Dr. von Bergen, 1923-29

HA.VI. Nachl. C.H.Becker. Rep 92 B. Nr. 6370

108. C.H.B. an Botschafter in Rom beim Heiligen Stuhl von Bergen. (Berlin), 12.2.1923

Privatsekretariat

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr von Bergen!

Ich möchte nicht verfehlen, von dem abschriftlich beigefügten Schreiben1 an den Apostolischen Nuntius in München vom 29. Januar d. Js. ergebenst Kenntnis zu geben, das ich aus Anlaß seiner mit Exzellenz Pacelli in München gehabten Unterredung in Angelegenheit des Reichskonkordats an ihn gerichtet habe. Wenn dieses Schreiben Ihnen auch auf amtlichem Wege übermittelt werden wird, so glaubte ich doch, in der Annahme, daß es Ihres besonderen Interesses sicher sein dürfte, es auch unmittelbar und persönlich zu Ihrer Kenntnis bringen zu sollen.

In bekannter hoher Verehrung Eurer Exzellenz ergebenster (CHB).

Durch Kurier des Auswärtigen Amtes.

 

109. Botschafter von Bergen an C.H.B. Rom, 20.2.1923

(Maschinenmanuskript)

Hochverehrter Herr Becker!

Gestatten Sie mir, Ihnen für Ihr gütiges mir mit dem gestrigen Kurier zugegangenes Schreiben vom 12. d. Mts. Nebst Anlagen, von denen ich mit Interesse Kenntnis genommen habe, meinen verbindlichsten Dank auszusprechen. Der Nuntius Pacelli betreibt mit Energie das bayerische Konkordat, um bald nach Berlin übersiedeln zu können, doch scheinen sich dem Abschluß dieses Vertrages immer neue Hindernisse in den Weg zu stellen.

Mit angelegentlichen Empfehlungen verbleibe ich Ihr ganz ergebenster (gez.) Berger.

 

110. Telegramm des Botschafters von Bergen an C.H.B. Rom, 10.7.1929

Herrn Staatsminister Becker

Darf Ihnen zu erfolgreichem Abschluß Vertragswerkes meine wärmsten Glückwünsche übersenden. Bergen

Konzept der Antwort Beckers vom 10.7.1929

Germanova Rom

Herzlichen Dank für den freundlichen Glückwunsch und für Ihre dauernde wertvolle Mitarbeit. Becker.


1

Otto Dibelius, 1929/1930

VI. HA. Nachl. Becker, C.H. Nr.226

104. Otto Dibelius, Generalsuperintendent der Kurmark, an C. H. B. Berlin-Steglitz, 22.10.1929

(Handschriftlich) Kaiser-WilhelmStr.11

Sehr verehrter Herr Staatsminister!

Ich habe die räumliche Nachbarschaft, in der ich mich zu Ihrem Hause befinde, noch niemals zu einem amtlichen Anliegen benutzt. Wenn ich es heute um des Joachimsthalschen Gymnasiums willen tue, so geschieht es, weil ich weiß, daß auch Sie an dieser Anstalt besonderes Interesse nehmen und weil mir für meine Kurmark unendlich viel an dieser alten Bildungsstätte liegt – ganz besonders auch um meiner Pfarrer willen, die dort ihre Söhne haben und denen es ein sehr ernstes Anliegen ist, daß dort die rechten Erzieherhände walten. Es war mir eine Freude, daß ich dem Provinzialschulkollegium, als es sich um den Geistlichen Inspektor handelte, zwei junge, treffliche Leute nennen konnte, zu deren pädagogischer und pastoraler Qualifikation man volles Vertrauen haben konnte. Jetzt geht es um den Direktor. Den Befürchtungen, die in der Uckermark umgehen, bin ich mit Bestimmtheit entgegengetreten, weil ich überzeugt bin, daß die Kultusverwaltung bei ihrer Wahl dem Charakter der Anstalt verständnisvoll Rechnung tragen wird. Aber Sie werden es gewiß verstehen, daß ich gerade deshalb, weil ich Vertrauen zur Kultusverwaltung gefordert habe, nun auch die Bitte aussprechen möchte: schicken Sie uns einen Mann, der der christlich-humanistischen Tradition des Joachimsthalschen Gymnasiums mit demselben innerlichen Verständnis gegenübersteht wie es der bisherige ausgezeichnete Direktor getan hat! Und wenn es irgend möglich ist, wieder eine unpolitische Persönlichkeit! Nirgends habe ich es so schwer, die Überparteilichkeit der evangelischen Kirche durchzusetzen, wie in der Uckermarck. Ich würde unendlich dankbar sein, wenn das Joachimsthalsche Gymnasium in die politischen Gegensätze nicht hineingezogen würde, sondern die Insel christlich-humanistischen Erziehungsfriedens bleiben könnte, die es bisher gewesen ist.

In aufrichtiger Verehrung Ihr ganz ergebener (gez.) Dibelius.

 

105. C. H. B. an Otto Dibelius. Berlin, 23.10.1929

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr General-Superintendent!

Freundlichen Dank für Ihre Zeilen in Angelegenheit der Direktorstelle des Joachimsthal’schen Gymnasiums. Ich habe Ihren Brief zum Anlaß genommen, mit meinen Herren die Angelegenheit zu besprechen und von ihnen erfahren, daß Gerüchte im Umlauf sein sollten, ich beabsichtigte einen Dissidenten zum Direktor in Joachimsthal zu machen. Uns ist allen völlig unverständlich, wie ein derartiges Gerücht entstehen konnte. Ich suche einen möglichst hochqualifizierten Direktor und wollte mich deshalb nicht mit den üblichen Listenvorschlägen abfinden. Ich habe eine Rundfrage bei Universitätsprofessoren und den Provinzialschulkollegien auch anderer Provinzen gemacht, um für diese wichtige Stelle einen möglichst hochqualifizerten Mann zu bekommen. Die Antworten sind noch nicht alle eingegangen und zurzeit existiert überhaupt noch keinerlei Kandidat für diesen Posten. Daß bei der Neubesetzung des Direktorpostens das Schülermilieu und die Tradition der Anstalt berücksichtigt werden müssen, versteht sich für mich von selbst.

In ausgezeichneter Hochachtung Ihr sehr ergebener (CHB).

 

106. C. H. B. an Otto Dibelius (Berlin), 15.5.1930

(Staatsminister a.D.) (Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Generalsuperintendent!

Wie ich höre, feiern Sie heute Ihren 50. Geburtstag. Da ich selbst vor wenigen Jahren diesen Tag mit einer gewissen intimen Feierlichkeit begangen habe, weiß ich, was die Vollendung eines halben Jahrhunderts für einen geistig lebendigen Menschen bedeutet. In unserem Alter kann man ja Gottlob den Blick noch mehr nach vorn als nach rückwärts richten, und der 50. Geburtstag ist kaum der Anlaß zu einer Rückschau, sondern eher ein Moment der Sammlung zu neuem Vorstoß in die Weiten der Arbeit und in die Fülle des Lebens. Ich wünsche Ihnen Kraft, Freude und Gesundheit für die kommenden Jahrzehnte.

In nachbarschaftliche Verbundenheit und mit verbindlichen Grüßen von Haus zu Haus

Ihr sehr ergebenster (CHB).

 

107. Otto Dibelius an C. H. B. Berlin, 17.5.1930

(Maschinenmanuskript)

Sehr verehrter Herr Minister!

Haben Sie herzlichen Dank für Ihren so freundlichen Gruß zu meinem Geburtstag! Früher wurde von einem 50. Geburtstag noch nicht Notiz genommen. Man gab dem Leben mehr Zeit, seine Früchte reifen zu lassen. Heute hat man es eiliger. Wenigstens in der Öffentlichkeit. Für unsereinen aber kann solch ein Tag nur eine Mahnung sein, den Tag zu nutzen, an dem man noch wirken kann. Und wenn diese Wirksamkeit von freundlicher und verständnisvoller anderer begleitet wird, dann ist das freilich ein Geschenk, für das ich aufrichtig dankbar bin.

Mit herzlicher Empfehlung von Haus zu Haus Ihr ganz ergebenster (gez.) Dibelius

Deutsche Kolonialgesellschaft, 1909-1933

HA.VI. Nachl. C.H.Becker. Nr. 191

 

95. C. H. B. an die Abteilung Hamburg der Deutschen Kolonialgesellschaft.

Hamburg, 7.5.1909

(Maschinenkopie)

Der gehorsamst Unterfertigte bittet die Abteilung Hamburg der Deutschen Kolonialgesell-schaft, eine Unterstützung der „Enzyklopädie des Islam“ bei dem Gesamtvorstande zu befürworten respektive zu beantragen.

Die „Enzyklopädie des Islam“ ist ein gleichzeitig in deutsch, französisch und englisch erscheinendes geographisches, ethnographisches und biographisches Wörterbuch der muhammedanischen Völker und wird im Auftrage der Association des Academies von einem internationalen Komitee und unter Mitarbeit aller namentlich auch deutscher Orientalisten

herausgegeben. Das großzügige Unternehmen, das eine entschiedene Lücke ausfüllt und das bestimmt ist namentlich auch bei praktischen Kolonialzwecken als ein wichtiges Nachschlagebuch zu dienen, ist im Jahre 1903 auf dem 13. Internationalen Orientalisten-Kongreß unter Vorsitz von Senior Behrmann in Hamburg beschlossen wurden. Unter großem Beifall der wissenschaftlichen Welt sind bisher drei Faszikel erschienen. Nun aber ist das Werk ins Stocken geraten, weil die Aufgabe sich bei der Durchführung als größer und vor allem kostspieliger erwies, als man anfangs glaubte, annehmen zu dürfen; und weil auch zum Teil die Unterstützungen ausblieben, auf die man gerechnet hatte. Namentlich Deutschland ist bisher nur jährlich mit 500 Mark vertreten, während England mit jährlich 4000, Frankreich, Holland und Österreich-Ungarn mit fast ebenso großen, andere Länder mit geringeren Summen vertreten sind. Das Nähere über die finanzielle Grundlage des Unternehmens ist aus den beigefügten offiziellen Berichten zu ersehen. Das finanzielle Versagen Deutschland ist umso peinlicher, als das Werk in Deutschland beschlossen wurde, in deutsch als Hauptsprache erscheint und die Honorare zum guten Teil an deutsche Gelehrte bezahlt werden.; es wird aber zu einer Gefahr für das ganze Unternehmen, da es ein Weitererscheinen des ganzen Werkes überhaupt in Frage stellt. Deshalb hat sich das Internationale Komitee an den Unterzeichneten gewandt mit der Bitte, in Deutschland für finanzielle Unterstützung des Unternehmens Propaganda zu machen.

Da die Bedeutung des Islam für unsere Kolonien Ostafrika, Togo und Kamerun immer mehr begriffen wird, da jetzt sogar unsere Beamten spezielle Islamkurse durchmachen müssen, gehört eine Förderung unserer Kenntnisse des Islam zweifellos zu den ideellen Aufgaben der Kolonialgesellschaft. Deshalb wende ich mich an die Abteilung mit der Bitte, das vielversprechende Unternehmen der Gesellschaft für eine Subvention von etwa 1000 Mark zu empfehlen. Wenn auch zunächst nur eine einmalige Bewilligung möglich ist, so hoffe ich doch meinen Antrag später erneuern zu dürfen. Sollten die laufenden Mittel der Gesellschaft versagen, könnte vielleicht der Lotteriefonds in Anspruch genommen werden.

Da in den schwierigen Zeiten der Finanzreform eine Subvention des Reiches oder Preußens nicht zu erwarten steht, da auch die preußische Akademie auf Grund ihrer Finanzlage höchstens zu einer geringen Subvention imstande ist, bleibt zu hoffen, daß große Privatgesellschaften in die Bresche springen und Deutschland in diesem internationalen Unternehmen die Stellung ermöglichen, die es kraft seiner Beziehungen zur islamischen Welt bei der Fundierung eines solchen Unternehmens einnehmen müßte. Die Abteilung Hamburg ist besonders dazu berufen, diesen Antrag zu stellen, da Hamburg seinerseits so unendlich viel für die Kolonien tut und Hamburg die Mutterstadt der Enzyklopädie des Islam ist.

Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst (CHB) Professor am Kolonialinstitut.

 

96. Abteilung Hamburg der Deutschen Kolonialgesellschaft (DKG) an C. H. B.

Hamburg, 8.5.1909

Sehr geehrter Herr Professor Becker!

Den Antrag an die Kolonialgesellschaft habe ich soeben unterzeichnet. Er wird heute nebst den 3 Heften der Enzyklopädie und Abschriften1 der mir anvertrauten und anbei zurückfolgenden Berichte nach Berlin abgehen. Es dürfte nunmehr angezeigt sein, daß Sie Herrn Vohsen für den Antrag zu gewinnen suchen.

Mit hochachtungsvollem Gruß Ihr ergebener (gez.) Dr. L. Friedrichsen.

 

97. DKG Hamburg an C.H.B. Hamburg, 3.9.1909

(Maschinenmanuskript)

Geehrter Herr Professor!

Die auf unseren Antrag von der DKG zur Unterstützung der Enzyklopädie des Islam bewilligten 1000 Mark sind am 1. d. Mts. Bei unserem Kassenführer eingegangen. Unter Bezugnahme auf Ihr an unsere Abteilung gerichtetes Gesuch vom 7. Mai d.J. bitte ich höflich, eine Verfügung über diesen Betrag zu dem bezeichneten Zweck gefällig herbeiführen zu wollen.

Das in derselben Angelegenheit an den Verwaltungsrat der Wohlfahrtslotterie zu Zwecken der Deutschen Schutzgebiete von unserem Herrn Vorsitzenden gerichtete Unterstützungsgesuch ist noch nicht erledigt; weitere Mitteilung bleibt vorbehalten.

In vorzüglicher Hochachtung (gez.) Kähne, Schriftführer der Abteilung Hamburg der DKG

 

98. DKG an C. H. B., Hamburg Berlin, 19.9.1910

(Maschinenmanuskript)

Herrn Professor C.H. Becker, Herausgeber des „Islam

Wir interessieren uns für die von Ihnen herausgegebene Zeitschrift „Der Islam“, da sie in vielen Punkten sich mit kolonialen Fragen berührt. Eine Reihe von Aufsätzen werden wir in der alljährlich erscheinenden Übersicht „Die Deutsche Kolonialliteratur“, die der Unterzeichnete herausgibt, aufnehmen.

Es sei uns gestattet, Ihnen den Vorschlag zu machen, mit unseren Veröffentlichungen in einen Tauschverkehr zu treten. Wir erklären uns bereits, Ihnen die Wochenschrift „Deutsche Kolonialzeitung“ und die Monatsschrift „Zeitschrift für Kolonialpolitik, Kolonialrecht und Kolonialwirtschaft“ zuzusenden und sehen Ihrerseits der Überweisung des „Islam“ entgegen.

Schriftleitung der Deutschen Kolonialzeitung. Usw.(gez.) Henos.

 

99. C. H. B. an Dr. L. Friedrichsen, DKG Hamburg. Hamburg, 3.10.1910

(Maschinenkopie)

Sehr geehrter Herr Doktor!

In höflicher Erwiderung Ihres Schreibens vom 1. Oktober erkläre ich mich bereit, am Sonnabend, den 12. November im Kreise der Kolonialgesellschaft einen Vortrag zu halten. Als Titel möchte ich vorschlagen:

Die Araber als Kolonisatoren.

Mit dem Ausdruck meiner Hochachtung in bekannter Verehrung

Ihr sehr ergebener (CHB)

 

100. C. H. B. an DKG, Hamburg . Hamburg, 3.11.1910

(Maschinenkopie)

Sehr geehrter Herr Rat!2

Ich werde Ihnen gern eine kurze Inhaltsangabe meines Vortrages für die Zeitungen und Ihren Jahresbericht zur Verfügung stellen. Ich bin dazu aber natürlich erst in der Lage, wenn ich meinen Vortrag gemacht habe, das geschieht aber immer erst in den letzten Tagen bevor er gehalten wird.

Mit vorzüglicher Hochachtung Ir sehr ergebener (CHB)

 

101. DKG London an C. H. B. (London), Februar 1912

Bericht über das Jahr 1911

Sehr geehrter Herr!

Die Zahl unserer Mitglieder ist im verflossenen Jahr von 167 auf 190 gestiegen. Der Besuch der Vortragsabende war durchweg gut. Die Jahresabrechnung wurde von Herrn G. Rose geprüft und richtig befunden.

Es fanden fünf Vorträge statt:

  • 10. Februar (1911): Egon Fr. Kirchstein über „Auf Zentralafrikas Feuerbergen, Erlebnisse und Forschungen in der Vulkanwelt am Kiwu-See“ (mit Lichtbildern.
  • 29. März: Sir I.D.Rees, KCIE, CVO, über „Indien, Probleme der Gegenwart“ in englischer Sprache.
  • 6. Mai: Professor Dr. C.H. Becker vom Hamburgischen Kolonialinstitut über

Der Islam und die Kolonisierung Afrikas“.

  • 7.Oktober: Frau Margarete von Eckenbrecher über „Reise und Jagderlebnisse in Deutsch-Ostafrika“ (mit Lichtbildern)
  • 2. Dezember: (Anläßlich der Feier des 25jährigen Bestehens der Abteilung) Dr. C.R. Hennings über „Unsere deutschen Kolonien“.

(Rest vom Hg. weggelassen. Interessant vielleicht noch der Jahresbeitrag von 10 shilling, wovon 8 Mark an die Zentrale gehen für die Zeitung.)

 

102. C.H. B. an DKG Hamburg Hamburg, 24.5.1912

(Maschinenkopie)

Sehr geehrter Herr Rat!

In der Beantwortung Ihrer geschätzten Zuschrift über Dr. Grothe und das Deutsche Vorderasienkomitee kann ich mich nur der Äußerung des Herrn Dr. Friederichsen und der Ihrigen rückhaltlos anschließen, d.h. ich habe bei Dr. Grothe stets gewisse Bedenken, sehe aber nicht ein, warum er nicht als Redner für die Kolonialgesellschaft tätig sein soll, ja ich halte ihn sogar für nicht ungeeignet für diese Aufgabe. Soviel über diesen persönlichen Punkt.

Was das Vorderasienkomitee betrifft, so stehe ich auf dem Standpunkt, daß man alle Betätigungen des Deutschtums im Auslande unterstützen soll. Auch ist der Beitrag nicht hoch und man bekommt dafür die Beiträge zur Kenntnis des Orients, die meist einige ganz gute Aufsätze enthalten. Vor kurzem bat mich Dr. Grothe, in den Vorstand des Komitees einzutreten, doch habe ich es abgelehnt, offiziell mit der Begründung, daß ich in den Vorstand derartiger Gesellschaften nicht nur als dekoratives Moment wirken möchte, in Wirklichkeit aber, weil mir eine nahe Zusammenarbeit mit Dr. Grothe und Martin Hartmann, der sicher seinerzeit auch sehr dafür interessiert hatte, nicht sympathisch war.

Indem ich Sie bitte, diese offene Äußerung als diskret zu betrachten, zeichne ich mit vorzüglicher Hochachtung als Ihr sehr ergebener (CHB).

 

103. C. H. B. an DKG, Berlin (Berlin), 24.1.1931

(Maschinenkopie)

Der Unterzeichnete bittet, ihn aus der Liste der Mitglieder der Deutschen Kolonialgesellschaft streichen zu wollen.

Hochachtungsvoll ergebenst (CHB).


1 Vom Herausgeber nicht abgedruckt.

2 Es handelt sich wohl um den Herrn Rat Dr. Kähne vom Senat. Vgl. Brief vom 12.5.1912

Deutsche Demokratische Partei, 1921-1930

HA VI. Nl. C. H. Becker. Nr. 184

75. Robert Jansen MdL an C.H.B. Berlin, 20.5.1921

Hochverehrter Herr Minister!

In der Anlage übersende ich Ihnen ein Schreiben des Herrn Dr. Fritz Brüggemann, das er an die Abgeordnete Fräulein Dr. Lüders gerichtet hatte und das mir zur weiteren Veranlassung übergeben worden ist. Herr Dr. Brüggemann beruft sich darauf, daß Sie über die Angelegenheit, die er in seinem Schreiben behandelt, schon früher unterrichtet worden seien. Ich würde Ihnen zu Dank verpflichtet sein, wenn Sie dem Inhalt des Schreibens einige Augenblicke widmen wollten.

In vorzüglicher Hochachtung (gez.) Robert Jansen

MdL und Hauptgeschäftsführer der Deutschen Demokratischen Partei

Anmerkung TR(endelenburg?) vom 25.5.:

Dem Herrn Referenten mit der Bitte um gefl. Äußerung wegen Prof. Herrmann, dessen Berufung auch vom Herrn Reg(ierungs)präs(identen) befürwortet.

Wegen des Deutschen Instituts (Lehrauftrag und einmalige Zuwendung) ist das Erforderliche unsererseits verfügt. Tr 25.5.

Anlage:

Dr. Fritz Brüggemann, Privatdozent an der TH Aachen an Dr. Maria Elisabeth Lüders, MdR (Demokratische Fraktion) Aachen, 4.4.1921

(Maschinenmanuskript) Vermerk MK: EILT

Sehr geehrtes gnädiges Fräulein!

Seitdem das Loch im Westen geschlossen ist, hat sich die Verwelschungsgefahr für Aachen sehr gemindert. Von einem Koramieren1 der Bevölkerung mit den Truppen der Besatzung ist auch bei den unteren Bevölkerungskreisen kaum die Rede. Aber wir wissen nicht, welchen Zeiten wir entgegengehen, und müssen daher beständig auf der Hut sein und für alle Fälle

Gegenmaßregeln treffen. Sollte jetzt mit der neuen Zollregelung sich das Loch im Westen wieder für uns öffnen, dann entsteht die Verwelschungsgefahr mit einem Schlage wieder in dem ganzen Umfang, in dem wir sie vor einem Jahre hier gehabt haben. Wir werden wieder von französisch sprechender Zivilbevölkerung überschwemmt, die zu Handelszwecken nach Aachen kommt, das ganze Wirtschaftsleben muß sich wieder auf die französisch sprechende Kundschaft einstellen, kein junges Mädchen und kein junger Mann kann dann wieder in einem Laden eine Anstellung finden, der nicht der französischen Sprache mächtig ist. Französische Theateraufführungen werden wieder rentabel und deshalb auch von den Besatzungsbehörden eingerichtet, und die jungen Leute besuchen sie, schon um sich in der französischen Sprache zu vervollkommnen. Die weiteren Folgen brauche ich nicht auszumalen. Wir müssen deshalb hier für die Pflege und Erhaltung des Deutschtums tätig bleiben, um gegebenen Falls an den inzwischen getroffenen Einrichtungen einen Rückhalt zu haben. Dazu ist es vor allen Dingen notwendig, Männer und Frauen herzubekommen, die in diesem Sinne wirken können.

Aus diesem Gesichtspunkt heraus hatte ich der Hochschule vorgeschlagen, eine Berufung des Historikers Prof. Dr. Alfred Herrmann an die Hochschule beim Ministerium zu beantragen. Herrmann war Professor an der Akademie in Posen und hat sich dort hervorragend als Vorkämpfer für deutsche Kultur bewährt, er bezieht von dieser Stellung her noch für die nächsten fünf Jahre ein Staatsgehalt und hat inzwischen eine Stellung als Redakteur der Oldenburgischen Landeszeitung angenommen. Er möchte aber gerne zur akademischen Lehrtätigkeit zurückkehren und ist geneigt, einem Ruf nach Aachen zu folgen, wenn ihm wirtschaftlich die erforderlichen Sicherheiten geboten werden, um eine Lebensstellung, wie er sie inne hat, aufgeben zu können. Staatssekretär Becker, der Herrmann von Bonn her von gemeinsamer Lehrtätigkeit gut kennt und schätzt, hat meinen Vorschlag, wie ich weiß, lebhaft begrüßt.2 Ein entsprechender Antrag wurde auch von der Hochschule am 7. Dezember (1920) an das Kultusministerium gestellt. Nun verhandelt man schon vier Monate, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Man glaubt die Bedingungen Herrmanns nicht erfüllen zu können, weil natürlich gespart werden muß. Aber es fragt sich doch, ob hier nicht sehr am falschen Platze gespart wird. Vor allen Dingen fehlt im Ministerium, wie es scheint, das rechte Verständnis für die Aktualität eines Entschlusses von politischen Motiven. Kommt die Berufung von Herrmann noch jetzt zustande – aber ohne eine wirksame Nachhülfe wird das nicht der Fall sein – so wird ihre Wirkung schon heute nicht mehr die sein, wie wenn Herrmann bereits drei Monate hier gewirkt hätte, wenn das Loch im Westen sich wiederöffnen wird. Herrmann will, soviel ich weiß, nur als ordentlicher Professor nach Aachen kommen, und darin hat er auch ganz recht, denn nur als solcher kann er den Einfluß ausüben in der Abteilung für allgemeine Wissenschaften, der ihm die Wirksamkeit ermöglichte, um deretwillen er hier erwünscht wäre. Will man keine neue Professur für Geschichte schaffen, dann kann man doch vielleicht für Herrmann eine persönliche Professur3 einrichten, die nach seinem Fortgang nicht wieder besetzt zu werden braucht.

Sie sind im Oktober vorigen Jahres in der „Hilfe“ so freundlich für das Deutsche Institut eingetreten, indem Sie die Notwendigkeit des Ausbaus zum kulturwissenschaftlichen Institut betonten und die staatliche Subventionierung für notwendig erklärten. Auch diesbezüglich sind Anträge von der Hochschule am 23. Dezember (1920) an das Ministerium gerichtet worden, aber geschehen ist bis heute nichts, wiewohl mir seit Oktober, als Staatssekretär Becker hier war und sich von den Verhältnissen überzeugt hatte, von Monat zu Monat erneute Versicherungen von Vertretern des Ministeriums gemacht worden sind, daß die Unterstützung eine beschlossene Sache wäre. Ich fürchte, daß die Hülfe nun zu spät kommt, da meine persönliche wirtschaftliche Lage mich einfach dazu zwingt, meine reichhaltige Bibliothek zu verkaufen, aus der das Institut vorläufig besteht, und dann ist das Institut vernichtet.

Ich wäre Ihnen sehr zu Dank verpflichtet, wenn Sie in diesen verschiedenen Angelegenheiten einmal vermittelnd eingreifen würden oder, wenn Sie persönlich nicht dazu in der Lage sein sollten, dieses Schreiben als material einer zuständigen Stelle zugehen lassen würden.

Mit freundlichem Gruß Ihr ganz ergebener (gez.) Fritz Brüggemann.

Handschriftlicher Nachtrag:

Auch in der Sache des Deutschen Instituts zeigt sich das mangelnde Verständnis für die Aktualität der Politik. Hinter dem Deutschen Institut steht eine „Gesellschaft für deutsche Literaturund Kulturgeschichte im Regierungsbezirk Aachen“, die seit Monaten auf die Entschließung der Regierung hinsichtlich des Institutes wartet und dadurch in ihren eigenen Entschlüssen und Wirksamkeit durch die Verzögerung des Ministeriums völlig brach gelegt ist. F.B.

 

76. Dr. Fritz Brüggemann an C.H.B. Aachen, 1.6.1921

(Maschinenmanuskript)

Euer Excellenz!

Wochen- und wochenlang habe ich es mir überlegt, ob ich mich als Leiter des von mir ins Leben gerufenen Deutschen Instituts an der Technischen Hochschule Aachen persönlich an Excellenz wenden darf. Nachdem jetzt aber alle offiziellen Wege ohne praktisches Ergebnis erschöpft sind, bleibt mir nichts mehr anderes übrig. Wir haben heute den 1. Juni, und ich habe daher heute alle periodischen Publikationen, die bisher für das Deutsche Institut bezogen wurden, zum 1. Juli kündigen müssen, da ich nicht mehr in der Lage bin, die Kosten für die dieselben aus meiner eigenen Tasche zu tragen, noch sie aus anderen Privatmitteln zu bestreiten. Eine Staatshülfe ist aber bis zur Stunde ausgeblieben, wiewohl nun schon dreiviertel Jahr Monat für Monat teils in Berlin, teils hier in Aachen immer erneute Zusicherungen ausgesprochen worden sind, daß eine staatliche Subvention erfolgen werde. Praktisch sind wir noch nicht einen Schritt weiter als am 24. Oktober vorigen Jahres, als Excellenz die Freundlichkeit hatten, das Institut zu besichtigen und gutzuheißen. Leider muß ich sogar bekennen, daß wir durch die nicht realisierten Zusicherungen nicht nur nicht gefördert, sondern geradezu benachteiligt worden sind; denn es sind Freunde des Instituts, die geneigt waren, dasselbe zu unterstützen, durch die ausbleibende Staatsunterstützung stutzig geworden, ob das Unternehmen auch der Unterstützung wert sei.

Vor allen Dingen war im vergangenen Jahr eine besondere Gesellschaft in der Bildung begriffen, die nicht nur Mittel aus privaten Kreisen zur Förderung des Instituts sammeln wollte, sondern die besonders auch gestützt auf das Deutsche Institut Bestrebungen zur Erhaltung und Verbreitung deutscher Kultur in der hiesigen Grenzmark pflegen wollte. Die Konstituierung der Gesellschaft kam aber nicht zustande, weil die beteiligten Herren abzuwarten wünschten, ob der Erlaß des Ministeriums zur Unterstützung des Instituts sich mehr für ein Deutsches oder ein allgemein Kulturwissenschaftliches4 Institut erklären würde. Danach sollten sich die eigenen Bestrebungen der Gesellschaft richten. Der vorbereitende Ausschuß der Gesellschaft wartet nun schon bald ein ganzes Jahr auf diese Entscheidung des Ministeriums, und diese ganze kostbare Zeit ist für eine sehr segensreiche Arbeit der Gesellschaft verloren gegangen. Die Lust und Liebe zur Sache wurde dadurch nicht gestärkt. Auch hier habe ich viel Vertrauen zu den von mir angeregten Bestrebungen durch die Verzögerung der in Aussicht gestellten Staatsunterstützung eingebüßt. Die Hochschule selbst hat nichts unversucht gelassen, eine Entscheidung des Ministeriums zu veranlassen. Immer wieder wurde versichert, daß Mittel bewilligt seien, aber der offizielle Erlaß blieb bis zur Stunde aus. Es wird sicher nur eines Wortes von Excellenz bedürfen, um die Ausführung des angeblich vorliegenden Beschlusses zu bewerkstelligen. Ich wende mich daher vertrauensvoll an Excellenz mit der Bitte, der von mir vertretenen Sache diese freundliche Hilfe nicht zu versagen. Das Interesse der Studentenschaft an den Einrichtungen ist beständig im Wachsen.

Mit verbindlichem Gruß Euer Excellenz ganz ergebener (gez.) Fritz Brüggemann.

Anmerkung Beckers: Herrn MR Trendelenburg Bitte um Rücksprache. B. 3.6.

 

77. C.H.B. an Robert Jansen, MdL-DDP Berlin, 4.8.1921

(Maschinenkopie, Entwurf mit handschriftlichen Veränderungen)

Sehr verehrter Herr Jansen!

In Erwiderung des gefl. Schreibens vom 20.Mai d. J. teile ich Ihnen ergebenst mir, daß dem Antrage des Herrn Privatdozenten Dr. Brüggemann in Aachen auf finanzielle Unterstützung des von ihm geleiteten Instituts bei der Technischen Hochschule in Aachen inzwischen durch die Gewährung einer Beihilfe von 30 000 M(ark) entsprochen worden ist.

Was den mir bestens bekannten früheren Kollegen Professor Dr. Herrmann anlangt, so steht für ihn eine Professur an der Technischen Hochschule in Aachen nicht zur Verfügung. Meine Absicht, die Mittel für eine künftig fortfallende Professur flüssig zu machen, mußte im Hinblick auf die gegenwärtige trostlose Finanzlage aufgegeben werden. Es käme also nur die Erteilung eines Lehrauftrages in Frage.. Eine solche Regelung würde aber, wie auch Dr. Brüggemann selbst betont, dem Professor nicht genügen. Unter diesen Umständen sehe ich zu meinem großen Bedauern gegenwärtig keine Möglichkeit, in dieser Sache etwas zu tun. Ich werde sie aber auch weiterhin im Auge behalten und würde mich freuen, wenn sich schließlich doch noch ein Weg finden sollte, diesem tüchtigen Gelehrten und Lehrer der akademischen Laufbahn zu erhalten.

In größter Hochachtung (gez.) B.

Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung.

 

78. DDP an C. H. B. Berlin, 9.10.1925

(Maschinenmanuskript)

Hochgeehrter Herr Minister!

Ich bin in der peinlichsten Verlegenheit. Für den 19. (Oktober) ist es unmöglich, noch einen Saal zu beschaffen, der groß und würdig wäre, die 1500 bis 2000 Männer und Frauen, die durchweg den gebildeten Schichten der Berliner Bevölkerung angehören, zu fassen.

Gibt es wirklich keine Möglichkeit, daß Sie am 20. abends uns eine Stunde opfern, so wäre ich gezwungen die Kundgebung ausfallen zu lassen, was ich im Interesse der Partei außerordentlich bedauern müßte.

Vielleicht haben Sie einmal die große Güte, mir auf beigefügter Karte einen Ausweg zu zeigen.

Mit vorzüglicher Hochachtung sehr ergebenst (gez.) Merten.

Anmerkung Beckers: Herrn ORR Duve: Fällt nun die Sache aus? B 15.10

Anmerkung Duves: Ja lt. Schreiben vom 15.10.

 

79. DDP an C. H. B. Berlin, 9.10.1925

(Maschinenmanuskript)

Hochgeehrter Herr Minister!

Soeben erfahre ich von dem Kollegen Bohner, daß Sie grundsätzlich bereit sind, zu einer demokratischen Versammlung über ein von Ihnen selbst zu formulierendes Thema zu sprechen. Ich danke Ihnen verbindlichst für das außerordentliche Opfer, das Sie damit der Partei bringen und bitte ergebenst, auf der beigefügten Karte das Thema anzugeben.

Nun ist allerdings dem Herrn Bohner insofern ein Irrtum unterlaufen, als die Versammlung nicht am 21., sondern am 20. Oktober im Kaisersaal des Rheingold stattfinden soll. Ich nehme an, daß auch Dienstag der 20. Ihnen noch genehm ist. Daß der Eintritt nur gegen Karten erfolgt, möchte ich noch besonders betonen.

Indem ich mich der Hoffnung hingebe, auch für diesen Tag eine Zusage von Ihnen zu erhalten zeichne ich mit vorzüglicher Hochachtung sehr ergebenst (gez.) Merten, MdL

Anmerkung Duves: 20.10. Einladung zu Schmidt-Ott.

Abschrift der Antwort (vom Herrn Minister eigenhändig geschrieben):

Berlin, den 9.10.1925

Hochverehrter Herr Oberregierungsrat!

Leider ist mir der 20. und 21. völlig unmöglich. Herrn Dr. Bohner gegenüber verpflichtet, am 19.ten zu sprechen.

Thema: Kulturpolitische Fragen der Gegenwart.

Ich hoffe, daß der 19.te auch möglich ist.

Mit verbindlicher Empfehlung Ihr ergebenster (gez.) Becker

 

80. DDP an C. H. B. Berlin, 15.10.1925

(Maschinenmanuskript)

Hochgeehrter Herr Minister!

Es ist trotz allen Versuchen nicht möglich gewesen, für den 19. einen geeigneten Saal zu beschaffen, so daß wir gezwungen sind, an dem 22. festzuhalten.

Ich bedauere es unendlich, daß wir nicht Gelegenheit haben, Sie zu hören und bin nun dabei, einen anderen Redner zu gewinnen. Sollte mir das nicht gelingen, müßte die Versammlung überhaupt ausfallen, was allerdings von schwerem Nachteil für die Partei wäre.

Indem ich Ihnen nochmals verbindlichst danke für die grundsätzliche Bereitwilligkeit, bei uns zu sprechen, gebe ich der Hoffnung Ausdruck, daß wir in absehbarer Zeit Gelegenheit haben möchten, Sie zu hören.

Mit ausgezeichneter Hochachtung sehr ergebenst (gez.) Otto Merten (MdL)

 

81. DDP an C. H. B. Berlin, 29.1.1926

(Maschinenmanuskript)

Hochverehrter Herr Minister!

Die Gruppe Berlin-Mitte der (Deutschen) Demokratischen Partei veranstaltet am Dienstag, 16. Februar 1926, im großen Sitzungssaal des ehemaligen Herrenhauses einen Vortragsabend. Wir möchten Sie bitten, den Vortrag des Abends zu übernehmen. Die Veranstaltung soll selbstverständlich nicht parteipolitischen, sondern einen allgemein kulturpolitischen Charakter tragen. Wir würden die Wahl des Themas Ihnen vollständig überlassen.. Ich wäre Ihnen sehr dankbar, wenn wir auf Ihre gütige Zusage rechnen dürften.

Mit ausgezeichneter Hochachtung bin ich, hochverehrter Herr Minister,

Ihr Ihnen sehr ergebener (gez.) Dr. Ernst Feder.

 

82. C. H. B. an DDP (Berlin), 30.1.1926

Privatsekretariat (Maschinenkopie)

Sehr geehrte Herren!

Auf das gefällige Schreiben vom 29. d. Mts. Erkläre ich mich gern bereit, Ihrem Wunsche gemäß für die für Dienstag, den 16. Februar, geplante Veranstaltung den Vortrag zu übernehmen.

Eine weitere Mitteilung wegen des Themas mir vorbehaltend, bin ich in vorzüglicher Hochachtung Ihr ergebenster (CHB)

 

83. DDP an C. H. B. Berlin, 24.9.1926

(Maschinenmanuskript)

Hochgeehrter Herr Minister!

Am Sonnabend, den 16. Oktober, feiert unser Wahlkreis im Sport-Palast ein Herbstfest unter Schwarz-Rot Gold. Es soll unsere Winterarbeit finanzieren, zugleich aber auch ein wirkungsvoller Auftakt für die Herbstarbeit in ganz Groß Berlin sein. Es ist dringend notwendig, daß nach dem Eintritt in den Völkerbund der demokratische Anteil an den großen außenpolitischen Erfolgen sich nicht im Gedächtnis der Wählerschaft verwischt. Die Vertagung des Parteitages läßt diese Gefahr akut erscheinen. Darum müssen wir uns jetzt vernehmlich zum Worte melden.

Wir bitten Sie, hochgeehrter Herr Minister, sich am Abend des 16. Oktober für unsere Veranstaltung mindestens ¼ Stunde frei zu halten. Wir freuen uns natürlich sehr, wenn Sie den ganzen Abend unser Gast sein werden. In jedem Falle aber würden Sie uns außerordentlich verbinden, wenn Sie bei uns eine kurze Ansprache von etwa 10 Minuten halten würden. Wir rechnen auf eine Massenbeteiligung. Durch Lautsprecher werden alle Ansprachen in jedem Teile des großen Saales vernehmlich gemacht.

Indem wir Ihnen für Ihre Zusage herzlich danken, zeichnen wir mit hochachtungsvollem

Parteigruß ergebenst (gez.) Otto Merten (?unleserlich), MdL.

 

84. Ansprache des Preußischen Kultusministers Professor Dr. Becker auf dem Herbstfest der DDP im Sportpalast am 16.10.1926

Wir haben uns zu einem Herbstfest versammelt. Tage des Sturms liegen hinter uns und eine graue und finster werdende Natur rüstet sich den nahenden Winter zu empfangen. Wie anders sieht es da aus in unserem Inneren.

Wenn wir den Blick auf unsere Volksgemeinschaft, auf unseren Staat lenken, schlägt uns das Herz nicht höher?

Wenn wir bedenken, was in den letzten acht Jahren im Rahmen der deutschen Republik geleistet worden ist?

Liegt da nicht der Winter unseres Mißvergnügens bereits hinter uns?

Gewiß erleben auch wir noch Stürme, aber das sind keine Herbststürme, sondern es ist das Brausen des Vorfrühlings, das wir erleben. Noch sind die Blüten des neuen Deutschland nicht aufgegangen, aber wir sehen überall ihre Ansätze. Der Saft schießt ein, und ein neuer Frühling ist uns gewiß.

Wer hätte vor acht Jahren zu hoffen gewagt, daß der zusammengebrochene Staat von 1918 im Jahre 1926 nach innen politisch gefestigt, in seiner Valuta stabilisiert und mit einer immer sicheren Tendenz nach aktiv werdender Handelsbilanz dastehen würde und daß er, zwar außenpolitisch noch nicht ganz frei, aber doch wieder im Rate der Völker geachtet, ja umworben, ein Faktor der Weltpolitik sein würde?

Als die alte Staatsautorität zusammenbrach, gab es nur ein Mittel, eine neue Rechtsbasis zu schaffen, und dieses Mittel war der demokratische Gedanke. Danken wir unserem Schicksal, daß das deutsche Volk, viel mehr als es das selber wußte,

  • bis in sein tiefstes Innere hinein demokratisch gesonnen war, daß es willig das rettende Majoritätsprinzip anerkannte,
  • daß die überstimmte Minorität sich zwar grollend aber tatsächlich5 unterordnete,
  • und daß auch die Opposition sich die demokratischen Methoden aneignete.

So wurde die deutsche Republik geboren, von dem einen um jubelt, von dem andern gehaßt, von der großen Menge aber verstandesmäßig anerkannt. Die aus der Not geborene Republik, die aus der Asche des Kaiserreiches entstand, hatte es schwer, ihren Phönixcharakter zu erweisen, suggestiv die Herzen höher zu stimmen, und sich liebenswürdig zu machen. Im politischen Leben entscheidet nun einmal der Erfolg; nur er gewinnt die Herzen, und so wächst der republikanische Gedanke mit den beginnenden Erfolgen. Gewiß können und sollen diese Erfolge nicht ruhmreiche Kriege sein, nicht Flottengründungen und Interessensphären, sondern mühselig errungene Resultate aufopferungsbereiter Wiederaufbauarbeit. Die Welt sieht diese Leistungen mit wachsendem Respekt, und allmählich wird man ja wohl auch in allen Schichten des deutschen Volkes erkennen, welch bewundernswerte Arbeit in den letzten Jahren geleistet worden ist. Und wenn dabei die Opposition alles Erreichte herabmindert oder über-haupt verschweigt, und dabei gern den Namen des Freiherrn vom Stein und den Aufstieg Deutschlands im Anfang des vorigen Jahrhunderts als Parallele anführt, so darf doch nie vergessen werden, daß niemand die Wiederaufbaupolitik des Freiherrn vom Stein so erschwert und bekämpft hat, als gerade die Kreise, die auch heute wieder in Opposition stehen.

Im übrigen aber: welch ein gewaltiger Unterschied zwischen damals und heute! Gewiß war der Staat auch damals zusammengebrochen, aber die Staatsform war erhalten geblieben und damit die Staatsidee. Der Zusammenbruch von 1918 hat einen neuen Staatsgedanken geboren. Gewiß sind auch im Jahre 1918 die äußeren Formen vom Reich und Ländern und Kommunen die gleichen geblieben. Aber sie haben eine neue Funktion erhalten und im gewissen Sinne ist eine Vergesellschaftung des Staates eingetreten, in dem der Staat nicht mehr ein über dem Volke schwebendes Machtzentrum darstellte, sondern in dem das Volk selber zum Staate wurde, und damit jeder einzelne Bürger teilhaftig wurde an der Verantwortlichkeit dem Ganzen gegenüber.

Gewiß hat es auch früher ein allgemeines Wahlrecht gegeben. Aber was bedeutete damals das Parlament gegenüber der ungeheuren Autorität der Krone. Wir wollen nicht rechten mit der Vergangenheit. Wir ehren uns selber, wenn wir der Vergangenheit ihre Größe nicht schmälern. Wir stehen zu ihr wie die Kinder zum Elternhaus. Aber wir Kinder von ehedem sind jetzt Erwachsene geworden. Wir haben unser Schicksal selbst in die Hand genommen, und es ist undenkbar, daß die gewonnene Freiheit jemals wieder dem Autoritätsverhältnis von ehemals weichen könnte. Je stärker jeder von uns heute seine Verantwortung der Gemeinschaft empfindet, desto williger wird er sich den Notwendigkeiten des Staates unterordnen. Und bei aller Unabhängigkeit des Einzelnen, bei aller Lockerung autoritärer oder bürokratischer Bindungen verlangen wir doch von dem neuen demokratischen Staat eine feste Führung und in erster Linie ein freudiges Bekenntnis zu sich selber.

Wer ist denn nun dieser neue Staat? Er schwebt nicht mehr in Wolken über uns. Er ist gebildet aus dem ich und dem Du und dem Wir, die wir in freier Selbstverantwortung uns die Hände reichen, um einer für den andern und alle für Einen zu stehen. Den unbeschränkten Individualismus der liberalen Zeit bindet der demokratische und der soziale Gedanke der freiwilligen Unterordnung unter selbstgesetzte und selbsterwählte Autoritäten.

So ist aus dem Umsturz der Dinge ein neuer Staatsgedanke geboren und dieser Staatsgedanke, der selbst etwas geistiges ist, trat in Wettbewerb mit anderen geistigen Mächten, die unsere Zeit beherrschen. Das charakteristische Merkmal der geistigen Lage der deutschen Gegenwart ist die eigentümliche Mischung von Revolution und Tradition. Wir haben nicht wie die Russen alle Traditionen über Bord geworfen und auf einer tabula rasa eine neue Welt zu errichten begonnen, wir haben es mutig unternommen, unsern neuen Staatsgedanken mit dem großen geistigen Erbgut unseres Volkes zu versöhnen. Damit haben wir nicht etwa neuen Wein in alte Schläuche gefaßt sondern edlen alten Wein in neuen für lange Zeit haltbaren Schläuchen geborgen. Damit ist zugleich der Weg der Versöhnung gewiesen. Hat auch unser Staatsgedanke sich geändert, unser Kulturgedanke ist geblieben. Mögen noch so sehr politische Meinungsverschiedenheiten uns trennen, uns verbindet die kulturelle Einheit.

Haben wir Nachsicht mit den Brüdern und Schwestern, die der neuen Zeit noch kritisch oder ablehnend gegenüberstehen. Wir Republikaner haben es leicht, uns der neuen Zeit zu freuen, aber so energisch wir uns jede Sabotage der Republik verbitten müssen, so weitherzig wollen wir sein, die noch Fernstehenden brüderlich demokratisch zu uns herüberzuziehen.

Denn die Zukunft gehört uns ja doch. Langsam wandelt sich widerwillige oder nüchterne Anerkennung der Republik in freudige Bejahung. Aus Industrie und Beamtenschaft, selbst aus richterlichen und akademischen Kreisen mehren sich die Stimmen – noch mannigfach abgetönt, aber laut und vernehmlich -, die sich zur Republik bekennen und gerade in den letzten Wochen hat bei manchen Krisen in den Zentren politischer Machtstellung oder erst gestern bei der Hohenzollerndebatte der neue Staat bewiesen, daß er nicht mehr zur Diskussion steht, daß er wohl umstritten und kritisiert wird, aber als rocher de bronce stabilisiert gelten darf.

(Handschriftlicher Zusatz)

Denn Glauben, Glauben, Glauben:

Zu neuen Ufern lenkt (?unleserlich) ein neuer Tag.

 

85. DDP an C.H. B. Hagen in Westfalen, 29.9.1926

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr Minister!

Wir erlauben uns, Ihnen den anliegenden Aufsatz aus der deutschen La Plata Zeitung in Buenos Aires (abgedruckt in der La Plata Post vom 7./8.1926) zu überreichen, der einen unqualifizierbaren Angriff gegen Ihre Person enthält. Die Tatsache einer Kritik an sich würde uns nicht veranlassen, den Ausschnitt zu übersenden. Bestimmend ist dafür vielmehr der Umstand, daß viele Kritiken der deutschen Presse im Ausland, für die dieser Aufsatz nur ein Beispiel von tausenden ist, in ganz unverantwortlicher Weise abgefaßt sind und einen geradezu krankhaften Haß gegen die Republik und alle demokratischen Gedanken verraten.6

Es liegt daran, daß die bessersituierten Kreise der Deutschen im Auslande durch Deutsche, die nach dem Kriege ausgewandert sind, Offiziere waren oder sonst durch den Ausgang des Krieges enttäuscht sind, zu stark beeinflußt werden. Dieselben Kreise beeinflussen die Redaktionen der deutschen Auslandspresse, die sich außerdem noch hauptsächlich durch Korrespondenten reaktionärer Herkunft aus Deutschland speisen läßt. Wir haben oft Gelegenheit, deutsche Zeitungen aus dem überseeischen Ausland zu lesen und haben schon oft Gelegenheit genommen, auch andere amtliche Stellen auf die krassesten Auswüchse hinzuweisen.

Als es sich damals um beinahe nicht wiederzugebende Angriffe auf den Reichsaußenminister Dr. Stresemann handelte, haben wir in einer Korrespondenz mit dem Herrn Außenminister darauf hingewiesen, daß es doch wohl die Aufgabe der diplomatischen Vertreter im Auslande sein könnte und müßte, durch Einwirkung auf die Redaktionen wenigstens die blödesten und unsachlichsten Angriffe hintan zu halten. In Beantwortung unserer Korrespondenz wurde in Aussicht gestellt, daß in dieser Hinsicht Abhülfe geschaffen werden würde. Tatsächlich ist damals auch eine Besserung zu verzeichnen gewesen. Aber seit einigen Monaten – vielleicht ist es ein Zufall, daß der Zeitpunkt mit dem Erlaß der Flaggenverordnung des Reichspräsidenten zusammenfällt – ist wieder eine schärfere Tonart festzustellen, wie sie auch aus dem beigefügten Aufsatz hervorgeht. Irgendwas muß einmal endlich darin geschehen, denn es ist doch äußerst bedenklich, wenn die Deutschen im Ausland immer solche Entstellungen lesen, besonders in den Gegenden, wo ihnen irgendeine andere Zeitung mit sachlicherer Tendenz nicht zur Verfügung steht. Es müßten Mittel und Wege gefunden werden, um der deutschen Presse den reaktionären Nachrichtendienst abzuschneiden, und zwar wenigstens solchen Nachrichtendienst, der noch aus amtlichen Quellen gespeist wird. Wir haben schon früher den Verdacht ausgesprochen, daß das Deutsche Auslandsinstitut in Stuttgart nicht ganz unschuldig an der Verbreitung entstellender Nachrichten ist. Neuerdings werden sogar Nachrichten in spanischer Sprache für die spanische Presse, insbesondere in Südamerika, verbreitet, die auch nicht von gewissen Tendenzen ähnlicher Art frei zu sein scheinen.

Sollte der Verdacht gerechtfertigt sein und da Deutsche Auslandsinstitut eine Mitschuld treffen, so würde diese Tatsache noch besonders absurd mit Rücksicht auf den Umstand erscheinen, daß das Institut doch höchstwahrscheinlich Unterstützung aus Staatsmitteln erhält. Nach unserer Kenntnis der Dinge wird dieser Oppositionsgeist gegen den deutschen Staat auch in deutschen Schulkreisen im Auslande gepflegt. Wir würden uns denken können, daß bei den Bindungen, die zwischen dem deutschen Schulwesen im Ausland und Reichsstellen in bezug auf geistige und moralische Unterstützung, Überweisung von Lehrkräften, Anerkennung von Prüfungen und unter Umständen auch geldliche Unterstützungen bestehen, diese Beziehungen auch ausgenutzt werden könnten, um auch in das deutsche Schulwesen des Auslandes einen anderen fortschrittlichen Geist hinein zu bringen. Es erscheint nicht richtig, die beklagten Dinge einfach laufen zu lassen.

In der Annahme, daß Ihnen diese Mitteilungen nicht unerwünscht sind, bin ich mit demokratischem Gruß! Hochachtungsvoll!

(Gez.) Ihr ergebener W.Hennings

Mitglied des Bezirksvorstandes der DDP Südwestfalen.

Anlage bei der Antwort Beckers vom 30.10.26 (siehe unten)

 

86. DDP an Demokratischen Zeitungsdienst Berlin Stuttgart, 1.10.1926

(Maschinenkopie)

Anbei erhalten Sie eine Nummer der in New-Ulm, in Minnesota, Amerika, erscheinenden Neuen Zeit mit einem Angriff auf den preußischen Kultusminister Becker. Wir sind der Ansicht, daß dieser Maulwurfsarbeit eines unserer schlimmsten politischen Gegner, Dr. Hoelscher, Mitglied der Deutschnationalen Partei und in der Fraktion der Bürgerpartei und des Bauernbundes unseres Landtags, begegnet werden sollte. Die „Neue Zeit“ wird nicht bloß von vielen Deutsch-Amerikanern gelesen, sondern ist auch mit Unterstützung derselben vielfach auf den deutschen Universitäten und Hochschulen verbreitet; besonders aus diesem Grunde sollte der Angelegenheit entschieden begegnet werden, Erhalten wir die nötigen Unterlagen, werden wir schon für deren weitere Verwertung und Verbreitung Sorge tragen.

Mit aller Hochachtung

Deutsche Demokratische Partei gez. Horn

 

87. C. H. B. an die DDP, Postdirektor W Hennings. (Berlin), 30.10.1926

(Maschinenkopie)

Sehr geehrter Herr Postdirektor!

Aus Ihrem gefälligen Schreiben vom 29. d. J. habe ich mit großem Bedauern ersehen, daß in einer wesentlichen auslandsdeutschen Zeitung wiederum unhaltbare und unqualifizierte Angriffe gegen die Staatsregierung erhoben sind, ohne daß die Schriftleitung der Zeitung sich die Mühe gegeben hätte, den wahren Sachverhalt des geschilderten Tatbestandes kennen zu lernen. Ich bitte Sie, versichert zu sein, daß ich Ihre ersten Besorgnisse um die Stellung eines Teiles des Auslandsdeutschtums zur deutschen Republik teile. Allerdings möchte ich die Hoffnung nicht aufgeben, daß sich der gesunde Sinn für Gerechtigkeit und Wahrheit auch bei diesen auslandsdeutschen Gruppen durchsetzt. Sie werden mich bei Ihren Bemühungen, das Auslandsdeutschtum objektiv zu beeinflussen, auf Ihrer Seite finden.

Mit verbindlichen Empfehlungen bin ich Ihr sehr ergebener (CHB)

 

88. DDP an C. H. B. Halle a.d. Saale, 12.5.1928

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr Minister!

Mit Ihrem Schreiben vom 19.4. stellten Sie uns noch eine Nachricht wegen Ihres Eintreffens am 17.5. in Naumburg in Aussicht.

Wir bitten Sie, uns diesen Bescheid nun recht bald zukommen zu lassen, damit wir ihn nach Naumburg weitergeben können.

Auch wären wir Ihnen dankbar, wenn Sie uns zugleich das Thema, über das Sie zu sprechen gedenken, angeben wollten.

Für heute zeichnen wir mit ergebenen Grüßen (gez.) Dr. Markner

Randbemerkung Beckers:

Thema: Preußisch-deutsche Kulturpolitik seit der Staatsumwälzung.

 

89. DDP Ortsgruppe Pillau/Ostpreußen an C. H. B. Pillau, 18.6.1928

(Maschinenmanuskript)

Persönlich!

Sehr geehrter Herr Parteifreund!

Der unterzeichnete Vorstand der hiesigen Ortgruppe der DDP gestattet sich, Ew. Hochwohlgeboren die beiliegenden Leitsätze zur Kenntnisnahme und mit der Bitte zu überreichen, für die Anerkennung und Durchführung derselben im öffentliche Leben und für ihre Durchdringung des eisernen Bestandes des demokratischen Ideenschatzes nach Kräften mitwirken zu wollen. Er ist der festen Überzeugung, daß nur eine ganz entschiedene Grundsatzpolitik im demokratischen Geiste die Entwicklung der Demokratie und der DDP begünstigt und die in den einzelnen Ortsgruppen der DDP geleistete Kleinarbeit mit Erfolg krönt.

Der Vorstand! (gez.) Direktor Dr. Lomber, Vorsitzender, Mittelschullehrer Lemke, Kassierer

Köpping, Schriftführer

Anlage

Die Ortsgruppe Pillau der DDP

Hält im Interesse der Zukunft der DDP in der Innenpolitik insbesondere die Berücksichtigung der folgenden demokratischen Leitsätze für durchaus notwendig:

  • Wir fordern von allen Parteimitgliedern in führenden Stellungen in Reden und taten ein entschiedenes Bekenntnis und Festhalten an der demokratischen Idee der Gleichberechtung aller Staatsbürger auf der Grundlage gleicher Pflichten. Jede zwiespältige Haltung ist unbedingt zu vermeiden.
  • Die sogenannten „wohlerworbenen“ Rechte (Sonderrechte) der Oberschicht des Volkes sind umgehend auf das allgemein gültige Maß der gleichen Rechte aller Staatsbürger im Volksstaat zu reduzieren. Namenbezeichnungen, die auf frühere Adelsprädikate hinweisen, sind durch Gesetz zu beseitigen.
  • Die Ansammlung von Riesenvermögen in einzelnen oder wenigen Händen ist zu verhindern.
  • Die soziale Frage der handarbeitenden Bevölkerung ist bis an die Grenze des Interesses eines gesunden Wirtschaftslebens des Staates Zulässigen zu heben und gesetzlich zu regeln.
  • Die Republikanisierung der unmittelbar im öffentlichen Dienste stehenden Staatsbürger – Beamtenschaft und Reichswehr – ist sofort und rücksichtslos durchzuführen.
  • Da die deutsche Kultur auf dem deutschen Schulwesen beruht, ist bei der Auswahl und der Beförderung der Beamten in der Regel der Grad der Allgemeinbildung als in hohem Grade ausschlaggebend zu betrachten. Im Interesse des Staates gebührt den republikanischen Beamten mit geringerer Allgemeinbildung vor den antirepublikanischen Beamten mit höherer Allgemeinbildung der Vorzug.
  • Eine Vereinigung der DDP mit der DVP betrachten wir als Verrat an der Demokratie und lehnen sie infolgedessen ab. Dagegen würden wir als republikanische Sammelpartei die Vereinigung der beiden genannten Parteien mit der SPD unter einem entsprechenden Namen warm begrüßen. Bei einem selbständigen Fortbestehen der DDP ist eine Änderung des seitherigen Namens durchaus erforderlich.7

I.A. Der Vorstand (wie oben)

 

90. DDP, Wahlkreis Potsdam an C. H. B. Berlin, 21.6.1928

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr Minister!

Sie waren so freundlich, uns in unserem Wahlkreis durch einen Vortrag zu unterstützen. Im Namen des Wahlausschusses sage ich Ihnen dafür unseren verbindlichen Dank.

Wenn es uns gelungen ist, nicht nur unser Reichstagsmandat, sondern auch zwei Landtagsmandate aus eigener Kraft zu behaupten, und darüber hinaus noch an den Verbands-Wahlkreis Berlin und die Reichs- und Landesliste Reststimmen abzugeben, so freuen wir uns mit Ihnen, daß Sie einen Anteil an diesem Ergebnis haben.

Wir gehen sofort an den Ausbau der Organisation; ein neuer Wahlkampf wird uns nicht ungerüstet finden. Wir hegen die Hoffnung, daß gleichviel wann er kommen wird, wir uns wieder Ihrer wertvollen Unterstützung versichert halten zu dürfen.

Mit hochachtungsvollem (Partei)8Gruße sehr ergeben (gez.) Otto, MdL

Vorsitzender des Wahlausschusses

 

91. DDP an C. H. B. Berlin, 19.7.1929

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr Staatsminister!

Unsere Parteigruppe in Augsburg ist an uns mit der Bitte herangetreten, an Sie die Anfrage zu richten, ob Sie freundlichst bereit wären, im Herbst in Augsburg auf einer großen Kundgebung der Partei zu sprechen. Unsere Augsburger Freunde versprechen sich von der Kundgebung, auf der Sie, Herr Minister, sprechen, sehr viel und fragen darum schon jetzt an, weil sie möglichst frühzeitig Klarheit haben wollen, um eine gute propagandistische Vorbereitung treffen zu können. Unsere Augsburger Freunde haben einmal den Wunsch, wie gesagt, bei einer großen öffentlichen Kundgebung eine Rede von Ihnen zu hören und zum Zweiten, auch einen Vortrag im kleineren Kreise, weil man annimmt, daß auf Grund der Tatsache, daß Sie verwandtschaftliche und gesellschaftliche Beziehungen in Augsburg haben, der Parteiarbeit Kreise gewonnen werden können, die uns sonst nicht so nahestehen.

Wir wären Ihnen, sehr geehrter Herr Minister, zu außerordentlichem Dank verpflichtet, wenn Sie uns bald eine Antwort zuteil werden ließen und empfehlen uns Ihnen mit aufrichtig ergebenen Grüßen

Reichsstelle der Deutschen Demokratischen Partei (gez.) Sowarpf

 

92. C.H.B. an DDP, Reichsgeschäftsstelle. (Berlin), 21.9.1929

(Maschinenkopie)

Sehr geehrter Herr Wolff!

Verbindlichen Dank für Ihr freundliches Schreiben vom 19. Juli. Ich muß um Entschuldigung bitten, daß ich wegen Urlaubs und daran anschließenden Dienstreisen es versäumt habe, Ihren liebenswürdigen Brief rechtzeitig zu beantworten. Wie Sie wissen, habe ich mich, da ich der Partei nur nahestehe, ohne ihr direkt anzugehören, bisher mit Vorträgen bei großen Parteiveranstaltungen stark zurückgehalten, wenn ich auch bei allgemeinen kulturellen Veranstaltungen gelegentlich im demokratischen Kreise gesprochen habe. Ich bin kein eigentlich politi-scher Redner und bitte, freundlich dafür Verständnis haben zu wollen, wenn ich eine so schwierige Mission wie die Gewinnung des Augsburger Milieus lieber nicht übernehme. Ich glaube, daß ich der demokratischen Idee und der Demokratischen Partei in der Stille mehr nutzen kann, als wenn man mich bei großen politischen Kundgebungen herausstellt. Sie haben wohl die Freundlichkeit, die Augsburger Herren entsprechend zu verständigen.

In bekannter hoher Verehrung Ihr sehr ergebener (CHB).

 

93. DDP Kreisverein Melsungen an den Regierungspräsidenten in Kassel

und die DDP Geschäftsstelle Berlin Spangenberg, 23.10.1929

Abschrift durch Staatsförster Stein an C. H. B.

Durch den Herrn Landrat Dr. Schuster erfahren wir, daß er aus persönlichen Gründen von seinem Amt als Landrat des Kreises Melsungen zurückgetreten ist. Diese Entschließung kam uns allen so überraschend und zu einem für seinen Rücktritt so ungeeigneten Zeitpunkt, daß wir Demokraten und alle anderen Republikaner des Kreises Melsungen die schwersten Besorgnisse für die Zukunft haben. Wir hoffen, daß die Staatsregierung den Landrat Dr. Schuster möglichst bald wieder in einer seinen Fähigkeiten entsprechenden Stellung beschäftigt.9 Hier in unserem Kreise , wo seit 10 Jahren die schärfsten Gegensätze zwischen “Rechts und Links“ bestehen und wo die Hochburg der NSDAP sitzt, ist es für jeden Republikaner besonders schwer, seinen Demokratischen und Republikanischen Standpunkt zu behaupten, besonders wenn es gilt, dem heutigen Staate die nötige Achtung zu verschaffen. In diesen Belangen aber hat Herr Dr. Schuster sein Bestes getan und alle Republikaner ohne Ausnahme sind ihm hierfür aufrichtigen Dank schuldig. Deshalb erachten wir es als unsere Pflicht, für das Fortkommen unseres rührigen Mitgliedes Dr. Schuster bemüht zu sein. Wir hoffen keine Fehlbitte getan zu haben und gestatten uns weiter zu bitten, dem Herrn Preußischen Innenminister von diesem Schreiben Kenntnis zu geben.

Mit Deutschem Demokratischen Gruß Hochachtungsvoll gez. Stein. 1. Vorsitzender

 

94. DDP (Kreisverband) Breslau an C. H. B., Breslau, 1.2.1930

(Maschinenmanuskript)

Hochverehrter Herr Staatsminister!

Im Namen meiner Parteifreunde habe ich die Ehre, Ihnen, Herr Minister, ehrerbietige und dankbare Grüße zu senden. Ihr Ausscheiden aus dem Ministerium bewegt uns schmerzlich. Wir sind zu kritisch, um etwa jede Ihrer Handlungen gebilligt zu haben, ja, wir haben gerade etwa in unserem hiesigen Kulturausschuß die immer weitergehende Zersplitterung und Zerlösung des höheren Schulwesens mit Sorge verfolgt. Aber während Ihrer mehr als zehnjährigen Tätigkeit an leitender Stelle im Ministerium und als Minister haben wir immer zu Ihnen aufgesehen. Bei vielem Unerfreulichen, das nicht veranlaßt wurde durch die Schwere der Zeit, sondern durch das eigene politische Ungeschick, war es uns eine Genugtuung, daß ein Mann wie Sie im Preußischen Staatsministerium war. Sie wissen selbst genug, welch bedeutsame Gestalt Sie im öffentlichen Leben sind durch die in Deutschland sehr seltene Verbindung von umfassender Gelehrsamkeit und praktischer Verwaltungsgabe, durch Vereinigung von weltmännischem Gebaren und Forschernst und schließlich durch die heute überaus seltene Vereinigung von politischer Klugheit und charakterlicher Verläßlichkeit. Wir sind überzeugt, daß Ihr Name in die Geschichte eingeht. Wenn in einer Zeit, in der ein Teil der Menschen zwar eine starke Bezogenheit auf den Geist besitzt, ein anderer jedoch nicht minder starker Bevölkerungsteil lediglich auf das Nützliche tendiert, wenn in einer solchen Zeit die Aufgaben der Kultur weiter erfüllt wurden und die kulturellen Institutionen gefördert werden konnten, so ist das, Herr Minister, wir wissen das sehr wohl, Ihr Verdienst.

Wir sind auch überzeugt, daß Sie an bedeutsamer Stelle weiter Einfluß nehmen werden auf die geistige Gestaltung unseres Volkes, und daß Sie immer, wenn nicht in amtlicher Funktion, so doch ebenso stark als Gestalt wirken. Uns liegt heute nur daran, jetzt, da ein Wort des Dankes den Dankenden nicht mehr in den Verdacht irgendeines Strebertums bringt, Ihnen zu sagen, daß Sie durch Ihre Arbeit und durch Ihr Sein den Impuls gegeben haben, an anderer, bescheidenerer Stelle in unserer Arbeit nicht müde zu werden.

In Ehrerbietung der Vorstand der Deutschen Demokratischen Partei,

Wahlkreisverband Breslau i.A. (gez.) Lic.th(eol) Momutz (unleserlich) 1. Vorsitzender.


1 Koram (lat.) vor aller Augen vgl. coram publico (veralteter Ausdruck für tadelnswertes Verhalten. Duden 1996

2 Unterstreichungen vom Referenten im MK.

3 Am Rande mit großem Fragezeichen versehen.

4 Hervorhebung vom Herausgeber.

5 Im Typoskript unterstrichen. Der Herausgeber.

6 Hervorhebungen vom Herausgeber.

7 Vom Empfänger am Rande angestrichen. Der Herausgeber.

8 Das Wort Partei wurde von Otto gestrichen, denn Becker war zwar Sympathisant, aber kein Mitglied

9 Unterstreichungen vom Empfänger bzw. dem Referenten. Der Herausgeber.

Deutsche Verlagsanstalt Stuttgart, 1914-28

Nachl. C.H. Becker, Rep.92. Becker D. Nr. 2976

59. DVA an C.H.B., Bonn Stuttgart, 24.9.1914

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr Professor!

Wir senden Ihnen anbei per Eilboten zwei Abzüge Ihres Beitrages für unsere Flugschriftensammlung „Der deutsche Krieg: Deutschland und der Islam.“ Im Auftrag von Herrn Dr. Jäckh in Berlin W 35, Schöneberger Ufer 36a, möchten wir Sie bitten, das von Ihnen korrigierte Exemplar so rasch wie möglich an diesen Herrn zu senden; da wir das Heft schon übermorgen in 8 Tagen verschicken, ist dringend Eile geboten und wir sind Ihnen außerordentlich zu Dank verpflichtet, wenn Sie die Korrektur des Artikels umgehend per Eilboten nach Berlin senden.

In ausgezeichneter Hochachtung ergebenst DVA (zwei unleserliche Unterschriften)

 

60. C.H.B. an DVA. (Bonn?), 28.9.1914

(Maschinenkopie)

Sehr geehrter Herr!

Gestern Sonntag früh erreichte mich Ihre Korrektursendung und zwei Stunden danach Ihr Brief. Wunschgemäß habe ich noch am gleichen Tag die Korrektur erledigt und als Eilbrief an Herrn Dr. Jäckh weitergesandt.

Ich benutze die Gelegenheit Sie zu bitten, das mir zustehende Honorar dem Hülfsfond für Ostpreußen zu überweisen.

Mir selbst bitte ich für meine Rechnung incl. der mir zustehenden Freiexemplare im Ganzen 50 Stück meiner Flugschrift zu schicken.

Mit vorzüglicher Hochachtung ergebenst (CHB)

 

61. DVA an C.H.B., Bonn Stuttgart, 30.9.1914

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr Professor!

Wir danken verbindlichst für Ihr Schreiben vom 28.ds.Mts., aus dem wir gerne ersehen haben, daß Sie die Korrektur Ihres Beitrages noch am Sonntag an Herrn Dr. Jäckh in Berlin abgesandt haben.

Wir haben auf Ihren Wunsch hin unserer Berliner Filiale Anweisung gegeben, das Ihnen für Ihren Beitrag zustehende Honorar dem Hilfsfond für Ostpreußen zu überweisen.

50 Exemplare Ihrer Flugschrift, einschließlich der 15 freien Exemplare, hoffen wir Ihnen am Samstag zusenden zu können.

Wir empfehlen uns Ihnen in ausgezeichneter Hochachtung als Ihre ergebene DVA

(gez.) Hugo Wagner (zweite Unterschrift unleserlich)

 

62. DVA an C.H.B., Bonn Berlin, 2.10.1914

(Maschinenmanuskript)

Hochgeehrter Herr Professor!

Wir beehren uns Ihnen mitzuteilen, daß wir das Honorar von M(ark) 100,- für Ihren Beitrag zu unserer Flugschriftensammlung „Der Deutsche Krieg“, „Deutschland und der Islam“ dem Herausgeber der Sammlung, Dr. Jäckh, hier, zur Überweisung an den Hilfsfond für Ostpreußen ausbezahlt haben. Gegen diese Honorarzahlung geht nach den Vereinbarungen mit dem Herrn Herausgeber die Arbeit mit unbeschränkten Verlagsrechten in unseren Besitz über.

In dem wir Ihnen für diesen Beitrag auch unsererseits verbindlichen Dank aussprechen, empfehlen wir uns Ihnen mit vorzüglicher Hochachtung DVA (gez. Unleserlich)

 

63. DVA an C.H.B. Stuttgart, 18.11.1926

(Maschinenmanuskript)

Hochgeehrter Herr Minister!

Im Namen und Auftrag unseres Autors, Herrn Professor Dr. Hermann Stegemann, beehren wir uns, Ihnen ein Exemplar seines „Trugbilds“ zu übersenden. Herr Professor Dr. Stegemann fühlt sich hierzu durch Ihre auf dem Historikertag in Breslau gehaltene bedeutsame Rede über historische Aufgaben der Gegenwart besonders veranlaßt.

In vorzüglicher Hochachtung ergebenst DVA (gez.) G.Kipper

Anmerkung Beckers: Danken an Prof. Stegemann.

Anmerkung 2: Auf Anordnung des Herrn Ministers ablegen. Duwe 23.3.

 

64. C.H.B. an DVA. (Berlin), 12.4.1928

(Maschinenkopie)

Der Deutschen Verlagsanstalt in Stuttgart

Sage ich für die freundliche Übersendung des Buches „Johannes Miquel“ von Wilhelm Mommsen1 meinen besten Dank.

In vorzüglicher Hochachtung (CHB)

Anmerkung Beckers: Rücksprache wegen Brief an Mommsen. B 14.4.


1 Wilhelm Mommsen *1892, Historiker, Enkel von Theodor Mommsen, wurde 1929 Professor in Marburg.

Werke: Bismarcks Sturz und die Parteien (1924), Johannes Miquel (1928), Die politischen Anschauungen Goethes (1948), Größe und Versagen des deutschen Bürgertums 1848/49 (1948), Stein, Ranke, Bismarck (1954)

Prof. Wilhelm Flitner, 1926-33

Nachl. C. H. Becker.HA VI. Rep.92 Becker F. Nr. 680

Briefwechsel C.H.Beckers mit Prof. Wilhelm Flitner1 1926-1933

67. Wilhelm Flitner an C.H.B. Kiel, 20.7.19262

(Maschinenmanuskript)

Hochverehrter Herr Minister!

Die philosophische Fakultät der Universität Leipzig und die Sächsische Regierung fordern mich auf, nach Leipzig zu kommen und dort die Tätigkeit des a.o. Professors für praktische Pädagogik zu übernehmen. Da ich über praktisch erzieherische Tätigkeit zur Auswirkung meiner theoretischen Produktion noch nicht habe kommen können, so scheint es mir, daß ich diesen Ruf kaum ablehnen kann; würde ich ihn ablehnen, so müßte das bedeuten, daß ich auf die akademische Lehrtätigkeit und auf wissenschaftliche Produktion in größerem Umfang innerlich Verzicht leiste.

Ich erlaube mir, Ihnen das zu schreiben, um jeden Anschein zu vermeiden, als wolle ich die so überaus bedeutungsvolle und schöne Arbeit in der Preußischen Lehrerbildung aus einem Zweifel an der Sache wieder verlassen. Ich bin unverändert der Meinung, daß die Preußische Neuregelung den gegenwärtig allein gangbaren Weg geht, wenn ich auch über die Durchformung der einzelnen Anstalt einige vom jetzt Gültigen abweichende Gedanken habe.

Wenn ich jetzt, im Interesse meiner wissenschaftlichen Produktion, aus der Kieler Arbeit auszuscheiden gedenke, so wäre es mein innigster Wunsch, mich weder innerlich noch auf die Dauer äußerlich von dem Werk der Preußischen Lehrerbildung zu trennen. Ich möchte wünschen, daß meine Entscheidung auch Ihre Billigung findet, und ich möchte um die Gunst bitten, in einer rein privaten kurzen Besprechung Ihnen etwas deutlicher darlegen zu dürfen, warum ich mir auf Ihre innere Zustimmung Hoffnung mache.

Ihr verehrungsvoll ergebener (gez.) Dr. Wilhelm Flitner

Dozent an der Pädagogischen Akademie Kiel.

 

68. Preußisches Kultusministerium an Wilhelm Flitner. (Berlin), 22.7.1926

(Maschinenkopie)

An den Dozenten der Pädagogischen Akademie in Kiel Herrn Dr. Wilhelm Flitner.

Auf das an den Herrn Staatsminister Professor D. Dr. Becker gerichtete gefällige Schreiben vom 20.Juli d.Js. um Gewährung einer Unterredung teilt das Privatsekretariat ganz ergebenst mit, daß der Herr Minister sich bis Mitte August in Urlaub befindet. Ihre Eingabe wird dem Herrn Minister nach seiner Rückkehr vorgelegt werden.

Privatsekretariat (gez.) H. Amtsrat

Anmerkung: Herrn Ministerialdirektor Kaestner gehorsamst weitergereicht.

Ich habe Herrn Flitner geschrieben, daß der Herr Minister Anfang September für ihn zu sprechen ist, habe ihm nochmals zugeredet, in Kiel zu bleiben, und ihn gebeten, keinen endgültigen Entschluß vor seiner Unterredung mit dem Herrn Minister zu fassen.

Hinweis an ORR Duve: Die Sache ist gemäß Besprechung (nicht lesbar) erledigt.

 

69. Professor Wilhelm Flitner an C.H.B. Altona, 3.6.1932

(Maschinenmanuskript)

Sehr verehrter lieber Herr Becker!

Haben Sie herzlichen Dank für Ihre Einladung zum Nizzaer Kongreß. Ich sage Ihnen gern zu, darf aber wohl den Vorbehalt, den man jedem Deutschen heute zubilligen muß, machen, daß man die Entwicklung der politischen Zustände abwarten muß, um zu entscheiden, ob man im August über die Grenze zu gehen noch Lust verspüren wird. Es ist eine sehr frohe Aussicht, Sie in Nizza wiederzusehen und die Gespräche von Davos fortzusetzen.

Mit herzlichen Grüßen und Empfehlungen Ihr treulich ergebener (gez.) W. Flitner.

 

70. C.H.B. an Wilhelm Flitner, Hamburg. (Berlin), 15.6.1932

(Maschinenkopie)

Lieber Herr Flitner!

Ich bin außerordentlich glücklich, daß Sie den Hauptvortrag für Nizza übernommen haben. Es stellt sich jetzt heraus, daß wir doch nicht drei sondern nur über zwei Hauptvorträge verfügen können. Ich habe deshalb sofort geschrieben, daß Herr Dessauer und Sie die gegebenen Redner für diesen Zweck wären, da Sie sich auch nach der theoretischen und praktischen Seite bestens ergänzen, während ich in einem anderen Zusammenhang über das gleiche Thema wie projektiert sprechen werde. Man wollte gern, daß ich englisch spreche, doch kann ich das als deutscher Hauptredner natürlich nicht, aber in meiner Eigenschaft als Vizepräsident könnte ich in anderem Zusammenhang nach einer deutschen Einleitung doch die wichtigen Dinge, die ich zu sagen habe, auch in Englisch vorbringen, ohne gleich als anational zu erscheinen.

Bei unserer Besprechung mit den Behörden in Berlin ist erwogen worden, ob die Reisekosten für Sie nicht von der Hamburgischen Oberschulbehörde übernommen werden könnten. Die Finanzierung macht überhaupt einige Schwierigkeiten. Ich bekomme gerade von Frau Dr. Rotten einen Brief, worin sie die Hoffnung ausspricht, daß entweder Sie oder Dr. Gebhard finanziell von der Hamburger Oberschulbehörde übernommen würden. Darf ich Sie einmal fragen, wie Sie darüber denken, und ob Sie es für zweckmäßig halten, daß ich vielleicht einmal als Vizepräsident an den Herrn Senator de Chapeau Rouge ein paar Worte schreibe; in Hamburg war man früher in solchen Dingen immer sehr großzügig.

Mit herzlichen Grüßen Ihr Ihnen aufrichtig ergebener (CHB)

Anlage o.D.(Mai/Juni 1932)

C. H. B. an Wilhelm Flitner, Professor in Hamburg

Lieber Herr Flitner!

Ich hoffe, Sie haben schon von Weniger gehört, daß wir auf Sie das Attentat machen wollen, auf dem Nizzaer Kongreß mit mir und Dessauer das dritte deutsche Referat in den Main Lectures zu der Grundthese des Kongresses zu übernehmen. Wir hatten uns die Arbeitsteilung so gedacht, daß ich Education and Social Change vom internationalen, Dessauer, Frankfurt, vom soziologischen und Sie vom pädagogischen behandeln sollten. Frau Dr. Rotten, die für die Headquarters spricht, soll die Auswirkung auf die Seele des individuellen Lehrers behandeln. Bitte tun Sie mir den Gefallen, ich würde mich ganz besonders freuen, wieder einmal mit Ihnen bei einer Sache zusammen wirken zu können. Näheres über den Kongreß brauche ich einem Fachmann, wie Ihnen, ja nicht zu schreiben. Als Reiseunterstützung werden von amtlicher Stelle RM 200 zur Verfügung gestellt werden.

Mit herzlichen Grüßen Ihr Ihnen aufrichtig ergebener (CHB).

 

71. Wilhelm Flitner an C.H.B. Hamburg, 17.6.1932

(Maschinenmanuskript)

Lieber hochverehrter Herr Becker!

Für Ihren Brief danke ich Ihnen sehr und möchte nicht versäumen, meinen Vortrag Ihnen wieder zur Verfügung zu stellen. Wenn Deutschland nur zwei Vorträge zu halten hat, so wäre es meiner Ansicht nach sehr viel repräsentativer, wenn außer Herrn Dessauer Sie sprechen würden. Ich verzichte dann gern, zumal die Beschaffung der Mittel Schwierigkeiten macht. Ich habe mich an unsere Hochschulbehörde mit einer Anfrage gewandt, noch keine offizielle Antwort bekommen, aber der Herr Senator teilte mir mit, daß Mittel gar nicht mehr zur Verfügung gestellt werden. Es könnte natürlich sei, daß er Ihnen ungern eine abschlägige Antwort erteilt, wenn Sie als Vizepräsident sich an ihn wenden würden, aber vielleicht ist das nicht nötig, wenn Sie selbst den Vortrag übernehmen. Ich möchte Sie jedenfalls bitten, ganz danach zu verfahren, wie sich das Ganze am praktischsten arrangieren läßt.

Mit herzlichen Grüßen Ihr treulich ergebener (gez.) Flitner.

 

72. C. H. B. an Wilhelm Flitner. Berlin, 21.6.1932

(Maschinenkopie)

Lieber Herr Flitner

Ich freue mich herzlich, daß Sie mir treu bleiben. Herr Rawson teilt mir mit, daß wir alle drei an hervorragender Stelle zu Wort kommen, daß nur einer der Vorträge vielleicht am Vormittag stattfinden müßte, was bei einem Kongreß dieser Art evtl. noch das bessere ist. Da er mich gleichzeitig bittet, einen Titel für meinen Vortrag zu finden, habe ich lange darüber nachgedacht und dann folgende etwa umständliche, aber deutliche Formulierung gewählt:

„Der soziale Wandel und die Erziehung unter dem Gesichtspunkt der Verschiedenheit der Völker.“

Weiter kann ich Ihnen die erfreuliche Mitteilung machen, daß die RM 3000 des Auswärtigen Amts bereitgestellt sind. Ich erhielt die offizielle Mitteilung und habe die Pädagogische Auslandsstelle, die als Zahlstelle fungiert, gebeten, zunächst einmal RM 500 Frau Rotten zu überweisen. Ich werde nun heute noch ein Gesuch an Minister Grimme richten, daß auch Preußen sich mit RM 500 beteiligt, desgleichen schreibe ich mit gleicher Post an de Chapeaurouge.

Mit herzlichen Grüßen Ihr Ihnen freundschaftlich ergebener (CHB)

 

73. C. H. B. an Wilhelm Flitner. (Berlin), 31.1.1933

(Maschinenkopie)

Lieber Herr Flitner!

Ihr Besuch bei Jacob war mir besonders erfreulich, und ich möchte Ihnen gern noch einmal von Herzen dafür danken. Das nächste Mal werde ich nicht verfehlen, Sie und ihre Gattin bei sich aufzusuchen. Ich versprach, Ihnen zwei Artikel zu schicken, über die wir gesprochen haben. Den über den Dritten Humanismus können Sie behalten, den über Amerika muß ich allerdings zurückerbitten, da ich leider keine Exemplare mehr zur Verfügung habe und es doch noch einige Zeit dauern wird, bis der erweiterte Druck erscheint.

Mit herzlichen Grüßen Ihr Ihnen aufrichtig ergebener (CHB)

 

74. Wilhelm Flitner an C. H. B. Klein-Flottbeck bei Hamburg, 7.2.1933

(handschriftlich)

Hochverehrter Herr Staatsminister!

Vielen Dank für die beiden Sonderdrucke und den freundschaftlichen Gruß. Ich bin Ihnen sehr dankbar, daß Sie am Tag Ihres zweiten Vortrags noch Zeit für mich fanden; die beiden Tage werden mir festlich in Erinnerung bleiben. Den Sonderdruck über Amerika sende ich beiliegend zurück und freue mich, das andere behalten und in mein Helbling(?)-Exemplar hineinlegen zu können. Indem ich beiden Gedankenreihen mich hingab, habe ich mich gefragt, ob die Kirche von der im Humanismus nicht die Rede ist, wirklich so vergangen ist, wie es hier scheint. Weder die Sowjets noch die Amerikaner noch diese neuen Mythosleute wie Helbing wissen noch um sie und um die neue, unsichtbare Kirche, die doch die Substanz dessen enthält, was Blut, Leib, Mythus nicht geben und was da sein muß, bevor ein Humanismus kommen kann, es zu verfeinern. Die Konfessionalität der Päd(agogischen) Akademien – so wie Kittel sie seinerzeit interpretierte – war wohl die Grundlage ihres praktischen Humanismus, und jene Konfessionalisierung, die politisch notwendig wurde, hat wirklich nicht zufällig jener Idee des neuen Humanismus das Fundament gegeben.

Verzeihen Sie die Ausführlichkeit dieses Dankes. Meine Frau freut sich mit mir auf Ihren nächsten Besuch in Hamburg – vergessen Sie nicht uns aufzusuchen.

Mit herzlichen Wünschen für Spanien-Marokko Ihr getreulich ergebener W. Flitner.


1 Wilhelm A. Flitner * 1889 Bad Berka + 1990 Tübingen. Erziehungswissenschaftler, 1926 Prof. in Kiel, 1929 Hamburg. Vertreter der geisteswissenschaftlichen Pädagogik, verband historische. Forschung, die die Erziehung in den Kulturzusammenhang einbettet, intensive Zuwendung zu pädagogischen Gegenwartsfragen der Erwachsen- und Lehrerbildung, der Schule und Hochschule. (Nach Brockhaus 20.Aufl. Mannheim 1996)

2 Hervorhebungen von Becker.

Preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun, 1922-30

29. C.H.B. an MP Otto Braun. (Berlin), 28.8.1922

Privatsekretariat

(Maschinenkopie)

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Als ständiger Mitarbeiter Ihres Parteigenossen Haenisch während seiner Ministerzeit erlaube ich mir heute, Ihnen die Bitte vorzutragen, Herrn Haenisch zu einer seiner früheren Stellung entsprechenden Verwendung im Staatsdienst zu verhelfen. Von vertrauenswürdiger Seite ist mir berichtet worden, daß er demnächst in eine materiell bedrängte Lage kommen muß, wenn ihm nicht in irgend einer Hinsicht geholfen wird. Da ich während seiner ganzen amtlichen Wirksamkeit in täglicher Zusammenarbeit seine rechte Hand gewesen bin, so kann ich ihn vielleicht besser als irgend jemand sonst beurteilen, auf welchem Gebiete die Kraft des Herrn Haenisch zum Besten des allgemeinen Staatswohles eingesetzt werden könnte. An nächsten läge natürlich, ihn im Rahmen der Unterrichtsverwaltung zu verwenden. In Frage könnte nur eine selbständige oder eine leitende Stellung kommen. Derer gibt es im Rahmen der Unterrichtsverwaltung eigentlich nur die Kuratorstellen an den Universitäten und die Direktorstellen der Prrovinzialschulkollegien. Seit dem Ausscheiden des Herrn Haenisch aus dem Ministerium habe ich mir den Kopf darüber zerbrochen und mit anderen hin und her überlegt, ob es möglich wäre, ihn auf einem dieser beiden Posten zu verwenden. Sämtliche von mir befragte Sachverständige halten das aus sachlichen oder aus politischen Gründen für unmöglich. An der Spitze der Provinzialschulkollegien ist nur ein technisch gründlich geschulter Beamter denkbar, und die hier zu lösenden Fragen liegen auch Herrn Haenisch ferner, da während seiner Ministerschaft in erster Linie die Volksschulfrage im Mittelpunkt des Interesses gestanden hat. Es sind hier entweder streng juristische oder speziell schultechnische Aufgaben zu lösen, zu denen eine akademische Fakultas in einem oder mehreren Fächern gehört. Die Leitung eines Provinzialschulkollegiums kann also aus sachlichen Gründen für Herrn Haenisch nicht in Betracht kommen. Ich glaube auch, daß er sich selber diese Aufgabe nicht zutrauen würde.

Anders liegen die Dinge bei einem Universitätskuratorium. Ein Kurator ist zwar kein leitender, aber doch ein selbständiger Beamter, und als Ruheposten für einen früheren Minister ist diese Stelle durchaus würdig. Allerdings gibt es auch hier sachliche Schwierigkeiten. Als Minister hatte Herr Haenisch zur Ausführung seiner Wünsche einen großen Stab nach allen Richtungen hin geschulter Beamter zur Verfügung. Er brauchte also nur die Ideen angeben, und sie wurden dann in die juristisch und technisch richtige Form gebracht. Als Kurator ist er der einzige höhere Beamte in einer Behörde, muß also die entscheidenden, oft auch juristisch wichtigen Berichte persönlich abfassen, wenn ihm auch in den rechnerischen fragen ein Büro zur Seite steht. Immerhin glaube ich, daß Herr Haenisch diese sachlichen Schwierigkeiten nach einigem Einarbeiten wohl überwinden würde. Es könnte ja vielleicht für eine entsprechende Hilfe gesorgt werden. Aber hier liegen nun leider die Schwierigkeiten auf anderem Gebiet. Ich befürchte, daß eine Ernennung des Herrn Haenisch zum Kurator – wobei ich ganz absehe, ob sie für den gegenwärtigen Herrn Kultusminister überhaupt politisch tragbar wäre – eine Radikalisierung der langsam abflauenden Oppositionsbewegung der Studentenschaften und auch der Universitäten gegen den neuen Staat herbeiführen würde. Ich kann es zwar Herrn Haenisch bezeugen, daß er immer nur das Beste für die Universitäten gewollt hat. Ich weiß, daß er mit zarter, aber fester Hand die akademische Welt mit den neuen Verhältnissen hat versöhnen wollen. Ja, man kann geradezu von einem Haenisch’schen Liebeswerben um die Universitäten reden. Aber es ist ihm leider hier der Erfolg versagt geblieben. Die Universitäten sind zweifellos jetzt auf dem Wege der vollen Versöhnung mit den neuen Verhältnissen. An ihrer Loyalität ist nicht zu zweifeln; aber Herr Haenisch ist für diese akademischen und namentlich die studentischen Kreise doch nun mal der Inbegriff dessen, was sie bekämpfen. Besondere Schuld trägt daran seine unglückliche Behandlung der Marburg- Mechterstaedt’schen Affaire. Sein Wort von den Marburger Mordbuben hat eine geradezu verhängnisvolle Wirkung ausgeübt und seine ziemlich fortgeschrittene Versöhnungspolitik auf ihre allerersten Anfangsstadien zurückgeworfen, vor allem, als er nach Spruch der Gerichte nur als Minister, nicht aber als Mensch seine schweren Beschuldigungen zurücknahm. Würde er nun Kurator werden, so glaube ich, daß wir mit sehr erheblichen Schwierigkeiten zu rechnen haben würden, die man, wenn irgend möglich, vermeiden sollte. Wir haben in den letzten Jahren systematisch die Kuratorposten von den Oberpräsidentenposten getrennt, weil wir sie entpolitisieren wollten. Die Ernennung von Herrn Haenisch würde diese ganze Politik desavouieren und auch diese im Interesse der Versöhnung unbedingt neutral zu haltenden Posten in die machtpolitischen Verteilungspläne der Parteien einbeziehen. Ich würde diese Entwicklung für geradezu verhängnisvoll halten und habe deshalb gegen die Verwendung des Herrn Haenisch auf einem Kuratorposten, wenigstens für die nächsten Jahre, nicht nur persönliche, sondern auch erhebliche sachliche Bedenken.

Welchen Posten soll man aber sonst in Vorschlag bringen? Ich sehe den einzig möglichen Ausweg in einer Ernennung des Herrn Haenisch zum Regierungspräsidenten. Auf diesem leitenden Posten können gerade seine besten Qualitäten sich voll auswirken. Er hat als Minister einen guten Überblick über die Staatsverwaltung gewonnen. Er besitzt als Regierungspräsident ein sachverständiges Personal zu juristischen und technischen Beratungen. Sein persönlicher Einsatz besteht nun in einer, ich darf wohl sagen, ungewöhnlichen Begabung zur Leitung schwieriger Verhandlungen, zur Beruhigung aufgeregter Gemüter, zur Abfertigung unverschämter Antragsteller und zur Sicherstellung staatlicher Belange gegenüber privaten Interessenten. Ich habe ihn sehr hochmögende Professoren mit geradezu bewundernswürdigem Geschick abfertigen sehen und beobachtete, wie er mit den schwierigsten Verhandlungsmaterien durch seine Ruhe und Liebenswürdigkeit glänzend fertig wurde. Auch versteht er es einzigartig, eine dem Staate zugute kommende Fühlungnahme zwischen seiner Arbeit und der öffentlichen Meinung herzustellen. Alles das sind Eigenschaften, die ihn zu einer leitenden Regierungsstellung wie der des Regierungspräsidenten geradezu prädestinieren. Wie es ihm als Minister gelang, sich das Vertrauen auch oppositioneller Parteien zu erwerben, ohne seinen eigenen Parteistandpunkt jemals aufzugeben, so würde es ihm auch als Regierungspräsident sicher gelingen, in einem Kreise mit starken politischen Spannungen im Interesse der Versöhnung zu wirken.

Unter diesen Umständen möchte ich Sie als Privatmann und alter Mitarbeiter des Herrn Haenisch dringend bitten, Ihren Einfluß dahin geltend zu machen, daß ihm durch die Ernennung zum Regierungspräsidenten aus der peinlichen Situation des Augenblickes geholfen werde.. Ich kann diese Bitte mit um so größerem Freimut wagen, als Herr Haenisch mich nach seinem Abgang ja ziemlich stark angegriffen hat und dadurch eine leise Trübung in unserem Verhältnis eingetreten ist. Ich habe aber zu genau beobachten können, mit wie rückhaltloser Hingabe und mit wie großem Erfolge er als Minister gewirkt hat, sodaß ich aus ehrlicher Überzeugung sagen darf: Das Vaterland ist ihm einen Dank schuldig.

Abschrift dieses Briefes habe ich mir erlaubt, auch Herrn Minister Severing zugehen zu lassen.

In bekannter Verehrung Ihr sehr ergebener (CHB)

Anmerkung: Herrn Minister Boelitz zur gef(älligen) K(enntnisnahme). B. 28.8.

 

30. Der Preußische Ministerpräsident Otto Braun an C.H.B. Berlin, 5.9.1922

Wilhelmstraße 63

(Maschinenmanuskript)

Persönlich

Sehr geehrter Herr Staatssekretär!

In Ergänzung meiner neulichen gelegentlichen Mitteilung teile ich Ihnen auf Ihre geschätzte Zuschrift vom 28. vorigen Monats noch ergebenst mit, daß es auch mir sehr am Herzen liegt, dem Herrn Haenisch eine ihm gewisse materielle Sicherstellung bietende Tätigkeit zu verschaffen. Ihr Vorschlag, ihn für den Posten eines Regierungspräsidenten in Aussicht zu nehmen, erscheint mir, wie ich Ihnen bereits gelegentlich der Eröffnung der Gartenbauausstellung sagte, ganz abwegig. Haenisch eignet sich nach seinen ganzen Fähigkeiten und Charaktereigenschaften für den Posten eines Regierungspräsidenten am allerwenigsten. Ich glaube, daß nur im Bereiche des Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung die Möglichkeit wäre, Haenisch eine seinen Fähigkeiten entsprechende Beschäftigung zu verschaffen. Die Einwände politischer Natur, die Sie gegen seine Bestellung zum Kurator einer Universität geltend machen, kann ich als berechtigt nicht anerkennen. Wollte man sie gelten lassen, würde das darauf hinaus kommen, daß Sozialdemokraten für derartige Stellen überhaupt nicht in Frage kämen. Das würde aber eine Praxis ergeben, die mit den heutigen verfassungsrechtlichen und tatsächlichen politischen Verhältnissen nicht in Einklang zu bringen wäre.

Als glücklichste Lösung würde ich es ansehen, wenn Haenisch die Möglichkeit einer Lehrtätigkeit an einer der Berliner Hochschulen eröffnet werden könnte. Die Fähigkeiten dazu hat er zweifellos und die ihm vielleicht noch fehlende wissenschaftliche Disziplin würde er sich unter dem Einfluß seiner Stellung bald aneignen. Man könnte vielleicht mit einem Lehrauftrag beginnen und ihm später eine ordentliche Professur geben. Bei einigem guten Willen, den ich bei Ihnen und bei Ihrem Herrn Minister ohne weiteres voraussetze, dürfte sich auf diesem Wege wohl für Haenisch ein geeigneter Wirkungskreis schaffen lassen.

Mit dem Ausdruck meiner ergebensten Hochachtung verbleibe ich

Ihr (gez.) Braun.

 

31. C.H.B. an MP Otto Braun. (Berlin), 5.2.1925

Privatsekretariat

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!

Als Anlage gestatte ich mir, Ihnen das Reinkonzept des Erlasses zu übersenden, der morgen vormittag 10 Uhr Gegenstand des gemeinsamen Vortrages mit der Finanzverwaltung bei

Ihnen sein wird. Es handelt sich in dem Erlaß um die nicht mehr aufschiebbare Ausführung des Staatsministerialbeschlusses vom Oktober vorigen Jahres über die Neugestaltung der Lehrerbildung und zwar zunächst insoweit, als die Auflösung der Seminare und die Einrichtung staatlicher Aufbauschulen in ihren Gebäuden jetzt geregelt werden muß. Ich glaube, daß Sie den größten Teil des Erlasses, der sich mit technischen Problemen befaßt, ungelesen lassen können, und bitte, Ihre Aufmerksamkeit im wesentlichen nur auf Ziffer 11 des Erlasses (Seite 10 ff.) lenken zu dürfen. Durch die in Ziffer 11 enthaltene Anordnung werden über 500 Leiter und Lehrer der Ostern des Jahres eingehenden Seminare auf Wartegeld gesetzt. Ich habe Bedenken, diese Ziffer des Erlasses meinerseits zu zeichnen, und hatte mich der Finanzverwaltung gegenüber nur bereit erklärt, eine Ankündigung in dieser Richtung zu erlassen, wogegen die Anordnung, die Lehrer auf Wartegeld zu setzen, dem künftigen Unterrichtsminister vorbehalten bleiben sollte. Die Herren der Finanzverwaltung stehen demgegenüber auf dem Standpunkt, daß die Versetzung der Lehrer in den einstweiligen Ruhestand nicht länger hinausgeschoben werden kann. Da ich inhaltlich nach Lage der Sache vollkommen beitreten muß und nur formal, bei der augenblicklich gegebenen staatsrechtlichen Lage, Bedenken habe, diesen Punkt meinerseits abschließend zu zeichnen – den ganzen übrigen Inhalt des Erlasses hätte ich unbedenklich meinerseits gezeichnet -, so ist es eben dieses Punktes wegen notwendig geworden, Sie, hochverehrter Herr Ministerpräsident, um die abschließende Zeichnung des Erlasses zu bitten.

Ich habe geglaubt, Ihnen den Entwurf des Erlasses bereits vor dem Vortrag vorlegen zu sollen.

In aufrichtiger Verehrung Ihr ganz ergebener (CHB)

 

32. MP Otto Braun an C.H.B. Berlin, 4.11.1925

(Maschinenmanuskript)

Persönlich

Herrn Minister für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung, hier

In der Anlage überreiche ich Ihnen, verehrter Herr Minister, eine Bewerbung des Lehrers Syttkus aus Mallinken/Ostpreußen um die Schulstelle in Schemionken mit der Bitte, der Angelegenheit Ihre persönliche Aufmerksamkeit zuwenden zu wollen. Wie mir aus Ostpreußen mitgeteilt wird, ist die Ablehnung durch die Regierung in Allenstein auf parteipolitische Gründe zurückzuführen. Der zuständige Dezernent bei der Regierung in Allenstein, der Oberregierungsrat Siebert ist ein intimer Freund des Leiters der deutschnationalen Ortsgruppe in Widminnen, Pfarrer Jencio, der bei einer Familienfeier im Hause eines Gutsbesitzers dem dortigen Hauslehrer gegenüber erklärt haben soll, daß der ihm politisch nicht genehme Lehrer Syttkus nicht nach Schemionken hinkomme, dafür werde er schon sorgen. Sachlich scheint mir die Bewerbung durchaus begründet, und nach Lage der Sache wäre es mir auch sehr erwünscht, wenn dem Lehrer Syttkus die Stelle übertragen werden könnte. Es wäre damit der Wunsch einer durch den Krieg schwer heimgesuchten Familie erfüllt, und zudem diesem ostpreußischen deutschnationalen Ortsgewaltigen zum Bewußtsein gebracht, daß sie nicht allein entscheidend sind. Für eine freundliche Mitteilung über Ihre Entscheidung wäre ich Ihnen sehr verbunden sein. (gez.) Braun.

 

33. A. Oestreicher MdL an MP Otto Braun Berlin, 17.3.1926

Herr Ministerpräsident,

darf ich mir erlauben hierdurch an die von uns besprochene Angelegenheit des Schulrats Greff Raynit und der Regierungsratbesetzung K(olberg) zu erinnern

Mit vielen Grüßen A Oestreicher.

Auf der Rückseite:

Der Preußische Ministerpräsident an Minister C.H.B Berlin, 18.3.1926

Urschriftlich (Maschinenmanuskript)

Persönlich

Weitergereicht. Für eine Rücksprache vor der Entscheidung über die Besetzung der in Frage kommenden Stelle würde ich dankbar sein. (gez.) Braun.

Anmerkung Beckers: Herrn ORR Duve, bitte die betreffenden Referenten informieren und mir wieder vorzulegen nach Rückkehr. B. 12.5.

Anmerkung Duves. Herr ORR Leist ist verständigt. Duve 24.5.

 

34. MP Otto Braun an C.H.B. Berlin, 6.5.1926

(Maschinenmanuskript)

Herrn Minister etc.,

In der Angelegenheit betreffend die Besetzung der Stelle eines Regierungsrats in Königsberg/Preußen wäre ich für eine baldige Erledigung meiner Urschrift vom 18. März d.J. dankbar. (gez.) Braun

 

35. MP Otto Braun an C.H.B. Berlin 11.6.1926

(Maschinenmanuskript)

Herrn Minister etc.,

In der Angelegenheit, betreffend die Besetzung der Stelle eines Regierungsrates in Königsberg/Preußen bitte ich nochmals um baldige Erledigung meiner Urschrift vom 18. März d.J.

(gez.) Braun

Anmerkung Duves: Herrn MinDir. Kaestner im Auftrag des Herrn Ministers ergebenst vorgelegt. Duve 16.6.

Anmerkung MinDir. Kortums: Am 22. habe ich Herrn Ministerpräsidenten über den Sachverhalt vorgetragen. Ergebnis: Nach der bevorstehenden Versetzung des Studienrats Bistacke (unleserlich) von Bartenstein nach Oranienburg möge Rektor Ray in Saalfeld zum Schulrat in Bartenstein ernannt und bei nächster Vakanz einer Regierungsschulratstelle versetzt werden, so daß (?) Requit als Regierungsrat für Königsberg in Frage kommen kann. Die Sache wird bei U III verfaßt werden? Dürfte einstweilen erledigt sein. K. 22.6.

Anmerkung Beckers 23.6.

Herrn MinDir. Kortum: Einverstanden, erbitte Erinnerung. B 23.6. Gesehen: K.24.6.

 

36. C.H.B. an Otto Braun (Berlin), 30.12.1926

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!

Mit Schrecken höre ich, daß Sie ein neuerlicher Unfall betroffen hat. Da drängt es mich,

Ihnen von Herzen gute Besserung zu wünschen. Damit möchte ich zugleich meine besten Glückwünsche zum neuen Jahre verbinden. Auch Ihrer Frau Gemahlin bitte ich mich und meine Frau freundlichst empfehlen zu wollen. Hoffentlich sind Sie bald nach dem Jahreswechsel wieder wohlauf in unserer Mitte. Ich persönlich danke Ihnen besonders für die mir

auch im vergangenen Jahre allzeit bewiesene Unterstützung. Auf dem Rücken des armen Kultusministers werden manche der großen geistigen Kämpfe ausgepaukt, die sich nun einmal aus den Spannungsverhältnissen in unserem Volke ergeben. Da war ich oft dankbar erfreut über das Verständnis dieser Situation, dem ich immer bei Ihnen begegnet bin.

In bekannter hoher Verehrung Ihr ergebenster (CHB)


Kontroverse um das Ostprogramm


37. C.H.B. an MP Otto Braun. Berlin, 16.7.1927

(Maschinenkopie eines Persönlichen Schreibens des Herrn Ministers.)

Vertraulich

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!

Unter Rückreichung des Schreibens des Herrn Ministers des Innern vom 13. Mai d.J. –III O.I.622 nebst Anlage – teile ich Ihnen folgendes ganz ergebenst mit:

Es ist zutreffend, daß von den auf mein Ressort entfallenden Mitteln des Sofortprogramms für 1926 2% als Reservefonds verwendet worden sind. Diese Regelung hat sich als durchaus sachgemäß erwiesen. Da nämlich einerseits die Verwendung der Reichsmittel nach dem vom Reich aufgestellten allgemeinen Richtlinien den preußischen Ressorts überlassen bleiben sollte, andererseits nach der überhasteten Art der Vorbereitung die Projekte noch nicht voll durchgearbeitet sein konnten, erschien es geradezu notwendig, einen Teilbetrag in Reserve zu halten.

In diesem Sinne ist die Angelegenheit wiederholt im Reichsministerium des Innern vertreten worden. Der Vertreter des Herrn Reichsministers des Innern, Ministerialdirektor Dr. Dammann, hat nach wiederholten Erörterungen trotz gewisser Bedenken zugestimmt, wobei er lediglich den selbstverständlichen Vorbehalt machte, daß auch die Verfügung über diesen Reservefonds sich im Rahmen des Sofortprogramms zu halten habe. Bereits durch Schreiben vom 15. November 1926, II 10251 B., hatte übrigens der damalige Herr Reichsminister persönlich wegen Unterstützung des Oberschlesienfilms auf diesen Reservefonds verwiesen.

Was die hier zur Sprache gebrachten Zuschüsse für die Oper, die Vereinigten Schauspiele und das Landesorchester Breslau angeht, so ist zu bemerken, daß ein Abzug an der für das Landesorchester bewilligten Beihilfe von 80 000 RM überhaupt nicht erfolgt ist. Die in dem Schreiben des Herrn Reichsministers des Innern vom 9. April d.J. angegebene Differenz von 80 000 RM – 53 000 RM = 27 000 RM erklärt sich daraus, daß diese 27 000 RM bereits bei Bereitstellung der Reichsmittel vorschußweise aus preußischen Mitteln gezahlt worden waren, eine Zahlung, die selbstverständlich auf die Reichsmittel zu verrechnen waren.

Die bei der Oper und den Vereinigten Schauspielen in Breslau einbehaltenen Beträge von 6000 RM + 1000 RM = 7000 RM sind zu dem Reservefonds geflossen. Es handelt sich hierbei um ganz geringfügige Beträge. Außerdem hat der hiesige Ostreferent dem Regierungsrat D. Hamburger , MdL, aus Breslau, der die in Rede stehenden Interessen sowohl in Breslau als im Ostausschuß des Landtags vertritt, bereits vor Wochen über die Gründe der Einbehaltung jenes Reservefonds und die dabei in Betracht kommenden Verwendungszwecke Aufklärung gegeben. Der Regierungspräsident von Breslau ist gleichfalls unter dem 23. März d.J. entsprechend benachrichtigt worden. Seitdem ist weder Dr. Hamburger noch ein anderer Interessent auf die Angelegenheit zurückgekommen.

Bezüglich der ostpreußischen und oberschlesischen Theater, bei denen der 2%ige Abzug gleichermaßen erfolgt ist, sind Beschwerden überhaupt nicht hervorgetreten.

Hiernach nehme ich an, daß das Schreiben des Herrn Ministers des Innern vom 13. Mai d.J. überholt ist.

Wenn in diesem Schreiben geltend gemacht wird, daß die bei dem Kultusministerium erfolgte Bildung eines Reservefonds bei der Reichsregierung ein Mißtrauen gegen die Preußische Regierung hervorgerufen und die Ablehnung des preußischen Vorschlages auf eine Überweisung der Reichshilfe en bloc bewirkt habe, so muß ich dies, soweit ich die Dinge irgendwie kenne, nachdrücklich zurückweisen.

Wenn allerdings weiter in interessierten Kreisen die Meinung vorübergehend aufgetreten ist, es handele sich bei dem Abzuge der 2% um eine „Bankprovision“, oder wenn nach einer vor kurzem erfolgten Äußerung der zuständige Abteilungsleiter des Preußischen Ministeriums des Innern Zweifel hegte, ob die 2% überhaupt im Sinne des Ostprogramms oder für andere Zwecke des hiesigen Ministeriums Verwendung finden, so handelt es sich hierbei um Irrtümer, die unschwer zu widerlegen sind.

Ich möchte danach annehmen, daß gegenwärtig nichts zu veranlassen ist, die weiteren Erörterungen vielmehr für die Verhandlungen über das Ostprogramm 1927 vorzubehalten sind.

In ausgezeichneter Hochachtung und aufrichtiger Verehrung Ihr sehr ergebener (CHB 15.7.)

Anlage: Entwurf durch Trendelenburg für Minister Becker vom 5.7.1927 (nicht abgedruckt, da von Becker weitgehend verwendet.)

Anmerkung: Bitte um Entwurf eines vertraulichen Schreibens an den Herrn Ministerpräsidenten. B. 13.7.

 

38. C.H.B. an MP Otto Braun. Marienbad, 28.8.1927

(am 30.8. durch Herrn MR Landé zum Abgang gebracht)

(Maschinenkopie)

Eigenhändig!

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!

Ich habe soeben die Denkschrift über das Reichsschulgesetz, die ich hier eine ganze Woche lang mit meinen Referenten durchberaten habe, gezeichnet. Sie ist sehr umfangreich, aber stellt die ganze Problematik klar und bringt eindeutige Vorschläge zu einer alle Teile befriedigenden Lösung. Sie ist ganz auf Versöhnung gestellt, ohne etwa Konzessionen an den Konfessionalismus zu machen.

Ganz vertraulich will ich je ein Exemplar auch an Marx und Keudell persönlich gelangen lassen; denn alles kommt darauf an, daß wir uns mit dem Reichskabinett verständigen. Wie die Sachen einmal liegen, fällt die Entscheidung im Preußischen Kabinett, da unsere Zentrumskollegen doch nur in Fühlungnahme mit Marx stimmen werden. Wäre es da nicht viel praktischer und würdiger, wir bildeten einen Ausschuß der beiden Kabinette, die sich vielleicht unter Zuziehung der führenden Parlamentarier verständigten? Dann wäre der Beschluß des Preußischen Kabinetts die Garantie für die Verwirklichung. Ich bin am 12.ten in Berlin zurück, dann müßten bald diese Verhandlungen hinter den Kulissen beginnen.

Zu Ihrer Informierung bemerke ich noch, daß der Verfasser der Denkschrift MinRat Landé ist, ein Sozialist und zugleich wissenschaftlich und praktisch seit Jahren einer der besten Kenner der Materie. Die politische Einleitung habe ich selbst geschrieben. Wenn Sie persönlich noch nähere Informationen brauchen, lassen Sie sich bitte Landé kommen, der auch mit dem Vertreter der preußischen Landtagsfraktion sich ständig in Fühlung gehalten hat. Natürlich sind auch alle anderen Weltanschauungen im Ministerium ausführlich gehört worden. Einiges zum Abhandeln habe ich aus taktischen Gründen mit hineingenommen. Jedenfalls glaube ich, daß wir mit unserem Votum nach rechts wie nach links ein gut Stück vorwärts gekommen sind.

In bekannter hoher Verehrung Ihr ergebenster (gez.) Becker.

 

39. MP Otto Braun an C.H.B. in Marienbad. Berlin, 1.9.1927

(Maschinenmanuskript)

Persönlich

Sehr verehrter Herr Kollege

Haben Sie vielen Dank für Ihre Zeilen vom 28.vorigen Monats. Inzwischen habe ich auch die Denkschrift in 3 Exemplaren erhalten, bin indes noch nicht dazu gekommen, sie durchzusehen. Gegen Ihre Absicht, die Denkschrift schon vor Verabschiedung im preußischen Kabinett Marx und von Keudell persönlich zugehen zu lassen, habe ich schwere Bedenken. Ob sich im späteren Verlauf der Bearbeitung des Schulgesetzes die Basis für ein gemeinsames Vorgehen der beiden Kabinette ergeben wird, möchte ich dahingestellt sein lassen. Jedenfalls wird durch eine vorzeitige Bekanntgabe Ihrer, des preußischen Ressortministers, Stellungnahme die Position der preußischen Regierung der Reichsregierung gegenüber nicht gestärkt. Auch will es mir zweifelhaft erscheinen, ob es zweckmäßig ist, bevor die Vorlage an den Reichstag gelangt, bereits im Stadium der Reichsratsverhandlungen Parlamentarier der verschiedensten Parteien zur Mitarbeit heranzuziehen. Doch darüber können wir nach Ihrer Rückkehr noch sprechen. Immerhin würde ich Sie bitten, auch in Fragen der taktischen Behandlung der Vorlage sich nach keiner Richtung hin festzulegen.

Mit den besten Wünschen für eine gute Erholung verbleibe ich in alter Hochschätzung mit kollegialen Grüßen Ihr sehr ergebener (gez.) Braun.

 

40. C.H.B. an MP Otto Braun. Marienbad, 2.9.1927

(Maschinenkopie 2.Fassung)

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!

Verbindlichen Dank für Ihr freundliches Schreiben, das ich soeben erhalte. Ich hatte angeordnet, daß der Brief an Sie einige Tage früher abgehen sollte, als die Übersendung der Denkschrift an Marx und Keudell. Ich hatte angenommen, Sie würden eventuell Herrn Landé antelephonieren lassen, wenn Sie Bedenken hätten. Inzwischen sind aber die beiden Briefe leider abgegangen. Immerhin halte ich die Tatsache, daß Marx nicht amtlich, sondern persönlich die Denkschrift mit der Bitte um strikteste Geheimhaltung von mir erhalten hat, für durchaus unbedenklich, ja sogar für ein entspannendes Moment., da unsere Zentrumskollegen doch gar nicht umhin können werden, eines der ihnen überwiesenen drei Exemplare sofort mit Marx und mit Heß zu beraten, ebenso wie ich von Anfang an Landé beauftragt hatte, wenigstens in der Sache mit König in Fühlung zu bleiben. HöpkerAschoff, mit dem ich hier alles gründlich durchberaten habe, kam immer wieder darauf zu sprechen, wie sehr er es begrüßen würde, wenn meine Denkschrift durch Indiskretion in die Öffentlichkeit gelangte. Dazu habe ich mich natürlich nicht hergeben wollen, aber ich bin allerdings auch der Meinung,

  • erstens daß die Denkschrift die preußische Position nur stärken wird und
  • zweitens, daß bei dem großen Interesse der Öffentlichkeit an dieser Frage eine in drei Exemplaren an jedes Ministerium versandte Denkschrift heutigen Tages nur noch durch ein Wunder geheim bleiben kann.

Aus diesem Grunde habe ich der Denkschrift den versöhnlichen politischen Vorspruch gegeben, weil, wenn aus diesem umgangreichen Material etwas durch Indiskretion veröffentlicht wird, natürlich zunächst diese Einleitung abgedruckt werden würde und damit nicht eine mehr oder weniger uns festlegende Einzelformulierung, sondern zunächst die uns vollkommen die Hände offenlassende feste aber zugleich versöhnliche und zum Verhandeln bereite Stellungnahme bekannt werden würde.

Herr von Keudell hat, wie die Dinge liegen, gar kein Interesse daran, eine Indiskretion zu begehen und er damit mein gentlemanlikes Vertrauen in der schnödesten Weise enttäuschen. Ich halte das für vollkommen ausgeschlossen. Viel weniger sicher bin ich mir des Zentrums, aber hier war eine gewisse Gefahr im Verzuge. Mir lag daran, daß Marx für seine Person schon vor dem Dortmunder Katholikentag Bescheid wußte, um den sonst dort vielleicht energisch auftretenden Bischöfen etwas politische Nüchternheit entgegen halten zu können, denn wenn schon ich, als der Zentrumsfreundlichkeit verdächtiger Ressortminister so ernste Bedenken gegen die Vorlage äußere, so ist ohne Weiteres klar, daß die Linke noch ganz anders denken muß. Mit Höpker habe ich verabredet, daß er scharf über mich votieren wird, damit mein Votum schließlich als die gesunde Mittellinie übrig bleibt, auf der man sich einigen kann.

Es ist ja wenig erfreulich, daß diese Angelegenheit so durchgehetzt werden muß und daß ich hier in Marienbad und Sie in Berlin sitzen, aber ich glaube bisher in allen Einzelheiten im Sinne Ihrer Politik gehandelt zu haben. Höpker war sehr dafür, möglichst bald auch die Volkspartei mit der Denkschrift bekannt zu machen, da sie auf die Reichsregierung in unserem Sinne drücken würde. Es ist für die Volkspartei eine Lebensfrage, das preußische Votum zu stützen. Bei der Abwesenheit von Stresemann schien mir Curtius als geeignete Mittelsperson, aber ich habe natürlich nichts unternommen und werde auch nichts unternehmen ohne vorherige Fühlungnahme mit Ihnen. Vielleicht nehmen Sie einmal Gelegenheit mit Höpker über die Angelegenheit zu sprechen, der sich in die Materie sehr gut eingearbeitet hat und bei Eintreffen dieses Briefes wieder in Berlin ist.

Da ich annehme, daß am Dienstag, wie regelmäßig, die Staatsministerialsitzung stattfindet, werde ich meine Kur so abschließen, daß ich spätestens Dienstag den 13. in Berlin bin. Die nächste Woche wollte ich gern noch hier meine Kur vollenden, die mir ehrlich gesagt über Erwarten gut zu tun scheint.

Die zum 1. Oktober in Aussicht gestellte Neuordnung des Studentenrechts hat durch meine und meiner Referenten Urlaubsreisen leider eine gewisse Verspätung erfahren. Ich erwarte heute Ministerialdirektor Richter zum Vortrag und Sie werden die Sache dann sofort erhalten. Ich wäre sehr dankbar, wenn diese Verordnung im Staatsministerium beschleunigt verabschiedet werden könnte. Meine persönliche Anwesenheit ist dabei nicht nötig, aber die Beschlußfassung wird ja wohl kaum vor dem 13. September stattfinden können und dann kann ich die Sache ja selbst vertreten. Jedenfalls wäre ich dankbar, wenn die Verordnung spätestens auf die Tagesordnung des 13. gesetzt werden könnte.

Mit verbindlichen Grüßen bin ich in bekannter hoher Verehrung Ihr sehr ergebener (CHB)

 

41. C.H.B. an MP Otto Braun Berlin, 21.9.1927

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!

Auf Ihre heutige telefonische Anfrage über das Historische Institut in Rom beehre ich mich, Ihnen mitzuteilen, daß die Übersendung des neuen Satzungsentwurfs für das Institut bisher unterlassen worden ist, weil eine Mitwirkung des zurzeit noch dienstlich abwesenden zuständigen Ministerialdirektor und künftigen Vorsitzenden des Kuratoriums geboten erscheint.

Ich habe Vorsorge getroffen, daß der Satzungsentwurf Ihnen in der kommenden Woche zugeht.

In bekannter hoher Verehrung Ihr sehr ergebener (gez.) B. 21

 

42. C.H.B. an MP Otto Braun. Berlin, 10.11.1927

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!

In der Angelegenheit der Rektoren Rinck und Schmidt in Wittenberge beehre ich mich, ergebenst mitzuteilen, daß der Rektor Rinck mit Wirkung vom 1. November d.J. ab von Wittenberge nach Neuruppin versetzt worden ist. Die Sache hat damit eine nach Mitteilung der Herren Abgeordneten König und Siering auch die Landtagsfraktion der SPD befriedigende Erledigung gefunden.

In bekannter hoher Verehrung Ihr sehr ergebener (CHB)

 

43. Carl Heinrich Becker (Berlin, November 1927??)

Handschriftliche Notiz ohne Empfängerangabe, wohl Entwurf für den folgenden Brief von MP Braun an den Reichskanzler, auf einem kleinen Briefbogen für ein Mitglied des Preußischen Landtags.

Das Preußische Staatsministerium nimmt gern davon Kenntnis, daß die Reichsregierung als solche in der Studentenangelegenheit keinerlei Stellung genommen hat, daß das Sympathie-telegramm des Herrn Reichsinnenministers also eine rein private Angelegenheit des Herrn von K(eudell?) gewesen ist. Bei aller Anerkennung der verfassungsmäßigen Rechte und vor allem jedes Abgeordneten auf freie Meinungsäußerung, kann das Preußische Staatsministerium es nicht für zweckvoll erachten, daß die Minister des Reiches oder Preußens von diesem Rechte Gebrauch machen, wenn sie damit die Politik der anderen Regierung erschweren. Als Mindestforderung darf wohl der Wunsch ausgesprochen werden, daß ein Minister vor Stellungnahme sich bei der zuständigen Stelle über die Sachlage informiert.

Herrn von K(eudell) war persönlich jede erwünschte Auskunft angeboten worden, sie wurde aber leider nicht eingeholt, vielmehr einseitig mit der student(ischen) Opposition Fühlung gehalten. Das war um so bedauerlicher, als dadurch gerade diejenigen Kreise gestärkt wurden, gegen die Preußen (und zwar nicht nur die Regierung, sondern auch der Landtag und der Staatsrat) im Interesse der Durchsetzung der Reichsverfassung vorzugehen genötigt war.

Die große Beunruhigung der Öffentlichkeit, die durch das Telegramm des Herrn von K(eudell) entstanden ist, dürfte zur Genüge beweisen, daß durch derartige Privataktionen weder die Autorität der beteiligten Regierungen gestärkt, noch die doch von beiden Kabinetten gewünschte vertrauensvolle Zus(ammen)arbeit zwischen dem Reich und Preußen gefördert wird. Das Pr(eußische) St(aatsministerium) darf deshalb wohl als Ergebnis dieses Briefwechsels feststellen, daß eine Wiederholung derartiger Vorkommnisse von beiden Kabinetten als unerwünscht betrachtet wird.

 

44. MP Otto Braun an den Reichskanzler Berlin, 30.11.1927

(Maschinenkopie)

Hochgeehrter Herr Reichskanzler!

Der Herr Reichsminister des Innern hat zur Kundgebung der Deutschen Studentenschaft, die am vorigen Sonntag, den 27. d.M., gegen das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung stattgefunden hat, an den Vorstand der Deutschen Studentenschaft nach unwidersprochen gebliebenen Zeitungsnachrichten folgendes Telegramm gerichtet:

  • Im Geist unter Ihnen in innerer Verbundenheit bekennt sich erneut zu Ihnen mit herzlichen Grüßen und Wünschen

Von Keudell

Auf Erkundigungen bei den zuständigen Stellen des Reichsinnenministeriums ist die Tatsache der Absendung des Telegramms bestätigt, allerdings hinzugesetzt worden, daß man den authentischen Wortlauf nicht kenne, daß er aber dem Sinn der oben angeführten Depesche entspreche.

Ich muß bei Ihnen, hochgeehrter Herr Reichskanzler, auf das entschiedenste dagegen Verwahrung einlegen, daß ein Mitglied der Reichsregierung in einer Frage, die die preußischen Hochschulen und Studentenschaften aufs tiefste erregt und die Hochschulen in heftige politische Kämpfe hineinzuziehen droht, gegen die verantwortliche preußische Regierungspolitik in einer Weise öffentlich Stellung nimmt, die sich mit dem gegen das Preußische Ministerium für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung gerichteten Angriffen identifiziert. Ich muß hierin wie jedermann eine starke Brüskierung der Politik der Preußischen Regierung erblicken, um so mehr, als der Herr Reichsminister des Innern bereits mehrfach studentische, insbesondere völkische Gruppen, die gegen die Preußische Regierung Stellung genommen haben, in ihren Angriffen durch seine Haltung ostentativ bestärkt hat.

Da sich eine derartige Einstellung des Herrn Reichsministers Dr. von Keudell mit ausgesprochener Spitze gegen die Preußische Regierung auch schon bei anderen Gelegenheiten bemerkbar gemacht hat, so darf ich Sie, Herr Reichskanzler, ergebenst bitten, dafür Sorge zu tragen, daß sich derartige Fälle unter keine Umständen wiederholen, da die Preußische Regierung andernfalls sich zu ihrem Bedauern genötigt sehen würde, jeden dienstlichen Verkehr mit dem Herrn Reichsminister Dr. von Keudell abzubrechen.

In bekannter Hochachtung und Verehrung Ihr (gez.) Braun.

 

45. C.H.B. an MP Otto Braun. (Berlin), 23.3.1928

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!

Obwohl es mir aus allgemein politischen Erwägungen nicht unbedenklich erschien, aus einer pommerschen Kleinstadt einen wirklich republikanisch gesinnten Studienrat zu versetzen, habe ich doch versucht, den Studienrat Dr. Berndt in Dramburg wunschgemäß anderswo unterzubringen, da seiner Frau das Klima Pommerns nicht zuträglich ist. Zu meinem lebhaften Bedauern hat sich eine Versetzungsmöglichkeit bisher nicht ergeben. Ich werde die Angelegenheit aber im Auge behalten.

Den mir seinerzeit übergebenen Brief1 nebst Anlage gestatte ich mir, wieder beizufügen.

In bekannter hoher Verehrung Ihr sehr ergebener (CHB)

 

46. MP Dr. Otto Braun an C.H.B. Berlin, 7.6.1928

(Maschinenmanuskript)

Sehr verehrter Herr Kollege!

Anliegend überreiche ich Ihnen einen Entwurf zu der Regierungserklärung, die ich am Sonnabend im Landtage namens der Staatsregierung abzugeben gedenke. Der Entwurf, den ich erst schnell diktiert habe, bedarf noch der Durcharbeitung. Ich wollte Sie nur bitten, den auf Ihr Ressort bezüglichen Passus durchzusehen und aus Ihrer eingehenderen Kenntnis der Verhältnisse ihn vielleicht etwas, aber im Rahmen der Gesamtrede hineinpassend, zu präzisieren. Detailfragen könnten nur erwähnt werden, wenn es ganz besonders aktuelle und wichtige für die zukünftige Politik sind. Doch muß ich dringend bitten, da die Erklärung möglichst kurz gehalten werden soll, über den Raum nicht wesentlich hinauszugehen. Sodann würde ich

Ihnen, sehr verehrter Herr Kollege, sehr dankbar sein, wenn ich den Entwurf mit Ihren evtl. Änderungen und Anregungen bis heute Abend erhalten könnte. Auch darf ich wohl als selbstverständlich voraussetzen, daß Sie den Entwurf ganz vertraulich behandeln und ihn rein persönlich bearbeiten.

Mit ergebensten kollegialen Grüßen Ihr (gez.) Braun

Anhang:

Entwurf zur Regierungserklärung des MP Dr. Braun, Juni 1928

Die eben vollzogenen Neuwahlen zum Preußischen Landtage haben in diesem hohen Hause für die bisherige Regierungskoalition und damit für die Regierung eine Mehrheit ergeben. Damit hat die bisher geübte Regierungspolitik die Billigung der Mehrheit der Wählerschaft gefunden. Dieses billigende Volksurteil würde zweifellos noch klarer und wuchtiger ausgefallen sein, wenn die preußischen Landtagswahlen nicht zusammen mit den Reichstagswahlen, sondern gesondert stattgefunden hätten.

Die Regierung hat noch vor den Wahlen in den letzten Tagen der Verhandlungen des Landtages diesem und damit der preußischen Wählerschaft einen kurzen Abriß über ihre Politik in der zu Ende gegangenen Legislaturperiode des Landtages gegeben, der infolge meiner durch Krankheit verschuldeten Verhinderung von dem Herrn Wohlfahrtsminister dem hohen Hause vorgetragen wurde. Die preußischen Wählerinnen und Wähler waren daher in der Lage, in voller Kenntnis der Ergebnisse der Regierungspolitik ihre Entscheidung am Wahltage zu treffen. Leider ist dieser Rechenschaftsbericht der Regierung nicht in alle Kreise der Wählerschaft gedrungen, da zahlreiche, vornehmlich rechtsstehende Blätter in Verkennung ihrer journalistischen Pflicht den Abdruck der Regierungserklärung unterlassen und damit ihren Lesern vorenthalten haben. Die Regierung war daher gezwungen (von Becker eingeklammert: um dieser journalistischen Sabotage wenigstens einigermaßen entgegen wirken zu können)

auf andere Weise und auch unter Aufwendung von Staatsmitteln dem Bericht die weitmöglichste Verbreitung zu geben.

Wenn dieses Vorgehen der Staatsregierung von den Oppositionsparteien in der Presse und in Versammlungen kritisiert und als Wahlbeeinflussung bezeichnet worden ist, so muß ich demgegenüber erklären, daß von letzterem keine Rede sein kann. Im Gegensatz zu dem früheren Regime liegen die Dinge heute so, daß die Staatsregierung in ihrer Gesamtheit und die einzelnen Minister nicht mehr einem Monarchen verantwortlich und in ihrer Stellung von dessen Vertrauen abhängig sind, sondern daß sie heute, wo nach der Verfassung die Staatsgewalt vom Volke ausgeht, als wahre Diener des Volkes diesem für ihre Tätigkeit verantwortlich sind und nur so lange im Amte bleiben können, als sie das Vertrauen der Mehrheit des Volkes, das durch die Volksvertretung bekundet wird, haben. Sie haben daher nicht nur das Recht, sondern vielmehr die Pflicht, dem Volke, insbesondere vor der Wahl, Rechenschaft abzulegen über ihre Tätigkeit und, wenn nicht alle Zeitungen (von Becker eingeklammert: ihre journalistische Anstandspflicht erfüllen und) ihren Lesern von diesem Bericht Kenntnis geben, ihn auf andere geeignete Weise zur Kenntnis des Volkes zu bringen.

In diesem Vorgehen kann schon deshalb keine Wahlbeeinflussung erblickt werden, weil der Rechenschaftsbericht keine Aufforderung zur Wahl bestimmter Parteien enthält, sondern den Wählern lediglich Tatsachen unterbreitet, wodurch es ihnen ermöglicht werden soll, sich ein Urteil über die Politik der Regierung zu bilden und am Wahltage ihre Entscheidung zu treffen.

In dieser Entscheidung am 20. Mai d. Js. hat sich die Wählerschaft mit Mehrheit für die Politik der Preußischen Regierung ausgesprochen, sodaß für die Regierung kein Anlaß vorliegt, von ihrem Amte zurückzutreten.

Die Regierung wird vielmehr, gestärkt und in ihrer Auffassung von der Richtigkeit ihrer

Politik bekräftigt, diese Politik unbeirrt fortsetzen. Es ist das die Politik, die die Preußische Regierung seit März 1920, wo ich zum ersten Male die Ehre hatte, ein neues preußisches Kabinett diesem hohen Hause vorzustellen, konsequent und zielklar getrieben hat. Es bedarf daher keines neuen Regierungsprogramms, sondern die Richtlinien der Politik, die in den 8 Jahren, wo ich die Ehre habe, mit kurzen Unterbrechungen, die preußischen Regierungsgeschäfte zu führen, zielweisend waren, werden auch in Zukunft für die Tätigkeit der Regierung maßgebend sein.

Wie sich diese Richtlinien praktisch ausgewirkt haben, ist aus den zahlenmäßigen Angaben der zusammenfassenden Darstellung, die Herr Minister Hirtsiefer am 27. März d. Js. dem hohen Hause vorgetragen hat, klar ersichtlich.

Die Regierung wird demnach auch in Zukunft mit besonderer Sorgfalt und Dringlichkeit daran arbeiten, den Teilen des preußischen Volkes, die besonders unter der Ungunst der wirtschaftlichen Verhältnisse leiden, im Rahmen des praktisch Möglichen nach Kräften beizustehen.

  • Das sind einmal jene breiten Massen des um seine Existenz schwer ringenden und durch den Krieg und seine Folgen vielfach verarmten Mittelstandes
  • und weiter die Riesenheere der Industrie- und Landarbeiterschaft, die stets am ersten und schwersten von Konjunkturschwankungen, von dem Steigen der Preise für Konsumgüter und von Absatzschwierigkeiten der heimischen Industrie und Landwirtschaft betroffen werden.
  • Vor allem wird die Regierung konsequent mit dem Ziel der Produktionssteigerung ihre die Landwirtschaft fördernde Tätigkeit fortsetzen, um die jetzt schwer unter der umfangreichen Agrarkrise leidenden landwirtschaftlichen Bevölkerung über die sich aus dieser Krise ergebenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten hinwegzubringen.
  • Die Regierung wird auch weiter ihren Einfluß in gewissen, für die Allgemeinheit wichtigen Betriebs-Unternehmungen ausbauen und erweitern, nicht um Staatsmonopole zuschaffen, sondern vielmehr um die für die Allgemeinheit schädlichen Auswirkungen sich anbahnender Privatmonopole zu vereiteln.
  • Sie wird auch in der sozialen Fürsorge nicht erlahmen und vor allem wie bisher der Bekämpfung der Wohnungsnot ihre größte Aufmerksamkeit zuwenden. Da die Wohnungsnot nur wirksam und nachhaltig durch umfangreichen Neubau von Wohnungen bekämpft werden kann, wird die Regierung vor allem die Neubautätigkeit nach Maßgabe der ihr zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel weiter fördern.
  • Auch die kulturelle Hebung unseres Volkes soll durch die planmäßige Fortsetzung der auf weite Sicht berechneten Neugestaltung unseres gesamten Schul- und Bildungswesens weiter gefördert werden. (Einschub Beckers: Insbesondere wird sich die Staatsregierung einer tatkräftigen Förderung aller Begabungen angelegen sein lassen.)
  • Denn nicht nur durch die wirtschaftliche, sondern auch durch die geistige Hebung des Volkes wird jener Lebensstand erreicht, der nicht nur in der Steigerung der wirtschaftlichen Leistungen und damit des materiellen Wohlstandes, sondern auch in der Hebung des geistigen und ethischen Niveaus des Volkes und damit auch in einem Rückgang der Kriminalität und somit in einer der Justizveraltung erwünschten Entlastung der Strafrechtspflege seinen Ausdruck findet.
  • Die Justizverwaltung wird in ihren Reform-Maßnahmen auf dem bisher beschrittenen Wege fortfahren, der auf das Ziel gerichtet ist, die Rechtsprechung mit dem Rechtsempfinden des Volkes weitgehendst in Einklang zu bringen.
  • Auch in der inneren Verwaltung wird die Staatsregierung den alten Kurs konsequent fortsetzen, der darauf gerichtet ist, die heutige Staatsform zu befestigen und in allen Zweigen der Staatsverwaltung zur restlosen Auswirkung zu bringen.
  • Es wird weiter an der Verwaltungsreform mit dem Ziel der Vereinfachung und Sparsamkeit gearbeitet werden, wie überhaupt die sich immer schwieriger gestaltende Finanzlage des Reiches, die auch bei der Verbundenheit der Finanzen des Reiches, der Länder und Gemeinden in den letzten Jahren ihre Auswirkung erfährt und für die Zukunft die größtmöglichste Sparsamkeit gebieterisch zur Pflicht macht.
  • Die Staatsregierung wird daher nach wie vor bemüht sein, die steuerliche Belastung der Wirtschaft mit deren Leistungsfähigkeit in Einklang zu halten und ihren Einfluß auf die Gestaltung des endgültigen Finanzausgleichs zwischen Reich, Länder und Gemeinden, der nun doch endlich kommen muß, dahin geltend zu machen, daß den Ländern und Gemeinden eine festere finanzielle Grundlage für eine längere Zeit gewährleistet werde.
  • Im Verhältnis zwischen Reich und Ländern wird die Staatsregierung, das Primat des Reiches anerkennend, doch die verfassungsmäßigen Rechte und Interessen Preußens auch in Zukunft mit Nachdruck vertreten. Preußen hat stets treu zum Reiche gestanden und wird auch diese Haltung in Zukunft einnehmen. Es muß indes verlangen, daß es in lebenswichtigen Fragen vom Reiche nicht schlechter behandelt wird, als andere Länder.
  • Die Außenpolitik, die in den letzten Jahren von der Reichsregierung getrieben wurde, hat stets die Unterstützung der preußischen Regierung gefunden, und wenn sie sich weiter auf der gleichen Linie der Völkerverständigung und des friedlichen Ausgleichs bewegt, wird sie von der Staatsregierung mit Nachdruck unterstützt werden. Die Staatsregierung glaubt dadurch insbesondere auch der Bevölkerung jener preußischen Gebietsteile, die noch heute unter fremder Besatzung leben müssen, und denen ich auch bei dieser Gelegenheit den Gruß der Staatsregierung entbiete, am besten zu dienen.
  • Die endgültige Lösung des Reparationsproblems, die über kurz oder lang kommen muß, wird an die Wirtschaft und die Finanzen des Reiches und der Länder große Anforderungen stellen, die Regierungen und Parlamente vor große wichtige Aufgaben stellen. Diese Aufgaben können nur gelöst werden, wenn alle Teile des Volkes sich unbeschadet ihrer parteipolitischen und weltanschaulichen Gegensätze zu gemeinsamer Arbeit zusammenfinden.
  • Sollten daher, außer den derzeitigen Regierungsparteien, Parteien dieses hohen Hauses, die zu dem heutigen Staat positiv eingestellt und bereit sind, an der Festigung und dem Ausbau der heutigen verfassungsrechtlichen Verhältnisse mitzuwirken, sich zur loyalen Mitarbeit in der Regierung bereit finden, dann werden die Regierungsparteien und die Staatsregierung zu gegebener Zeit nicht abgeneigt sein, in eine Beratung über die Erweiterung der Regierungsbasis einzutreten.2

Die Preußische Staatsregierung geht, gestärkt und ermutigt durch das Vertrauensvotum der Wähler, die nicht in den mannigfachen Versprechungen der zahlreichen kleinen Parteien sondern in der Fortsetzung der bewährten preußischen Staatspolitik der letzten 9 Jahre die Gewähr für eine bessere Zukunft unseres Landes erblicken, an die schwere verantwortungsvolle Arbeit, für die sie die tatkräftige Mitarbeit und das Vertrauen dieses hohen Hauses erbittet.

Damit begrüße ich namens der Staatsregierung den neuen Landtag bei seinem ersten Zusammentritt auf das wärmste und hoffe mit Ihnen, meine Damen und Herren, auf ein gedeihliches und vertrauensvolles Zusammenwirken zum Wohle des preußischen Landes und Volkes und damit zum Nutzen und Frommen auch des größeren Ganzen des gesamten deutschen Vaterlandes.

 

47. C.H.B. an MP Otto Braun. (Berlin), 7.6.1928

(Maschinenkopie)

Sehr verehrter Herr Ministerpräsident!

Mit dem Entwurf der Regierungserklärung, den Sie mir heute übersandten, bin ich gern einverstanden; nur möchte ich empfehlen, die Ausführungen auf Seite zwei und drei des Entwurfes, die die Notwendigkeit einer Veröffentlichung der damaligen Regierungserklärung darlegen, etwas zu kürzen, andernfalls aber den Halbsatz „um dieser journalistischen Sabotage wenigstens einigermaßen entgegen wirken zu können“ auf Seite zwei und die Worte „ihre journalistische Anstandspflicht erfüllen und“ auf Seite drei zu streichen, da meines Erachtens das sachlich Notwendige deutlich genug gesagt ist, und man es vielleicht vermeiden sollte, in dieser Angelegenheit allzu polemisch zu werden.

Einige Anregungen, die ich für den Absatz, der die Kulturpolitik betrifft, an sich zu geben hätte. möchte ich, um den Rahmen der Regierungserklärung nicht zu erweitern, zurückstellen, wäre Ihnen jedoch sehr dankbar, wenn Sie auf Seite sieben hinter die Worte „gefördert werden“ den kurzen Satz einschieben würden: „insbesondere wird sich die Staatsregierung eine tatkräftige Förderung aller Begabungen angelegen sein lassen“.

Mit dem Ausdruck meiner aufrichtigen Hochachtung bin ich Ihr sehr ergebener (CHB).

 

48. C.H.B. an MP Otto Braun (Berlin), 24.6.1929

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!

Ich habe die Angelegenheit des Professors Löwe in Kiel nachgeprüft. Es trifft nicht zu, daß Professor Löwe dreimal zum ordentlichen Professor vorgeschlagen und trotzdem nicht berücksichtigt sei. Vielmehr hatte die Kieler Fakultät beantragt, daß für Löwe eigens eine neue etatmäßige Professur gegründet werde, da die vorhandenen Professuren besetzt waren. Diesem Wunsche konnte ich nicht entsprechen, weil der Herr Finanzminister neue Stellen nicht bewilligt und obendrein in Kiel der Landtag zwei neue Professuren (für Tierzucht und für niederdeutsche Sprache) seit Jahren beantragt hat. Auch diese beiden Professuren habe ich vom Herrn Finanzminister nicht erreichen können. Für die Tierzucht hat sich im vorigen Jahr die Demokratische Fraktion ohne Erfolg bei Herrn Höpker-Aschoff eingesetzt. Da Kiel drei volkswirtschaftliche Professuren hat,, würde der Herr Finanzminister für eine vierte Professur, die Professor Löwe bekäme, sicherlich nur zu haben sein, wenn Sie, Herr Ministerpräsident, sich Ihrerseits sehr stark dafür einsetzten. Die Bewilligung einer solchen Professur und die Ernennung des Professors Löwe wird in meinem Ministerium seit langem mit Nachdruck erstrebt. Da Professor Löwe zurzeit einen Ruf in die Schweiz hat, haben meine Herren sich auch für ihn anderwärts bemüht. Wir dachten an Frankfurt, wo eine Professur frei ist. Die Fakultät hat ihn in ihrem soeben eingetroffenen Vorschlag aber nicht berücksichtigt. Doch ist bereits eine Prüfung darüber im Gange, ob er nicht seitens des Ministeriums den Frankfurtern nahegebracht werden kann.

(Handschriftlich:) In bekannter hoher Verehrung Ihr ergebenster B.

 

49. MP Otto Braun an C.H.B. Berlin, 9.8.1929

(Maschinenmanuskript)

Sehr verehrter Herr Kollege!

Ich benachrichtige Sie ergebenst, daß ich am 15. d. M. bis Ende September in Urlaub gehe. Ich darf Sie als den zurzeit anwesenden dienstältesten Ressortminister wohl um die Freundlichkeit ergebenst bitten, mich in der Zeit meiner Abwesenheit bis zur Rückkehr des Herrn Ministers Dr. Hirtsiefer hinsichtlich der zwangsläufigen Unterschriften und insbesondere auch bei etwa dringend notwendig werdenden Sitzungen des Staatsministeriums vertreten zu wollen.

In kollegialer Hochschätzung ergebenst Ihr (gez.) Braun-

 

50. MP. Otto Braun an C.H.B. z. Zt. Bad Oeynhausen, 7.9.1929

(Maschinenmanuskript)

Persönlich.

Sehr verehrter Herr Kollege!

Aus sozialdemokratischen Lehrerkreisen ist bei mir Beschwerde darüber geführt worden, daß Sie durch eine zielbewußte Personalpolitik in Ihrem Ministerium bemüht sein sollen, Anhänger der sozialdemokratischen Partei möglichst auszuschließen. Zum Nachweis dafür ist mir die beiliegende Aufstellung, um deren gefällige Rückgabe ich bitte, unterbreitet worden, die allerdings, wenn sie richtig ist, ein wenig koalitionsparitätisches Bild bietet. Für eine Stellungnahme zu der Angelegenheit würde ich ihnen sehr verbunden sein. Inzwischen verbleibe ich in alter Hochschätzung Ihr ergebener (gez.) Braun.

Anhang

Die Abteilung für Volks- und Mittelschulen des preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung ist wie folgt besetzt:

Partei des Ministers Becker
Parteilos
Zentrum Deutsche Volkspartei
1. Minister Becker 1. Staatssekr. Lammer 1. ORR Hollmann
2. Min. Direktor Kaestner 2. MR Stolze 2. ORR Schneider
3. Min. Dir. Wende 3. MR Thugarten 3. ORR Schweckendieck
4. MR Dr. Frank 4. MR v.d.Driesch
5. MR Steinbicker
ORR Ermler
ORR u.Schulrat Runge
StR Sell
Deutschnational Demokraten Sozialdemokraten
1. MR Gürich 1. ORR/SR Hylla 1. MR Menzel

2. MR Jaecke

2. ORR Zierold

2. MR Landé

3. MR Kohlbach (unleserlicher Zusatz)

2 Stellen frei (mit Bleistift)

2. Anhang: Die Aufstellung Beckers:

Soz(ialdemokraten) Demokraten Zentrum DVP DNVP
1. Menzel v. Rottenbur Schellberg Richert Lezius
2. Landé Heinemann Schlüter Windelband Gürich(?)
3. Woldt Leist Metzner v. Staa Kohlbach
4. Keschenber Hylla Stolze Scheckendieck
5. Seelig Sell Theegarten (?)
6. Zylena v.d.Driesch
7. Reichwein Breuer
Haslinde
Steinbicker, Ermler u. Runge

Mit fraglicher Parteibindung?

Hiecke, Stalmann Ottendorff, Gall, Hane, Frank (Demokrat?), Boer, Hubrich, Grünbaum, Klingelhöfer, Schneider, Zierild, Willenberg, Runge, Haesler, Kuhnhold, Kuhnert, Peters

 

51. Otto Braun an C.H.B. z.Zt. Hubertusstock, 26.9.1929

(Maschinenmanuskript)

Persönlich

Sehr verehrter Herr Kollege!

Nachdem Professor Lederer die Berufung an die Frankfurter Universität abgelehnt hat, soll die Fakultät für den frei gewordenen Lehrstuhl für Soziologie u.a. auch den Professor Dr. Hans Kelsen aus Wien in Vorschlag gebracht haben.

Nach dem was mir von Wiener Freunden, die Kelsen genau kennen und in seiner wissenschaftlichen und sonstigen Tätigkeit jahrelang beobachten konnten, mitgeteilt wird, soll er nach seinem wissenschaftlichen Können und seinen persönlichen Charaktereigenschaften für den Frankfurter Lehrstuhl sich vorzüglich eignen. Man sieht ihn ungern von Wien scheiden, glaubt aber im persönlichen Interesse Kelsens doch, seine Berufung nach Frankfurt empfehlen zu sollen., da durch die nationalistische und antisemitische Einstellung gewisser Studenten- und Dozentenkreise an der Universität und deren, ja auch über die Grenzen Wiens hinaus bekannt gewordene skandalöse Treiben er dortselbst in seiner Lehr- und Forschungstätigkeit derart beeinträchtigt wird, daß für ihn persönlich der Wechsel seines Wirkungskreises sehr erwünscht ist.

Ich wäre Ihnen, sehr verehrter Herr Kollege, sehr verbunden, wenn Sie vor Ihrer Entscheidung über den Frankfurter Lehrstuhl mit mir persönlich Rücksprache nehmen wollten. Inzwischen verbleibe ich in alter Hochschätzung mit kollegialen Grüßen Ihr (gez.) Braun

 

52. MP Otto Braun an C.H.B. Berlin, 7.10.1929

(Maschinenmanuskript)

Sehr verehrter Herr Staatsminister!

Vor einiger Zeit hatte ich Gelegenheit, mit Ihnen wegen der Versetzung des Lehrers und jetzigen Reichstagsabgeordneten Mertins aus Gutenfeld zu sprechen. Sie waren so freundlich, die ins Auge genommene Versetzung zunächst nicht auszusprechen und mir nähere Informationen nach meiner Rückkehr in Aussicht zu stellen. Ich wäre Ihnen zu Dank verbunden, wenn Sie die Freundlichkeit haben wollten, mir die einschlägigen Akten für kurze Zeit zur Durchsicht zu überlassen.

In alter Hochachtung Ihr sehr ergebener (gez.) Braun

 

53. MP Otto Braun an C.H.B. Berlin, 10.10.1929

(Maschinenmanuskript)

Sehr geehrter Herr Kollege!

Anliegend überreiche ich Ihnen einen Artikel aus dem Vorwärts zur Kenntnisnahme. Ich setze voraus, daß die Angabe des Artikels über die Empfehlung des genannten Buches von Winnig im Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung Preußens zutreffend ist. Davon ausgehend muß ich allerdings mein Bedauern aussprechen, daß ein derartiges Buch als Prämie für Schüler höherer Lehranstalten und zur Aufnahme in Bibliotheken im amtlichen Blatt des Ministeriums empfohlen werden kann. Aufgabe der Schule ist es, die Kinder zum neuen republikanischen Staatsgedanken zu erziehen. Das fragliche Buch verfolgt aber die entgegengesetzte Tendenz, nämlich die, seinen Lesern den heutigen Staat zu verekeln. Wenn man derartige Bücher den Schülern, sei es als Prämie, sei es als Leihgabe aus der Schülerbibliothek, in die Hand drückt, darf man sich allerdings über Vorgänge, wie sie sich kürzlich in Goslar abgespielt haben, nicht wundern.

Für eine Stellungnahme zu der Angelegenheit würde ich Ihnen, sehr verehrter Herr Minister,, sehr dankbar sein.

In alter Hochachtung Ihr (gez.) Braun.

Randbemerkung Beckers: Antwortentwurf sofort

 

54. C.H.B. an MP Otto Braun. (Berlin), 23.10.1929

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!

Auf Ihren Brief vom 10. Oktober d. Js. –M.Pr. 482 – hin bin sofort der Frage nachgegangen, wie es möglich gewesen ist, daß das Buch von August Winnig „Das Reich als Republik“ im Zentralblatt für die gesamte Unterrichtsverwaltung in Preußen als Prämie für höhere Schulen hat empfohlen werden können. Die Angelegenheit hat sich dahin aufgeklärt, daß die Sektion für Dichtkunst bei der Akademie der Künste vor längerer Zeit beauftragt worden ist, als Prämien geeignete neuere Bücher ihrerseits zusammenzustellen, damit bei der Prämienvergabe an höheren Schulen auch die neueste Literatur angemessen berücksichtigt werden kann. Die Sektion für Dichtkunst hat darauf eine größere Reihe von Büchern in Vorschlag gebracht. Bei dem Range dieser Körperschaft und den Persönlichkeiten, die die Bücher vorgeschlagen haben – ich erinnere nur daran, daß der Vorsitzende der Sektion für Dichtkunst, Walter von Molo, doch gewiß in seiner politischen Einstellung einwandfrei ist – , ist in meinem Ministerium dieses von der Sektion Dichtkunst aufgestellte Verzeichnis von Büchern im nichtamtlichen Teil des Zentralblatts bekanntgegeben worden, ohne daß es nötig erschienen oder möglich gewesen wäre, das einzelne Buch in jeder Hinsicht noch einmal zuvor durchzuprüfen. Ich bedauere es außerordentlich und bin in der Beurteilung des Vorfalles mit Ihnen einig, daß auf diese Weise ein politisch für Schüler höherer Schulen durchaus ungeeignetes Buch in dieses Verzeichnis geraten ist. Ich habe Vorsorge getroffen, daß derartige Vorfälle künftig vermieden werden.

In bekannter hoher Verehrung Ihr ergebenster (CHB).

 

55. MP Otto Braun an C.H.B. Berlin, 6.11.1929

(Maschinenmanuskript)

Privatsekretärin des MP

Persönlich

Der Herr Ministerpräsident würde für baldgefällige Rückgabe des mit Schreiben vom 7. September d. Js. überreichten Ausschnittes aus der Zeitschrift „Der heimattreue Ost- und Westpreuße “ mit der Überschrift „Was will Warschau im Kreise Stuhm?“, betreffend Anstellung polnischer Lehrer in polnischen Minderheitsschulen auf deutschem Gebiet, und Äußerung in dieser Angelegenheit dankbar sein.

I.A. (gez.) Gesenger

Privatsekretärin des Herrn Ministerpräsidenten.

Randbemerkung Vorgang U III 5237. Erledigt durch Erlaß vom 12.11.1929

 

56. Carl Heinrich Becker an MP. Otto Braun. (Berlin), 30.1.1930

(Maschinenkopie)

Rücktrittsgesuch Beckers

Sehr geehrter Herr Ministerpräsident!

Die politische Entwicklung der letzten Zeit hat mich zu der Überzeugung gebracht, daß die Auffassung führender Parteien von der Bedeutung der großen kulturellen Aufgaben meines Ministeriums so stark von dem Geiste abweicht, den ich in langen Jahren mühevoller Arbeit im Dienste der geistigen und politischen Erstarkung der deutschen Republik zu verwirklichen bemüht war, daß für mich eine gedeihliche Wirksamkeit nicht mehr gegeben ist. Ich lege deshalb hierdurch mein Amt nieder.

Ihnen, Herr Ministerpräsident, danke ich bei diesem Anlaß für die persönliche und sachliche Unterstützung, die ich in fünf Jahren meiner Ministerschaft unter Ihrem Präsidium oft bei Ihnen gefunden habe.

In hoher Verehrung Ihr ergebener gez. Becker3

 

57. MP Otto Braun an C.H.B. Berlin, 30.1.1930

(Maschinenmanuskript)

Sehr verehrter Herr Minister!

Bei Ihrem Ausscheiden aus dem Amt des Preußischen Ministers für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung spreche ich Ihnen den Dank der Staatsregierung für die wertvollen Dienste aus, die Sie dem Vaterlande in schwerster Zeit der geistigen Umstellung und Neugestaltung durch Ihre Arbeiten auf dem Gebiete des gesamten Unterrichtswesens geleistet haben. Ihr ideenreiches und richtungsweisendes Wirken hat sich noch über die Grenzen Ihres für die kulturelle Entwicklung unseres Volkes überaus bedeutsamen Ministerium hinaus auf alle Gebiete des geistigen Lebens erstreckt. Sie haben sich durch diese umfassende Arbeit ein bleibendes Verdienst erworben.

Mir persönlich ist es ein inneres Bedürfnis, Ihnen für die jahrelange verständnisvolle und kollegiale Mitarbeit im Staatsministerium herzlichen Dank zu sagen!

Ich verbleibe in alter unveränderter Hochschätzung Ihr ergebener (gez.) Braun.

 

58. C.H.B. an MP Otto Braun. (Berlin), 28.7.1930

(Maschinenkopie)

Hochverehrter Herr Ministerpräsident!

Nachdem der Kampf um die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft sein Ende gefunden hat, ist es mir ein lebhaftes Bedürfnis, Ihnen für das persönliche Interesse zu danken, mit dem Sie meine Kandidatur unterstützt haben. Ich glaube, daß der für alle Teile tragbare Kompromiß, vor dem wir stehen, nicht möglich gewesen wäre, wenn sich die andere Seite nicht dieses Ihres Interesses an meiner Wahl bewußt gewesen wäre. Persönlich ist mir die jetzige Lösung im Augenblick fast noch sympathischer als die Präsidentschaft selbst, da für mich Harnack zu früh gestorben ist und ich gern wieder einige Zeit meiner Wissenschaft leben möchte. Nachdem meine Kandidatur aber einmal in die Öffentlichkeit getragen war, bin ich froh, daß durch die Ernennung zum Vizepräsidenten eine alle Teile wirklich befriedigende Lösung gefunden worden ist. Ihnen, hochverehrter Herr Ministerpräsident und Ihren Mitarbeitern danke ich für Ihr bekundetes Wohlwollen von Herzen.

In bekannter hoher Verehrung Ihr ergebenster (CHB)


1 Liegt nicht bei. Der Herausgeber

2 Hervorhebungen vom Herausgeber.

3 Im handschriftlichen Entwurf vom 30.1.1930 heißt es einleitend:

Heute früh von Wien zurückgekehrt finde ich eine politische Situation vor, die ich, obwohl ich nur passiv beteiligt bin, weder sachlich noch persönlich für tragbar erachte.

Und etwas weiter unten heißt es:

Die Entwicklung der polit(ischen) Verhältnisse in den letzten Tagen hat mir bewiesen, daß es für einen keiner Partei angehörigen Minister im Augenblick keine Wirkungsmöglichkeit mehr gegeben ist. Ich bedauere das nicht nur aus dem Grunde, weil ich persönlich von einer Arbeit scheiden muß, der ich 14 Jahre meines Lebens gewidmet habe, sondern vor allem, weil die von der Bildungsschicht stets geforderte Überparteilichkeit der Führung der Geschäfte des Bildungsministers des größten deutschen Landes in Frage gestellt wird.

Einführung zu 8.2

Erneut bestätigt sich hier meine zu Beginn des Teils III geäußerte These, daß sich bei Becker immer der Orientalist und Wissenschaftler mit dem Kulturpolitiker die Waage hält.

Interessant und anrührend ist der Briefwechsel mit seinem Heidelberger Professor für Assyriologie C. Bezold zwischen 1897 und 1921 (Nr. 111-224). Die geradezu liebevolle Begleitung des jungen Studenten während der Studienzeit in Heidelberg und Berlin, aber auch während der Vorbereitung der Habilitation in Kairo 1900-1902, die freundlichen Empfehlungen an Kollegen in London, Paris, Berlin und Budapest: die Internationale der modernen Islamforscher war seinerzeit durchaus überschaubar, man kannte sich eben. So eine intensive Betreuung eines jungen Akademikers war wohl nur möglich bei überschaubaren Studentenzahlen.

In London bereitete Becker 1897 seine assyriologische Dissertation vor. 1899, frisch promoviert, schreibt Bezold an den „lieben Herrn Doctor) (Nr. 113) von einer freundlichen Erwähnung der Doktorarbeit durch Goldziher-Budapest, einem der Begründer der modernen Islamwissenschaft. Inzwischen bereitete Becker seine Habilitation in Berlin vor, wo er ein Jahr verbrachte. Zusammen reisten sie nach Rom und später – sozusagen als Unterbrechung bei der Rückkehr aus Kairo 1901, auch durch den griechischen Archipel. In einem Brief nach Kairo befürwortet er Beckers „Conversationsstunden in der arabischen Umgangssprache“. Im gleichen Brief wird auch Snouck-Amsterdam zitiert, der holländischen Islamwissenschafts-Koryphäe, der Beckers Arbeit lobend erwähnt. Für den Herbst 1901 erwartet Bezold bereits die private Zusendung von Beckers Habilitationsschrift (Nr. 122).

Kleiner Hinweis auf die Postverbindung Kairo – Heidelberg: ein Brief brauchte nur 9 Tage! (Nr. 125)

„Selbstverständlich“ – so Bezold Februar 1902 – bin ich zu allen Correcturen und Revisionen, die Sie mir senden lassen, stets bereit.“(Nr. 126) Auch privatim entwickelten sich die Beziehungen auf das freundschaftlichste – sowohl anläßlich von Beckers Hochzeit als auch zur Geburt der Kinder oder der Krankheit der Mutter Beckers. (Nr. 138).

Nach der Privatdozentenzeit in Heidelberg geht Becker 1908 nach Hamburg ans Kolonialinstitut, wo Bezold seinem Schüler immer wieder gute Ratschläge gibt (Nr.139). Im gleichen Brief warnt er Becker vor einer „vorauseilenden“ Idee einer Universitätsgründung, die dann auch trotz jahrelanger Bemühungen des ungestümen Beckers scheiterte. Deshalb ging er 1913 an eine „richtige Universität“ nach Bonn, wie Bezold betont, wo er bis 1916 lehrte. Im Frühjahr 1916 wird er ins Preußische Kultusministerium berufen.

Das Jahr 1909 ist für Becker auf einem wichtigen Gebiet von Bedeutung: er gründet die Zeitschrift Der Islam“, wobei sein väterlicher Freund mit Rat und Tat hilft. (Nr. 140)

Angesteckt von Beckers Ägyptenliebe, reist Bezold im Jahre 1909 dorthin und stöhnt über den „langen Eselsritt“ in Theben (Nr. 141). In Assuan, so heißt es im Frühjahr 1909, „regnete es – wie seit 30 Jahren nicht geschehen war.“

Auf Beckers schriftliche Glückwünsche zum 50. Geburtstag entgegnet Bezold:

„Daß ich diesmal 50 Jahre alt geworden bin, ist mir vorderhand noch nicht so peinlich, als mir vor 10 Jahren die 40 wurden. Man gewöhnt sich eben allmählich an die absteigende Bewegung: kostet weniger Schweiß und geht schneller.“ (Nr. 142) Im gleichen Brief lobt er: „Die sachliche Ruhe, mit der Sie sehr heikle Fragen behandelt haben, ist dabei besonders zu rühmen, und daß Sie andererseits sehr energisch für die wissenschaftliche Bildung der (Kolonial-) Beamten eintreten, … finde ich in Ordnung.“

Auch Bezold sieht die christlichen Missionen, wie Becker, eher kritisch:

„Das Zugeständnis, daß die Missionen ein Kulturfactor sind, das wir einfach nicht entbehren können, hätte ich nicht über mich vermocht! Ich weiß nicht, wie weit die Holländer dem beistimmen würden; und die halten doch wohl auch Sie für die besten Kolonisatoren? Aber Sie wissen, ich spreche als fernstehender outsider. Und dann eine nur wenig überzuckerte Pille, daß die Mission dem Islám – in die Hände arbeitet, bleibt für alle Gläubigen zu schlucken!“ (Nr. 142)

Becker entgegnet auf seine beanstandete Stellung zur Mission, sie sei

„ein Produkt der Hamburger Luft, d.h. ein Kompromiß zwischen den Tatsachen und der Praxis. Wer beobachtet, wie die kolossalen amerikanischen Missionsunternehmungen in Ostasien der politischen Propaganda Amerikas den Boden bereiten, der erkennt, was für ein wichtiger Faktor die Mission bildet.“ (Nr. 143)

1909 gratuliert Becker seinem verehrten Lehrer zur Gründung der Heidelberger Akademie der Wissenschaften.

Interessant die Bemerkung Beckers über den neuen Kollegen Meinhof, der den Kiautchou-Vertrag verfaßt hat sowie den „Staatsvertrag über die neugegründete chinesisch-deutsche Hochschule.“(Nr. 145)

Die Aversion des Hamburger Senats gegen eine

Universität alten Styles (sei) nicht zu leugnen. Man fürchtet zunächst die Studenten, besonders die mit den bunten Mützen, dann aber namentlich in Kaufmannskreisen die Schaffung eines selbständigen, neuen Körpers, der unausbleiblich die führende Rolle in dem geistigen Leben Hamburgs übernehmen wird …“

1910 lobt Becker seinen Schüler Dr. jur. F.F. Schmidt (gerade Assessor geworden), der im Sommer bei Bezold promovieren will; er sei ein ungewöhnliches Sprachtalent („Arabisch mit vollendetem Accent“), Dolmetscher für Marokkanisch. Er legt eine Arbeit vor über islamisches Recht. Wir werden ihn im Ersten Weltkrieg als Beckers Informant über die Türkei noch genauer kennenlernen! (Nr. 152)

Begeistert berichtet Bezold über einen öffentlichen Vortrag von Leopold von Ranke über ägyptische Kultur – ein Autor, der auch heute noch durchaus lesenswert ist, im Gegensatz etwa zu seinem Zeitgenossen Treitschke. (Nr. 155)

1911 reist Becker erneut nach Kairo (Nr. 158), wo er von Bezold gemahnt wird, seinen Beitrag für die Goldziher-Festschrift doch bitte zuzusenden (Die Postkarte brauchte nur fünf (5) Tage von Heidelberg nach Kairo!) Leider mußte Becker seine Reise fluchtartig abbrechen wegen der schweren Krankheit seines Sohnes Walter. In dem Dankesbrief Beckers (Nr. 160) ist Sohn Walter bereits auf dem Wege der Besserung, brauche aber mildes Klima, so daß die Familie auf die Isle of Wight fahren werde. Der Artikel für Goldziher wird nunmehr eine Studie der ersten christlichen Polemik gegen den Islam in ihrer Wirkung auf die Hadith und die islamische Glaubenslehre“ und wird kurze Zeit darauf versandt.

Im Mai 1911 wird ein neues Vorlesungsgebäude des Kolonialinstituts eingeweiht mit einer Rede von Professor Marcks, Senatsdiener (und gewiß auch einer Rede Beckers). Was den Ausbau des Instituts zur Universität angeht: „Jeder hat seine Meinung in der Sache, wirkliche Sachkenntnis aber selten.“ (Nr. 164)

Wie umfangreich die Spannbreite von Beckers Tätigkeit zu dieser Zeit war, wird im gleichen Brief deutlich: druckfertig machen der Papyrie, Islam in Afrika-Kolleg; dagegen geringe Beteiligung an den philologischen Kollegs, für Syrisch und den Koran …

Über Marokko schreibt Becker (Nr. 166, 3.7.1911, – 2. Marokkokrise mit der Besetzung von Fes durch die Franzosen):

„Ich wußte schon seit langem, daß etwas bevorstand und bin wirklich froh, daß es endlich soweit ist. Das Vorgehen der Franzosen bedeutete doch eine derartige Verachtung des deutschen Standpunktes, daß es sich nur mit der allgemeinen deutschen Uninteressiertheit in der auswärtigen Politik erklärt, daß sich die öffentliche Meinung das so lange gefallen ließ. Mit brennender Spannung sehe ich die Weiterentwicklung der Dinge entgegen; denn die Interessen, die speziell auch hamburgische Firmen in jener Gegend haben, sind außerordentlich groß.“

Das Problem bestand u. a. darin, daß bei einer Ausdehnung der französisch-britischen usw. Kolonialreiche die Häfen zumeist für die deutschen Kaufleute gesperrt waren!

Im November 1911 heißt es (Nr. 170), daß man momentan die Universitätsfrage diskutiere, „aber der Name Universität wirkt hier über alle Maßen abschreckend.“ Der Senat wolle zwar, aber die Bürgerschaf …

Eine Fahrt mit Bezold und anderen Orientalisten nach Budapest zu Ehren Goldzihers mußte Becker, nach anfänglicher Zusage, dann doch absagen wegen der Krankheit seiner Frau. (Nr. 173) Die Festreden erfolgten auf Ungarisch, Deutsch, Lateinisch, Arabisch und Assyrisch …

Für 1912 plante Becker mit Kollegen die Herausgabe eines Grundrisses der semitischen Philologie bei Trübner, worin Bezold für die assyrische Literatur gewonnen werden soll. (Nr. 175)

Im gleichen Jahr trafen sich Bezold und Becker zum Orientalistenkongreß in Athen (Nr. 179) – bei der Rückreise erfuhren die Reisenden in Italien den Untergang der Titanic (vgl. die Privatbriefe)

Im Juli 1913 beglückwünscht Bezold seinen Schüler „zur Rückkehr an die Hochschule!“ Becker hatte in Hamburg das Handtuch geworfen wegen der ablehnenden Haltung der Bürgerschaft zur Universitätsgründung und nahm einen Ruf nach Bonn an.

Bezold plante für 1916 einen Kongreß für Religionswissenschaft (Nr. 193 und 196) – wie man sich denken kann, ging diese Planung in „Stahlgewittern“ unter. Im gleichen Brief berichtet Bezold von gemeinsamen Ausgrabungen in Ägypten mit der Universität Freiburg. Von seiner Reise dorthin im Jahre 1914 brachte Bezold 49 Kisten mit erworbenen Schätzen, was noch manchen Schweißtropfen kosten wird.“ (Nr. 198)

Der Kriegsausbruch im August 1914 sieht Becker bei der Verwundeten-Verpflegung („es hat sich Gewaltiges ereignet“). (Nr. 202) Bezold arbeitet in Heidelberg an einem Zentralnachweis aller hier befindlichen Verwundeten“ (Nr. 203) – die anfängliche Euphorie sollte jedoch bald bei beiden abkühlen. Bezold fragt sich:

„Was mag von Ägypten kommen? … Ich halte Englands Erniedrigung auf die Kulturstufe, die es jetzt vor aller Welt eingenommen hat, für eine Schmach für ganz Europa gegenüber dem Orient…“1

Und Becker hofft in seinem Neujahrsbrief (Nr. 204),

„daß wir uns 1915 wieder einmal gemütlich sehen werden und daß es auch nach den schweren, bangen Kriegszeiten uns einen ehrenvollen Frieden bringe.“

Sein Schüler Dr. Graefe sei gefallen und um Hellmuth Ritter in der Türkei mache er sich Sorgen.

1914/15 lieferten sich der Holländer Snouck und Becker ein erbittertes Wortgefecht in der Presse. Bezold schreibt dazu (Nr. 206): „Ich suchte möglichst sachlich nach Snoucks Motiven;

  • eines ist entschieden der Gedanke an die niederländisch-indischen Moslims …;
  • daß andere sehe ich darin, daß Snouck ja selber Moslem ist … und am Ende auch durch den Zwang Fes g`had verärgert wird.
  • Aber das pazifistische (utopistische) Element gehört wahrhaftig nicht in die Fluten – die blutgetränkten – der jetzigen Politik,
  • und dem Gespenst des „Glaubenshasses“ sind Sie mit Recht energisch zu Leibe gegangen.“

Im Zusammenhang mit einer Amulettstudie Bezolds (Nr. 212) verweist Becker u.a. auch auf ein Werk Canaans „Volksmedizin und Aberglaube im Lande der Bibel“, insbesondere wegen der abessinischen Parallelen … und damit auf die geistigen Beziehungen zwischen Ägypten und Abessinien neues Licht fällt.“ Im gleichen Brief berichtet Becker über die ausführlichen Nachrichten von F. F. Schmidt und Ritter. Die Armeniergreuel2 übertreffen alles bisher Dagewesene.“ Die Rückwirkung auf die deutsche Innenpolitik wird angedeutet.

Osmanisches Reich im I. Weltkrieg
Osmanisches Reich im I. Weltkrieg

Wegen der türkischen Probleme haben Beckers Vorlesungen und Vorträge gewaltigen Zulauf (Nr. 213).

Die Berufung Beckers ins Preußische Kultusministerium im Frühjahr 1916 ist eine Zäsur in seinem Schaffen, denn Forschung und Lehre rücken nunmehr in den Hintergrund gegenüber seiner Tätigkeit als Personalreferent der preußischen Universitäten. Die Korrespondenz mit Bezold bricht praktisch ab bis Sommer 1919. Zu diesem Zeitpunkt ist Bezold bereits Professor in Bonn. Verschiedentlich wendet sich der junge Staatssekretär an seinen väterlichen Freund bei Besetzungsfragen von Lehrstühlen (Nr. 222). 1922 stirbt Bezold und hinterläßt seinem Freund eine große Lücke.

***

Von großem Interesse für Becker waren die folgenden Briefe und Tagebuchberichte Hellmut Ritters (Nr. 225-349), die zuweilen die Zensurbehörde des Auswärtigen Amtes etwas beunruhigten (17.7.1915), denn mancher Brief ging wohl „verloren“ oder enthielt ein Beiblatt mit dem Hinweis auf absolute Geheimhaltung des Inhalts …

Die Briefe Ritters beginnen im Januar 1915 nach einem halben Jahr auf den Schlachtfeldern des Westens; als Dolmetscher ohne militärischen Hintergrund war er dennoch als „Leutnant“ und dank Beckers Unterstützung als „Dr.“ ein Verbindungsglied zwischen deutschen Militärs um von der Goltz und den türkischen Stäben, was ihn zu nicht immer erfreulichen Einsichten verhalf … Rumänien war zu dieser Zeit noch neutral, drückte bei der Passage deutscher Offiziere in Zivil aber ein Auge zu (19.1.1915).

Die folgenden Berichte zeigen Ritters intensive Bekanntschaft mit der anatolischen Eisenbahn, dem Weiterbau durch das Taurusgebirge, das Umladen auf Esel und Kamele oder Büffelwagen – Odysseen eines Armeekorps, das, einmal angekommen in Jerusalem, nach nicht langer Zeit zurückbeordert wurde an die Galipolifront – von Jerusalem reist er nach Damaskus, Baalbeck und Aleppo – kurzum, er lernt Land und Leute kennen, wenn auch auf eine besondere Art.

Im Tagebuch berichtet er am 24.2.1915 von der Begegnung mit zwei deutschen Offizieren, die an der Suezkanalexpedition teilgenommen hatten. Interessant seine Diskussion des sog. „Heiligen Krieges“:

„Überall, wohin ich kam, entsprach das Volksempfinden ganz dem Fetwa. Gehaßt die Nation der Engländer, die Nation der Russen, der Franzosen, geliebt die Nation der Deutschen und ihr vortreffliches Heer und ihr vielgepriesener Kaiser.“

Und weiter unten heißt es:

„Die Stimmung des muslimischen Volkes ist für die Deutschen gewonnen gegen die Engländer, nicht so sehr für die Befreiung des Islam …“

Ziemlich deutlich spricht Ritter von den Konflikten zwischen Arabern und Türken, wobei erstere recht schlecht wegkommen. Doch mag das natürlich an der osmanischen Politik liegen, die die Araber zweitrangig behandelten … (Jerusalem, 1.3.1915) Ein Djihad von Konstantinopel aus erklärt, sei

„eine Lächerlichkeit. Hier im Lande (Palästina!) ist er gänzlich ins Wasser gefallen. Wenn Deutschland das beweisen wollte, daß religiöse Aufrufe von Konstantinopel aus ohnmächtig und wirkungslos sind, so hat es einen großen Erfolg zu verzeichnen. Wo er hier gezündet hat, hat er in der alten Form gezündet. Hier hat ein Scheich tatsächlich zur Austreibung sämtlicher Giaurs aufgefordert, hat aber begreiflicherweise keinen Erfolg gehabt. In Stambul hat der Pöbel ein paar europäische Läden zerschlagen. Das ist alles. Dieser Djihad ist kein Djihad, sagen die arabischen Scheiche, die auf die Türken so wie so nicht besonders zu sprechen sind.“ (Jerusalem, 6.3.1915)

Am 31.3.1915 bestätigt Prüfer (vom Auswärtigen Amt) die Bemerkungen Ritters über die Spannungen zwischen Arabern und Türken. Sehr schlecht kommt dabei auch die deutsche Orientpolitik weg, die den Briten und Franzosen nichts entgegengesetzt hätte. „Hier lieben uns weder die Christen noch Juden. Am loyalsten sind noch die Muhammedaner.“

Im Tagebuchbericht vom 19.4.1915 aus Jerusalem geht Ritter erneut mit der türkischen Politik ins Gericht:

„Die politische Lage ist ja sehr prekär hier. Die Araber sehnen sich nach Befreiung vom Türkenjoch; die Abneigung wird nun noch künstlich vergrößert einesteils durch mancherlei Unbequemlichkeiten, die der Krieg, für den auch nicht das geringste Interesse herrscht, und die Anwesenheit so großer Truppenmengen überhaupt mit sich führt, andererseits durch die türkisierenden Bestrebungen Djemal Paschas. Ein Ukas befiehlt, daß in allen Schulen (auch den deutschen, wie Schnellers Waisenhaus) türkisch gelehrt werden solle – um das Geld und die Lehrkräfte kümmert sich natürlich niemand -, aller arabische Schriftverkehr mit den Behörden hat, sehr zum Ärger der Araber , aufgehört.“

Falls die Kapitulationen aufgehoben würden, würden viele Deutsche aus Jaffa abreisen (26.4.1915). Ein türkischer Sieg würde sich gegen alle Fremden richten! Becker entgegnet am 12.5.1915:

„Mir sind Ihre Erlebnisse und Eindrücke nicht sehr überraschend und halte ich den ganzen arabischen Besitz der Türkei überhaupt für stark gefährdet, wenn die Türkei nicht endlich damit Ernst macht, die Verwaltung zu arabisieren.“

Und weiter unten heißt es:

„Ich weiß von maßgebender Stelle, daß man bei uns tatsächlich die Absicht hat, das wirtschaftliche Staatsinteresse der Türkei auch gegen die privatwirtschaftlichen Interessen selbst des deutschen Kapitalismus zu schützen, und zwar nicht etwa aus sentimentalen Gründen heraus, sondern weil eine innerlich gestärkte und gekräftigte Türkei auch den wirtschaftlichen Zukunftsinteressen Deutschlands mehr entspricht.“

Im Juni 1915 ist ein ägyptischer Nationalist, Scheich Schawisch, Vertrauensmann Enver Paschas, in Berlin. Becker berichtet vom Frühstück mit diesem Abgesandten Folgendes (14.6.1915)

„Aus Unterhaltungen mit ihm gewann ich die Bestätigung meiner alten Ansicht von der allzu großen Fairheit unserer auswärtigen Politik vor dem Kriege. Hätten wir, seinem Rate folgend, rechtzeitig Waffen in orientalische Gebiete eingeschmuggelt, was England und Frankreich ganz gewohnheitsmäßig tun, so wäre der Aufruf zum Djihad wirkungsvoller gewesen. Erschreckend ist vor allem der Hochmut der Jungtürken, nur wenige ganz fähige Köpfe sehen die eigenen Fehler ein.“

Interessant auch im gleichen Brief die Erörterung der Kriegsziele Deutschlands.

In seinem Brief aus Anatolien (23.5.1915) berichtet Ritter von einer verheerenden Heuschreckenplage, die neben der Ernte auch den Eisenbahnverkehr sabotieren – die Räder drehen einfach durch… Etwas weiter unten wird von der Ansiedlung von Bosniern gesprochen; vor allem aber von den Armeniern:

„Der Haß gegen die Armenier ist groß. Wenn der türkische Bauernjunge gerade so alt wird, daß er was lernen und schaffen könnte, wird er Soldat, und bei dem ununterbrochenen Kriegszustand, in dem sich die Türkei befindet, können wir jetzt, wo wir Ähnliches bei uns erleben, wohl vorstellen, welche schweren wirtschaftlichen Folgen diese Dauerabwesenheit der arbeitsfähigen Mannschaft haben muß. Was Greise, Frauen und Kinder ersparen können, schicken sie dem Vater und Sohn ins Feld. Etwas besser ist es seit der Abschaffung der 8jährigen Dienstzeit Abdul Hamid’s geworden, doch der Übelstand ist immer noch groß, weil der Staat jedes Jahr Krieg führt, sei es gegen den Westen, gegen Jemen, gegen Kurden oder sonst etwas.“

Balkankriege vor 1914
Balkankriege vor 1914

„Der Armenier sitzt derweil zu Haus, kriegt viele Söhne, jeder macht einen Laden auf und wird dick und reich, während sein gleichaltriger türkischer Nachbar des Sultans Rock trägt. Eine üble Folge des alten Gesetzes. Doch beginnt man jetzt schon, Christen und Juden einzustellen, was im Offizierskorps schon länger der Fall war.“ (24.5.1915)

Aus Kara Burnu in Anatolien schreibt Ritter (5.8.1915):

„Von den Armeniern wird nicht mehr viel übrigbleiben, welch wirtschaftlich kurzsichtige Politik! … Ein deutscher Unternehmer war im Taurus, ob man an den Wasserfällen eine Spinnerei machen könnte. Er kam enttäuscht zurück: Wasserkraft genug, aber keine Menschen.“

Ende Juli 1915 schreibt Ritter aus Stambul (28.7.1915) über die Türkei:

„Je tiefer man hineinsieht in die Verhältnisse dieses Landes, desto klarer wird einem, daß man die Fähigkeiten der Türken zu eigener selbständiger Vorwärtsentwicklung nicht tief genug einschätzen kann. Hoffentlich richtet Jäckh (Deutsch-Türkische Vereinigung in Berlin. Der Herausgeber) nicht zuviel Unheil an! Ein Bündnis mit der Türkei! Die ist überhaupt nicht bündnisfähig für uns.“

Im gleichen Brief schreibt er erneut über die „Armenier massacres“:

„Natürlich werden diese Gewalttaten unseres „Verbündeten“ einst uns zur Last gelegt werden. Kompromittieren wir uns nicht mit solchen Dingen! (Quelle F.F. Schmidt und Dr. Hoffmann, Fotos!)“

Am 1.8.1915 berichtet Ritter von Lepsius, der von Berlin gesandt wurde, um sich über die

„Armeniermassacres zu instruieren und reiste entsetzt ab, da alle Befürchtungen und Missionarsberichte weit übertroffen sind. Die Deutsche Bank hat aus Dresden einen Beamten, Herrn Schneider, geschickt, der von der Millionenerwartung der Deutschen Bank, die durch die Metzeleien gefährdet sind, einiges zu retten versuchen soll. Daß unsere Diplomatie versagt, ist selbstverständlich. Prinz Hohenlohe soll eine Note überreicht haben, aber alle Vorstellungen wurden mit zynischem Lächeln beantwortet. Enver soll gesagt haben: Ich weiß, daß wir uns 10 Jahre wirtschaftlich zurückbringen, aber der innere Feind muß ausgerottet werden. Für diese rachsinnige Art und Weise der Hinmordung gibt es keine Entschuldigung.

Daß die Sache nicht religiösem Fanatismus zuzuschreiben sei, wird mir in Zukunft niemand mehr weismachen. Man braucht geradezu den Fanatismus, um diesen „Djihad“ zu entfesseln. Es ist eine Art innertürkischer Panislamismus, für die es nur in Rußland Parallelen, aber hingegen harmlose Parallelen gibt.“

Leider fehlen jegliche Briefe und Tagebuchnotizen aus den Jahren 1916 und 1917.

Erst Anfang 1918 schreibt Ritter aus Nazareth (9.1.1918); am 4.5.1918 bereits aus der Heimat, Niederzwehren bei Kassel. Anfang 1919 ist Ritter Professor am Kolonialinstitut in Hamburg (1.3.1919) und verfolgt seine akademische Karriere, in enger Verbindung mit Becker der ihn weiterhin fördert. Außerdem übernimmt er von ihm die Herausgabe der Zeitschrift „Der Islam“. Rund ein Jahrzehnt nach den Bemühungen Beckers und seiner Mitstreiter, in Hamburg eine Universität zu gründen, erfolgte diese Gründung nunmehr im Jahre 1919 in der Anfangszeit Ritters.

Die Briefe Beckers kreisen insbesondere um die kulturpolitische Rolle des Reiches. Mehrmals reiste er zu den Verfassungsverhandlungen nach Weimar (14.7.1919):

„Es ist furchtbar, daß die Sozialdemokratie in ihrem Doktrinarismus, ihrer Unkenntnis der Verwaltung und ihrem Mangel an Führern die ja in jahrtausende langem Kampf der katholischen Kirche abgerungenen Rechte des Staates mit einem Federstrich preisgibt. Aber das Zentrum ist halt Trumpf und Erzberger Diktator. Die Protestanten haben in ihrer Angst vor Adolf Hoffmann und ähnliche Möglichkeiten sich für ihre Kirche alle Vorteile vom Staate errungen, ohne dem Staat irgendwelche Rechte zu lassen. Was den Einen recht war, war für die Anderen billig. So hat die Katholische Kirche schmunzelnd alle Vorteile mit eingesteckt, die einer evangelischen Landeskirche leider zu bewilligen waren. In Zukunft wird es niemand hindern können, wenn ein spanischer Mönch Erzbischof von Köln wird oder die gemischtsprachigen Gebiete an der Ostgrenze zu einer polnischen Diözese geschlagen werden usw. usw. Alle Beamten haben gewarnt, aber der Dilettantismus der politischen Machthaber ist jetzt Trumpf auf allen Gebieten. Ich versuche aber noch einiges zu retten, aber ich sehe schwarz. Hinter allem steht in letzter Linie im Augenblick der Kampf auf Leben und Tod zwischen Preußen und dem Reich.“

Am 20.3.1920 schreibt Becker an Ritter:

„Der wahnsinnige Husarenritt Kapps hat die Situation fatal nach links verschoben und es wird uns sehr viel Mühe kosten, all das neue gegen Bildung und Bürgertum angehäufte Mißtrauen zu überwinden. Nach solchen Heldentaten darf niemand von rechts mehr den Arbeitern einen Vorwurf machen, wenn sie in ihrer primitiven Denkweise die Konsequenzen aus dem Vorgefallenen ziehen.“

Becker war übrigens kurzzeitig in „Schutzhaft“ und wurde von Oberst Bauer in der Reichskanzlei vernommen.

Neben der gewiß arbeitsintensiven Tätigkeit im Ministerium hält Becker auch immer wieder Vorträge und Vorlesungen. Im Rahmen der Auslandsstudien für zukünftige Diplomaten spricht er über „England im Vorderen Orient“. (15.12.1920)

1925 wird Becker erneut Kultusminister in der Regierung Braun. Ritter schreibt ihm dazu:

„Ich glaube frei von aller Schmeichelei zu sein, wenn ich einmal ausspreche, daß ich Deine Islamstudien… immer noch für das Gescheiteste ansehe, was überhaupt in den letzten 20 Jahren auf unserem Gebiet erschienen ist. Es ist wirklich ein erheblich höheres Niveau als alles andere und auch von den vielen kollegialen Schafsköpfen auch nicht entfernt nach Gebühr gewürdigt.

Du bist der 1. Mann auf unserem Gebiet. Aber warum willst Du nun mit aller Gewalt in Rom der zweite sein? Es kann ja gar nicht gut gehen.“

In der Folge geht Ritter zurück in den Orient, zuerst nach Bagdad (1927), dann nach Istanbul (1928), wo der die Zweigstelle der DMG (Deutsche Morgenländische Gesellschaft) leitet – auf Distanz vom Dritten Reich.

***

Aus dem kulturpolitischen Briefwechsel möchte ich jenen mit dem preußischen Gesandten Denk in München (28 Briefe) und mit dem preußischen Ministerpräsidenten Otto Braun (29 Briefe) hervorheben. Der Briefwechsel mit der DDP, der Deutschen Demokratischen Partei, für die – oder genauer bei der er als Redner auftrat, zeigt, daß er Männern wie Theodor Heuß und Walter Rathenau recht nahe stand, wenn er es auch ablehnte, Mitglied einer Partei zu werden – fühlte er sich doch der Partei der Bildung zugehörig! Daß das keine „Amtsver sicherung“ darstellte, mußte er nach fünf Jahren im Amt feststellen, so daß er 1930 seinen Rücktritt einreichte, nicht ohne zuvor einen tüchtigen Nachfolger, Grimme, empfohlen zu haben.

Als Staatssekretär setzte sich Becker 1922 für eine würdige Verwendung (und Versorgung!) des Ex-Kultusministers Haenisch ein. Und obwohl Braun eigentlich gegen dessen Ernennung zum Regierungspräsidenten war, wurde er es doch letztendlich. Braun hatte eher an eine Lehrtätigkeit an einer Berliner Hochschule gedacht.

Ab 1925, nunmehr Minister eines Riesenministeriums in der Wilhelmstraße, wurde der Kontakt zu Braun enger. All die Pläne Beckers wie Neugestaltung der Lehrerbildung, Pensionsgrenze der Professoren, Reichsschulgesetz, Jugend- und Sportförderung und das Konkordat mit dem Vatikan waren gar nicht durchzusetzen ohne engen Kontakt zum Ministerpräsidenten, den übrigen Kollegen Ministern und nicht zuletzt dem Landtag.

Braun setzte sich diskret für Einzelpersonen ein, wobei parteipolitische Probleme in den preußischen Provinzen überwogen (4.11.1925/17.3.1926; 6.5.1926)). Republikanisches Denken war dort nicht immer gegeben …

Zur Jahreswende 1926 schreibt ihm Becker (30.12.1926):

„Mit Schrecken höre ich, daß Sie ein neuerlicher Unfall betroffen hat. Das drängt mich, Ihnen von Herzen gute Besserung zu wünschen. Damit möchte ich zugleich meine besten Glückwünsche zum neuen Jahre verbinden. Auch Ihrer Frau Gemahlin bitte ich mich und meine Frau freundlichst empfehlen zu wollen. Hoffentlich sind Sie bald nach dem Jahreswechsel wieder wohlauf in unserer Mitte. Ich persönlich danke Ihnen besonders für die mir auch vergangenen Jahre allzeit bewiesene Unterstützung. Auf dem Rücken des armen Kultusministers werden manche der großen geistigen Kämpfe ausgepaukt, die sich nun einmal aus den Spannungsverhältnissen in unserem Volke ergeben. Da war ich oft dankbar erfreut über das Verständnis dieser Situation, dem ich immer bei Ihnen begegnet bin.“

1927 verfaßt Becker eine Denkschrift über das Reichsschulgesetz: „Sie ist ganz auf Versöhnung gestellt, ohne etwa Konzessionen an den Konfessionalismus zu machen.“ (28.8.1927)

Auch die Neuordnung des Studentenrechts steht im gleichen Jahr auf der Agenda (21.9.1927).

Die Studentenschaft war vorsichtig ausgedrückt nur in geringem Maße republikanisch, um nicht zu sagen deutschnational bis reaktionär gesinnt. Die Kontroverse um das Grußtelegramm des Reichsinnenministers von Keudell führte zu einem Protest Brauns bei der Reichsregierung, in dem er mit dem Abbruch „jedes dienstlichen Verkehrs“ droht. (30.11.1927) Die Regierungserklärung Brauns nach den Landtagswahlen vom Juni 1928 wurde in dem kulturpolitischen Teil von Becker verfaßt (7.6.1928). Dabei wird die rechtslastige Haltung der Presse deutlich, denn Braun beschwert sich darüber,

„daß der Rechenschaftsbericht der Regierung nicht in alle Kreise der Wählerschaft gedrungen (sei), da zahlreiche, vornehmlich rechtsstehende Blätter in Verkennung ihrer journalistischen Pflicht den Abdruck der Regierungserklärung unterlassen und damit den Lesern vorenthalten haben. Die Regierung war daher gezwungen (von Becker eingeklammert: um dieser journalistischen Sabotage wenigstens einigermaßen entgegen wirken zu können) auf andere Weise und auch unter Verwendung von Staatsmitteln dem Bericht die weitmöglichste Verbreitung zu geben.“

1929 setzt sich Braun für die Berufung Hans Kelsens an die Universität Frankfurt/M ein, da dieser in Wien „durch die nationalistische und antisemitische Einstellung gewisser Studenten- und Dozentenkreise… in seiner Lehr- und Forschungstätigkeit … beeinträchtigt wird.“ (26.9.1929)

Am 30.1.1930 tritt Becker zurück:

„Die politische Entwicklung der letzten Zeit hat mich zu der Überzeugung gebracht, daß die Auffassung führender Parteien von der Bedeutung der großen kulturellen Aufgabe meines Ministeriums so stark im Geiste abweicht, den ich in langen Jahren mühevoller Arbeit im Dienste der geistigen und politischen Erstarkung der deutschen Republik zu verwirklichen bemüht war, daß für mich eine gedeihliche Wirksamkeit nicht mehr gegeben ist.“ (30.1.1930)

***

Mit dem Pädagogen Wilhelm Flitner verband Becker der Aufbau der Pädagogischen Akademien; 1926 war Flitner an der Pädagogischen Akademie im preußischen Kiel als Dozent tätig und bekam einen Ruf an die Universität Leipzig; doch verstand Becker es wohl, ihn in Preußen zu halten, denn wir sehen Flitner 1932 in Altona; auch fuhr er im gleichen Jahr mit Becker zum Internationalen Pädagogenkongreß in Nizza, wo Becker über seine Chinareise 1931/32 seinen Rapport machte – Flitner aber den Hauptvortrag halten sollte. Allerdings war die Finanzierung der Reise nicht unproblematisch – schließlich befand man sich mitten in der Weltwirtschaftskrise; doch Preußen und das Reich bzw. das A.A. kratzten dann doch die Mittel zusammen. (Nr. 170, 15.6.1932) Beckers Thema lautete: „Der soziale Wandel und die Erziehung unter dem Gesichtspunkt der Verschiedenheit der Völker.“

In seinem letzten Brief an Becker fragt sich Flitner (Nr. 34, 7.2.1933),

„ob die Kirche, von der im Humanismus nicht die Rede ist, wirklich so vergangen ist, wie es hier scheint. Weder die Sowjets noch die Amerikaner noch diese neuen Mythosleute wie Helbing wissen noch um sie und um die neue, unsichtbare Kirche, die doch die Substanz dessen enthält, was Blut, Leib, Mythos nicht geben und was da sein muß, bevor ein Humanismus kommen kann, es zu verfeinern. Die Konfessionalität der Akademien … war wohl die Grundlage ihres praktischen Humanismus, und jene Konfessionalisierung, die politisch notwendig wurde, hat wirklich nicht zufällig jener Idee des neuen Humanismus das Fundament gegeben.“

Die grandiose Idee der Pädagogischen Akademien wurden 1933 für 12 Jahre NS-Diktatur auf Eis gelegt – feierte aber nach 1945 mit Männern wie Flitner, Wende und Grimme ihre Wiederauferstehung.

***

Die Korrespondenz Beckers mit der DDP, der Deutschen Demokratischen Partei (Nr. 75-93) zeigt zwar Beckers Nähe zu ihr, auch setzte sich Becker zuweilen für sie ein (Nr. 79-83) – doch war er nie ihr Mitglied.

Robert Jansen MdL-Aachen sandte dem Ministerium einen Brief, den Fritz Brüggemann von der Technischen Hochschule Aachen an Marie-Elisabeth Lüders geschrieben hatte (Nr. 75). Hierin geht es um die „Verwelschungsgefahr, wenn die Zollregelung zugunsten der Franzosen verändert würde:

„Wir werden wieder von französisch sprechender Zivilbevölkerung überschwemmt, die zu Handelszwecken nach Aachen kommt, das ganze Wirtschaftsleben muß sich wieder auf die französisch sprechende Kundschaft einstellen, kein junges Mädchen und kein junger Mann kann dann wieder eine Anstellung finden, der nicht der französischen Sprache mächtig ist.“

Usw. Ziel ist es, den Historiker Prof. Dr. Herrmann (früher Posen) nach Aachen zu holen, dessen Bleiben in Polen ja nicht mehr möglich war. Becker habe „meinen Vorschlag, wie er weiß, lebhaft begrüßt.“ Dies wirft nur ein kleines Schlaglicht auf die „Volkstumskämpfe“ nach Versailles im Westen wie im Osten, die schon an anderer Stelle sichtbar wurden.

1926, nunmehr seit über einem Jahr Kultusminister Preußens, hält Becker auf dem Herbstfest der DDP im Berliner Sportpalast (Nr. 84, 16.10.1926) eine Rede, worin er ein Résumé der vergangenen Jahre der jungen Republik gibt.

„Als die alte Staatsautorität zusammenbrach, gab es nur ein Mittel, eine neue Rechtsbasis zu schaffen, und dieses Mittel war der demokratische Gedanke. Danken wir unserem Schicksal, daß das deutsche Volk, viel mehr als es das selber wußte

bis in das tiefste Innere hinein demokratisch gesonnen war, daß es willig das rettende Majoritätsprinzip anerkannte,

daß die überstimmte Minorität sich zwar grollend aber tatsächlich unterordnete,

und daß ach die Opposition sich die demokratische Methode aneignete.

So wurde die deutsche Republik geboren, von den einen umjubelt, von den anderen gehaßt, von der großen Menge aber verstandesmäßig anerkannt. Die aus der Not geborene Republik, die aus der Asche des Kaiserreiches entstand, hatte es schwer, ihren Phönixcharakter zu erweisen, suggestiv die Herzen höher zu stimmen, und sich liebenswürdig zu machen. Im politischen Leben entscheidet nun einmal der Erfolg; nur er gewinnt die Herzen, und so wächst der republikanische Gedanke mit den beginnenden Erfolgen. (…) Und wenn dabei die Opposition alles Erreichte herabmindert oder überhaupt verschweigt, und dabei gern den Namen des Freiherrn vom Stein und den Aufstieg Deutschlands im Anfang des vorigen Jahrhunderts als Parallele anführt, so darf doch nie vergessen werden, daß niemand die Wiederaufbaupolitik des Freiherrn vom Stein so erschwert und bekämpft hat, als gerade die Kreise, die auch heute wieder in Opposition stehen.“

Deutlicher kann man sich wohl nicht von den Deutschnationalen abgrenzen!

„Wir haben unser Schicksal selbst in die Hand genommen, und es ist undenkbar, daß die gewonnene Freiheit jemals wieder dem Autoritätsverhältnis von ehemals weichen könnte.“

Wie sollte Becker sich täuschen: die Entmachtung Preußen 1932 durch den Papen-Coup und die Hitler-Diktatur beseitigte nur allzu gründlich alles Gewonnene.

Für 1928 kündigt Becker einen Vortrag vor der DDP-Naumburg an mit dem Thema:

„Preußisch-deutsche Kulturpolitik seit der Staatsumwälzung.“

Interessant ist ein programmatischer Brief der DDP-Pillau (Ostpreußen) an

Becker (Nr. 89, 18.6.1928), worin

  • gegen die „Sonderrechte der Oberschicht polemisiert wurde;
  • „Riesenvermögen in einer Hand seien zu verhindern;
  • die soziale Frage ist gesetzlich zu regeln;
  • die Republikanisierung im öffentlichen Dienst (Beamtenschaft, Reichswehr) ist sofort und rücksichtslos durchzuführen.“

Lieber solle man sich mit der SPD vereinigen als mit der DVP (Deutsche Volkspartei), das betrachte man als „Verrat“.

Einen Vortrag in Augsburg (wo der Schwiegervater Beckers Bankier war), lehnte er 1929 hingegen ab; er will sich nicht exponieren (Nr. 91/92).

Die DDP-Breslau schreibt zum Rücktritt Beckers (Nr. 94, 1.2.1930): „Ihr Ausscheiden aus dem Ministerium bewegt uns schmerzlich.“

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Der Briefwechsel mit der Deutschen Kolonialgesellschaft 1909-1933 (Nr. 95-103) ergab sich aus Beckers Tätigkeit am Hamburger Kolonialinstitut 1908-1913. So bittet er 1909 um eine Unterstützung der „Enzyklopädie des Islam“, einer internationalen Unternehmung (Nr. 95) – mit Erfolg (Nr. 97).

Im folgenden Jahr hält er vor der DKG einen Vortrag zu dem Thema „Die Araber als Kolonisatoren“.

Auch vor der Filiale der DKG in London hielt Becker 1911 einen Vortrag: „Der Islam und die Kolonisierung Afrikas.“

1931 tritt Becker aus der DKG aus. (Nr. 103)


1 Formal zum Osmanischen Reich gehörend, wird Ägypten am 18.12.1914 britisches Protektorat; zuvor schon im November Zypern!

2 Nach einem russischen Vorstoß Januar bis April 1916 in Armenien und Persien wird Türkisch-Armenien im August 1916 zurückerobert. Der Herausgeber (nach dtv-Weltgeschichte 2)

Nunziatura Apostolica Germania, 1926

HA.VI. Nachl. C.H.Becker. Rep.92 Becker V. Nr. 2608

570. Nunziatura Apostolica Germania. Berlino, 12 Aprile 1926

Signor Luigi Centoz an C.H.B.

Eccellenza,

Nella fausta ricorrenza del Suo 50e compleanno mi permetto rispettosamente di offrire all’Eccellenza Vostra, con le più vive felicitazioni par un passato cosi pieno di meriti nel campo scientifico e verso la Patria, i più fervidi e sinceri voti di prosperità e di celesti favori.

Ad multos annos!´”

Nel pregare Vostra Eccellenza a voler compiacersi di gradire l’espressione di questi sentimenti, profitto ben volentieri dell ‘opportunità per confermarmi, con l’omaggio della più alta considerazione,

dell’Eccellenza Vostra (gez.) Sa. Luigi Centoz.

Dr. Bredow, 1924/25

HA VI. Nl. C.H.Becker. Rep 92 Becker B. Nr. 7989

566.  Dr. Bredow an C.H.B. Berlin, 6.5.1924

Der Staatssekretär im Reichspostministerium

(Maschinenmanuskript)

Sehr verehrter Herr Staatssekretär!

Seit der Einführung des rundfunks ist das Funkwesen aus seiner früheren Abgeschlossenheit herausgetreten und Allgemeingut des deutschen Volkes geworden. Trotzdem wir erst am Beginn der neuen Entwicklung stehen, ist schon jetzt unverkennbar, daß die Massenverbreitung von Nachrichten sowie künstlerischen und belehrenden Darbietungen einen Einfluß auf das kulturelle und wirtschaftliche Leben unseres Volkes ausüben wird, dessen Auswirkungen unübersehnbar sind.

Die Verwendung der drahtlosen Telephonie als Nachrichten mittel für alle stellt der technik und der wissenschaftlichen Forschung neue Aufgaben in großer Zahl, von deren Lösung es abhängig ist, ob Deutschland sich auf diesem Gebiet die Stellung erhalten kann, die deutsche Forscher und Techniker ihm bisher gesichert haben.

Im Auslande, besonders in Amerika, England und Frankreich, ist die Industrie in der Lage, große Mittel für die Forschungszwecke aufzuwenden, die ausländischen Forschungsstätten verfügen über genügend Hilfsquellen; die deutsche Industrie muß dagegen um ihre Existenz kämpfen und sich auf das Notwendigste beschränken, während die wissenschaftlichen Institute nicht einmal in der lage sind, die früheren Aufgaben durchzuführen, geschweige denn neue zu übernehmen.

Will Deutschland in der Weiterentwicklng seines Funkwesens sich in Zukunft nicht ganz vom Auslande abhängig machen, so muß es versuchen, nter Aufwendung von wenig Mitteln möglichst viel zu erreichen. Das ist nur möglich, wenn Wissenschaft und Technik eng zusammenarbeitet und die Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.

Zur Durchführung dieses Gedankens bedarf es einer Stelle, die unsere besten wissenschaftlichen und technischen Kräfte zu gemeinsamer Arbeit zusammenfaßt. Mit dem Vorschlage, zu diesem Zwecke eine Heinrich-Hertz-Gesellschaft zu gründen, wollen wir gleichzeitig die Ehrenschuld abtragen, die das Funkwesen der ganzen Welt unserem Landsmann schuldet.

Die Heinrich-Hertz-Gesellschaft soll u. a. folgende Aufgaben übernehmen:

    1. Die Zusammenarbeit zwischen Wissenschaft und technik zu fördern und anregend auf die Forschung zu wirken.
    2. Durch Heranziehung von Förderern Geldmittel für Forschungsarbeiten zu sammeln.
    3. Forscher und wissenschaftliche Institute zu unterstützen.
    4. Besondere Leistungen zu belohnen.

Ich bitte Sie um Ihre Mitwirkung und würde es sehr begrüßen, wenn Sie dem Ehrenausschuß beitreten würden, der die Gründung vorbereitet.

Um baldige Antwort wird gebeten, da die Gründung bereits für Ende Mai in Aussicht genommen ist.

Mit vorzüglicher Hochachtung

(gez.) Dr. Bredow.

Anmerkung Beckers vom 8.5.: Herrn Min. Dir. Krüß zur gefälligen baldigen Äußerung.

 

567. C.H.B. an Dr. Bredow. Berlin, 27.5.1924

Privatsekretariat

(Maschinenkopie)

Sehr verehrter Herr Staatssekretär!

Auf das gefällige Schreiben vom 6. d.M. teile ich Ihnen ergebenst mit, daß ich gern bereit bin, dem Ehrenausschuß der neu zu gründenden Heinrich-Hertz-Gesellschaft beizutreten.

Mit vorzüglicher Hochachtung (CHB)

 

568. Dr. Bredow an C.H.B. Berlin, 7.7.1924

(Maschinenmanuskript)

Betr.: Heinrich-Hertz-Gesellschaft

Sehr geehrter Herr Staatssekretär!

Mit gleicher post überreiche ich Ihnen Werbematerial für die Heinrich-Hertz-Gesellschaft mit der Bitte, in den Kreisen Ihrer Freunde die Werbung freundlichst aufzunehmen. Weitere Exemplare der Werbedrucksachen stehen auf Anforderung gern zur Verfügung.

Mit den besten Empfehlungen Bredow (Namenstempel!)

 

569. Dr. Bredow an C.H.B. Berlin, 28.12.1925

(Maschinenmanuskript)

Sehr verehrter Herr Minister!

Zu meinem Bedauern höre ich, daß Sie aus gesundheitlichen Gründen die für den 7. Januar aus Anlaß der Eröffnung der pädagogischen Rundfunkvorträge in Aussicht genommene Einführungsansprache nicht persönlich halten können. Wie ich von Herrn Geheimrat Pallat hörte, würden Sie jedoch bereit sein, in diesen Tagen eine Schallplatte zu besprechen, mit deren Hilfe dann die Verbreitung vorgenommen werden könnte. Ich habe daher veranlaßt, daß die Telegraphie G.m.b.H., System Dr. Stille, Viktoriastraße 33 I., ihr neues Besprechungsverfahren zu diesem Zweck zur Verfügung stellt. Die Aufnahme kann im Laboratorium der Gesellschaft nach vorheriger Benachrichtigung des Leiters, Dr. Stille, Fernsprechnummer Nollendorf 7595, zu einer Ihnen genehmen Zeit erfolgen.

Mit dem aufrichtigen Wunsche, daß Ihr Erholngsurlaub Ihnen volle Genesung bringen möge, bin ich, sehr verehrter Herr Minister, Ihr sehr ergebener (gez.) Bredow.

Anmerkung: Terminnotiz: Donnerstag 10.15 h

Anmerkung des Sekretriats: Die Rede des Herrn Ministers siehe unter Akte: Reden.