskrise; doch Preußen und das Reich bzw. das A.A. kratzten dann doch die Mittel zusammen. (Nr. 170, 15.6.1932) Beckers Thema lautete: „Der soziale Wandel und die Erziehung unter dem Gesichtspunkt der Verschiedenheit der Völker.“

In seinem letzten Brief an Becker fragt sich Flitner (Nr. 34, 7.2.1933),

„ob die Kirche, von der im Humanismus nicht die Rede ist, wirklich so vergangen ist, wie es hier scheint. Weder die Sowjets noch die Amerikaner noch diese neuen Mythosleute wie Helbing wissen noch um sie und um die neue, unsichtbare Kirche, die doch die Substanz dessen enthält, was Blut, Leib, Mythos nicht geben und was da sein muß, bevor ein Humanismus kommen kann, es zu verfeinern. Die Konfessionalität der Akademien … war wohl die Grundlage ihres praktischen Humanismus, und jene Konfessionalisierung, die politisch notwendig wurde, hat wirklich nicht zufällig jener Idee des neuen Humanismus das Fundament gegeben.“

Die grandiose Idee der Pädagogischen Akademien wurden 1933 für 12 Jahre NS-Diktatur auf Eis gelegt – feierte aber nach 1945 mit Männern wie Flitner, Wende und Grimme ihre Wiederauferstehung.

***

Die Korrespondenz Beckers mit der DDP, der Deutschen Demokratischen Partei (Nr. 75-93) zeigt zwar Beckers Nähe zu ihr, auch setzte sich Becker zuweilen für sie ein (Nr. 79-83) – doch war er nie ihr Mitglied.

Robert Jansen MdL-Aachen sandte dem Ministerium einen Brief, den Fritz Brüggemann von der Technischen Hochschule Aachen an Marie-Elisabeth Lüders geschrieben hatte (Nr. 75). Hierin geht es um die „Verwelschungsgefahr, wenn die Zollregelung zugunsten der Franzosen verändert würde:

„Wir werden wieder von französisch sprechender Zivilbevölkerung überschwemmt, die zu Handelszwecken nach Aachen kommt, das ganze Wirtschaftsleben muß sich wieder auf die französisch sprechende Kundschaft einstellen, kein junges Mädchen und kein junger Mann kann dann wieder eine Anstellung finden, der nicht der französischen Sprache mächtig ist.“

Usw. Ziel ist es, den Historiker Prof. Dr. Herrmann (früher Posen) nach Aachen zu holen, dessen Bleiben in Polen ja nicht mehr möglich war. Becker habe „meinen Vorschlag, wie er weiß, lebhaft begrüßt.“ Dies wirft nur ein kleines Schlaglicht auf die „Volkstumskämpfe“ nach Versailles im Westen wie im Osten, die schon an anderer Stelle sichtbar wurden.

1926, nunmehr seit über einem Jahr Kultusminister Preußens, hält Becker auf dem Herbstfest der DDP im Berliner Sportpalast (Nr. 84, 16.10.1926) eine Rede, worin er ein Résumé der vergangenen Jahre der jungen Republik gibt.

„Als die alte Staatsautorität zusammenbrach, gab es nur ein Mittel, eine neue Rechtsbasis zu schaffen, und dieses Mittel war der demokratische Gedanke. Danken wir unserem Schicksal, daß das deutsche Volk, viel mehr als es das selber wußte

bis in das tiefste Innere hinein demokratisch gesonnen war, daß es willig das rettende Majoritätsprinzip anerkannte,

daß die überstimmte Minorität sich zwar grollend aber tatsächlich unterordnete,

und daß ach die Opposition sich die demokratische Methode aneignete.

So wurde die deutsche Republik geboren, von den einen umjubelt, von den anderen gehaßt, von der großen Menge aber verstandesmäßig anerkannt. Die aus der Not geborene Republik, die aus der Asche des Kaiserreiches entstand, hatte es schwer, ihren Phönixcharakter zu erweisen, suggestiv die Herzen höher zu stimmen, und sich liebenswürdig zu machen. Im politischen Leben entscheidet nun einmal der Erfolg; nur er gewinnt die Herzen, und so wächst der republikanische Gedanke mit den beginnenden Erfolgen. (…) Und wenn dabei die Opposition alles Erreichte herabmindert oder überhaupt verschweigt, und dabei gern den Namen des Freiherrn vom Stein und den Aufstieg Deutschlands im Anfang des vorigen Jahrhunderts als Parallele anführt, so darf doch nie vergessen werden, daß niemand die Wiederaufbaupolitik des Freiherrn vom Stein so erschwert und bekämpft hat, als gerade die Kreise, die auch heute wieder in Opposition stehen.“

Deutlicher kann man sich wohl nicht von den Deutschnationalen abgrenzen!

„Wir haben unser Schicksal selbst in die Hand genommen, und es ist undenkbar, daß die gewonnene Freiheit jemals wieder dem Autoritätsverhältnis von ehemals weichen könnte.“

Wie sollte Becker sich täuschen: die Entmachtung Preußen 1932 durch den Papen-Coup und die Hitler-Diktatur beseitigte nur allzu gründlich alles Gewonnene.

Für 1928 kündigt Becker einen Vortrag vor der DDP-Naumburg an mit dem Thema:

„Preußisch-deutsche Kulturpolitik seit der Staatsumwälzung.“

Interessant ist ein programmatischer Brief der DDP-Pillau (Ostpreußen) an

Becker (Nr. 89, 18.6.1928), worin

  • gegen die „Sonderrechte der Oberschicht polemisiert wurde;
  • „Riesenvermögen in einer Hand seien zu verhindern;
  • die soziale Frage ist gesetzlich zu regeln;
  • die Republikanisierung im öffentlichen Dienst (Beamtenschaft, Reichswehr) ist sofort und rücksichtslos durchzuführen.“

Lieber solle man sich mit der SPD vereinigen als mit der DVP (Deutsche Volkspartei), das betrachte man als „Verrat“.

Einen Vortrag in Augsburg (wo der Schwiegervater Beckers Bankier war), lehnte er 1929 hingegen ab; er will sich nicht exponieren (Nr. 91/92).

Die DDP-Breslau schreibt zum Rücktritt Beckers (Nr. 94, 1.2.1930): „Ihr Ausscheiden aus dem Ministerium bewegt uns schmerzlich.“

***

Der Briefwechsel mit der Deutschen Kolonialgesellschaft 1909-1933 (Nr. 95-103) ergab sich aus Beckers Tätigkeit am Hamburger Kolonialinstitut 1908-1913. So bittet er 1909 um eine Unterstützung der „Enzyklopädie des Islam“, einer internationalen Unternehmung (Nr. 95) – mit Erfolg (Nr. 97).

Im folgenden Jahr hält er vor der DKG einen Vortrag zu dem Thema „Die Araber als Kolonisatoren“.

Auch vor der Filiale der DKG in London hielt Becker 1911 einen Vortrag: „Der Islam und die Kolonisierung Afrikas.“

1931 tritt Becker aus der DKG aus. (Nr. 103)


1 Formal zum Osmanischen Reich gehörend, wird Ägypten am 18.12.1914 britisches Protektorat; zuvor schon im November Zypern!

2 Nach einem russischen Vorstoß Januar bis April 1916 in Armenien und Persien wird Türkisch-Armenien im August 1916 zurückerobert. Der Herausgeber (nach dtv-Weltgeschichte 2)

Ein Gedanke zu „Einführung zu 8.2

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