VI.HA. Rep 92 Becker Nr.7797
1. Aus der ZEIT vom 13.8.1953 zu Alfred Döblins 75. Geburtstag, gez. cel
… Als ob Döblin jemals für irgendwie kollektive Aktion zu „gebrauchen“ gewesen wäre! Als ob dieser rastlos tätige, von Energien berstende Geist nicht schon in seinem ersten großen Roman, den „Drei Sprüngen des Wan-lun“, 1915, mitten in der ungeheuerlichen Kollektivaktion des Weltkrieges, das Nichthandeln des Tao als höchste Weisheit gelobt hätte! Gewiß, der auch ein Leser von immenser Aufnahmefähigkeit war, ein Polyhistor des zwanzigsten Jahrhunderts – er hatte Marx und Freud studiert und galt darum bei den linken Snobs der zwanziger Jahre als ein Mann der „Linken“ und als „fortschrittlich“. Aber er hatte seine eigenen Gedanken darüber, wohin man fortschreiten müsse. Nämlich nicht in die uniforme Gesellschaft, sondern in die geistige Unabhängigkeit. Als ihn Kultusminister Becker 1928 in die preußische Dichter-Akademie berief, sagte Döblin bei seiner ersten Rede:
„Wer geistig selbständig sein will, ist in großer Gefahr und Not.“